Stanislaw Lem - Transfer
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Prometheus< und dem Kleinplaneten herrschte ein Unterschied der Potentiale. Es konnten<br />
Milliarden von Volt sein. Sogar noch mehr. Als Thomas landete, da sprang ein Funke über. Das<br />
war dieses Aufleuchten: Von der plötzlichen Hitze kam der Staub hoch, und nach einer Minute<br />
war die ganze Scheibe durch die Wolke verdeckt. Wir hörten ihn nicht mehr - sein Radio knatterte<br />
nur. Ich war stockwütend, am meisten gegen mich selbst, dass ich das zu wenig beachtet habe.<br />
Die Rakete hatte besondere, spitzenförmige Blitzableiter, und die elektrische Ladung hätte ganz<br />
leise wie Elmsfeuer abfließen müssen. Tat es aber nicht. Übrigens kommen da schon Entladungen<br />
vor, aber nicht solche. Diese war von einer ungewöhnlichen Stärke. Gimma fragte mich nach<br />
meiner Meinung, wenn sich wohl die Wolke legen würde. Thurber stellte keine Fragen, es war ja<br />
klar, dass Tage vergehen mussten. Und Nächte.«<br />
»Tage und Nächte?«<br />
»Ja. Denn die Gravitation ist äußerst gering. Ein aus der Hand losgelassener Stein fällt manchmal<br />
einige Stunden lang. Und erst der Staub, der Hunderte von Metern hochgewirbelt wurde! Ich sagte<br />
Grimma, er solle sich um seinen eigenen Kram kümmern, wir müssten warten.«<br />
»Und konnte man da nichts tun?«<br />
»Nein. Das heißt, hätte ich mit Sicherheit annehmen können, dass Thomas in der Rakete steckte,<br />
dann konnte ich etwas riskieren. Ich konnte den >Prometheus< dann wenden und aus nächster<br />
Nähe mit vollem Schub so blasen, dass sich dieser ganze Dreck auf die gesamte Galaxis verteilt<br />
hätte. Aber diese Gewissheit hatte ich eben nicht. Und ihn suchen?... Die Oberfläche dieses<br />
Miniplaneten glich ihrer Größe nach der von - weiß ich – vielleicht von Korsika. Außerdem<br />
konnte ich in der Staubwolke ganz nah an ihm vorbeigehen, ohne ihn überhaupt gesehen zu<br />
haben. Es gab nur eine Lösung. Sie lag in seiner Hand. Er konnte starten und zurückkehren.«<br />
»Und tat er es nicht?«<br />
»Nein.«<br />
»Weißt du, warum?«<br />
»Ich denke, schon. Er hätte dann einen Blindstart machen müssen. Ich sah wohl, dass die Wolke<br />
bis - na, sagen wir - eine halbe Meile über die Oberfläche reichte - er aber wusste das nicht. Er<br />
hatte bestimmt Angst, mit irgendeinem Überhang, einem Felsen zusammenzustoßen. Er konnte<br />
auch ebensogut auf dem Boden eines tiefen Felsspalts landen. Also hingen wir da so herum, einen<br />
Tag und noch einen zweiten - Sauerstoff und Vorräte hatte er für sechs Tage mit. Die eiserne<br />
Ration. Selbstverständlich war niemand imstande, etwas zu tun. Man ging nur so herum und<br />
dachte sich die verschiedensten Möglichkeiten aus, um Thomas aus diesem blöden Schlamassel<br />
herauszuholen. Die Emmitoren. Die unterschiedlichen Wellenlängen. Sogar Leuchtkörper haben<br />
wir dort hineingeworfen. Aber sie blitzten nicht einmal auf, die Wolke war finster wie ein Grab.<br />
Der dritte Tag- die dritte Nacht. Die Messungen bewiesen, dass die Wolke sank, aber ich war<br />
nicht sicher, ob sie innerhalb der siebzig Stunden, die Thomas noch geblieben waren, ganz sinken<br />
würde. Ohne Essen konnte er schließlich noch länger sitzen, aber nicht ohne Luft. Plötzlich kam<br />
mir eine Idee. Ich überlegte folgendermaßen: Thomas' Rakete ist vorwiegend aus Stahl. Wenn es<br />
auf diesem verfluchten Planetoiden keine Eisenerze gibt, wird es vielleicht gelingen, ihn mit dem<br />
Ferroweiser zu finden. Mit so einem Apparat zur Entdeckung eiserner Gegenstände, weißt du. Wir<br />
hatten da einen, der sehr empfindlich war. Reagierte auf einen Nagel aus einer Entfernung von<br />
dreiviertel Kilometern. Eine Rakete würde er auf viele Meilen entfernt finden. Wir mussten dann<br />
mit Olaf noch dies und jenes in diesem Apparat nachsehen. Dann sagte ich Gimma Bescheid - und<br />
flog los.«<br />
»Allein?«<br />
»Ja.«<br />
»Warum allein?«<br />
»Weil wir ohne Thomas nur noch zwei waren und der >Prometheus< einen Piloten haben<br />
musste.«<br />
»Und die anderen waren einverstanden?«<br />
Ich lächelte in der Dunkelheit.<br />
»Ich war erster Pilot. Gimma konnte mir nichts befehlen, nur vorschlagen, dann berechnete ich<br />
die Chance und sagte ja oder nein. Aber in kritischen Situationen lag die Entscheidung bei mir.«<br />
»Und Olaf?«