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Stanislaw Lem - Transfer

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Ich berührte ihr Haar. Streichelte es mit meinen Fingerspitzen, erkannte es, noch so fremd, so<br />

unerwartet. So sehr wollte ich das alles verstehen. Aber vielleicht gab es da nichts zu verstehen?<br />

Was für eine Stille. Schlief Olaf wohl schon? Kaum. Saß wahrscheinlich da, lauschte. Wartete.<br />

Also hin zu ihm. Aber ich konnte es nicht. Nein. Ich legte meinen Kopf an ihre Schulter. Ein<br />

Ruck, und schon war ich bei ihr. Ich spürte, wie ihr ganzer Körper steif wurde. Sie schob mich<br />

zurück.<br />

Ich flüsterte: »Keine Angst.«<br />

»Nein.«<br />

»Du zitterst.«<br />

»Nur so.«<br />

Ich umarmte sie. Die Last ihres Kopfes auf meiner Schulter verschob sich bis in die<br />

Ellenbogenbiegung. Wir lagen beieinander, und es gab die schweigende Finsternis.<br />

»Spät schon«, murmelte ich. »Sehr spät. - Du musst schlafen. Bitte. Schlaf.«<br />

Ich wiegte sie allein durch eine langsame Anspannung meiner Schulter. Sie lag still, doch spürte<br />

ich die Wärme ihres Körpers und Atems. Der ging schnell. Und ihr Herz schlug Alarm. Langsam,<br />

nur langsam wurde es ruhiger. Sie musste sehr müde sein. Ich horchte erst mit offenen, dann mit<br />

geschlossenen Augen, denn so schien ich besser zu hören. Ob sie schon schlief? Wer war sie?<br />

Warum bedeutete sie mir soviel? Ich lag in dieser Finsternis, vom Wind hinter dem Fenster<br />

angeweht, der manchmal in den Vorhängen raschelte. Ich war von reglosem Staunen erfüllt.<br />

Ennesson. Thomas. Venturi. Arder. Also deshalb gab es das alles? Deshalb? Eine Handvoll Staub.<br />

Dort, wo niemals ein Wind weht. Wo es weder Wolken noch Sonne, noch Regen, überhaupt<br />

nichts gibt, und zwar so wörtlich, als ob es nicht möglich wäre, als ob es sich nicht einmal denken<br />

ließe. Und ich bin dort gewesen? Wirklich?<br />

Ja - wozu?<br />

Nichts wusste ich nun mehr, alles floss zu einer gestaltlosen Finsternis zusammen- ich erstarrte.<br />

Sie zuckte zusammen. Langsam drehte sie sich auf die Seite. Ihr Kopf blie b aber auf meiner<br />

Schulter. Sie murmelte ganz leise etwas und schlief weiter.<br />

Ich versuchte mir die Chromosphäre von Arkturus vorzustellen. Einen riesenhaften gähnenden<br />

Raum, über den ich geflogen und geflogen bin, mich wie auf einem schrecklichen, unsichtbaren<br />

Feuerkarussell drehend, mit tränenden, verschwollenen Augen und teilnahmslos immerfort<br />

wiederholend: >Sonde, Null, Sieben. Sonde, Null, Sieben. Sonde, Null, SiebenEriEri.< Wie die<br />

Stimme eines Vogels. So ein Name! Vogelstimme... Wie haben wir Ennesson angebettelt,<br />

Vogelstimmen zu imitieren. Er konnte das. Und wie er das konnte! Und als er umgekommen war -<br />

und mit ihm alle diese Vögel...

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