Stanislaw Lem - Transfer
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»Wieso?«<br />
Jetzt sah ich sie wiederum an, verdutzt, verständnislos.<br />
»Sie... sagten doch gestern...«<br />
Ich wartete.<br />
»...dass... Sie mich mitnehmen werden.«<br />
»Ja.«<br />
»Und er?«<br />
»Soll ich nicht mit ihm sprechen?« wiederholte ich dämlich.<br />
»Wieso sprechen? Sie - allein?«<br />
»Wer denn sonst?«<br />
»Muss es also.., das Ende sein?«<br />
Irgend etwas würgte mich; ich räusperte mich wieder. »Aber... es gibt doch keinen anderen<br />
Ausweg.«<br />
»Ich... ich dachte.., es wäre ein Mesk.«<br />
»Ein... was?«<br />
»Wissen Sie es denn nicht?«<br />
»Nein. Ich weiß es nicht. Verstehe kein Wort. Was ist das denn?« fragte ich und fühlte ein<br />
ungutes Frösteln. Wieder stieß ich an eine dieser plötzlichen Grenzen, an ein sumpfiges<br />
Missverständnis.<br />
»Es ist so. Ein... eine solche.., wenn jemand einen findet... und für einige Zeit dann möchte... - ja,<br />
wissen Sie wirklich nichts davon?«<br />
»Warte, Eri. Ich weiß nichts, aber nun scheine ich doch etwas... ist es so etwas Provisorisches, so<br />
ein Interimszustand, so ein Augenblicksabenteuer?«<br />
»Nein«, sagte sie, und ihre Augen wurden ganz rund. »Sie wissen also nicht.., wie das... Selbst<br />
weiß ich es auch nicht so genau, wie das ist«, gab sie plötzlich zu. »Hörte nur davon. Und dachte,<br />
dass Sie deshalb...«<br />
»Eri- ich weiß nichts. Und der Teufel soll mich holen, wenn ich etwas kapiere. Hat das.., nun,<br />
jedenfalls hängt es wohl irgendwie mit der Ehe zusammen, ja?«<br />
»Na ja. Man geht dann in so ein Amt und dort - ich weiß nicht genau - jedenfalls später ist.., ist es<br />
dann schon...«<br />
»Aber was?«<br />
»Endgültig. So, dass man nichts sagen darf. Keiner. Das heißt, auch er...«<br />
»Also ist es doch.., eine Art Legalisierung - na, zum Teufel-, Legalisierung des Ehebruchs? Ja?«<br />
»Nein. Ja. Das heißt, es ist dann kein Ehebruch, übrigens – so sagt man nicht mehr. Es gibt keinen<br />
Ehebruch, denn, na, weil ich mit Seon nur für ein Jahr...«<br />
»Waas?« sagte ich und meinte mich verhört zu haben. »Und was heißt das? Wieso auf ein Jahr?<br />
Jahresehe? Probeehe? Nur auf ein Jahr? Warum?«<br />
»Es ist ein Versuch...«<br />
»Ihr großen, schwarzen und blauen Himmel! Eine Probe also. Und was ist - Mesk? Vielleicht ein<br />
Aviso fürs nächste Jahr?«<br />
»Ich weiß nicht, was ein Aviso ist. Ehebruch - ja, ich habe davon gehört. Aber hier- das bedeutet,<br />
wenn eine Ehe nach einem Jahr auseinandergeht, dann wird das andere dann gültig. Wie eine<br />
Trauung.«<br />
»Dieser Mesk?«<br />
»Ja.«<br />
»Und wenn nicht - was dann?«<br />
»Nichts. Das hat keine Bedeutung.«<br />
»Aha. Na, dann weiß ich's schon. Nein. Gar kein Mesk. In alle Ewigkeit. Weißt du, was das<br />
heißt?«<br />
»Ja. Herr Bregg?«<br />
»Nun?«<br />
»Ich mache in diesem Jahr meine Prüfung in Archäologie...«<br />
»Ich begreife schon. Du gibst mir zu verstehen, dass ich – indem ich dich für idiotisch halte, im<br />
Grunde selbst ein Vollidiot bin - stimmt's?«