AufgeHorcht 1/06
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<strong>AufgeHorcht</strong><br />
28 01/20<strong>06</strong><br />
Nur mit Stuck auf Reisen<br />
Teil I<br />
1933. “Aber wir wollen auf allen Rennstrecken der Welt<br />
nur deutsche Siege sehen.” So sagten einige eichenlaubbestückte<br />
Scheiche der NSSK, unter ihnen der sattsam bekannte<br />
Hühnlein, bei einer Sondersitzung in der Reichskanzlei<br />
in Berlin zu den Direktoren der Auto Union und<br />
Mercedes-Benz, als diesen kapitalistischen Unternehmen<br />
aus Staatsmitteln vorerst eine halbe Million Mark für die<br />
Entwicklung und Fertigung von Rennwagen bewilligt wurden.<br />
Die nach Weltgeltung und Völkermord dürstende<br />
Parole Hitlers “Nur deutsche Siege an allen Fronten!”<br />
wurde nun auch zur Forderung in der deutschen Automobilindustrie<br />
gemacht. Die Propagandatrommel dieser<br />
Automobilunternehmen wurde nun heftiger geschlagen.<br />
Die “Oberste Nationale Sportbehörde für die deutsche<br />
Kraftfahrt” in Berlin, Graf-Spee-Straße, gab Befehl - die<br />
Aktionäre rieben sich die Hände.<br />
Und schon heulten 1934 im Wettbewerb der schnellsten<br />
Rennwagen der Welt, bei offenen Fenstern des<br />
Rennversuchs im Werk Horch, nachts die Rennmotoren<br />
auf den Prüfständen und dröhnten bis in den frühen<br />
Morgen, bis sich die gesamte Einwohnerschaft Weißenborns<br />
beim Oberbürgermeister der Stadt Zwickau beschwerte.<br />
Schaustücke höchstentwickelter Fahrzeuge<br />
sollten nun im Kampf mit den Konkurrenzfirmen zeigen,<br />
wer die besten Serienfahrzeuge fertigte. Viele technische<br />
Ereignisse während der Rennen, die ich später aufzeige,<br />
stellen diese Art Propaganda als technische Irreführung<br />
heraus. Wir Monteure haben mit hinter die Kulissen dieser<br />
Machenschaften gesehen. Jahrelang haben die Schlagzeilen<br />
der Presse in die Welt posaunt “Auto Union und<br />
Mercedes-Benz siegen auf allen Rennstrecken der Welt<br />
mit deutschen Jurid-Brems- und Kupplungsbelägen!”.<br />
Wahr ist, dass wir zwei Jahre lang die bedeutendsten<br />
und schwersten Rennen mit englischen MZ- und MR-<br />
”Ferodo”-Bremsbelägen gewonnen haben, weil die deutschen<br />
Bremsbeläge oft restlos versagten. Und das unter<br />
strengster Geheimhaltung gegenüber der Regierung.<br />
So lagen die Dinge, bis der Ruhm der Auto Union den<br />
besten deutschen Rennfahrer bei einer Weltrekordjagd<br />
zur Leiche machte und viele andere mit. Geld, Macht und<br />
Ruhm beherrschten damals die Automobilrennstrecken<br />
der Welt. Oft hätte doch nur der kleinste Handgriff<br />
eines Mechanikers am Start genügt, um zu bestimmen,<br />
welcher Rennwagen im Rennen siegt oder sauer wird.<br />
Aus dem Tagebuch eines<br />
Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker bei der Auto Union die großen Erfolge der<br />
Silberpfeile in den 1930er Jahren miterlebt und genauso die Schattenseiten des<br />
Rennsports kennen gelernt. In der Betriebszeitung des ehemaligen VEB Sachsenring<br />
Zwickau berichtete er Ende der 1950er Jahre über seine Jahre an der Seite von Stuck,<br />
Rosemeyer & Co. “<strong>AufgeHorcht</strong>” startet mit Auszügen aus diesen hochinteressanten<br />
Tatsachenberichten die Serie “Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union”.<br />
Teil 1 befasst sich mit der Sicht Rudolf Friedrichs auf den damaligen Rennsport.<br />
Damit will ich nur sagen, an welch dünnem Faden diese<br />
Propaganda der Autofirmen auf den Rennstrecken hing,<br />
und dass der Sieg und das Leben eines Rennfahrers mit<br />
in unseren Händen lagen. Der dem Rennfahrer zugeteilte<br />
Chefmechaniker war für dessen Rennwagen verantwortlich.<br />
Rudolf Friedrich in der Schlosserei der Rennwagenabteilung<br />
im Horch-Werk bei der Montage von Bremsankerplatten.<br />
Der Erfolg einer solchen Gewaltprüfung mit den hochgezüchteten<br />
16-Zylinder-Motoren mit 560 PS Bremsleistung<br />
bei 6000 U/min und 65 bis 75 Litern Brennstoffverbrauch<br />
auf 100 Kilometern, die auf den Prüfständen oft<br />
bis zum Kirschrotanlaufen der Auslassventile gejagt wurden,<br />
diente doch nur dem Zweck, Propaganda für die Herstellerfirmen<br />
zu machen, den davon abhängigen Absatz<br />
der Serienfahrzeuge zu steigern und damit die Dividenden<br />
hochzujagen.<br />
Oder glaubt jemand, diese teuren Rennwagen, wovon<br />
einer nach Abschluss aller Versuche 68.000 Mark kostete -<br />
ein Motor allein 18.000 Mark - wurden zum Sport der<br />
Rennfahrer gebaut? Diese waren mit ihrem Leben und<br />
Namen nur Mittel zum Zweck, - vertraglich - den Erzeugnissen<br />
der kapitalistischen Automobilunternehmer zu<br />
Weltruf zu verhelfen. Dabei fuhr ihr Leben für die Profitinteressen<br />
einiger Herren oft um Zentimeter und Zehntelsekunden<br />
hart am Tode vorbei.<br />
Der Rennstall der Auto Union verschlang in den fünf<br />
Jahren seines Bestehens die Gesamtsumme von elf<br />
Millionen Mark. Hört Kollegen! Dafür hätten für die damalige<br />
Belegschaft des Horch-Werkes vier der modernsten<br />
Erholungsheime mit je 200 Betten errichtet werden können.<br />
Jeder Arbeiter hätte sich darin vier Jahre lang, jedes