Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Eri half mir einzusteigen, zog den Glider zurück, bis das Autowrack mit einem langanhaltendem<br />
Gedröhn von Blech auf die Seite fiel, und fuhr los. Wir fuhren zurück. Ich schwieg, die Lichter<br />
flossen vorbei. Mein Kopf wackelte auf der Schulter, immer noch groß und schwer. Vor dem<br />
Häuschen stiegen wir aus. Die Fenster waren immer noch erleuchtet, als wären wir selber da drin.<br />
Sie half mir hineinzugehen. Ich legte mich aufs Bett. Sie ging an den Tisch, um ihn herum, auf die<br />
Tür zu. Ich sprang auf:<br />
»Gehst du fort?«<br />
Sie lief zu mir, glitt am Bett auf die Knie und sagte mit ihrem Kopf: »Nein.«<br />
»Nicht?«<br />
»Nein.«<br />
»Und wirst du nie fortgehen?«<br />
»Nie.«<br />
Ich umarmte sie. Sie legte die Wange an mein Gesicht, und mich verließ nun alles: die schon<br />
verglimmende Glut meiner Starrköpfigkeit, Wut und Irrsinn der letzten Stunden, die Angst, die<br />
Verzweiflung. Leer lag ich da, wie tot - drückte sie nur an mich, immer fester, als wären meine<br />
Kräfte wiedergekommen. Es herrschte Stille, das Licht glitzerte auf den goldenen Wandbehängen<br />
des Zimmers. Irgendwo in der Ferne, fast wie in einer anderen Welt, hinter dem offenen Fenster,<br />
rauschte der Stille Ozean.<br />
Es mag ungewöhnlich erscheinen, aber wir sprachen weder an diesem Abend noch in dieser Nacht<br />
ein Wort. Nichts. Erst am nächsten Tag, spät, erfuhr ich, wie es gewesen war: als ich wegfuhr,<br />
kam sie recht bald dahinter, weshalb, und erschrak, wusste nicht, was sie tun sollte- wollte zuerst<br />
den weißen Roboter rufen, begriff aber, dass dies nichts nützen würde. Auch »er« - sie nannte ihn<br />
nie anders -, er würde da auch nicht helfen. Vielleicht Olaf. Olaf ganz bestimmt. Aber sie wusste<br />
nicht, wo sie ihn suchen sollte, außerdem war ja keine Zeit zu verlieren. So nahm sie den<br />
Hausglider und fuhr mir nach. Bald hatte sie mich eingeholt und blieb hinter mir, solange es noch<br />
eine Chance gab, dass ich nur in das Häuschen zurück wollte.<br />
»Wärest du ausgestiegen?« fragte ich.<br />
Sie zögerte. »Ich weiß nicht. Glaube wohl schon. Jetzt denke ich so, aber ich weiß es selbst nicht<br />
genau.«<br />
Dann, als sie merkte, dass ich weiterfuhr, erschrak sie noch mehr. Den Rest kannte ich schon.<br />
»Nein. Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte ich. »Jetzt kann ich noch immer nichts begreifen.<br />
Wie konntest du das nur tun?«<br />
»Ich... ich hab' mir gesagt, dass da nichts passieren darf.«<br />
»Und wusstest, was und wo ich es tun wollte?«<br />
»Ja.«<br />
»Woher?«<br />
Nach einer langen Weile: »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich dich schon ein kleines bisschen<br />
kannte...«<br />
Ich schwieg. Viele Fragen wollte ich noch stellen, traute mich aber nicht. Wir standen am Fenster.<br />
Mit geschlossenen Augen, die sich hinter dem Ozean öffnende Weite spürend, sagte ich: »Na<br />
schön, Eri... aber nun? Was wird nun.., werden?« »Das sagte ich dir schon.«<br />
»Aber so will ich es nicht«, flüsterte ich.<br />
»Anders kann es nicht sein«, antwortete sie nach einer langen Pause. »Und übrigens...«<br />
»Übrigens?«<br />
»Will ich nicht.«<br />
An diesem Abend wurde es irgendwie fast wieder schlimmer. Denn dies kam und drängte sich<br />
vor, fiel zurück - warum wohl? Keine Ahnung. Sie wusste es wohl auch nicht. Nur in den<br />
entscheidenden Augenblicken schienen wir uns näherzukommen, erst dann kannten wir einander<br />
und vermochten uns zu verstehen. Und die Nacht. Und noch ein Tag.<br />
Und am vierten Tag hörte ich sie telefonieren und bekam eine furchtbare Angst. Später weinte sie<br />
dann. Aber beim Mittagessen lächelte sie bereits.<br />
Und so waren dann der Anfang und das Ende. Denn in der nächsten Woche fuhren wir nach Mae,<br />
Bezirksmitte, und dort, vor einem weißgekleideten Mann, sprachen wir die Formeln aus, die uns<br />
zu einem Ehepaar machten. An demselben Tag telegrafierte ich an Olaf. Am nächsten Tag ging