KING KONG KUNSTKABINETT: DISKRETE SUBVERSION (Büchse der Pandora) ISBN 978-3-88178-365-1
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angebracht ist es heute zu denken, dass es eine Zeit vor dem Internet<br />
gegeben haben soll. Kommunikation und Entgrenzung (als Postulate<br />
schon in den Siebzigern verschlissen, später Deckbegriffe für die Ökonomisierung)<br />
sind in Geräten, Webseiten, Netzwerken und E-Mails<br />
unüberholbarer Selbstzweck. Strenggenommen bedeutet dies, man<br />
kann mit dem Internet nichts anfangen; die Rede vom Nutzer ist ein<br />
Euphemismus. Wir Netzwerker schicken uns an, auf Dauer in die Vorläufigkeit<br />
umzuziehen. Verweigerung ist ausgeschlossen. Die drei<br />
Angehörigen des KKKK wissen sehr wohl, dass es nur Ausdruck hilfloser<br />
= masochistischer Renitenz wäre, »den Stecker rauszuziehen«.<br />
Zwar meiden sie Video-Kunst, immaterielle Kunst und Computer-<br />
Bil<strong>der</strong> (im Gegensatz zu Filmen, Videos, Fototextmontagen und Kleinplastik),<br />
weil sie wissen, hier mitzumachen hieße nur, die Simulation<br />
nochmals zu simulieren. Doch sie fahnden nicht mehr nach unbesetzten<br />
Sub- und Supradimensionen, son<strong>der</strong>n widmen sich ganz dem<br />
Oberflächlichen als dem Alternativlosen <strong>der</strong> Wahrnehmung selbst.<br />
Schon vorher war die »aktuelle Sensationskultur und die Banalität des<br />
Gewöhnlichen« (Michael Rutschky) ihr bevorzugtes Motiv-Arsenal.<br />
Aber nun werden die Konturen schlichter und klarer, treten die Figuren<br />
auseinan<strong>der</strong> (sind einzeln zu besichtigen) und erhalten die Ensembles<br />
großflächige Hinter- und Untergründe. Obwohl die Einzelheiten vertraut<br />
sind, muten sie im Kontext außerirdisch an: »Peripherien, Einmöblierungen,<br />
Naturfreundschaften«.<br />
Die Virtualisierung des Lebens wird im KKKK we<strong>der</strong> zurückgenommen<br />
noch wählerisch ausgekostet. Es wird ihr eine an<strong>der</strong>e Virtualisierung<br />
entgegengehalten. Die nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende entstandenen Bil<strong>der</strong><br />
proben eine »Rückerfindung <strong>der</strong> Malerei« durch Intensivierung <strong>der</strong> in<br />
den achtziger und neunziger Jahren erprobten Verfahren: Ȁsthetik <strong>der</strong><br />
Distanz«, Übermalen, Montage, Aneinan<strong>der</strong>reihung, schroffe Fügung,<br />
Umbiegen und Verrücken, »Perspektivenmix«, »Kippeffekt«, Kopplung<br />
von Obsoletem und Bizarrem, »bildhafte Zwischenrufe«. Aus <strong>der</strong><br />
weichen Landung vieler Kunstmacher in <strong>der</strong> Werbeästhetik ziehen die<br />
<strong>KING</strong> <strong>KONG</strong>S den Schluss, dass man Schockbil<strong>der</strong> meiden muss, um<br />
an die Exzesse <strong>der</strong> Normalität heranzukommen. Sie weichen in eine<br />
unerklärte Konsensferne aus und kehren mit »überindividuellem« Blick<br />
zurück. Als wären sie in die Zukunft gereist und suchten nun die Gegenwart<br />
wie eine Vergangenheit heim (Heribert Kuhn). Keine Einfühlung,<br />
keine Zustimmung, keine Ablehnung. Zwar sind auf den meisten<br />
»hybriden Bil<strong>der</strong>n« ominöse Katastrophen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Folgen ausfindig<br />
zu machen. Aber das ist kein Alarmismus. Es wird nicht gewarnt, es ist<br />
schon passiert. So wie es ja tagtäglich in den Fernsehprogrammen<br />
passiert, und beim Herbeiphantasieren von Anschlägen und Naturkatastrophen.<br />
Im <strong>KUNSTKABINETT</strong> erhalten wir Televisionäre<br />
Gelegenheit, unseren Normalzustand zu besichtigen: den Zustand<br />
nach dem Verpuffen <strong>der</strong> Katastrophenpädagogik.<br />
Und heute warten wir darauf, wie das KKKK auf die nächste<br />
Eskalationsstufe in <strong>der</strong> Zusammenschaltung <strong>der</strong> Gehirne und Sinne<br />
reagiert: die Verbreitung mobiler Endgeräte (Smartphones und Tabletcomputer).<br />
Es gilt ja allgemein als Gewinn an Freizügigkeit, wenn wir<br />
auch außer Haus, gehend, fahrend und liegend auf das Weltnetz<br />
zugreifen können. Aber die plausible Entgegensetzung von Stationär<br />
und Mobil täuscht über das Kernproblem hinweg. Hauptsächlich geht<br />
es darum, das menschliche Gehirn in keiner Lage mehr entkommen zu<br />
lassen. Wir werden allmählich daran gewöhnt, lebenslang online zu<br />
13<br />
King Kong Kunstkabinett<br />
<strong>DISKRETE</strong> <strong>SUBVERSION</strong><br />
PictureBook /<br />
<strong>Büchse</strong> <strong>der</strong> <strong>Pandora</strong><br />
14,80 Euro (D/A/CH)<br />
<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-<strong>88178</strong>-<strong>365</strong>-1