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AufgeHorcht 1/06

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<strong>AufgeHorcht</strong><br />

Ein "Piccolo" kommt groß heraus<br />

Verkehrsmuseum Dresden gibt Einblicke in die Thüringer Fahrzeugfertigung -<br />

Automobilbau-Unternehmen Ruppe aus Apolda strahlte auch nach Sachsen aus<br />

Ein ziemlich vom Zahn der Zeit angenagtes Automobil auf der<br />

einen und ein stolzer Oldtimer auf der anderen Seite sind die<br />

“Hingucker” in der neuesten Sonderausstellung des Verkehrsmuseums<br />

Dresden. Beide Fahrzeuge verkörpern das gleiche<br />

Modell, sind etwa hundert Jahre alte “Piccolos”. Gefertigt hat<br />

diese Motorwagen die Automobilfirma A. Ruppe & Sohn aus dem<br />

thüringischen Apolda. 1904 stellte das Unternehmen sein erstes<br />

luftgekühltes Fahrzeug mit dem Markennamen “Piccolo” in<br />

Leipzig vor. Der kutschenähnliche Aufbau bot zwei Personen<br />

Platz, hatte keine Türen und auch kein Verdeck. Angetrieben<br />

wurde der Wagen durch einen luftgekühlten Zweizylindermotor<br />

in V-Anordnung (anfangs zwei gekoppelte Apoldiana-Motoren)<br />

mit fünf PS.<br />

Reizvoller Gegensatz - ein restaurierter und ein unrestaurierter "Piccolo", beide<br />

aus dem Jahr 1907, bilden den Blickfang der neuen Sonderausstellung im<br />

Verkehrsmuseum Dresden.<br />

Die Kleinwagen-Strategie der Firma Ruppe zahlte sich von<br />

Anfang an aus. Vor allem Ärzte, Geschäftsleute und Handwerker<br />

schätzten den “Piccolo” wegen des niedrigen Anschaffungspreises<br />

(2000 Mark), der guten Qualität, der Strapazierfähigkeit<br />

und wegen vieler Erfolge im nationalen wie internationalen<br />

Rennsport. Vor allem die Enkel Arthur und Paul von Firmengründer<br />

Albert Ruppe waren begeisterte Rennfahrer. Der dritte<br />

Enkelsohn Hugo, wie seine Brüder in dem von Vater Berthold<br />

Ruppe übernommenen Automobilbaubetrieb tätig und zwar als<br />

Chefkonstrukteur, verließ jedoch nach Streitigkeiten 1907 das<br />

Unternehmen und gründete 1908 seine eigene Firma in der<br />

Nähe von Leipzig - die Markranstädter Automobilfabrik MAF. Er<br />

baute dort vor allem Kleinwagen bis 25 PS. Bekannt wurde der<br />

Spross der dritten Ruppe-Generation hauptsächlich als Konstrukteur<br />

eines Zweitakt-Kleinexplosionsmotors, der vom<br />

Spielzeugmotor “Des Knaben Wunsch” über einen Fahrradhilfsmotor<br />

schließlich die Basis bildete für die DKW-<br />

Zweitaktmotoren in Rasmussens Motorradfabrik Zschopau.<br />

Doch zurück zu den “Piccolos” nach Apolda. Autos entwickelten<br />

sich Anfang des 20. Jahrhunderts schnell zu einem Statussymbol.<br />

Leistung, Komfort und moderne Gestaltung zählten. Der Preis<br />

war sekundär. Das führte 1908 zu einem schwindenden Interesse<br />

an den “Piccolos”. Die Firma griff jedoch noch einmal die Idee<br />

des “Volksautomobils” auf und produzierte ab 1909 den einzylindrigen<br />

“Mobbel”, mit 1500 Mark das preiswerteste deutsche<br />

Auto jener Zeit. Doch dieser Versuch konnte das<br />

Unternehmen nicht retten. 1910 wurde der letzte “Piccolo” in<br />

Apolda produziert.<br />

Das topp restaurierte Fahrzeug aus<br />

Privathand ist fahrbereit. Aus Sicherheitsgründen<br />

wird es von Museumsmitarbeitern<br />

zu seinem Platz in der<br />

Sonderausstellung geschoben.<br />

Fotos: Reichel<br />

Die Familie Ruppe verließ das<br />

Unternehmen. Konstrukteur<br />

Carl Slevogt, zuvor bei Puch<br />

sowie Laurin & Klement tätig, setzte die Automobilproduktion<br />

unter dem Markennamen “Apollo” fort und kaufte 1921 auch die<br />

MAF, die Firma von Hugo Ruppe, auf. Doch auch diese neue Ära<br />

mit einer Fahrzeugpalette, die von Ein- bis Achtzylinder-<br />

Motorisierungen reichte, überlebte die 1920er Jahre nicht. Die<br />

sinkende Zahl von Autokäufern in jener Zeit und fehlende<br />

Finanzmittel, um die Fahrzeugproduktion rationeller zu gestalten,<br />

waren Hauptgründe, weshalb die Marke “Apollo” und damit der<br />

Apoldaer Automobilbau 1928 erloschen.<br />

Heute gibt es weltweit noch schätzungsweise zwölf “Piccolo”-<br />

Wagen. “Gerade auf dem Gebiet der Luftkühlung verkörpert<br />

diese Marke eine echte Ingenieursleistung von damals”, betont<br />

Thomas Giesel, Kustos für Kraftverkehr im Verkehrsmuseum<br />

Dresden. Das unrestaurierte Modell in der Sonderschau steht<br />

bereits seit vielen Jahren im Depot des Museums. Es besitzt eine<br />

gute Originalsubstanz. “Wenn das Füllhorn über das Verkehrsmuseum<br />

ausgeschüttet wird, dann erhält es einen Platz ganz vorn<br />

auf der Prioritätenliste”, verweist der Kustos auf die Abhängigkeit<br />

vom Geld, um das Fahrzeug restaurieren zu können. Das Pendant<br />

zum Museums-Modell ist ein in sehr gutem Zustand befindliches<br />

Fahrzeug eines privaten Oldtimerfreundes aus Sachsen. Beide<br />

“Piccolo” werden auf das Jahr 1907 datiert. Zu diesem Zeitpunkt<br />

erhielten die Ruppe-Wagen eine Motorhaube.<br />

Viele weitere Informationen zur Familie Ruppe und zum<br />

Fahrzeugbau in Apolda erfährt der Besucher auf reich bebilderten<br />

Informationstafeln. Da werden durchaus auch Ansätze deutlich,<br />

dass die “Piccolo”-Entwicklung noch in andere Richtungen<br />

hätte laufen können, denn eine Ruppe-Tochter ehelichte den<br />

Technischen Direktor von NSU. Auch familiäre Beziehungen zur<br />

belgischen Automobilfirma Minerva sind nachgewiesen.<br />

Ina Reichel<br />

Service<br />

Die Sonderausstellung “Piccolo” - kleiner Wagen der<br />

Zukunft/Fahrzeugbau in Apolda/Thüringen ist noch bis 23. Juli<br />

im Verkehrsmuseum Dresden zu sehen. Sonderführungen<br />

finden am 7. Mai und 16. Juli jeweils um 11.00 Uhr sowie am<br />

17. Mai und 5. Juli jeweils um 16.00 Uhr oder nach<br />

Voranmeldung statt.<br />

Am 19./20. August lädt das Verkehrsmuseum anlässlich des<br />

800-jährigen Stadtjubiläums Dresdens zum Festwochenende<br />

“Dresden mobil” ein.<br />

www.verkehrsmuseum.sachsen.de<br />

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