26.04.2020 Aufrufe

KING KONG KUNSTKABINETT: DISKRETE SUBVERSION (Büchse der Pandora) ISBN 978-3-88178-365-1

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

angebracht ist es heute zu denken, dass es eine Zeit vor dem Internet<br />

gegeben haben soll. Kommunikation und Entgrenzung (als Postulate<br />

schon in den Siebzigern verschlissen, später Deckbegriffe für die Ökonomisierung)<br />

sind in Geräten, Webseiten, Netzwerken und E-Mails<br />

unüberholbarer Selbstzweck. Strenggenommen bedeutet dies, man<br />

kann mit dem Internet nichts anfangen; die Rede vom Nutzer ist ein<br />

Euphemismus. Wir Netzwerker schicken uns an, auf Dauer in die Vorläufigkeit<br />

umzuziehen. Verweigerung ist ausgeschlossen. Die drei<br />

Angehörigen des KKKK wissen sehr wohl, dass es nur Ausdruck hilfloser<br />

= masochistischer Renitenz wäre, »den Stecker rauszuziehen«.<br />

Zwar meiden sie Video-Kunst, immaterielle Kunst und Computer-<br />

Bil<strong>der</strong> (im Gegensatz zu Filmen, Videos, Fototextmontagen und Kleinplastik),<br />

weil sie wissen, hier mitzumachen hieße nur, die Simulation<br />

nochmals zu simulieren. Doch sie fahnden nicht mehr nach unbesetzten<br />

Sub- und Supradimensionen, son<strong>der</strong>n widmen sich ganz dem<br />

Oberflächlichen als dem Alternativlosen <strong>der</strong> Wahrnehmung selbst.<br />

Schon vorher war die »aktuelle Sensationskultur und die Banalität des<br />

Gewöhnlichen« (Michael Rutschky) ihr bevorzugtes Motiv-Arsenal.<br />

Aber nun werden die Konturen schlichter und klarer, treten die Figuren<br />

auseinan<strong>der</strong> (sind einzeln zu besichtigen) und erhalten die Ensembles<br />

großflächige Hinter- und Untergründe. Obwohl die Einzelheiten vertraut<br />

sind, muten sie im Kontext außerirdisch an: »Peripherien, Einmöblierungen,<br />

Naturfreundschaften«.<br />

Die Virtualisierung des Lebens wird im KKKK we<strong>der</strong> zurückgenommen<br />

noch wählerisch ausgekostet. Es wird ihr eine an<strong>der</strong>e Virtualisierung<br />

entgegengehalten. Die nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende entstandenen Bil<strong>der</strong><br />

proben eine »Rückerfindung <strong>der</strong> Malerei« durch Intensivierung <strong>der</strong> in<br />

den achtziger und neunziger Jahren erprobten Verfahren: Ȁsthetik <strong>der</strong><br />

Distanz«, Übermalen, Montage, Aneinan<strong>der</strong>reihung, schroffe Fügung,<br />

Umbiegen und Verrücken, »Perspektivenmix«, »Kippeffekt«, Kopplung<br />

von Obsoletem und Bizarrem, »bildhafte Zwischenrufe«. Aus <strong>der</strong><br />

weichen Landung vieler Kunstmacher in <strong>der</strong> Werbeästhetik ziehen die<br />

<strong>KING</strong> <strong>KONG</strong>S den Schluss, dass man Schockbil<strong>der</strong> meiden muss, um<br />

an die Exzesse <strong>der</strong> Normalität heranzukommen. Sie weichen in eine<br />

unerklärte Konsensferne aus und kehren mit »überindividuellem« Blick<br />

zurück. Als wären sie in die Zukunft gereist und suchten nun die Gegenwart<br />

wie eine Vergangenheit heim (Heribert Kuhn). Keine Einfühlung,<br />

keine Zustimmung, keine Ablehnung. Zwar sind auf den meisten<br />

»hybriden Bil<strong>der</strong>n« ominöse Katastrophen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Folgen ausfindig<br />

zu machen. Aber das ist kein Alarmismus. Es wird nicht gewarnt, es ist<br />

schon passiert. So wie es ja tagtäglich in den Fernsehprogrammen<br />

passiert, und beim Herbeiphantasieren von Anschlägen und Naturkatastrophen.<br />

Im <strong>KUNSTKABINETT</strong> erhalten wir Televisionäre<br />

Gelegenheit, unseren Normalzustand zu besichtigen: den Zustand<br />

nach dem Verpuffen <strong>der</strong> Katastrophenpädagogik.<br />

Und heute warten wir darauf, wie das KKKK auf die nächste<br />

Eskalationsstufe in <strong>der</strong> Zusammenschaltung <strong>der</strong> Gehirne und Sinne<br />

reagiert: die Verbreitung mobiler Endgeräte (Smartphones und Tabletcomputer).<br />

Es gilt ja allgemein als Gewinn an Freizügigkeit, wenn wir<br />

auch außer Haus, gehend, fahrend und liegend auf das Weltnetz<br />

zugreifen können. Aber die plausible Entgegensetzung von Stationär<br />

und Mobil täuscht über das Kernproblem hinweg. Hauptsächlich geht<br />

es darum, das menschliche Gehirn in keiner Lage mehr entkommen zu<br />

lassen. Wir werden allmählich daran gewöhnt, lebenslang online zu<br />

13<br />

King Kong Kunstkabinett<br />

<strong>DISKRETE</strong> <strong>SUBVERSION</strong><br />

PictureBook /<br />

<strong>Büchse</strong> <strong>der</strong> <strong>Pandora</strong><br />

14,80 Euro (D/A/CH)<br />

<strong>ISBN</strong> <strong>978</strong>-3-<strong>88178</strong>-<strong>365</strong>-1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!