Leichter als Luft, Ausstellungsbooklet der Kustodie der TU Dresden, 2019

Ausstellungsdauer: 13.9.2019– 24.1.2020 2019 feierte das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der Technischen Universität Dresden sein 25-jähriges Gründungsjubiläum. Seit 1994 konnte das Institut zu einer der größten und leistungsstärksten Einrichtungen der TU Dresden aufgebaut und ausgebaut werden. Gemeinsam mit der Altana Galerie der Kustodie der TU Dresden und in Kooperation mit dem Ausstellungsraum bautzner69 hat das ILK die Künstlerinnen und Künstler Bettina Allamoda (Berlin), Johannes Makolies (Leipzig), Adrian Sauer (Leipzig), Birgit Schuh (Dresden), Bignia Wehrli (Berlin / Sternenberg, CH) an den Wissenschaftsstandort und die Kunststadt Dresden zu einem einjährigen Art Science Lab eingeladen. Su-Ran Sichling wurde als Gastkünstlerin zur Gruppenausstellung eingeladen. In den Teams aus Wissenschaft und Kunst wurden neue Sichtweisen auf den Leichtbau entwickelt, wenn Kohlenstofffasern in tönernen Skulpturen nur noch Spuren hinterlassen, platonische Körper als geometrische Figuren der Antike in eine zeitgenössische Form überführt werden oder Fallversuche in bewegten Bildern gleichzeitig von Erdanziehung und Schwerelosigkeit erzählen. Mit den Materialien des Leichtbaus und ihren Konstruktionstechniken lassen sich Raum und Zeit in dreidimensionale Figuren umsetzen und mittels der Nutzung spezifischer Oberflächeneigenschaften und Zugspannungen wird gleichzeitig eine ästhetische Untersuchung von Oberfläche und Struktur vorgenommen. Ausstellungsdauer: 13.9.2019– 24.1.2020

2019 feierte das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der Technischen Universität Dresden sein 25-jähriges Gründungsjubiläum. Seit 1994 konnte das Institut zu einer der größten und leistungsstärksten Einrichtungen der TU Dresden aufgebaut und ausgebaut werden. Gemeinsam mit der Altana Galerie der Kustodie der TU Dresden und in Kooperation mit dem Ausstellungsraum bautzner69 hat das ILK die Künstlerinnen und Künstler Bettina Allamoda (Berlin), Johannes Makolies (Leipzig), Adrian Sauer (Leipzig), Birgit Schuh (Dresden), Bignia Wehrli (Berlin / Sternenberg, CH) an den Wissenschaftsstandort und die Kunststadt Dresden zu einem einjährigen Art Science Lab eingeladen. Su-Ran Sichling wurde als Gastkünstlerin zur Gruppenausstellung eingeladen.

In den Teams aus Wissenschaft und Kunst wurden neue Sichtweisen auf den Leichtbau entwickelt, wenn Kohlenstofffasern in tönernen Skulpturen nur noch Spuren hinterlassen, platonische Körper als geometrische Figuren der Antike in eine zeitgenössische Form überführt werden oder Fallversuche in bewegten Bildern gleichzeitig von Erdanziehung und Schwerelosigkeit erzählen. Mit den Materialien des Leichtbaus und ihren Konstruktionstechniken lassen sich Raum und Zeit in dreidimensionale Figuren umsetzen und mittels der Nutzung spezifischer Oberflächeneigenschaften und Zugspannungen wird gleichzeitig eine ästhetische Untersuchung von Oberfläche und Struktur vorgenommen.

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von tu.dresden50417 Mehr von diesem Publisher

> Bettina Allamoda

> Johannes Makolies

> Adrian Sauer

> Birgit Schuh

> Su-Ran Sichling

> Bignia Wehrli

LEICHTER

Lighter Than Air

ALS LUFT

hesperus print* Verlag


Begleitpublikation zur Ausstellung Leichter als Luft

Published in conjunction with the exhibition Lighter Than Air

Initiiert von der Kustodie der TU Dresden und

dem Ausstellungsraum bautzner69 >>> in

Kooperation mit dem Institut für Leichtbau und

Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden >>> sowie

der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK).

Initiated by the TU Dresden’s Office for Academic

Heritage and the exhibition space bautzner69

>>> in cooperation with the Institute of Lightweight

Engineering and Polymer Technology (ILK) at the

TU Dresden >>> and the Hochschule für Bildende

Künste Dresden.

1

Ausstellungsraum bautzner69 &

hesperus print* Verlag Dresden

Bautzner Str. 69, 01099 Dresden

www.bautzner69.de / www.hesperusprint.de

12.9.– 9.11.2019

2 Altana Galerie der Kustodie

der TU Dresden im Görges-Bau

Helmholtzstraße 9, 01069 Dresden

www.tu-dresden.de/kustodie

13.9.2019– 24.1.2020

Institut für Leichtbau

und Kunststofftechnik (ILK),

TU Dresden

Holbeinstraße 3, 01307 Dresden

www.tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/ilk

3

Hochschule für Bildende

Künste (HfBK) Dresden

Brühlsche Terrasse 1, 01067 Dresden

www.hfbk-dresden.de

13.11.– 29.11.2019


bautzner69

1

3

HfBK

LEICHTER

ALS LUFT

Lighter Than Air

ILK

2

Altana Galerie


4 > Grußwort – Dr. Andreas Handschuh, Kanzler der TU Dresden

6 > Opening remarks—Dr. Andreas Handschuh, Chancellor of the TU Dresden

8 > Grußwort – Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Math. Maik Gude,

Professur für Leichtbaudesign und Strukturbewertung,

Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, TU Dresden

10 > Opening remarks—Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Math. Maik Gude, Prof. for

Lightweight Engineering Design and Structural Assessment, Institute

for Lightweight Engineering and Polymer Technology, TU Dresden

12 > „Leichter als Luft“ – Hans Magnus Enzensberger

13 > Leichter als Luft. Ein andauerndes Experiment an den Grenzbereichen

von Kunst, Wissenschaft und Technik – Gwendolin Kremer,

Dr. Albert Langkamp, Karen Weinert

17 > Lighter Than Air. A continuing experiment with the boundaries of art,

science and technology—Gwendolin Kremer, Dr. Albert Langkamp,

Karen Weinert

20 > Bettina Allamoda. ZerreiSSproben / TENSILE TESTS

32 > Johannes Makolies. MATERIALVERBINDUNGEN / MATERIAL CONNECTIONS

42 > Adrian Sauer. RAUMKÖRPER / SOLIDS IN SPACE

52 > Birgit Schuh. MINIMALFLÄCHEN / MINIMAL SURFACES

60 > Bignia Wehrli. FALLSPUREN / FALL TRACKING

70 > Su-Ran Sichling. FLÜCHTIGKEIT / TRANSIENCE

76 > Beautiful Failure. Eine Ausstellungskooperation mit der

HfBK Dresden – Prof. Barbara Wille

78 > Beautiful Failure. A joint exhibition with the HfBK Dresden—

Prof. Barbara Wille

Altana Galerie der Kustodie der TU Dresden im Görges-Bau

Ausstellungsraum bautzner69

< Impressum & Dank

Imprint & Acknowledgements



Unsere klassischen Kernaufgaben als Technische Universität sind

Lehre und Forschung. In den letzten Jahren ist auch der enge

Austausch mit der Gesellschaft zu einer tragenden Säule unserer

Universität geworden. Es geht nicht nur darum, wissenschaftliches

Denken in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, sondern auch

Praxiswissen als Grundlage für virulente Forschungsthemen zu

identifizieren und dabei in einen dialogischen Austausch mit der

Gesellschaft zu treten. 2016 machte sich der Wissenschaftsrat

stark für ein neues, ja erweitertes Transferverständnis, das stärker

experimentelle Formate der Partizipation erprobt und Netzwerke

jenseits akademischer Verbünde knüpft.

Kunst und Kultur gehören zu unserer Lebenswelt. Die Ausstellung

LEICHTER ALS LUFT weckt mit ihrem Titel, gewollt oder ungewollt,

auch Assoziationen an Freiheit, denn in der Luft muss die Freiheit

bekanntlich grenzenlos sein. Im 30. Jahr der Wiederkehr der

Friedlichen Revolution gewinnt die Freiheit eine besondere Bedeutung,

Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sind essentielle Werte

unserer Demokratie.

„Befreit von zu viel schwerem Gepäck bieten sich neue Möglichkeiten

für dialogische Beziehungen“: Wissenschaft und Kunst begegnen sich

am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik.

Seit vielen Jahrzehnten fördern wir künstlerische Forschung und

Kollaborationen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

sowie Künstlerinnen und Künstlern. Es freut mich umso

mehr, dass zum 25-jährigen Jubiläum des Institut für Leichtbau

und Kunststofftechnik genau hier ein ambitioniertes partizipativ

angelegtes Forschungsprojekt zwischen Kunst und Leichtbau

angestoßen wurde. Interdisziplinäre Teams gewinnen neue Sichtweisen

des Leichtbaus, wenn Karbonfasern in tönernen Objekten

nur noch Spuren hinterlassen, platonische Körper als geometrische

Figuren der Antike in eine zeitgenössische Form überführt werden

oder Fallversuche in bewegten Bildern gleichzeitig von Erdanziehung

und Schwerelosigkeit erzählen.

Ich bin stolz darauf, dass die TU Dresden ein Ort des Transfers,

ein Ort des Kontakts zwischen den Disziplinen ist und danke

dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, insbesondere

Prof. Maik Gude und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,

sehr herzlich für ihre Neugierde und Offenheit, mit den Künstlerinnen

und Künstlern Bettina Allamoda, Johannes Makolies,

Adrian Sauer, Birgit Schuh und Bignia Wehrli an Leichtbauprinzipien

und gesellschaftlichen Fragestellungen nach Ressourcen

und Sinnhaftigkeit im Spiegel der Kunst zu arbeiten.

Initiiert wurde das Kooperationsprojekt zur künstlerischen Forschung

von unserer Kustodie, die sich unter anderem intensiv

Grußwort Dr. Andreas Handschuh, Kanzler der TU Dresden

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mit den Schnittstellen von Kunst und

Wissenschaft befasst und von Dr. Albert

Langkamp, ILK, Gwendolin Kremer,

Kustodie, und Karen Weinert, Ausstellungsraum

bautzner69, konzipiert und

umgesetzt wurde. Mit der Ausstellung

LEICHTER ALS LUFT konnte eine Transferzone

etabliert werden, die Denkweisen

in und über Wissenschaft in ein

anderes Medium übersetzt und akademisches

und künstlerisches Wissen

vorbildhaft zusammenbringt.

Ich freue mich auch sehr, dass wieder

Studierende der HfBK Dresden unter

Leitung von Prof. Barbara Wille Teil

des Ausstellungsprojekts sind und auf

studentischer Ebene ebenfalls ein Austausch

zwischen unseren Hochschulen

in der Stadt erfolgt.

Wir danken allen Förderern für die Unterstützung

des Kooperationsprojekts,

insbesondere der Kulturstiftung des

Freistaates Sachsen.

Traditionally, our core duty as a Technical University has been teaching and research.

In recent years, intense social interaction has also become a fundamental pillar of our

university. It is not only about bringing scientific or academic thought into the public

sphere, but also about identifying practical know-how as the basis for the rapid rise of

certain research topics and to enter into a dialogue with society in the process. In 2016,

the academic council came out strongly in favor of a new, expanded understanding

of transmission that explores experimental participation formats and forms networks

beyond academic groups.

Art and culture are part of our lives. Intentionally or unintentionally, the name of the

exhibition Lighter than Air triggers associations with freedom, since freedom seems

limitless in the air. On the thirtieth anniversary of the Peaceful Revolution, freedom

takes on a special meaning; art and academic freedom are essential values of our

democracy.

“Freed from too much heavy baggage, new possibilities for dialogical

relationships arise”: science and art meet at the Institute of Lightweight

Engineering and Polymer Technology.

For many decades we have encouraged creative research and collaboration between

academics and artists. The fact that here, on the 25th anniversary of the Institute of

Lightweight Engineering and Polymer Technology, an ambitious, participation-based

research project between art and lightweight engineering was initiated, is one more

reason for celebration. Interdisciplinary teams gain new perspectives on lightweight

engineering when carbon fibers leave mere traces in clay objects; when platonic

solids, geometric figures of the ancient world, are transformed into contemporary

form; or drop tests in moving pictures tell a story of both gravity and weightlessness

at the same time.

I am proud that the TU Dresden is a place of transmission, a place of contact between

disciplines and I warmly thank the Institute for Lightweight Engineering and Polymer

Technology, especially Prof. Maik Gude and all his colleagues for their curiosity and

openness in working with the artists Bettina Allamoda, Johannes Makolies, Adrian

Sauer, Birgit Schuh and Bignia Wehrli on lightweight engineering principles and social

questions regarding resources and meaning in the mirror of art. The joint project for

creative research was initiated by our Office for Academic Heritage, which is intimately

involved in the interface between art and scholarship, and was conceptualized and

carried out by Dr. Albert Langkamp, ILK, Gwendolin Kremer, Office for Academic

Heritage, and Karen Weinert, Exhibition Space bautzner69. With the exhibition Lighter

than Air a transmission zone has been established that translates the mindset

within and about academia into another medium and serves as an excellent model

for bringing academic and artistic knowledge together.

I am also very pleased that students at the Hochschule für HfBK Dresden under the

leadership of Prof. Barbara Wille are part of this project and that an exchange in our

city at the student level between our institutions is occurred.

We thank all patrons for their support for this project, especially the Cultural Foundation

of the Free State of Saxony.

Opening remarks Dr. Andreas Handschuh, Chancellor of the TU Dresden

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Für uns am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) ist

die stete Auseinandersetzung mit der Zukunft, aber zugleich auch

mit den Ursprüngen und Traditionen unseres Fachs von großer

Bedeutung. Leichter und schneller, noch leichter und noch

schneller – das waren über die letzten Jahrzehnte die Prämissen,

wenn es darum ging, neue Materialkombinationen für die Mobilitätsindustrie

zu erforschen und in die Anwendung zu bringen.

Die Frage nach den Ressourcen unserer Erde wird allerdings

immer wichtiger, wenn Energieeffizienz und Klimaschutz unsere

Vorhaben bedingen und wir im Kontext von Digitalisierung, Bionik

und Industrie 4.0 neue Forschungen im Feld von Künstlicher

Intelligenz erproben.

„Geringster Material- und Ressourcenaufwand bei hoher Zuverlässigkeit,

voller Funktionsfähigkeit und minimalem ökologischen

Impact sind die wesentlichen Kriterien bei der effizienten Entwicklung

zukunftsfähiger Leichtbauprodukte und -technologien.“

Technologietransfer ist dabei unsere Stärke: Anspruch und erklärtes

Ziel ist es, auf diesem Weg drängende Fragestellungen

unserer Gesellschaft aufzugreifen und unsere Arbeit nach innen

und nach außen vermittelbar und anschlussfähig zu machen.

Als wir vor über einem Jahr fünf Künstlerinnen und Künstler zu

einem ersten Symposium einluden und wechselseitig in die wissenschaftliche

und künstlerische Forschung einführten, uns mit

Leichtbauprinzipien und Untersuchungen von Form und Raum

beschäftigten, war noch gänzlich offen, in welche Richtungen sich

die Forschungsfragen der Teams aus Kunst und Wissenschaft

entwickeln würden. In transdisziplinären Research Groups von

bis zu sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie

Technikerinnen und Technikern konnte ein künstlerisches Thema

über einen längeren Zeitraum in unseren Laborräumen und

Technikumshallen sowie unter den Voraussetzungen optimaler

technischer Versuchsaufbauten verfolgt werden. Unsere Materialien,

Karbonfaserverbundwerkstoffe, fanden in unterschiedlicher

Weise Eingang in das künstlerische Werk, als Linie oder als

Struktur, als ephemere Leerstelle. Unsere Untersuchungsmethoden

wurden für neue Fragestellungen fruchtbar gemacht, wenn

eine spezifische Aufnahmetechnik oder der Fallturm bislang

unbekannten Bestimmungen zugeführt wurden.

Die am Dresdner Institut verfolgten Leichtbauprinzipien wie Stoffleichtbau,

Gestaltleichtbau, Verbundleichtbau, Konzeptleichtbau

und Bedingungsleichtbau sind die Prämissen für eine nachhaltige

und dabei innovative Produktentwicklung vor dem Hintergrund

unserer globalen Herausforderungen. Die künstlerischen Werke

nehmen darauf explizit Bezug, hinterfragen Material und Kontext,

dechiffrieren unsere anwendungsbezogenen Funktionszuschreibungen

oder lösen diese ganz selbstverständlich in Luft auf. Für

uns als Wissenschaftler ist genau diese Loslösung von zentraler

Grußwort Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Math. Maik Gude, Professur für Leichtbaudesign und

Strukturbewertung, ILK, TU Dresden

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Bedeutung, um uns aus eingefahrenen,

überholten Kontexten zu befreien und

so innovative und überraschende Lösungen

zuzulassen, die uns bei unseren

Forschungen auch in bislang unbekannte

Gewässer führen. Die transdisziplinären

Forschungskooperationen

zwischen Kunst und Leichtbau sind

dabei ein wichtiger Schritt.

Mein Dank gilt allen involvierten Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern, die

intensiv mit den eingeladenen Künstlerinnen

und Künstlern zusammen-

gearbeitet haben. Dr. Albert Langkamp

hat die Fäden zusammengehalten und

mit großem Engagement und Enthusiasmus,

aber vor allem Neugierde und

Tatkraft das Projekt geleitet. In enger

Zusammenarbeit mit der Kustodie

unserer Universität, die intensiv zu den

Schnittstellen von Wissenschaft und

Kunst, künstlerischer Forschung in den

Art Science Labs arbeitet, haben wir mit

LEICHTER ALS LUFT gezeigt, dass eben

diese Transdisziplinarität ein Erfolgsmodell

sein kann.

“The least possible material and resource consumption with high

reliability, full functionality and minimal ecological impact are the fundamental

criteria for the efficient development of sustainable lightweight

engineering products and technologies.“

For us at the Institute for Lightweight Engineering and Polymer Technology (ILK), a

consistent dialogue with the future, but also with the origins and traditions of our

discipline is of great significance. Lighter and faster, even lighter and even faster was

the premise over the last decades when the purpose was to discover and apply new

material combinations for the mobility industry. The question of our earth’s resources

is increasingly important when energy efficiency and climate protection shape our

plans and we are exploring new areas in the field of Artifical Intelligence in the context

of digitalization, bionics and Industry 4.0.

Technology transfer is our strength: it is our aspiration and express goal to confront

the urgent questions of our society in this way and to make our work internally and

externally transmissable and accessible. When we invited five artists to a symposium

over a year ago and alternately introduced each other to scientific and artistic

research, delved into lightweight engineering principles and analyses of form and

space, the direction the team’s research questions from art and science would take

was still unknown. In transdisciplinary research groups of up to six scientists and

technicians, an artistic topic could be explored over an extended period of time in

our laboratories and technical centers and under conditions of optimal technical test

set ups. Our materials, carbon fiber composites, found their way into artistic work

in various forms: as line or structure, as ephemeral empty space. Our experimental

methods expanded to admit new questions, as previously unfamiliar conditions were

applied to a specific recording technology or to the drop tower.

The lightweight engineering principles followed by the Dresden Institute, such as lightweight

material construction, lightweight design, composite lightweight construction,

lightweight construction concepts and conditional lightweight construction are the

premise for sustainable and innovative product development in the context of our

global challenges. The artworks refer explicitly to these challenges, scrutinize materials

and context, decipher our application-centered functionalities or simply and naturally

dissolve them in the air. For us scientists it is precisely this dissolution that is of

primary significance, in order to free us from deep-rooted, outdated contexts and

so allow innovative and suprising solutions that lead us into previously unknown

territory in our research. The transdisciplinary joint research project between art and

lightweight engineering is an important step in that direction.

Thanks to all those involved who worked closely with the guest artists. Dr. Albert

Langkamp masterfully held the disparate parts of the project together, and with

great dedication and enthusiasm and especially with curiousity and energy, led the

project. In close cooperation with the Office for Academic Heritage of our university,

which works intensively on interfaces between academia and art, and with artistic

research in the Art Science Labs, we have proven with Lighter than Air that this

transdiciplinarity can be a model of success.

Opening remarks Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Math. Maik Gude, Prof. for Lightweight Engineering Design

and Structural Assessment, ILK, TU Dresden

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Leichter als Luft

Besonders schwer

wiegen Gedichte nicht.

Solange der Tennisball steigt,

ist er, glaube ich,

leichter als Luft.

Das Helium sowieso,

die Eingebung, dieses Kribbeln

in unserm Gehirn,

auch das Elmsfeuer

und die natürlichen Zahlen.

Sie wiegen so gut wie nichts,

von den transzendenten,

ihren vornehmen Vettern,

obwohl sie zahllos sind,

gar nicht zu reden.

Soviel ich weiß, gilt das auch

für den Strahlenkranz des Magneten,

den wir nicht sehen,

für die meisten Heiligenscheine

und für ausnahmslos alle Walzerklänge.

Leichter als Luft,

wie der vergessene Kummer

und der bläuliche Rauch

der endgültig letzten Zigarette,

ist natürlich das Ich,

und, soviel ich weiß,

steigt der Geruch des Brandopfers,

der den Göttern so wohlgefällig ist,

immer gen Himmel.

Der Zeppelin auch.

Vieles bleibt ohnehin

in der Schwebe.

Am leichtesten wiegt vielleicht,

was von uns übrigbleibt,

wenn wir unter der Erde sind.

ein andauerndes Experiment an den Grenzbereichen

von Kunst, Wissenschaft und Technik

Was wiegt schwer, was ist leicht? Hans Magnus Enzensberger

(*1929 in Kaufbeuren) hat in seinem Gedicht „Leichter als Luft“

von 1999 darüber nachgedacht. Als Schriftsteller und Dichter hat

er sich allerdings nie dem Ballast der Gegenwart verwehrt oder

sich aktuellen Debatten verschlossen.

Die Ausstellung Leichter als Luft, mehr noch das prozesshaft

angelegte Kooperationsprojekt zwischen Wissenschaft und Kunst,

bezieht sich ebenfalls explizit auf diese Gegenwärtigkeit, wenn

Intentionen und Prinzipien des Leichtbaus künstlerisch untersucht,

modifiziert, adaptiert, decodiert und transformiert werden.

Ausgangspunkt unseres transdisziplinären Vorhabens ist die Erkenntnis,

den eigenen Wissensbereich mit anderen Augen sehen

zu wollen: Bedingungen, Potenziale, aber auch Begrenzungen zu

diskutieren und vielleicht ebenso die Sinnhaftigkeit des eigenen

Fachs über einen Perspektivwechsel zu ergründen, zu vermitteln

und damit den Weg für eine fortlaufende experimentelle und

reflexive Auseinandersetzung mit Inhalten von Wissenschaft und

Kunst zu ebnen. Im Jahr 2019 feiert das Institut für Leichtbau und

Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden sein 25-jähriges Gründungsjubiläum.

Seit 1994 konnte das Institut zu einer der größten und

leistungsstärksten Einrichtungen aufgebaut und ausgebaut werden.

Das Institut hat sich besonders der Erforschung und Anwendung

von Faserverbundwerkstoffen vor dem Hintergrund der

Leichtbau-Prinzipien verschrieben und betreibt seine Forschungsarbeiten

ausgehend von einem tiefgreifenden Verständnis der

Materialeigenschaften im Sinne der Werkstoffmechanik. Diese

auf Materialität ausgerichtete Betrachtungsweise stellt zugleich

eine Verbindung zum Bereich der bildenden Kunst her. Am ILK

wurde für den Zeitraum eines knappen Jahres ein Art Science

Lab mit einer 15-köpfigen Arbeitsgruppe eingerichtet, das sich

mit den Grenzbereichen von Kunst, Wissenschaft und Technik im

Fach Leichtbau beschäftigt.

Die Erforschung von Materialeigenschaften wurde in den 1820er-

Jahren an der Vorläuferinstitution der heutigen TU Dresden

eingeführt. Im Umfeld des Maschinenbauers Johann Andreas

Schubert (1808–1870), der ab 1828 an der Technischen Bildungsanstalt

Dresden wirkte, beschäftigte man sich früh mit Fragen

zur Festigkeitsforschung sowie der Materialprüfung. Der Aufbau

der Mechanisch-Technischen Versuchsanstalt nach 1900 zeigt

eine beeindruckende Entwicklung der experimentellen Forschung.

Hans Magnus Enzensberger, in: Leichter als Luft – Moralische Gedichte (1999), S. 37 f.

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Die fortschreitende maschinelle Produktion in der Industrie zog eine Etablierung

von Normen für Materialien und Bauweisen im beginnenden 20. Jahrhundert

nach sich. Heute forschen und lehren mehr als 20 universitäre und außeruniversitäre

Einrichtungen in Dresden zu neuen Werkstoffen, Technologien und Bauweisen.

Diese Errungenschaften führen wiederum zu neuen Anwendungspotenzialen,

die scheinbar uneingeschränkt sind. Zugleich rückt die Zukunftsfähigkeit

des Erforschten zunehmend in den Fokus einer gesamtgesellschaftlichen Debatte.

Gemeinsam mit der Altana Galerie der Kustodie der TU Dresden und in Kooperation

mit dem Ausstellungsraum bautzner69 hat das ILK die Künstlerinnen und

Künstler Bettina Allamoda (Berlin), Johannes Makolies (Leipzig), Adrian Sauer

(Leipzig), Birgit Schuh (Dresden) und Bignia Wehrli (Berlin/Sternenberg, CH) an

den Wissenschaftsstandort und in die Kunststadt Dresden eingeladen. In den

Teams aus Wissenschaft und Kunst werden neue Sichtweisen auf den Leichtbau

entwickelt. Zwischen Zerreißproben wie bei Bettina Allamoda, über Materialverbindungen

bei Johannes Makolies, Raumkörpern bei Adrian Sauer, Minimalflächen

bei Birgit Schuh, Fallspuren bei Bignia Wehrli bis hin zur Flüchtigkeit bei Su-Ran

Sichling werden in den entstandenen künstlerischen Werken Analogien, Umgestaltungen,

Formveränderungen und Gestaltwechsel thematisiert. Diese gehen

zurück auf die Auseinandersetzung mit dem Fach Leichtbau und sind inspiriert

und abgeleitet von Versuchsanlagen, Materialpotenzialen und neuen, unbekannten

Techniken. Das Experiment von der Überschreitung von Grenzen und Disziplinen

überführt sehr unterschiedliche Praxen aus der Bildhauerei, analytischen Fotografie

und konzeptuellen Kunst in Werke, die einander sehr vertraut sind in

ihrer ästhetischen und formalen Aussage und sich in ihren Themen gegenseitig

ergänzen.

Bettina Allamoda markiert mit ihren changierenden, glänzenden, uns blendenden

und erstaunenden Textilskulpturen den vorgegebenen Raum. Wenn wir uns auf

ihr Werk einlassen, erschließt sich eine veränderte Perspektive der Realität. In den

Tablets und Objekten von Johannes Makolies werden ästhetische Annäherungen

vermeintlich unvereinbarer Materialien verhandelt. Für ihn zählen hierbei nicht

der materialimmanente Widerspruch, sondern die durch ihr Zusammenspiel

erst sichtbar gemachten Eigenschaften und die daraus erwachsende Erkenntnis.

Die Platonischen Körper des Fotografen Adrian Sauer vermitteln uns eine Idee

antiker Vorstellungen von Kosmos und Elementen in einer beinahe abwesenden

Materialform. Er verfolgt mit seinen Objekten aus Karbon die Reduktion des

Materials bis hin zur Gegenstandslosigkeit. Birgit Schuh führt vor, dass ihr kaleidoskopisches

Objekt Europa aus Flächen heraus konstituiert ist und sich durch

Drehungen und Bewegungen verändert, aber doch stets ein und dasselbe Objekt

bleibt. Letztendlich thematisiert das Kunstwerk den Zusammenhang von menschlichem

Wirken und der Fragilität politischer Grenzen sowie unsere Einflussnahme auf

Umwelt und Landschaften. In ihren Versuchen am ILK beschäftigt sich Bignia Wehrli

mit der künstlerischen Erforschung des Fallens und entwickelt dafür eigene Notationsmethoden.

In Film, Fotografie und Collage untersucht sie dreidimensionale

Bewegungen im Raum, die als Spuren der Flüchtigkeit unseres Handelns gelesen

werden können.

Die entstandenen Kunstwerke sind der Nukleus für unser gemeinsames Experiment

an den Grenzbereichen von Kunst, Wissenschaft und Technik. In dem Bewusstsein,

dass sowohl bildende Kunst als auch Wissenschaft die Wahrnehmung und

Erforschung unserer Welt zum Thema haben und diese vorantreiben, wird ihre

Interdependenz deutlich. Entsprechend soll das Projekt LEICHTER ALS LUFT in

Gesprächen zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik eine Fortsetzung finden.

Was wiegt schwer, was ist leicht? Der angestoßene Austausch verdeutlicht die

Herausforderungen und Potenziale des interdisziplinären Diskurses, wenn innerhalb

der Fachdisziplinen etablierte Vorstellungen aufgebrochen und neue

Zusammenhänge erkannt werden.

Ein Wort in die Luft zu werfen

das Wort schwer

ist leicht

[…]

Aber selber so leicht zu werden

wie ein Strich

eine Silbe

ein Zeichen

am Himmel

eine Minute lang

zu schweben

ist schwer

[…]

wie am Himmel die Körper

immer leichter und leichter

schweben

Gwendolin Kremer, Kustodie, Dr. Albert Langkamp, ILK, und Karen Weinert, bautzner69

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Hans Magnus Enzensberger, Chinesische Akrobaten (Auszug), in: Zukunftsmusik. Gedichte (1991), S. 29.



Lighter than Air

Poems are not

particularly heavy.

As long as the tennis ball rises,

it is, I think,

lighter than air.

Helium, of course,

inspiration, this tinging

in our brain,

St. Elmo’s fire, too

and natural numbers.

They weigh practically nothing,

to say nothing

of the transcendentals,

their genteel cousins,

though countless.

As far as I know, it’s the same

for the magnet’s corona,

which we don’t see,

for most halos

and for all the sounds of waltzes without exception.

Lighter than air,

like forgotten worries

and the bluish smoke

of the absolute last cigarette,

is, of course, the “I”

and, as far as I know,

the scent of burnt offerings,

so pleasing to the gods,

always rises to the sky.

Zeppelins too.

Much still remains

in limbo.

Lightest is perhaps

what’s left of us

when we’re under the earth.

a continuing experiment with the boundaries of art, science and

technology

What is heavy, what is light? Hans Magnus Enzensberger (b.1929 in Kaufbeuren)

contemplated these questions in his 1999 poem “Lighter than Air.” As a writer and

poet, he never denied the ballast of the present or detached himself from current

debates.

The exhibition Lighter than Air, and even more the process-centered joint project

between science and art, refers explicitly to the present, where lightweight engineering

goals and principles are examined, modified, adapted, decoded and transformed

artistically. The point of departure for our transdisciplinary intent is to recognize the

desire to see one’s own area of expertise with other eyes: discussing conditions,

potential as well as limitations, and perhaps also exploring and conveying the meaning

of one’s own discipline from a changed perspective, in order to pave the way for a

continuing experimental and reflective investigation of the essence of science and art.

In 2019, the Institute of Lightweight Engineering and Polymer Technology (ILK) at

the TU Dresden celebrates its 25th anniversary. Since 1994, it has been growing

and expanding to become one of the largest and most successful institutes at the

university. The ILK is dedicated to research into and applications of fiber composites

in the context of lightweight engineering principles. The work done at the Institute

is based on a profound understanding of material properties according to material

mechanics. This approach, oriented toward materiality, also establishes a link to the

field of visual arts. At the ILK, a working group of 15 members came together to work

in an Art Science Lab for a period of one year, dedicated to exploring the boundaries

between art, science and technology in the area of lightweight engineering.

Research into material properties was introduced in the 1820s at the precursor to the

TU Dresden. Johann Andreas Schubert (1808–1870), who was involved with the Technical

Educational Institution in Dresden starting in 1828, was at the center of a group of

pioneers exploring questions of material strength and testing. The construction of a

mechanical-technical research institute after 1900 shows the impressive development

of experimental research. Industry’s advancing mechanical production capacities gave

rise to the establishment of norms for materials and construction methods at the

beginning of the twentieth century. Today more than 20 university and independent

institutes in Dresden are dedicated to research and teaching related to new materials,

technologies and construction methods. These achievements lead to new, seemingly

unconstrained applications. At the same time, the future sustainability of these research

subjects moves increasingly to the forefront of a debate that involves the whole of

society.

Together with the Office for Academic Heritage’s Altana Galerie at the TU Dresden and

in cooperation with the bautzner69 exhibition space, the ILK invited the artists Bettina

Allamoda (Berlin), Johannes Makolies (Leipzig), Adrian Sauer (Leipzig), Birgit Schuh

(Dresden) and Bignia Wehrli (Berlin/Sternenberg, CH) to Dresden, city of science and art.

Hans Magnus Enzensberger, from the volume Leichter als Luft – Moralische Gedichte (Lighter than Air.

Moral Poems) (1999), p. 37 f.

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The teams made up of science and art developed new perspectives on lightweight

engineering. From Bettina Allamoda’s tensile tests, to Johannes Makolies’ material

connections, Adrian Sauer’s solids in space, Birgit Schuh’s minimal surfaces, Bignia

Wehrli’s falling tracks to Su-Ran Sichling’s transience, the resulting works of art dealt

with analogies, transformations and changes in shape and form. The works refer

back to explorations in lightweight engineering and are inspired by and derived from

testing facilities, material potential and new, unfamiliar techniques. This experiment

with overstepping boundaries and disciplines transposes very different practices from

sculpture, analytic photography and conceptual art into works that are quite close to

one another in their aesthetic and formal assertions and that complement each other

in their themes.

Bettina Allamoda delineates pre-existing spaces with her changing, lustrous textile

sculptures that astonish and dazzle us. When we engage with her work, a changed

perspective on reality emerges. In his Tablets and objects, Johannes Makolies examines

aesthetic similarities among allegedly incompatible materials. What counts here for the

artist is not the inherent material contrast but rather the properties made visible by

their interplay and the realizations that arise from it. The Platonic Solids by photographer

Adrian Sauer convey an idea of antique conceptions of the cosmos and elements in a

nearly absent material form. With his carbon objects, he pursues a reduction of materials

to the point of insubstantiality. Birgit Schuh demonstrates how her kaleidoscope,

Europa, comprised of flat surfaces, changes through turns and movements but still

remains the same object. Ultimately the piece points out the relationship between

human action and the fragility of political boundaries as well as our influence on the

environment and landscapes. In her experiments at the ILK, Bignia Wehrli carried out

artistic research on falling and developed her own notation methods. In film, photography

and collage, she examines three-dimensional movement in space that can be

read as traces of the transience of our actions.

A word thrown in the air

the word heavy

is light.

[…]

But to become oneself so light

like a line

a syllable

a sign

a sky

a minute long

to float

is heavy.

[…]

The artworks created as part of this project are the nucleus for our joint experiment

on the boundaries of art, science and technology. Knowing that both the visual arts

and science share a concern with perceptions and explorations of our world and

work to advance them, makes their interdependence clear. This should guarantee

that the project Lighter than Air continue in conversations between art, science

and technology. What is heavy, what is light? The exchange begun here highlights the

challenges and potential of interdisciplinary discourse, where established ideas are

broken apart and new relationships are recognized.

as in the sky, bodies

lighter and lighter,

float

Gwendolin Kremer, Office for Academic Heritage, Dr. Albert Langkamp, ILK, Karen Weinert, bautzner69

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Hans Magnus Enzensberger, Chinesische Akrobaten (Chinese Acrobats) (excerpt), from the volume Zukunftsmusik.

Gedichte (Future Music. Poems) (1991), p. 29.



ZERREISSPROBEN

Bettina Allamoda (*1964 in Chicago, USA, lebt in Berlin) studierte von 1983 bis

1990 an der Hochschule der Künste Berlin sowie an der Central St. Martin’s

School of Art & Design in London. Seit den 1990er-Jahren arbeitet sie an einer

Archäologie der Gegenwart. Dabei setzt sie sich mit gesellschaftlichen und

politischen Phänomenen und Repräsentationsstrategien auseinander, die sie

über Zitate aus Mode, Architektur und Design in ihren installativen Werken

verhandelt. Ihre raumgreifenden Spandex-Arbeiten erweitern ihre künstlerische

Praxis und damit auch ihr Interesse an neuen Materialien und deren

gesellschaftlichen Konnotationen. In der Altana Galerie im Görges-Bau und

im Ausstellungsraum bautzner69 zeigt Bettina Allamoda drei raumgreifende

textile Faltungen, in denen sie das im Leichtbau eingesetzte Glasfasertextil

und Paillettenstoffe auf ihre ästhetisch-haptische Oberflächenstruktur in Verbindung

mit Zugspannung und Materialbeständigkeit untersucht.

Bettina Allamoda

„Architektur und Räume erschließe ich mir über meine Arbeiten,

die ich oft ortsspezifisch konzipiere. Für mich ist der Vorgang der

Installation, des Hand-Anlegens performativ, die Textilien fungieren

als Akteure auf einer handelnden, nahezu selbstbestimmten

Ebene. Die Bedingungen meiner Skulpturen und Installationen

werden zu Bedingungen des Raums und umgekehrt. Ein inhaltlich

verbindendes Element der verschiedenen Arbeiten mit Spandex

und Barrieren ist die indirekte Bezugnahme auf den Körper.

Genau diese Wechselwirkung und Beziehung interessieren mich

– letztlich auch im übertragenen Sinn gesellschaftliche Handlungsmuster

zu durchbrechen, die Abbild politischer Strukturen

sein können.“ (Bettina Allamoda)

< Stresstest (Arbeitstitel), 2019

Kinetische Skulptur / Installation mit Biaxial-Glasfasergelege

(Textil) und Portalkran, Lichthof im Görges-Bau,

TU Dresden

Nach Bettina Allamodas erstem Besuch an der TU Dresden und

der Besichtigung der Altana Galerie im Görges-Bau auf dem

historischen Campus entstand die Idee, eine raumgreifende

Spandex-Arbeit für die Halle des Elektrotechnischen Instituts zu

entwerfen. Funktionale Bedingungen vor Ort – der Lichthof wird

für Praktika genutzt und Bestimmungen in einem öffentlichen

Gebäude – machten schnell deutlich, dass die Materialwahl sowie

die Umsetzung spezifische Konstruktionsvoraussetzungen zu

erfüllen haben. Bevor die ortsspezifische Installation konzipiert

werden konnte, wurden die Sachgebiete des Baudezernats der

TU Dresden sowie der Werkstattmeister des Elektrotechnischen

Instituts befragt und Informationen zur Wandbeschaffenheit,

Kranfunktion sowie Brandschutz zusammengetragen.

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Ausgehend von diesen Angaben konzipierte die Künstlerin eine den

25 Meter langen Lichthof durchmessende textile Arbeit aus einem

nicht brennbaren Glasfasertextil, das in seiner Kinematik, sprich

seinen Bewegungseigenschaften, die künstlerische Praxis des

Drapierens der Textilarbeiten erfüllt. Um die skulpturale Figur zu

bestimmen, wurde der Durchhang des Textils bei den maximalen

Kranfahrten berechnet und daraus eine bewegliche, in sich gedrehte

Drapierung festgelegt. Das biaxial gewirkte Textil aus

Glasfaserfilamenten lässt sich „scheren“, das heißt in beide Richtungen

dehnen, wofür in wissenschaftlichen Versuchen am ILK

die Zugfestigkeit und Reißfestigkeit untersucht wurde. Zum einen

ging es dabei um die Erfassung des Stretchfaktors, der für Bettina

Allamoda relevant ist, zum anderen mussten die Kräfte und das

Gewicht ermittelt werden, die auf den Kran und die tragende

Wandfläche wirken. Als einbahnige Linie im Lichthof durchmisst

das schimmernde und weiß leuchtende Glasfasertextil nun – je

nach Kranposition – die gesamte Länge des Raums und verändert

dabei immer wieder seine Faltung. Stresstest ist Linie und

geschwungener Bogen und begleitet in seinen Oberflächen und

Formen die Architektur sowie Versuchsanordnung der Elektrotechnik.

Die fragile und poetische Installation greift vorgegebene

Strukturen auf und macht sie so vielleicht auch erst sichtbar.

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(Um)Raumfaltungen / Außenvorhang

(Purple Rain) (Arbeitstitel), 2019

Maße variabel, irisierender Polyester-Großpailletten-

Netz-Spandex, Ausstellungsraum bautzner69, Dresden

> Untitled (Chandelier), 2019

Polyester-Großpaillettennetz-Spandex, Metall,

Haupttreppenhaus Görges-Bau, TU Dresden

Detail

Bettina Allamodas Installationen aus glitzernden, irisierenden und

holographisch reflektierenden Paillettenstoffen sind bewußte

Setzungen an beiden Ausstellungsorten. Im Görges-Bau bespielt

sie mit einem changierenden Stoff das Haupttreppenhaus. Die

Dreiecksform erstreckt sich vom Eingangsbereich über zwei

Etagen. Im Ausstellungsraum bautzner69 zeigt sie eine ortsspezifische

Installation, die Innen- und Außenraum verbindet. Beide

spiegeln die Situation an ihrem jeweiligen Ort wider, je nach

Lichteinfall und Wetterlage verändert sich der scheinbar einfarbige

Paillettenstoff und nimmt Farben und Lichtreflexe aus seiner

Umgebung auf. An der Universität und in der bautzner69 handelt

es sich gleichermaßen um Durchgangsorte, Studierende und

Besucher durchschreiten das Treppenhaus, Fußgänger und Autos

passieren das Schaufenster-Display und erfahren so physisch, in

der Bewegung, die Installation, die sich als Fläche und Linie, bis

zum Äußersten gedehnt, gedreht, gewendet und geknotet mit

dem Ort verbindet und erst Fremdkörper, dann selbst Teil der

Umgebung wird.

Bettina Allamoda im Gespräch mit Dr. Albert Langkamp, Rafał Stanik, ILK, sowie Gwendolin

Kremer, Kustodie, und Karen Weinert, bautzner69, am 19. Juni 2019.

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TENSILE TESTS

Bettina Allamoda (b.1964 in Chicago, USA, lives in Berlin) studied from 1983 to 1990 at the Berlin University

of the Arts and at the Central St. Martin`s School of Art & Design in London. Since the 1990s she has

been working on Archaeology of the Present (Archäologie der Gegenwart), exploring social and political

phenomena and representation strategies. She engages with these topics in her installations through

access points from fashion, architecture and design. Her extensive spandex pieces broaden her artistic

practice and her interest in new materials and their social connotations. In the Altana Galerie in the

Görges-Bau building and in the bautzner69 exhibition space, Bettina Allamoda’s three long textile folds

are on display, in which she explores fiberglass textiles, used in lightweight engineering, and sequined

fabric on her aesthetic-tactile surface structure in the context of tensile stress and material resistance.

Stresstest is line and curving arch, reflecting in its surfaces and shapes the architecture

as well as the experimental design of the electro technology. This fragile, poetic

installation accentuates preexisting structures, making them perhaps visible for the

first time.

“I tap into architecture and space through my work, which I often design with a specific

place in mind. The process of making an installation, of working with my hands, is

performative for me, and the textiles function as players on an active, nearly selfdetermining

level. The conditions governing my sculptures and installations are the

conditions governing the space and vice versa. A connective element, in terms of

content, in the various pieces with spandex and barriers is the indirect reference

to the body. It is precisely this interplay and these interrelationships that interest

me—even in a metaphorical sense, breaking through social patterns that can be the

reflection of political structures.“ (Bettina Allamoda)

> Stresstest (Arbeitstitel), 2019

kinetic sculpture / installation with biaxial fiberglass mats (textile) and gantry crane, atrium in Görges-

Bau, TU Dresden

After Bettina Allamoda’s first visit to the TU Dresden and tour of the Altana Galerie in

the Görges-Bau on the historic campus, she had the idea of designing a large spandex

piece for the atrium of the building, which houses the Institute of Electrical Power

Engineering. Functional conditions on-site—the atrium is used for practicums—and

restrictions on public buildings quickly made clear that the choice of material as well

as implementation had to fulfill certain construction prerequisites. Before the sitespecific

installation could be designed, the TU’s buildings department and the master

craftsman at the Institute of Electrical Power Engineering were consulted and information

about the wall construction, crane function and fire protection was gathered. Based

on these data points, the artist designed a 25-meter long textile piece stretching across

the diameter of the atrium. The fabric was made of fireproof fiberglass, which in its

kinematics—that is, its movement properties—lent itself to the artistic practice of

draped textile pieces. To determine the sculptural shape, the textile’s sag was calculated

at the crane’s maximum reach and a flexible, twisted drape resulted. The biaxial weave

of the fiberglass filament could be “cropped,” meaning the fibers arranged at a ±45° angle

are compressed when the fabric is under tension. At the ILK, the textile behavior was

scientifically studied through tensile tests. On one hand, the point was to determine the

“stretch factor,” which was relevant for Bettina Allamoda, on the other, the load on the

crane support and walls had to be determined. The glimmering white glow of the

fiberglass fabric now traverses the atrium as a single line running the entire length of

the room, according to the crane’s position, its folds changing over and over.

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> Untitled (Chandelier), 2019

polyester, large sequin netting, spandex, metal, main stairway Görges-Bau, TU Dresden

(Um)Raumfaltungen / Außenvorhang (Purple Rain) (Arbeitstitel), 2019

variable dimensions, iridescent polyester large sequin netting, spandex, bautzner69 exhibition space,

Dresden

With her installations of glittering, iridescent and holographically reflective sequined

fabric, Bettina Allamoda makes her mark on both exhibition locations. In the Görges-

Bau, she arrays the main stairway with changing fabric. The triangular form extends

from the entrance up two stories. In the bautzner69 exhibition space, she displays

a site-specific installation that links the interior and exterior. Both works mirror the

situation in their respective locations. According to how the light falls or how the

weather changes, the seemingly solid-colored sequined material takes on shades, tones

and light reflections from its surroundings. Both the university and bautzner69 are

passageways: students and visitors walk up and down the stairway, pedestrians and

cars pass by the window display and they all experience physically the installation’s

movement, which grounds it in the environment as surface and line, expanded to

its maximum, twisted, turned and knotted, first as a foreign body then as part of the

setting.

Ausstellungsansicht Haupttreppenhaus / Exhibition View Main Stairway, Görges-Bau, TU Dresden

Bettina Allamoda in conversation with Dr. Albert Langkamp, Rafał Stanik, ILK, and Gwendolin

Kremer, Office for Academic Heritage, and Karen Weinert, bautzner69, on June 19, 2019.

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Ausstellungsansicht / Exhibition View bautzner69

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MATERIALVERBINDUNGEN

Johannes Makolies (*1979 in Dresden, lebt in Leipzig) studierte Bildhauerei bei

Prof. Eberhard Bosslet und Prof. Carl Emanuel Wolff an der HfBK Dresden, bei

dem er 2013 sein Meisterschülerstudium beendete. Für Johannes Makolies ist

die Erforschung und ästhetische Sichtbarmachung von Materialeigenschaften

in Verbindung mit einer bildhauerischen Form und deren Wirkung im Raum,

der Architektur und Stadtraum einbezieht, von besonderem Interesse.

In installativen Werken wie bikerack (2017) oder flack (2018) und der Arbeit Poncho

(2018), die Makolies in Kooperation mit dem ILK und dem Leibniz-Institut für

Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) ausschließlich aus Faserverbundwerkstoffen

konzipierte, wird der Transformationsprozess von Material und Form

in eine raumbezogene Dreidimensionalität sichtbar.

„Mich interessiert die Mischung aus dem Material, das am ILK

verwendet wird, und meinem eigenen Material: Beton, Keramik,

Stahl und found footage. Fotografische Vorlagen aus meinem

Archiv unterstützen mich bei der Entwicklung meiner Werke.

Damit gelingt es mir, architektonische oder funktionsbestimmte

Bedeutungszusammenhänge in einer skulpturalen Über- und

Umformung zu verschieben und vor allem ästhetische Kriterien

des Materials zu untersuchen.“ (Johannes Makolies)

Johannes Makolies

< Templates, 2019

1.1, 1.2, 1.3

2.1, 2.2, 2.3

3.1, 3.2, 3.3

4.1, 4.2, 4.3

Beton, Glas-und Karbonfaser, Epoxydharz, 31,5×31,5 cm

4-teilige Arbeit aus je drei Platten

< Detail (Scan)

Johannes Makolies hat sich im ILK ausgehend von seiner Auseinandersetzung

mit Leichtbaumaterialien und der Arbeit Poncho

mit den Möglichkeiten des Einbringens von Faserverbundwerkstoffen

in Beton und Ton beschäftigt. Testreihen und ein Kurs

zum Laminieren am Institut, in welchem die Drapierbarkeit und

die Stabilität der eingesetzten Materialen aus dem Leichtbau

vermittelt werden, machten deutlich, dass für die künstlerische

Praxis weder der Aspekt der Stabilität, noch der Zugfestigkeit vordergründig

sind. Die Templates zeigen vielmehr die Verbindung

von Beton mit Glas- und Karbonfasern als modulierte Oberflächenstruktur.

Schwarze Karbonfasern und weiße Glasfasern unter einer

bläulich oder grün anmutenden Harzschicht rufen zum einen

Bilder technischer Darstellungen auf, gleichzeitig bestechen die

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soliden Körper durch ihre minimalistische Farbgebung. Der in eine

Schalung auf das Epoxydharz gegossene Beton erscheint als ein

geschlossenes, monochromes Objekt, das durch die Textilien

eine Störung erfährt. Wie in der gestischen Malerei zeigen sich

die Fasern als abstrakte Schwünge und Zeichen, roh und zugleich

fragil bleiben ihre filigranen Strukturen erkennbar, da das Textil

nicht einlaminiert ist.

Totum pro parte, 2019

Beton, Karbonfaser, Epoxydharz, Stahl, 80×80×100 cm

Pars pro toto, 2019

Beton, Glasfaser, Epoxydharz, 50×60×20 cm

Die Ergebnisse der Experimente und Versuche in der Werkserie

Templates führten schließlich zu den beiden Beton-Stahl-Objekten.

Hier hat Johannes Makolies eine Dreiecksform aus Beton

entwickelt, die er als Solitär bzw. in einer Dopplung auf einem

schwarz lackierten geometrischen Stahlfuß installierte. Den Betonarbeiten

sind nach demselben Prinzip Fasermaterialien aus

dem Leichtbau einverleibt worden. Die schwarzen Karbonfasern

markieren als dunkle Fläche die transparenten Spitzen der

Körper und breiten sich von dort als Rhizom im Beton aus. Die

spezifische Oberflächenästhetik, aber gleichzeitig auch der

ambivalente Widerspruch der eingesetzten Materialien, die mit

Schwere und Leichtigkeit assoziiert werden, sind in ihrer Gleichzeitigkeit

von zentraler Bedeutung.

Replica, 2019

Keramik, CFK, 20×15×10 cm

Für die tönernen Figuren sollen Leichtbau-Materialien wie Karbonfaserverstärkte

Kunststoffe (CFK) in die Tonarbeit eingebracht

werden. Die Hypothese ist, dass das CFK bei Brenntemperaturen

von über 1 050 Grad vollständig oxidiert. Der Umwandlungsprozess

des Faserverbundwerkstoffs ist dabei von besonderem Interesse.

Der Ton als Jahrhunderte altes Material, dessen Spuren wir bis

heute in archäologischen Grabungen finden und die uns von vergangenen

Kulturen und ihren Techniken erzählen, überdauert, das

Material der Zukunft hingegen verschwindet. Fragen nach Nachhaltigkeit,

Ressourcen, aber auch Kulturtechniken werden in dieser

experimentellen Werkserie diskutiert, im Spannungsfeld von

These, Versuch und Ergebnis.

Johannes Makolies im Gespräch mit Dr. Christian Garthaus, Dr. Albert Langkamp, ILK, sowie

Gwendolin Kremer, Kustodie, und Karen Weinert, bautzner69, am 7. Juni 2019.

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MATERIAL CONNECTIONS

Johannes Makolies (b. 1979 in Dresden, lives in Leipzig) studied sculpture under Prof. Eberhard Bosslet

and Prof. Carl Emanuel Wolff at the HfBK Dresden, completing his Meisterschüler studies in 2013. Johannes

Makolies’ interests lie in explorations and aesthetic visualizations of material properties connected to

sculptural form and their effects on spaces that take architecture and urban areas into account. In

installations such as bikerack (2017) or flack (2018) and the art work Poncho (2018), which Makolies made

exclusively from fiber-reinforced composites in cooperation with the ILK and the Leibniz Institute for

Polymer Research Dresden e. V. (IPF), the transformation from material and form into a spatial threedimensionality

becomes visible.

“What I find interesting is the combination of the material used in the ILK and my own

material: concrete, ceramic, steel and found footage. Photographic originals from my

archive contribute to the development of my work. That’s how I’m able to shift architectural

or functional semantic relationships into sculptural mutation and transmutation and

especially to explore the material’s aesthetic criteria.” (Johannes Makolies)

Templates, 2019

1.1, 1.2, 1.3

2.1, 2.2, 2.3

3.1, 3.2, 3.3

4.1, 4.2, 4.3

4-part piece, each comprised of 3 plates

concrete, glass and carbon fibers, epoxy resin, 31.5×31.5 cm

< Detail

At the ILK, Johannes Makolies explored the possibilities of inserting fiber-reinforced

composites into concrete and clay, starting with his investigations into lightweight

construction materials and his piece Poncho. Test series and a course at the institute

on laminating in which the draping properties and stability of the materials in lightweight

engineering were explained, made clear that for artistic purposes neither stability nor

tensile strength is relevant. The Templates highlight rather the connection between

concrete and fiberglass or carbon fibers as a modulated surface structure. Black

carbon fibers and white fiberglass under a bluish-green resin layer recall on one hand

images of technical representations, on the other they enhance the solid shapes with

their minimalistic coloring. Concrete poured onto epoxy resin and into a formwork

appears as a closed, monochrome object experiencing a disruptive effect through

the presence of textiles. As in gestic painting, the fibers appear as abstract curls and

symbols. Both raw and fragile, their filigree structures remain recognizable as the

textile is not laminated.

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> Totum pro parte, 2019

concrete, carbon fiber, epoxy resin, 80×80×100 cm

Pars pro toto, 2019

concrete, fiberglass, epoxy resin, 50×60×20 cm

The results of the experiments and trials in the series Templates led finally to these two

concrete and steel objects. Here Johannes Makolies created a triangular concrete form,

which he installed, solitary or doubled, on a black lacquered geometric steel base. Fiber

materials from lightweight engineering were assimilated into the concrete objects

following the same principle. The black carbon fibers mark the transparent tips of the

forms with dark surfaces and spread out from there like a rhizome in concrete. The

specific surface aesthetic, but also the ambivalent contrast of the materials used, which

are associated with heaviness and lightness, are, in their simultaneity, of central

importance.

Replica, 2019

ceramic, CFC, 20×15×10 cm

For these clay figures, lightweight engineering materials such as carbon fiber composites

(CFC) were to be integrated into the claywork under the hypothesis that the CFC

completely oxidizes at temperatures over 1050 degrees celsius. The focus is on the

metamorphosis of the reinforced fiber composites. The clay, as a centuries old material,

whose traces we still find in archeological digs telling us about past civilizations and their

technologies, remains, while the material of the future disappears. Questions concerning

sustainability, resources and also cultural technologies are discussed in this experimental

series and test the tension between hypothesis, experiment and result.

<

Ausstellungsansicht / Exhibition View

bautzner69

Johannes Makolies in conversation with Dr. Christian Garthaus, Dr. Albert Langkamp, ILK, and

Gwendolin Kremer, Office for Academic Heritage, and Karen Weinert, bautzner69, on June 7, 2019.

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RAUMKÖRPER

Adrian Sauer (*1976 in Ost-Berlin, lebt in Leipzig) studierte von 1997 bis 2003

an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig bei Prof. Timm

Rautert und hat sich schon während seiner Ausbildung der bildanalytischen

Fotografie verschrieben. In seinen seit 2010 entwickelten Werkserien wie

16.777.216 Farben (2010), Gradient (2012) und Schwarze Quadrate (2011) erforscht

er spezifische Charakteristika digitaler Bilder.

Adrian Sauer

„Die Fotografie hat sich in den vergangenen 20 Jahren durch den

Einsatz der digitalen Technik grundsätzlich gewandelt. Für mich

ergibt sich durch die vergleichbare Entwicklung in den Wissenschaften

durch die Digitalisierung ein Potenzial gemeinsamer Auseinandersetzung.

Über die grundsätzliche Frage an die eigene

künstlerische Praxis – Wie funktioniert mein Medium? Wie werden

Bilder gespeichert? Was bedeutet das für die Inhalte, die Bilder,

die ich darstellen möchte? – arbeite ich an der Sichtbarmachung

dieser Darstellungsränder bzw. -grenzen der digitalen Fotografie.

Prämisse meiner fotografischen Arbeiten ist die Annahme, dass

die technischen Bedingungen des Mediums per se so relevant

sind wie das sichtbare Abbild in der Wirklichkeit. Eine Fotografie

ist demnach ein Abbild, zugleich aber auch eine Matrix der eingesetzten

Farbwerte oder Pixel.“ (Adrian Sauer)

Die Platonischen Körper, 2019

Tetraeder

Hexaeder

Oktaeder

Dodekaeder

Ikosaeder

5-teilige Werkserie, Karbonfaser, 3-D-Titan-Druck,

Ø je 160 cm

Ausgehend von einer fotografischen Abbildung des Russischen

Pavillons auf der Kölner Ausstellung Pressa aus dem Jahr 1928

beschäftigte sich Adrian Sauer mit der geometrischen Figur des

fünfseitigen Sterns. Über Papier- und Kunststoffmodelle erschloss

er sich diesen regelmäßigen Körper und entwickelte daraus eine

9-teilige Bildserie aus schwarzen und weißen 5-Stern-Körpern

und ihren vice versa angelegten Schatten, die er aus drei Blickwinkeln

fotografierte, um die entscheidenden beschreibenden

Perspektiven des geometrischen Gebildes, dessen Grundlage ein

Dodekaeder ist, als Raumkörper zu erfassen.

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In Zusammenarbeit mit dem ILK führt Adrian Sauer seine Auseinandersetzung

mit den Raumkörpern fort, wobei der Dodekaeder

als Ausgangspunkt der Überlegungen fungierte. Aus Zeichnungen

der Platonischen Körper, zu denen Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder,

Dodekaeder und Ikosaeder gehören, sollte ein möglichst einfacher,

präziser, dabei zugleich materialloser Körper konstruiert werden.

Wie funktionieren die Tragwerkskonzepte, wie müssen die Verbindungselemente

beschaffen sein? Über ein kaum sichtbares Karbonfilament

wurden letztlich 0,5 Zentimeter dicke Karbonfaserstäbe für

das Tragwerk eruiert. In verschiedenen Arbeitsschritten wurden,

angepasst an die Ausstellungsräume, die Proportionen der Umkugel,

des Volumens, der fünf Körper definiert und die Verbindungen

festgelegt, die schließlich in einem 3-D-Druckverfahren

aus Titan produziert wurden und ihr Eigengewicht selbst tragen.

Charakterisiert sind die fünf Platonischen Körper nun durch ihre

minimalistische räumliche Wirkung und ihre ephemere Erscheinung,

die als Linie, als Zeichnung im Raum oder auch als schwebende

Körper wahrgenommen werden. Die Körper berufen sich

gleichsam auf die Jahrhunderte alte wissenschaftliche Auseinandersetzung

mit Geometrie, Philosophie und der Übertragbarkeit

dieser einzigartigen Figuren in andere Disziplinen.

So ordnete Platon jedem Körper ein Element zu: Tetraeder – Feuer,

Hexaeder – Erde, Oktaeder – Luft, Ikosaeder – Wasser und der

Dodekaeder symbolisiert den Kosmos bzw. das Universum. Adrian

Sauers ästhetische Annäherung erschließt die Körper auch als

wissenschaftliche komplexe Gebilde. Albert Langkamp sieht

die Idee der Platonischen Körpern auch als ein überdauerndes

Narrativ für einen idealen Maßstab für das Handeln in Wissenschaft

und Technik.

Light and Dark Stars, 2017

9 digitale C-Prints, je 48,3×60,5 cm

Adrian Sauer im Gespräch mit Alexander Herbig, Dr. Albert Langkamp, Tina Richter, Dr. Sebastian

Spitzer, ILK, Gwendolin Kremer, Kustodie, und Karen Weinert, bautzner69, am 3. Juni 2019.

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Dodekaeder / Dodecahedron:

Ausstellungsansicht / Exhibition View bautzner69 mit Arbeiten von / with art

works by Su-Ran Sichling, Johannes Makolies

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RAUMKÖRPER / SOLIDS IN SPACE

Adrian Sauer (b. 1976 in East Berlin, lives in Leipzig) studied at the Hochschule für Grafik und Buchkunst

(HGB) Leipzig from 1997 to 2003 under Prof. Timm Rautert. During his studies, he began to dedicate

himself to analytical photography. Beginning in 2010, series such as 16.777.216 Farben (16.777.216 Colors)

(2010), Gradient (2012) and Schwarze Quadrate (Black Squares) (2011) have explored specific features of

digital images.

“Photography has fundamentally transformed in the last 20 years with the use of digital

technology. For me, it seems there is a comparable development in the sciences

with digitalization and therefore the potential for dialogue. The basic questions I

pose concerning my own artistic practice—How does my medium function? How are

images saved? What does this mean for their contents, the images that I want to

represent?—feed into my work, which gives a visual form to the representational edges

or boundaries of digital photography. The premise of my photography is the assumption

that the technical conditions of the medium per se are as relevant as the visible

representation in reality. A photograph is an image, but also a matrix of color values

or pixels.” (Adrian Sauer)

Die Platonischen Körper (The Platonic Solids), 2019

Tetrahedron

Hexahedron

Octahedron

Dodecahedron

Icosahedron

Series in 5 parts, carbon fiber, titanium 3-D print, Ø each 160 cm

finally were produced via a titanium 3-D printing process and support their own weight.

The five Platonic solids are characterized by their minimalistic spatial effect and their

ephemeral appearance, perceived as a line, a drawing in space or as a floating solid.

The solids recall as well the centuries old scientific explorations of geometry, philosophy

and the transfer of these unique figures into other disciplines.

Plato assigned each solid an element: tetrahedron—fire; hexahedron—earth,

octahedron—air, icosahedron—water, and the dodecahedron symbolized the cosmos

or the universe. Adrian Sauer’s aesthetic approach taps into the solids as scientifically

complex structures. Albert Langkamp sees the idea of Platonic solids as an enduring

narrative for an ideal measure of scientific and technological activity.

Tetraeder, Hexaeder: Ausstellungsansicht Haupttreppenhaus Görges-Bau, TU Dresden

Tetrahedron, Hexahedron: Exhibition View Main Stairway, Görges-Bau, TU Dresden

Inspired by a photographic image of the Russian Pavilion at the Cologne exhibition

Pressa in 1928, Adrian Sauer began to work with the 5-sided star as a geometric shape.

From paper and plastic models, he arrived at this regular solid and developed a

9-part series of images of black and white 5-star solids and their alternating shadows.

He photographed them from three angles in order to capture the key descriptive

perspectives of this geometric structure, whose foundation is the dodecahedron, as

a solid in space.

Working with the ILK, Adrian Sauer continued his exploration of solids in space, with

the dodecahedron as his starting point. From drawings of Platonic solids, including

tetrahedrons, hexahedrons, octahedrons, pentagonal dodecahedrons and icosahedrons,

he strove to construct forms as simple and precise as possible, but at the

same time insubstantial. How do the supporting structures work? What should the

connective elements be made of ? Over a barely visible carbon filament, 0.5-centimeter

thick carbon fiber rods were arranged for the supporting structure. In various steps,

adjusted to fit the exhibition space, the proportions of the outer sphere and the

volume, the five solids were defined and the connections were established, which

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Adrian Sauer in conversation with Alexander Herbig, Dr. Albert Langkamp, Tina Richter,

Dr. Sebastian Spitzer, ILK, Gwendolin Kremer, Office for Academic Heritage, and Karen Weinert,

bautzner69, on June 3, 2019.



Oktaeder, Ikosaeder: Ausstellungsansicht

Haupttreppenhaus Görges-

Bau, TU Dresden, mit einem Werk

von Bettina Allamoda

Octahedron, Icosahedron: Exhibition

View Main Stairway, Görges-Bau, TU

Dresden, with an artwork by Bettina

Allamoda

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MINIMALFLÄCHEN

Birgit Schuh (*1970 in Groß-Umstadt, Odenwald, lebt in Dresden) absolvierte

an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ein Lehramtsstudium in Mathematik

und Kunst und studierte dort im Anschluss Freie Bildende Kunst bei

Prof. Elfriede Knoche-Wendel. Über Stationen bei Prof. Lothar Fischer an der

Hochschule der Künste Berlin, führte sie ihr Weg 2009 an die HfBK Dresden

zu Prof. Martin Honert, wo Birgit Schuh 2013 ihr Meisterschülerstudium bei

Prof. Monika Brandmeier abschloss. In ihren Arbeiten – Objekte, Zeichnungen,

Kunst am Bau – setzt sie sich mit Topoi aus Architektur und Landschaft auseinander,

wie in der gefalteten dreidimensionalen Zeichnung Karte B (Berlin)

von 2016 oder in der Werkserie Wolke(n), an der sie seit 2017 in Pappe, Holz,

Papier und Kunststoff arbeitet.

„Mich beschäftigen die räumliche Übersetzung von zweidimensionalen

Formen und Wegstrecken, die Übertragung geometrischer

Paramater in Materialien und Markierungen. Ich nutze die

Potenziale materialimmanenter Eigenschaften und physikalische

Vorgänge, um diese in meine künstlerische Praxis, in abstrahierte

Formen und Objekte zu übersetzen.“ (Birgit Schuh)

Birgit Schuh

< Europa, 2019

Karbonfaserstäbe, Textil, Ø 160 cm

Bistabile bzw. multistabile Strukturen, die mehrere Gleichgewichtszustände

kennen und beispielsweise durch Temperaturschwankungen

ihre Form verändern bzw. von einem Zustand in

den anderen wechseln, sind der Ausgangspunkt für Birgit Schuhs

Überlegungen. Anhand von Verklebungen gerichteter Lagen aus

Papier, Pappe und Holzfurnier entwickelte sie flache, reliefartige

und skulpturale Objekte, die Feuchtigkeit und Trocknungsprozessen

ausgesetzt wurden, wodurch Formveränderungen stattfinden.

Diese Experimente zum Prinzip der Multistabilität werden nun

mit Materialien aus dem Leichtbau weitergeführt.

Ausgehend von Faltungen konzipierte Birgit Schuh mit Europa

eine Arbeit, in der sie die Zugkräfte und Spannungen des Materials

nutzt, um eine skulpturale Auffaltung zu erzeugen.

Basierend auf ihren Überlegungen zu kartographischen Darstellungen

und deren Bezug zur dreidimensionalen Landschaft,

überführte sie eine historische Karte des Geodäten Johann Jacob

Baeyer (1794–1885) aus dem 19. Jahrhundert in eine Struktur, die

sich von der Fläche in den Raum ausdehnt. Baeyer, der als Begründer

der europäischen Gradmessung gilt, forschte in einem

Länderverbund von 22 Staaten zur Vermessung Europas. Sein Entwurf

einer kartographischen Darstellung stützte sich auf die Wegstreckenvermessung

europäischer Städte im Norden, Süden, Osten

und Westen des Kontinents. Uppsala und Palermo sind der

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nördlichste und südlichste Punkt dieser Karte. Die

sich durch die einzelnen Distanzlinien ergebende

geometrische Netz-Darstellung transformiert

Birgit Schuh durch achtfache Wiederholung zu

einem Kaleidoskop, das ebenfalls durch komplexe

Gleichgewichtsstrukturen charakterisiert

ist. Der Kaleidoskop-Körper wurde in Modellen

aus unterschiedlichen Materialien erarbeitet.

Außerdem experimentiert sie mit dehnbaren

Textilien, auf die Stäbe aus Holz und anderen

Materialien geklebt wurden. Die sich daraus

ergebenden Segmente auf dem aufgespannten

Gewebe konstituieren die geometrische Figur

im doppelten Sinn. Zum einen fungieren sie

als Tragwerk, zum anderen definieren sie die

explizite Form.

Europa besteht aus leichtbauspezifischen Materialien

und Techniken. Karbonfaserstäbe markieren

die Distanzen auf einem transparenten dehnbaren

Gewebe. Das in sich gefaltete, dreh- und

wendbare Konstruktionsprinzip erlaubt eine

mannigfaltige Anordnung des flexiblen Körpers.

Das Kaleidoskop zeigt ein immer gleiches Bild

seiner Fläche, durch Manipulationen ergeben

sich verschiedene Anordnungen und Ansichten.

Die Drapierung des flexiblen Gewebes bedingt

seine räumliche Komplexität.

Für Birgit Schuh ist dieser fortwährende Transformationsprozess,

die immanente Veränderlichkeit

der Struktur eine Metapher, um die Fragilität

von Grenzen sowie die Umformung von Landschaften

aufzuzeigen.

Birgit Schuh im Gespräch mit Dr. Albert Langkamp, Rafał Stanik, ILK, sowie Gwendolin Kremer,

Kustodie, und Karen Weinert, bautzner69, am 20. Juni 2019.

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MINIMAL SURFACES

Birgit Schuh (b.1970 in Groß-Umstadt, Odenwald, lives in Dresden) completed her teaching degree in

mathematics and art at the Johannes-Gutenberg University in Mainz and afterwards studied fine arts

there under Prof. Elfriede Knoche-Wendel. Following a period under Prof. Lothar Fischer at the Berlin

University of the Arts, her path led to the HfBK Dresden and Prof. Martin Honert in 2009, where Birgit

Schuh finished her Meisterschüler studies under Prof. Monika Brandmeier in 2013. In her work—objects,

drawings, site-specific art—she explores architectural and landscape topoi, as in the folded threedimensional

drawing Karte B (Berlin) from 2016 or in her series Wolke(n), which she has been working on

since 2017 using cardboard, wood, paper and plastic.

The draping of flexible fabric conditions its spatial complexity. For Birgit Schuh, this

continuing transformation process, the inherent changeability of structure, is a

metaphor, pointing out the fragility of boundaries and the reshaping of landscapes.

Ausstellungsansicht / Exhibition View bautzner69 mit Arbeiten von / with art works by

Su-Ran Sichling, Adrian Sauer, Johannes Makolies, Bettina Allamoda

“The spatial translation of two-dimensional forms and distances, the transfer of

geometrical parameters in materials and markings interests me. I use the potential

of characteristics inherent in material and physical processes in order to translate

them into my artistic practice in abstract shapes and objects.” (Birgit Schuh)

> Europa, 2019

carbon fiber rods, textile, Ø 160 cm

Bistable and multistable structures that have several equilibria, and may change form or

move from one state to another as a result of alterations in temperature, for example,

are the starting point for Birgit Schuh’s deliberations. Using adhered layers of paper,

cardboard and wood veneer, she designed surfaces, objects or objects in relief, which

were then exposed to moisture and drying processes that caused changes in shape.

These experiments on the principle of multistability were continued using lightweight

engineering materials. Birgit Schuh designed Europa using the tension and tensile

forces of her materials to produce a sculptural unfolding.

Starting with her reflections on cartographic representations and their relationship to

three-dimensional landscapes, she transposed a 19th century map by the geodesist

Johann Jacob Baeyer (1794—1885) into a structure that expands from the surface into

space. Baeyer, the founder of European grade measurement, was involved surveying

Europe in a group of 22 countries. His draft of a cartographic representation was

based on the route measurements of northern, southern, eastern and western European

cities. Uppsala and Palermo are the northernmost and southernmost points on the

map. Birgit Schuh transformed the geometrical network resulting from the individual

lines that Baeyer drew from one place to another into a kaleidoscope by means of

an eightfold repetition that is also characterized by a complex equilibrium structure.

The kaleidoscope was further manipulated into models of different materials and

subjected to experiments with elastic textiles on which rods made of wood or other

material were attached. The resulting segments on the tightly stretched fabric constitute

a geometric figure in a double sense. On one hand they function as a support structure,

on the other they define the explicit form.

Europa is composed of lightweight engineering-specific materials and technologies.

Carbon fiber rods mark the distances on a trasparent, flexible fabric. The construction

principle, folded in on itself, swivelling and reversible, makes possible a multifarious

arrangement of the flexible body. The kaleidoscope always shows the same image of

its surfaces, manipulation yields various arrangements and views.

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Birgit Schuh in conversation with Dr. Albert Langkamp, Rafał Stanik, ILK, and Gwendolin Kremer, Office

for Academic Heritage, and Karen Weinert, bautzner69, on June 20, 2019.



> Europa (Detail)

Studien und

Modelle zu

Faltungen und

multistabilen

Strukturen

Studies and

Models for

Foldings and

multistable

Structures

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FALLSPUREN

Bignia Wehrli (*1979 in Uster, CH, lebt in Berlin und Sternenberg, CH) absolvierte

2009 ihr Meisterschülerstudium an der HfBK Dresden bei Prof. Monika

Brandmeier. Auslandsaufenthalte führten sie während ihres Studiums an die

französische Kunsthochschule École des Beaux-Arts in Paris und mit einem

DAAD-Stipendium an die China Academy of Art in Hangzhou.

Bignia Wehrli

„In meiner künstlerischen Praxis befasse ich mich mit Prozessen

der Sichtbarmachung und mit dem Festhalten von flüchtigen Vorgängen.

Alltägliche Spuren, zurückgelegte Wegstrecken, ferne

Reisen, die sich verschiebende Horizontlinie, die Distanz zwischen

zwei Punkten bilden die Angriffsflächen für Entdeckungen. Dabei

interessiert mich besonders das Erfinden von Notationsmethoden

und Messinstrumenten, mit Hilfe derer ich ephemere Ereignisse

wie auch performative Aktionen aufzeichne und sie in neue Bezugsgeflechte

setze. Mich faszinieren Übersetzungs- oder Transformationsprozesse

als Schnittstellen zwischen Notation (Spur) und Realität.

Sie überführen etwas in Neuland und in die Imagination. Oft

ist eine Arbeit scheinbar nur das Überbleibsel von etwas anderem,

eine verschlüsselte Spur, ein Zeichen oder ein Hinweis auf etwas

unsichtbar darin verborgenes Reales.“ (Bignia Wehrli)

Reisen, Wegstrecken zurücklegen, die eigene Sprache für eine Zeit

durch eine andere Sprache ersetzen, waren ein Schlüsselerlebnis

für Bignia Wehrlis künstlerische Arbeiten. Diese setzen sich mit der

Aufzeichnung von Distanzen in Natur- und Kulturlandschaften

auseinander – wie in der fortlaufenden Arbeit Laufschrift (seit 2005)

oder auch später in den unter Traces zusammengefassten fotografischen

und filmischen Arbeiten Sternenschrift (2014).

Die Erforschung des Fallens – inspiriert von dem 20 Meter hohen

Fallturm im ILK – war der Ausgangspunkt für die künstlerischen

Versuche, die auch hier die Sichtbarmachung von Distanzen in

den Blick nimmt, aber dieses Mal die Perspektive wechselt.

Während beim Fallturm geführte Fälle eingesetzt werden, um die

Crashstrukturen von Materialproben zu analysieren, interessiert

sich Bignia Wehrli für den freien Fall und die dabei entstehenden

Bewegungsfiguren: der Fall als ein Weg in der Vertikalen. Bedingt

durch die Schwerkraft, Masse und Form eines Gegenstandes,

schwebt, sinkt oder stürzt etwas zu Boden. Was für einen Fallkörper

oder welche fraktale Fläche ergäbe ein hinunterfallender Faden

oder ein zu Boden segelndes Papier? Wie lässt sich der Sekundenbruchteil

eines Falls als Spur in einem Bild einfangen? Jeder Fall

ist ein Zufall und ein Einzelfall. Leichtigkeit und gleichzeitige

Schnelligkeit sind bei den Forschungen im ILK relevante Prämissen.

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Ping Pong, 2019

3-Kanal-Video, HD Format, 2:07 min

Der Fall von zwei Ping Pong-Bällen wird von drei übereinander

angeordneten Kameras zeitgleich mit einer Bildfrequenz von

240 Bildern pro Sekunde festgehalten. Da sich die Blickwinkel

der Kameras überlappen, tauchen die beiden Bälle auf den drei

analog zu der Versuchsanordnung installierten Bildschirmen

teilweise doppelt auf. Ihr simultanes und doch unterschiedliches

Fallen und Hochspringen bildet einen Dialog und eine Irritation,

die sich zwischen den Screens fortspinnt.

< Fallender Sternenhimmel auf Papier, 2019

8 Fotografien, C-Print, je 30×40,3 cm

Ausgehend von einer Fotografie des Sternenhimmels aus dem

künstlerischen Archiv wurde mit Reflektorfarbe eine Vorlage im

A3-Format erstellt. Die gegebene Streuung der Sterne erlaubt

den Einsatz des Punktverfolgungssystems GOM ARAMIS. Es wird

am ILK verwendet, um die dreidimensionale Verschiebung und

Verformung von Gegenständen zu erforschen. Auf Oberflächen

angebrachte Punkte oder Muster können so mit stereoskopen

Aufnahmen räumlich erfasst werden. Der Fall des Blatts wurde von

zwei Kameras gefilmt und die Fallbahn jedes einzelnen Sternes

aufgezeichnet. Für die Serie Fallender Sternenhimmel auf Papier

wurde ein Einzelfall aus einer Vielzahl von Aufnahmen ausgewählt.

Dabei wurde die dreidimensionale Flugbahn eines Sternenpunktes

berechnet und wird als 3-D-Druck in eine plastische Linie im

Raum materialisiert.

A4 Fall, 2019

2 Collagen, gerahmt, 63,6 cm×78 cm

Als erste Fallstudie wurde ein auf Augenhöhe gehaltenes, weißes

A4-Papier fallengelassen und sein Fall mit Hochgeschwindigkeitskameras

aus verschiedenen Blickwinkeln gleichzeitig aufgezeichnet.

Jeder circa eine Sekunde andauernde Fall produzierte an die

1 000 Bilder, aus denen durch Reduktion und Reihung zwei Collagen

entwickelt wurden, die dasselbe Ereignis von zwei unterschiedlichen

Standpunkten aus zeigen. Der so verbildlichte Fallkörper

macht die spezifische Bewegungsspur des Papierblatts im Raum

sichtbar.

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Bignia Wehrli im Gespräch mit Dr. Albert Langkamp, Tony Weber, Rainer Barth, ILK,

Gwendolin Kremer, Kustodie, und Karen Weinert, bautzner69, am 2. Juli 2019.



FALL TRACKING

Bignia Wehrli (b. 1979 in Uster, Switzerland, lives in Berlin and Sternenberg, Switzerland) completed her

studies as a Meisterschülerin at the HfBK Dresden in 2009 under Prof. Monika Brandmeier. She studied

abroad at the École des Beaux-Arts in Paris and, as the recipient of a DAAD fellowship, at the China

Academy of Art in Hangzhou.

“My artistic practice engages with processes of visualization and with ways of capturing

fleeting actions. Daily paths, distances traveled, faraway journeys, the shifting horizon,

the distance between two points—these are sites of discovery. I am interested

particularly in devising methods of notation and inventing measuring devices which

can be used to record ephemeral occurrences and performative actions, positioning

them in new contexts and relationships. I am fascinated by processes of translation

and transformation and see them as gateways between notation and reality. Through

these processes, something—a movement, a space, an idea—is transported into

uncharted territory, and into the imagination. Often the work appears to be only the

remains of something else, an encrypted trace, a sign or a hint of something real

hidden within. (Bignia Wehrli)

Traveling, covering new ground, replacing one’s own language with another for a while;

these are key experiences for Bignia Wehrli’s artistic work, an exploration that records

distances through natural and cultural landscapes, as in Laufschrift, a work in progress

since 2005, or in photographic and cinematic works like Sternenschrift (2014), collected

later in Traces.

An investigation of falling—inspired by the 20-meter-high drop tube at the ILK—is the

starting point for artistic experimentation which here, too, takes a look at the visualization

of distances, but this time from a different perspective. While the drop tube is used to

analyze the crash structure of materials, Bignia Wehrli is interested in free falls and the

figures of movement that they give rise to: the fall as a vertical pathway. Conditioned

by gravity, an object with mass and form floats, sinks or crashes to the ground. What

shapes do the falling bodies take on or which fractal surfaces arise from a falling

thread or a piece of paper as it sails to the ground? How can the traces of a single

moment of a descent be captured in an image? Each fall is conicidence and singularity.

Lightness and at the same time speed are relevant premises for research at the ILK.

< Fallender Sternenhimmel auf Papier (Falling Starry Sky on Paper), 2019

8 photographs, C-Print, each 30×40,3 cm

Inspired by a photograph of a starry sky from the art archive, an A3-sized model was

created with reflective paint. The particular distribution of the stars allowed the GOM

ARAMIS tracking system to be used. At the ILK, the system is used to study the three

dimensional displacement and deformation of objects. Points applied to a surface or

pattern can be spatially tracked with stereoscopic imaging. The paper’s fall was captured

by two cameras, recording the trajectory of each individual star.

For the series Fallender Sternenhimmel auf Papier (Falling Starry Sky on Paper) one of

many images was selected. A three-dimensional flight path of the star was then calculated

and transformed into a 3-D print of a plastic line in space.

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A4 Fall, 2019

2 framed collages, 63,6×78 cm

For the first drop study, a white A4-sized sheet of paper was held at eye level, then

dropped. Its fall was recorded with high-speed cameras from various angles simultaneously.

Every second of its journey produced around 1000 images, from which two

collages were made through reductions and sequencing that show the same event

from two different viewpoints. Representing the falling object in this way makes the

traces of the paper’s movement visible in space.

> Ping Pong, 2019

3-channel video, HD Format, 2:07 min

> Video Still

Two ping pong balls are dropped and three cameras positioned one over the other

simultaneously capture their path at a frame rate of 240 images per second. Since

the camera angles overlap, the balls appear at times doubled on the three screens

installed according to the experimental design. Their simultaneous and yet diverse

drops and leaps create dialog and confusion that is reflected among the screens.

Ausstellungsansicht / Exhibition View mit einem Werk

von / with an art work by Bettina Allamoda, Görges-Bau,

TU Dresden

Bignia Wehrli in conversation with Dr. Albert Langkamp, Tony Weber and Rainer Barth, ILK, and

Gwendolin Kremer, Office for Academic Heritage, and Karen Weinert, bautzner69, on July 2, 2019.

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A4 Fall

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Su-Ran Sichling

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FLÜCHTIGKEIT

Su-Ran Sichling (*1978 in Nürnberg, lebt in Dresden) schloss 2012 ihr Meisterschülerstudium

an der HfBK Dresden bei Prof. Martin Honert ab. In ihren

installativen Arbeiten setzt sie sich seit vielen Jahren mit Keramik auseinander.

Dabei spielen historische Zuschreibungen und Konnotationen immer wieder

eine zentrale Rolle, wenn sie zum Beispiel das Material Keramik aus seiner

kunsthandwerklichen Tradition der Gebrauchsgegenstände in eine zeitgenössische

Form und Rezeption überführt.

„Ich befrage Oberflächen, Wiederholungen und Schmuck nach

ihren kulturellen Kodierungen. Dazu gehört auch die Frage in die

Gegenrichtung: Wie schreiben sich gesellschaftliche und kulturelle

Normen als ,abstrakte’ Muster in unsere Umwelt ein? Vertikal

durch die Kunst- und Kulturgeschichte suche ich nach Objekten

und Strömungen, die in ihrer Bedeutung in die Gegenwart hineinstrahlen,

und versuche die Aussage in einem weiteren Schritt zu

irritieren.“ (Su-Ran Sichling)

TRANSIENCE

Su-Ran Sichling (b. 1978 in Nuremberg, lives in Dresden) completed her Meisterschüler

studies in 2012 at the HfBK Dresden under Prof. Martin Honert. She has

worked with ceramic in her installations for many years. Historical attributions

and connotations play a central role, for example, when she takes ceramic out of

the handicraft tradition as a utensil and transfers it into contemporary form and

reception.

“I pose questions about the cultural codes inherent in surfaces,

repetitions and jewelry. The opposite is also part of the conversation:

how do social and cultural norms register as abstract patterns in our

environment? Vertically, through art and art history, I look for objects

and trends that in their significance shine a light on the present and

then I try to disrupt their assertions in a second step.” (Su-Ran Sichling)

Strich, 2009/19

Keramik, 6,00 m

Strich (Line), 2009/19

ceramic, 6.00 m

Su-Ran Sichling wurde als Gastkünstlerin zur Gruppenausstellung

Leichter als Luft eingeladen.

Ausgehend von einem Kreidestrich auf einer Tafel, erkennt man,

in der Vergrößerung und bei genauerem Hinsehen, ein verdichtetes

Ansetzen zu Beginn des Strichs, welches zum Ende schollenoder

schweifartig in kleinere Segmente zerfällt und ausläuft. Die

Arbeit markiert eine punktuell-zeitliche Setzung. Sie hat somit einen

Anfang und ein Ende. Zudem wird die vermeintliche Stringenz

eines Strichs in Frage gestellt, denn je genauer man ihn fokussiert

und vergrößert betrachtet, umso mehr zerfällt seine vermeintlich

klare Form. Bei der Ausarbeitung in Keramik wurde der ursprüngliche

Kreidestrich auf sechs Meter Länge vergrößert.

Ihre reliefartige Wandarbeit besteht aus unzähligen weiß glasierten

Keramikfragmenten, die einen Kreidestrich in die Zweidimensionalität

transferieren.

Im Kontext von Leichter als Luft ruft der Strich auch Assoziationen

an Kondensstreifen und die Flüchtigkeit von Elementen

hervor und spielt gleichzeitig mit dem kaum greifbaren Moment

von Erscheinung und Vergänglichkeit.

Su-Ran Sichling was invited to the group exhibition Lighter Than

Air as guest artist.

Starting with a chalk line on a blackboard, one recognizes, by enlarging

it and looking more carefully, a thicker part at the beginning of the

line, which at the end falls apart and runs out in small segments, in

clumps or trails off.

The work marks a point in time. It has a beginning and an end. In

addition, the supposed stringency of a line is called into question,

since the more carefully one focuses on it and observes it enlarged,

the more the supposedly clear shape falls apart. In the ceramic

version, the original chalk line is expanded to six meters in length.

Her mural is composed of countless white glazed ceramic fragments

in relief that translate a chalk line into two-dimensionality.

Within the context of Lighter Than Air, the line recalls associations

of vapor trails and the transience of elements and plays at the

same time with the barely graspable moment of appearance and

evanescence.

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Beautiful Failure. Eine Ausstellungskooperation mit der

HfBK Dresden

Studierende der HfBK Dresden: Johann Baerenklau, Lisa Baier, Johannes

Brennsteiner, Paula Marie David, Hannah Doepke, Robin Kötzle, Mirjam

Kroker, Soohyeon Lee, Kena Loeckle, Leon Michel, Jens Müller, Paul Reßl,

Alban Rosenberg, Annelene Schmidt, Antonia Silbermann, Laura Urbanski,

Victoria Gentsch, Josef Villao Crespo

LEICHTER ALS LUFT ist der Titel der aktuellen Kooperation von

Studierenden der HfBK Dresden mit der TU Dresden, zu der die

Kustodie und das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik

(ILK) eingeladen haben. Neben den Studierenden sind auch internationale

Künstlerinnen und Künstler aufgefordert, sich mit

dieser verheißungsvollen Materialität auseinanderzusetzen. Das

Projekt setzt die Zusammenarbeit beider Hochschulen fort, die

2017 mit Remembering the Future begonnen hat. Damals standen

unter dem Motto Wenn Sachen Sachen machen die Bestände und

Objekte der universitären Lehrsammlungen der Kustodie und

deren Potentzial für die künstlerische Lehre im Fokus der Auseinandersetzung.

Materialität und Dinglichkeit spielten eine zentrale

Rolle.

Dieses Mal geht es um Leichtbauprinzipien und die in diesem

Forschungsbereich eingesetzten Materialien, um die Transformation

des Leichten in Bilder, Objekte und Installationen. Es geht

um Materialität an der Grenze der Schwerkraft, um die Ästhetik

und die Ökonomie des Leichten, um Effizienz und deren Gegenteil.

Wie kann das Leichte widerständig sein? Auf welche Arten

und Weisen versagt das Leichte? Kann die funktionale Integrität

leicht gebauter Strukturen im Versagensfall erhalten bleiben?

Was müsste hierfür geopfert werden? Um das herauszufinden

wird das Leichte enormen Kräften ausgesetzt, und deren Wirkung

dokumentiert. So wird im ILK auch massiv Druck ausgeübt auf

das Leichte, um zu sehen, ob es hält, was es verspricht.

Gegenstände leichter und damit effizienter zu machen, kann auf

unterschiedliche Weisen erzielt werden. Material kann eingespart

werden, es kann aber auch ein anderes, leichteres Material zum

Einsatz kommen, beispielsweise mineralische Fasern wie Glasfasern,

Karbon-, Aramid- oder Basaltfasern. Bei deren Verarbeitung

zu hochfesten und stabilen Halbzeugen wird an uralte textile Traditionen

angeknüpft: Es wird gewebt, geflochten, genäht, geklebt

und geformt. Mittels eines großen Flechtrades werden Faserschläuche

unterschiedlicher Durchmesser geflochten und in

Verbindung mit einer Kunststoffmatrix zu Rohren verarbeitet.

Prinzipien des Leichtbaus werden hauptsächlich im Fahrzeug- und

Flugzeugbau angewendet. Das ILK entwickelt mit Partnern aus

Wissenschaft und Industrie innovative Materialien, Verarbeitungsprozesse

und innovativen Anmerkungen im Bereich Leichtbau.

Manches Projekt untersteht strengster Geheimhaltung, denn etwas

leichter zu machen, verschafft Vorteile, die auch andere gerne

nutzen würden. Wenn jedoch beispielsweise ein SUV leichtere

Bauteile bekommt, damit sein höheres Gewicht an anderer Stelle

kompensiert werden kann, stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit.

Welche Spuren hinterlässt der Leichtbau? Kann er neutral sein?

All diese Themen spielten eine Rolle bei der Besichtigung der

Versuchs- und Produktionsaufbauten in den weitläufigen Laboren

des Instituts und bei der darauf folgenden künstlerischen Auseinandersetzung.

Ob die Leichtbau-Variante eines Dings genauso stabil ist wie ihr

gewichtiger Vorläufer untersuchen die Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler des ILK mit den unterschiedlichsten Methoden.

„Versagensmodi“ werden antizipiert und beschrieben. Leichtbauteile

werden mit Gelatine beschossen und von Falltürmen in die

Tiefe gestoßen, Gewichte fallen auf sie herab oder sie werden in

Rotation versetzt. Kraftflüsse in Bauteilen werden simuliert und

die Fasern danach ausgerichtet, oder die Betriebsfestigkeit von

Leichtbaukomponenten werden an Belastungsprüfständen, Zerreißmaschinen

oder zerstörungsfreien Ultraschall- und Laserprüfverfahren

nachgewiesen. Hochgeschwindigkeitskameras dokumentieren

das prophezeite Versagen minutiös.

Die Aufbauten und Anlagen des ILK sind rein zweckmäßig organisiert

und dennoch hochästhetisch. Jedes Detail hat sein Rätsel,

die synthetischen Fasern schimmern vielversprechend, das

seidenweiche Gewebe erscheint kostbar und edel. Was passiert

also, wenn man das Setting aus einer anderen, einer künstlerischen

Perspektive betrachtet? Und was geschieht, wenn man

den Sinn von Effizienz und Optimierung hinterfragt, wenn

der künstlerische Mehrwert zugleich ein kritischer Ertrag ist.

Kann Versagen schön sein?

Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Leichten in all

seinen Facetten ist angestoßen. Die Ergebnisse dieses Prozesses

werden vom 13. bis 29. November 2019 im Senatssaal der HfBK

Dresden zu sehen sein.

Prof. Barbara Wille, Professur Grundlagen / Orientierungsphase, HfBK Dresden

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Beautiful Failure. A joint exhibition with the HfBK Dresden

Students of HfBK Dresden: Johann Baerenklau, Lisa Baier, Johannes Brennsteiner, Paula Marie David,

Hannah Doepke, Robin Kötzle, Mirjam Kroker, Soohyeon Lee, Kena Loeckle, Leon Michel, Jens Müller,

Paul Reßl, Alban Rosenberg, Annelene Schmidt, Antonia Silbermann, Laura Urbanski, Victoria Gentsch,

Josef Villao Crespo

Lighter than Air is the title of the current partnership between students at the

HfBK Dresden with the TU Dresden, initiated by the Office for Academic Heritage and

the Institute of Lightweight Engineering and Polymer Technology (ILK). In addition to

students, international artists have also been invited to explore this promising material.

The project is a continuation of the partnership between the university and the academy,

which started in 2017 with Remembering the Future. At that point, under the motto

Wenn Sachen Sachen machen (When Things Make Things), the university collections of

instructional objects and inventory and their potential for artistic instruction was the

focus. Materiality and objecthood played a central role.

This time, lightweight engineering principles and their materials together with the

transformation of lightness into images, objects and installations are the central

themes: materiality on the verge of gravity, aesthetics and the economy of lightness,

efficiency and its opposite. How can lightness be resistant? How can lightness fail?

Can the functional integrity of lightweight structures survive failure? What has to be

sacrificed? To find out, lightness is subjected to enormous force, the effects of which

> Ausstellungsansicht / Exhibition View: Remembering the Future, Brühlsche Galerie, HfBK Dresden, 2017

are documented. At the ILK, too, massive pressure is applied to light materials to

see if they hold and what that promises.

Making objects lighter and therefore more efficient can be achieved in various ways.

Material can be reduced or other, lighter material can be used, such as mineral fibers

like fiberglass, carbon, aramid or basalt fibers. During processing to create highstrength,

stable semi-finished products, age-old textile traditions are drawn on:

weaving, braiding, sewing, pasting and baking. A radial braider is used to braid fiber

hoses of different diameters, which are then transformed into pipes via a plastic

matrix. Lightweight engineering principles are mainly used in automobile and airplane

construction. The ILK develops innovative materials, processes and applications

with partners in the fields of science and industry. Some projects are confidential,

since making things lighter is an advantage that some would willingly exploit. However,

if an SUV, for example, has lighter parts in order to compensate for its weight, the

question of sustainability arises. What traces does lightweight engineering leave

behind? Can it be neutral? All of these topics played a role during the viewing of test

and production rigs in the Institute’s extensive laboratories and during the artistic

exploration that followed.

Whether the lightweight version of an object is as stabile as its weightier antecedent

is a question examined by the scientists at the ILK using various methods. “Failure

modes” are anticipated and described. Lightweight parts are fired at with gelatin and

dropped into fall tubes and hurled from heights; weights are dropped onto them or

they are set spinning. The flow of forces is simulated in component parts and fibers

are accordingly arranged, or the structural durability of lightweight components

are tested in crash and impact test stands, tensile testing machines or destructionfree

ultrasound and laser testing apparatuses. High-speed cameras document the

predicted failures minutely.

The structures and facilities at the ILK are purely practical and yet highly aesthetic.

Every detail has its mystery, the synthetic fibers glimmer promisingly, the satiny

weaves seem precious and valuable. What happens, then, when one observes this

setting from another, an artistic perspective? And what happens when the sense

of efficiency and optimization is questioned, when the artistic added value is also a

critical gain? Can failure be beautiful?

Artistic explorations of lightness in all its facets has begun. The results of this process

will be on display from November 13—29, 2019 at the HfBK Dresden.

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Prof. Barbara Wille, Professor of the Grundlagen / Orientierungsphase, HfBK Dresden



Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung / Published in conjunction with the exhibition

LEICHTER ALS LUFT / Lighter Than Air

Initiiert von der Kustodie der TU Dresden und dem Ausstellungsraum bautzner69 in Kooperation

mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden sowie der Hochschule für

Bildende Künste (HfBK) Dresden.

Initiated by the TU Dresden’s Office for Academic Heritage and the exhibition space bautzner69,

in cooperation with the Institute of Lightweight Engineering and Polymer Technology (ILK) at the

TU Dresden and the Hochschule für Bildende Künste Dresden.

AUSSTELLUNG / EXHIBITION

Direktorin Kustodie / Director Office for Academic Heritage, TU Dresden: Kirsten Vincenz

Konzept und Idee / Concept and Idea: Gwendolin Kremer, Kuratorische Leiterin / Curatorial Head,

Altana Galerie im Görges-Bau, Kustodie / Office for Academic Heritage, TU Dresden, Dr. Albert Langkamp,

ILK, TU Dresden, und / and Karen Weinert, bautzner69

Sekretariat Kustodie / Administrative Office for Academic Heritage, TU Dresden: Petra Seeck,

Simone Simon

Ausstellungsgestaltung / Exhibition Design: Karen Weinert

Ausstellungsaufbau / Exhibition Installation Fißler & Kollegen GmbH, BAUALPIN

KATALOG / CATALOGUE

Herausgeber / Editor: Gwendolin Kremer für die Kustodie / for the Office for Academic Heritage,

TU Dresden

Redaktion und Texte / Catalogue Editor and Texts: Gwendolin Kremer, Dr. Albert Langkamp, Karen

Weinert

Bildredaktion / Photo Editor: Gwendolin Kremer, Karen Weinert

Lektorat / Editing: Dr. Teresa Ende

Übersetzung / Translation: Jennifer Heber-Brown

Gestaltung, Satz und Reprografie / Layout, Typesetting and Typography: Karen Weinert

Fotografie / Photography: Karen Weinert

Druck / Printing: Stoba-Druck, Lampertswalde

Verlag / Publishing House: hesperus print* Verlag Dresden

Uwe Patzer, Bautzner Str. 69, 01099 Dresden

ISBN: 978-3-946339-25-0

Auflage / Edition: 2 000

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. The German National Library lists this publication in the German

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© 2019 Kustodie der TU Dresden und Autor*nnen, Künstler*innen und Fotograf*innen /

Office for Academic Heritage, TU Dresden, authors, artists and photographers.

Copyright für die Werke von / for the works by Bettina Allamoda, Birgit Schuh, Su-Ran Sichling: © VG

Bild-Kunst, Bonn 2019; © Johannes Makolies; © Adrian Sauer; © Bignia Wehrli


Textnachweis / Text credits:

„Leichter als Luft“, aus: Hans Magnus Enzensberger, Leichter als Luft. Moralische Gedichte.

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2005. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp

Verlag Berlin. / “Lighter than Air“ from: Hans Magnus Enzensberger, Lighter than Air. Moral Poems.

© Suhrkamp Publishers Frankfurt am Main 2005. All rights retained and reserved by Suhrkamp

Publishers Berlin.

Textauszug aus: Hans Magnus Enzensberger, Zukunftsmusik. Gedichte. © Suhrkamp Verlag

Frankfurt am Main 1991. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Berlin. /

Excerpt from: Hans Magnus Enzensberger, Future Music. Poems. © Suhrkamp Publishers Frankfurt

am Main 1991. All rights retained and reserved by Suhrkamp Publishers Berlin.

Fotonachweis / Photographs: Bettina Allamoda: 24, 26, 31, 33; Johannes Makolies: 34; Adrian Sauer:

47; Robert Vanis: 81; Bignia Wehrli: 62, 64, 66, 69–71; Karen Weinert: Titel / Cover, 22, 25, 27, 29–30,

32, 37–44, 48–61, 68, 72–76.

Dank an / Acknowledgements to:

Hood Alrawahi, Gerd Alschner, Paul Barsch, Rainer Barth, BAUALPIN, Thomas Behnisch,

Holger Böhm, Andreas Borowski, Felix Dahm / Suhrkamp Verlag, Katja Dannowski,

Dezernat 4 / TU Dresden, Francesco Digeronimo, Dr. Teresa Ende, Dr. Manuel Frey,

Dr. Christian Garthaus, Prof. Dr. Maik Gude, Dr. Andreas Handschuh, Jennifer Heber-Brown,

Maike Heitkamp-Mai, Alexander Herbig, Dr. E. Nicol Hildebrand, Dr. Andreas Hornig,

Andreas Kempe, Dr. Ilja Koch, Dr. Michael Krahl, Prof. Dr. Sybille Krzywinski,

Dr. Robert Kupfer, Vinh Loc Le, Marcel Mikolajczyk, Tino Mrotzek, Kasimir Sauer, Fedor Sauer,

Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, Margot Notarius / VG Bild-Kunst, Cheng Pang,

Magdalena Peciak, Jonas Richter, Tina Richter, Michael Schiffner, Dr. Cornelia Sennewald,

Petra Seeck, Simone Simon, Dr. Axel Spickenheuer, Dr. Sebastian Spitzer, Rafał Stanik,

Tomasz Stanik, Weronika Trojanowicz, Kirsten Vincenz, Fee Vogler, Matthias Weber, Tony Weber,

Dr. Anja Winkler, Diana Wolfrum, Jörg Zaun.

Gefördert durch / Supported by:

bautzner69

Ausstellungsraum

hesperus print *

Verlag & Editionen

Diese Maßnahme wird mitfinanziert

durch Steuermittel auf der Grundlage

des vom Sächsischen Landtag

beschlossenen Haushaltes


hesperus print* Verlag | 978-3-946339-25-0

Ausstellungsprojekt

zum 25-jährigen

Jubiläum des

ILK der

TU Dresden

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