Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Stanislaw Lem - Transfer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Menschen kamen durch zahlreiche Klappen heraus, als ob diese Ungeheuer, diese<br />
chromglitzernden Fische in regelmäßigen Zeitabschnitten schwarze und bunte Roggenhaufen<br />
absonderten. Über all diesen Dingen sah ich weit hinten, durch einen Nebel der Entfernung,<br />
bewegt wie auf einem unsichtbaren Seil, goldene Buchstaben:<br />
GLENIANA ROON DIE HEUTE DURCH DIE AUFNAHME EINES MIMORPHISCHEN<br />
REALS WIEDERKOMMT EHRT IN EINEM ORATORIUM DAS ANDENKEN VON<br />
RAPPER KERX POLITER. TERMINAL TAGESZEITUNG GIBT BEKANNT: PETIFARGUE<br />
BRACHTE HEUTE IN AMMONLEE DAS ERSTE ENSOM ZUR SYSTOLYSIERUNG. DIE<br />
STIMME DES GROSSEN.GARVISTIKERS BRINGEN WIR UM SIEBENUNDZWANZIG<br />
UHR. SIEG ARRAKERS. ARRAKER WIEDERHOLTE SEINEN ERFOLG ALS ERSTER<br />
OBLITAERITER DER SAISON IM TRANSVALL STADION.<br />
Ich ging weiter. Also hat sich sogar die Zeitrechnung verändert. Metallische Stoffe der<br />
Frauenkleider, vom Licht der Riesenlettern getroffen, die wie ganze Reihen brennender Seiltänzer<br />
über dem Meer von Menschenköpfen liefen, erzitterten plötzlich mit kleinen Flammen. Ich ging,<br />
ohne es zu wissen, und irgend etwas wiederholte in mir immer wieder: »Also hat sich sogar die<br />
Zeit geändert.« Das gab mir fast den Rest. Mit offenen Augen sah ich nichts. Ich wollte nur eins:<br />
heraus hier, aus diesem verflixten Bahnhof, unter den freien Himmel, in einen freien Raum, wo<br />
man die Sterne sehen und den Wind fühlen kann. Eine Allee langgezogener Lichter zog mich an;<br />
im durchsichtigen Stein der Decke schrieb wieder etwas - die Buchstaben zog eine scharfe, in<br />
Alabaster eingeschlossene Flamme: TELETRANS TELEPORT TELETHON. Durch eine<br />
Bogentür – nur war es ein schier unmöglicher, aus den Fugen geratener Bogen, wie das Negativ<br />
eines Raketenschnabels - gelangte ich in einen Saal, der mit vereistem, goldenem Feuer bedeckt<br />
war. In den Wandnischen- Hunderte von Kabinen. Menschen liefen da hinein, eilten wieder<br />
hinaus, warfen zerrissene Streifen auf den Boden, nein, keine Telegrammstreifen, es war etwas<br />
anderes, mit ausgestanzten Knöpfchen, andere traten auf diese Fetzen. Ich wollte hinaus, trat<br />
irrtümlich in einen dunklen Raum, etwas surrte dort, dann leuchtete es wie eine Fotolampe auf,<br />
und aus einer mit Metall eingefassten Ritze glitt ein zusammengelegter Bogen glitzernden<br />
Papiers. Ich nahm ihn, öffnete, und ein menschlicher Kopf mit nicht ganz geschlossenen, leicht<br />
verzerrten, dünnen Lippen sah mich mit blinzelnden Augen an: ich selbst war es! Ich legte das<br />
Papier wieder zusammen, und der Plastikspuk verschwand. Langsam öffnete ich die Bogenränder<br />
- nichts – etwas weiter- da kam er wieder, wie aus dem Nichts, ein Kopf, wie vom Rumpf<br />
abgeschnitten, mit einem nicht gerade intelligenten Ausdruck, über dem Papier schwebend. Einen<br />
Augenblick lang sah ich mein eigenes Gesicht an - was war es wohl, ein dreidimensionales Foto?<br />
Ich steckte den Bogen in die Tasche und ging. Die goldene Hölle schien auf die Köpfe der<br />
Menschen herabzufallen, eine Decke aus Feuermagma, unwirklich, aber wie ein wirkliches Feuer<br />
wütend. Niemand sah hin. Die Leute liefen emsig von einer Kabine zur anderen, grüne<br />
Buchstaben hüpften im Hintergrund, Zahlenkolonnen flossen auf schmalen Scheiben hinunter,<br />
noch andere Kabinen, Rollos statt Türen, die blitzartig beim Herannahen hochschnellten - endlich<br />
fand ich den Ausgang.<br />
Ein Korridor mit abschüssigem Boden wie manchmal im Theater. Aus den Wänden schossen<br />
stilisierte Muscheln, oben liefen endlos die Worte: INFOR INFOR INFOR. Einen Infor sah ich<br />
zum ersten Male auf der Luna und meinte, dass es eine künstliche Blume wäre. Ich brachte mein<br />
Gesicht dicht an den hellgrünen Kelch, der sofort, noch ehe ich die Lippen öffnete, in Erwartung<br />
erstarrte.<br />
»Wo kann ich hier raus?« fragte ich nicht sehr geistreich.<br />
»Wohin?« erwiderte sofort eine warme Altstimme.<br />
»In die Stadt.«<br />
»In welches Viertel?«<br />
»Egal. «<br />
»Auf welche Ebene?«<br />
»Egal. Ich will aus dem Bahnhof heraus!«<br />
»Meridional, Raster: einhundertsechs, einhundertsiebzehn, null acht, null zwei. Tridukt, Ebene<br />
AF, AG, AC, Mythenebene Rundweg, zwölf und sechzehn, Nadir-Ebene führt in jede südliche<br />
Richtung. Zentral-Ebene, Glider, lokal - rot, fern - weiß, A, B und W. Ulder-Ebene, unmittelbar,