Nr. 12 - November / Dezember 2007
Pariser Umland: Vaux-le-Vicompte, Barbizon, Fontainebleau, Parc de Sceaux, Rambouillet, Saint-Germain-en-Laye, Parc de Saint-Cloud, Auvers-sur-Oise, Chantilly, Pierrefonds. Toulouse: Weltoffenheit und Lebenslust Vogesen: Plombières-les-Bains Rezept: Crêpe bretonne
Pariser Umland: Vaux-le-Vicompte, Barbizon, Fontainebleau, Parc de Sceaux, Rambouillet, Saint-Germain-en-Laye, Parc de Saint-Cloud, Auvers-sur-Oise, Chantilly, Pierrefonds.
Toulouse: Weltoffenheit und Lebenslust
Vogesen: Plombières-les-Bains
Rezept: Crêpe bretonne
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Das erste deutschsprachige Frankreich-Magazin <strong>Nr</strong>. <strong>12</strong> · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong><br />
Pariser Umland<br />
Schlösser, Parks, Künstlerdörfer<br />
Toulouse<br />
Metropole zwischen zwei Meeren<br />
Vogesen<br />
Thermale Freuden in Plombières-les-Bains<br />
Bernard Kouchner<br />
Ein Politiker mit Prinzipien<br />
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Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
waren Sie schon einmal in Paris? Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass Sie diese Frage bejahen, ist hoch, gilt die Weltstadt<br />
an der Seine doch als eine der meist besuchten Metropolen<br />
der Welt. Weniger bekannt ist dagegen, dass sich<br />
auch in den Vororten und im nahen Umland interessante<br />
Sehenswürdigkeiten befinden. Um sich darüber klar zu<br />
werden, muss man zu Hause nur in einen beliebigen<br />
Buchladen gehen. In der Reisebuchabteilung findet<br />
man zahlreiche Reiseführer über Paris, doch kaum<br />
einer davon deckt die Umgebung der französischen<br />
Hauptstadt in nennenswertem Umfang ab. Ganz<br />
zu schweigen davon, ein deutschsprachiges Reisebuch<br />
über die Ile-de-France zu finden.<br />
Wir haben dies zum Anlass genommen,<br />
uns ein wenig näher mit dieser unbekannten<br />
Region zu beschäftigen. Mit<br />
zehn kleinen Entdeckungstouren in das<br />
Pariser Umland möchte Ihnen unsere<br />
Redaktion Anregungen für Ihren<br />
nächsten Aufenthalt in meiner Heimatstadt<br />
geben. Acht davon liegen<br />
in der Ile-de-France, zwei in der südlichen<br />
Picardie. Dabei ist eine bunte Mischung<br />
aus prachtvollen Schlössern, herrschaftlichen<br />
Parks und romantischen Künstlerdörfern<br />
herausgekommen. Allen Zielen ist gemein,<br />
dass man sie bequem als Tagesausflug von Paris<br />
aus planen kann, auch ohne eigenes Auto.<br />
Aber natürlich gibt es im Pariser Speckgürtel auch<br />
weniger romantische Trabantenstädte. Vielleicht<br />
haben Sie noch die Bilder von brennenden<br />
Autos und Straßenschlachten zwischen<br />
Jugendlichen<br />
und der Polizei,<br />
die vor zwei Jahren um die<br />
Welt gingen, im Gedächtnis.<br />
Wie lebt es sich aber wirklich in einem Vorort,<br />
dessen Stadtbild von Hochhäusern aus Beton<br />
geprägt ist? Wir sind der Frage nachgegangen und haben<br />
zwei Redakteure nach Créteil im Südosten von Paris<br />
geschickt. Beide kamen voller Erstaunen zurück. Sicherlich<br />
ist Créteil nach allgemeinem Verständnis nicht die schönste<br />
Stadt der Welt, aber der Alltag ist dort längst nicht so trist<br />
und hoffnungslos, wie die meisten Menschen glauben.<br />
Die Politik scheint die Probleme der Vorstädte zurzeit aber<br />
etwas vergessen zu haben, jedenfalls wurde dies während<br />
der Recherchetour vielfach angemerkt. Vielleicht<br />
liegt es auch daran, dass Nicolas Sarkozy inzwischen<br />
Präsident ist und sich nicht mehr als Innenminister<br />
profilieren muss. Sein Gespür für öffentlichkeitswirksame<br />
Maßnahmen hat er aber nicht<br />
verloren. Ein raffinierter Schachzug war dabei<br />
sicherlich, mit Bernard Kouchner nicht<br />
nur einen beim Volk äußerst beliebten,<br />
sondern auch einen aus dem gegnerischen<br />
Lager stammenden Politiker in sein<br />
Kabinett zu holen. Viele Franzosen konnten<br />
nicht nachvollziehen, warum der Gründer von<br />
« Ärzte ohne Grenzen » und « Ärzte der Welt » dieses<br />
Angebot annahm und nun schon seit Mai Frankreichs<br />
Außenminister ist. Wir betrachten den Lebenslauf dieses<br />
ungewöhnlichen Politikers deshalb etwas näher.<br />
Darüber hinaus möchten wir Sie in dieser Ausgabe<br />
ins dynamische Toulouse entführen, Ihnen mit<br />
Barcelonnette eine ungewöhnliche Kleinstadt in<br />
den Alpen mit einem « guten Draht » nach Mexiko<br />
vorstellen und den Kurort Plombières-les-Bains in den<br />
Vogesen für ein Wochenende voller Erholung empfehlen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen der folgenden<br />
Seiten.<br />
Titelblatt: Vaux-le-Vicomte<br />
Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur<br />
jc.albert@frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> ·
Inhalt<br />
Pariser Umland – Schlösser, Parks, Künstlerdörfer · <strong>12</strong><br />
Nicht nur die aufregende Metropole Paris selbst lohnt eine Reise, auch das Umland hat viel zu bieten. Von der<br />
herrschaftlichen Schlösserpracht wie zum Beispiel das Anwesen von Chantilly über beeindruckende Parkanlagen,<br />
die oft dem Genie von André Le Nôtre zu verdanken sind, bis zu pittoresken Künstlerdörfern, die noch heute<br />
mit zahlreichen Galerien locken, gibt es im Dunstkreis der französischen Hauptstadt viel zu entdecken.<br />
Barcelonnette · 66<br />
Einst wanderten viele Bewohner<br />
der Kleinstadt nach Mexiko aus.<br />
Einige von ihnen<br />
kehrten nach vielen<br />
Jahren jedoch wieder<br />
zurück und bauten feudale<br />
Villen in ihrer alten<br />
Heimat, die heute den<br />
besonderen Charme<br />
des Ortes ausmachen.<br />
Toulouse · 58<br />
Die rosafarbene Stadt,<br />
wie sich Toulouse gerne<br />
nennt, gilt als ein Ort, an<br />
dem es sich gut leben<br />
lässt. Auch Touristen<br />
wissen zunehmend die<br />
Qualitäten der kleinen<br />
Metropole zu schätzen.<br />
Plombières-les-Bains · 70<br />
Schon die alten Römer kamen in das kleine<br />
Vogesen-Tal und vertrauten der Heilwirkung<br />
der heißen Quellen des Dorfes. Noch heute ist<br />
Plombières-les-Bains ein beliebter Kurort.<br />
· Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Fokus<br />
<strong>12</strong> Pariser Umland –<br />
Schlösser, Parks, Künstlerdörfer<br />
16 Vaux-le-Vicomte<br />
Wenn Größenwahn zum Verhängnis wird<br />
20 Barbizon Nabel der französischen<br />
Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts<br />
24 Fontainebleau Kleines Paradies der Glückseligkeit<br />
26 Parc de Sceaux Wenn der Park im Mittelpunkt steht<br />
30 Rambouillet Ein Schloss für den Präsidenten<br />
32 Saint-Germain-en-Laye<br />
Sinnbild eines elitären Lebensgefühls<br />
34 Parc de Saint-Cloud Schlosspark ohne Schloss<br />
36 Auvers-sur-Oise Van Goghs letzte Ruhestätte<br />
40 Chantilly Schloss, Pferde, Schlagsahne<br />
42 Pierrefonds Beschaulichkeit versus Monumentalität<br />
44 Reise-Infos Pariser Umland<br />
Unterwegs in Frankreich<br />
58 Toulouse Weltoffenheit und Lebenslust<br />
66 Barcelonnette Einmal Mexiko und zurück<br />
70 Plombières-les-Bains<br />
Thermale Freuden in den Vogesen<br />
76 Hotel Le Prestige Impérial, Plombières-les-Bains<br />
Frankreich heute<br />
48 Vorstädte Créteil, vom Leben in einer Trabantenstadt<br />
52 Bernard Kouchner Ein Politiker mit Prinzipien<br />
54 Kommunalpolitik Paris erlebt eine Fahrradrevolution<br />
Art de vivre<br />
80 Fondation Le Corbusier Das Erbe<br />
eines polarisierenden Architekten<br />
84 Kulturprogramm <strong>November</strong> & <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong><br />
86 Kulturszene CDs, Bücher, Filme<br />
88 Wein AOC Touraine, der Siegeszug des Sauvignon<br />
90 Gastronomie Preiswert essen in Paris<br />
92 Chantals Rezept Crêpe Bretonne<br />
Rubriken<br />
Preiswert<br />
essen · 90<br />
Paris hat den Ruf, ein<br />
teures Pflaster zu sein.<br />
Doch an der Seine kann<br />
man auch Restaurants<br />
finden, die gut und<br />
günstig sind.<br />
88<br />
<strong>12</strong>-45<br />
80 90<br />
Bernard<br />
Kouchner · 52<br />
Politisch schlägt sein<br />
Herz links und dennoch<br />
ist Kouchner nun<br />
der Außenminister<br />
einer konservativen<br />
Regierung. Ein<br />
Erklärungsversuch.<br />
Le Corbusier · 80<br />
Er zählt zu den großen<br />
Architekten des letzten<br />
Jahrhunderts. In Paris<br />
kann man eine seiner<br />
weißen Villen besichtigen,<br />
die auch die<br />
Stiftung Le Corbusier<br />
beherbergt.<br />
70<br />
76<br />
5 Editorial<br />
8 On en parle<br />
46 Kulturschock<br />
51 Abonnement<br />
56 Leben in Frankreich<br />
78 Arte-Programm<br />
94 Leserbriefe<br />
94 Impressum<br />
95 Heftnachbestellungen<br />
98 Vorschau<br />
58<br />
66<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> ·
On En Parle<br />
Bretonen-Parade auf den Champs-Elysées<br />
Nach der Love Parade nun die Breizh Parade. Rund 3.000 bretonische<br />
Musiker und Tänzer in traditionellen Kostümen marschierten<br />
dieses Jahr zum ersten Mal über die Champs-Elysées. Die Parade<br />
war der krönende Abschluss eines viertägigen Bretagne-<br />
Festivals in der französischen Hauptstadt. Rund 2.000 Zuschauer<br />
verfolgten diesen originellen Umzug vom Straßenrand aus.<br />
Innerstädtischer Autoverkehr<br />
wird zum Wahlkampfthema<br />
Seit einigen Wochen<br />
haben die französischen<br />
Medien ein neues<br />
Thema entdeckt:<br />
den innerstädtischen<br />
Autoverkehr. In Anbetracht<br />
der Kommunalwahlen<br />
2008 versuchen<br />
die Bürgermeister<br />
die eigenen Erfolge<br />
hervorzuheben bzw. neue Projekte zur<br />
Vermeidung unnützer Umweltbelastungen zu<br />
initiieren. Zahlreiche Ideen, wie man die Autos<br />
aus der Stadt heraushalten will, werden<br />
diskutiert. Die Franzosen scheinen endgültig<br />
den Umweltschutz entdeckt zu haben.<br />
Reorganisation des französischen<br />
Auslandsfernsehens<br />
Die Idee ist nicht neu, doch bisher konnte niemand<br />
die Umsetzung letztendlich durchsetzen. Nun hat sich<br />
auch Nicolas Sarkozy dieses Problems angenommen. Er<br />
möchte nach dem Vorbild der britischen BBC Frankreichs<br />
mediale Stimme im Ausland stärken und dafür die<br />
beiden Auslandsfernsehsender TV5 und France 24<br />
sowie Radio France International (RFI) unter ein Dach<br />
zusammenführen. Vor einer Verwirklichung müssen aber<br />
noch einige Hürden genommen werden. So ist France<br />
24 kein rein öffentlich-rechtlicher Sender, sondern wird<br />
zur Hälfte von der privaten TF1-Gruppe getragen. Und<br />
auch bei TV5 kann der französische Staat nicht alleine<br />
entscheiden, sondern die französischsprachigen<br />
Fernsehanstalten der Schweiz, Belgiens und Kanadas<br />
haben ein Wörtchen mitzureden.<br />
Neues Museum für Straßburg<br />
Es passiert nicht gerade jeden Tag, dass ein neues Museum seine Tore öffnet. In Straßburg<br />
fand mit der Eröffnung des Musée Tomi Ungerer gerade ein solches Ereignis statt. Es ist in<br />
der Villa Greiner unweit der Kathedrale untergebracht und würdigt den gleichnamigen<br />
Künstler. Seit 1975 überließ Tomi Ungerer seiner Heimatstadt einen Großteil seiner Werke.<br />
Heute besitzt Straßburg mehr als 8.000 Originalzeichnungen von ihm.<br />
www.musees-strasbourg.org<br />
· Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Eine noble Adresse<br />
für Dominique Strauss-Kahn<br />
Noch bevor Dominique Strauss-Kahn<br />
zum neuen Chef des Internationalen<br />
Währungsfonds nominiert wurde, kaufte<br />
sich der sozialistische, ehemalige<br />
Finanzminister eine 240 Quadratmeter<br />
große Maisonettewohnung an der<br />
exquisiten Place des Vosges in Paris. Laut<br />
dem Magazin Le Point soll der Kaufpreis<br />
über vier Millionen Euro betragen haben.<br />
Dafür wohnt das Ehepaar Strauss-Kahn<br />
in illustrer Nachbarschaft. Denn der<br />
sozialistische, ehemalige Kulturminister<br />
Jack Lang residiert gleich nebenan.<br />
SCHNAPPSCHÜSSE<br />
Bertrand Delanoë will zweite Amtszeit<br />
Eigentlich zweifelte niemand daran, doch nun ist es auch offiziell<br />
bestätigt: Bertrand Delanoë stellt sich bei den landesweiten<br />
Kommunalwahlen 2008 der Wiederwahl. Herausgefordert wird er<br />
dieses Mal von einer Frau: Françoise de Panafieu, Kandidatin der<br />
Sarkozy-Partei UMP und zurzeit Bürgermeisterin eines Arrondissements.<br />
TGV-Ost auf Überholspur<br />
Straßburgs neue TGV-Anbindung sorgt für einen Besucherrekord in<br />
der elsässischen Metropole. Die Bürgermeisterin Fabienne Keller gab<br />
bekannt, dass diesen Sommer dadurch 30 Prozent mehr Touristen in<br />
die Stadt kamen. Der erst am 10. Juni eingeweihte TGV-Ost ist also ein<br />
voller Erfolg.<br />
Umweltbewusste Regionalversammlung<br />
Auf der Suche nach sauberen Energien will die Regionalversammlung<br />
von Midi-Pyrénées vorbildlich vorangehen und beschloss, auf dem<br />
Dach des Regierungsgebäudes Solarzellen zur Stromerzeugung auf<br />
einer Fläche von 300 Quadratmetern zu montieren.<br />
Endlich ein Kunde<br />
Zum ersten Mal seit seiner Gründung im Jahre 1986 hat der französische<br />
Konzern Dassault Aviation sein Flugzeug Rafale ins Ausland verkaufen<br />
können. Marokko bestätigte die Bestellung von zwölf Maschinen des<br />
Typs Rafale sowie von zwölf Mirage 2000-9.<br />
Spitzengehälter für<br />
Frankreichs Unternehmer<br />
Nach dem US-amerikanischen Magazin<br />
Fortune sind die Hälfte der 2006 best<br />
bezahlten europäischen Unternehmenschefs<br />
Franzosen. Dies sind fünf mehr als<br />
im Vorjahr. An oberster Stelle der französischen<br />
Spitzenverdiener steht der Vorstandsvorsitzende<br />
von Renault, Carlos<br />
Ghosn, der im letzten Jahr 45,5 Millionen<br />
US-Dollar verdiente, gefolgt von Jean-<br />
Paul Agon von L’Oréal mit 19,3 Millionen<br />
US-Dollar.<br />
Französische Diplomaten sind Verkehrssünder<br />
Zwei US-Amerikaner werteten die Strafzettel an Diplomaten, die am<br />
UN-Hauptsitz in New York arbeiten, aus und kamen zu interessanten<br />
Ergebnissen: Danach begangen französische Diplomaten im<br />
Durchschnitt 6,1 Verkehrssünden zwischen 1997 und 2005. Sie<br />
befinden sich damit allerdings « nur » an 78. Stelle von 146 untersuchten<br />
Nationen. Die meisten Strafzettel « sammelten » mit durchschnittlich<br />
246 Verstößen pro Person kuwaitische Diplomaten. Vorbildlich sind<br />
dagegen die Skandinavier, die kein einziges Bußgeld im gleichen<br />
Zeitraum erhielten.<br />
Gen für zartes Fleisch<br />
Französische Forscher wollen herausgefunden haben, warum ein Steak<br />
zäh oder zart wird. Danach steuert ein Gen die Produktion eines Proteins,<br />
dessen Anteil über die Festigkeit der Muskeln im Fleisch entscheidet.<br />
Für die Zukunft will man einen Gentest entwickeln, anhand dessen die<br />
Bauern schon zu Lebzeiten der Tiere feststellen können, ob das Fleisch<br />
später einmal zäh oder zart sein wird.<br />
Frankreich weniger wirtschaftsfreundlich als Deutschland<br />
Bei der diesjährigen Studie « Doing Business » der Weltbank, bei der<br />
untersucht wurde, wie schnell und mit welchen Kosten ein Unternehmen<br />
gegründet und betrieben werden kann, schaffte es Frankreich von<br />
insgesamt 178 Nationen nur auf den 31. Platz. Österreich kam dagegen<br />
auf den 25., Deutschland auf den 20. und die Schweiz sogar auf den<br />
16. Platz.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> ·
On En Parle<br />
Gute Nachrichten für Pariser<br />
Nachtschwärmer<br />
Ab Mitte <strong>Dezember</strong> wird die Pariser Metro nachts bis 2.15 Uhr<br />
anstatt bisher bis 1.15 Uhr verkehren. Nachtschwärmer, die auf<br />
die U-Bahn angewiesen sind, können so eine Stunde länger<br />
unterwegs sein. Die Bewohner von Frankreichs zweitgrößter<br />
Stadt schauen dagegen neidvoll in Richtung Hauptstadt. In<br />
Marseille bleibt die Metro unter der Woche auch in Zukunft<br />
nur bis 21.00 Uhr in Betrieb, außer wenn gerade Olympique<br />
Marseille in der Stadt spielt.<br />
Rugby wird weiblicher<br />
Frauen entdecken mehr und mehr eine Sportart, die bisher eine der letzten<br />
Männerdomänen war: Rugby. Der Trend bestätigte sich auch während der<br />
gerade zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft in Frankreich. Wenn<br />
das französische Team auf dem Platz stand, waren durchschnittlich<br />
20 Prozent des Publikums weiblich. Außerdem gab es noch vor<br />
fünf Jahren in nur zehn Ländern Frauen-Rugby, heute sind<br />
es 34 Länder. In Frankreich sind zurzeit zwar nur drei Prozent<br />
aller Rugby-Spieler weiblich, dies ist aber immerhin eine<br />
Steigerung von 25 Prozent im Vergleich zu 2006.<br />
Sarkozy dominiert<br />
die Medien<br />
Nun ist also auch bewiesen, was<br />
eigentlich jeder ohnehin schon<br />
spürte: Nicolas Sarkozy dominiert die<br />
Nachrichten. Das Institut Ina’Stat untersuchte,<br />
wie oft der neue Präsident auf<br />
dem Bildschirm der sechs großen Fernsehsender<br />
erschien. Danach war er<br />
während der ersten vier Monate nach<br />
Amtsantritt 224 Mal in den Abendnachrichten<br />
zu sehen. Jacques Chirac<br />
schaffte es im gleichen Zeitraum nach<br />
seiner Amtsaufnahme 1995 nur auf 94<br />
Auftritte und nach seiner Wiederwahl<br />
2002 sogar nur auf 75. Dieses Ergebnis<br />
ist Öl auf die Mühlen der Kritiker<br />
der zu hohen Medienpräsenz des<br />
Staatschefs.<br />
Modelloffensive von Peugeot und Citroën<br />
Der Autohersteller PSA (Peugeot, Citroën) hat kürzlich eine Modelloffensive<br />
angekündigt, die gemeinsam mit Maßnahmen zur<br />
Kostensenkung und Qualitätsverbesserung die Rendite des Konzerns<br />
steigern soll. Bis 2010 sollen 29 neue Modellvarianten auf den<br />
europäischen Markt kommen, darunter fünf komplett neue Automodelle.<br />
Weitere Schwerpunkte bilden China und die Mercosur-<br />
Länder Südamerikas. In Europa soll dies eine Absatzerhöhung von<br />
rund 300.000 Fahrzeugen nach sich ziehen, außerhalb Europas von<br />
weiteren 400.000 Autos. Außerdem will man beim Thema Qualität<br />
und Service einer der fünf besten Herstellten Europas werden.<br />
10 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
FÜR DIE ZUKUNFT NUTZEN<br />
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ENERGIEQUELLE: WIND<br />
Weil‘s auf hoher See oft stürmisch zugeht, bauen<br />
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Technik nutzen wir so das gewaltige Potenzial der<br />
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Fokus Pariser Umland<br />
Pariser Umland<br />
<strong>12</strong> · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Schlösser, Parks,<br />
Künstlerdörfer<br />
Für viele Paris-Reisende ist das Umland der Weltstadt mehr oder<br />
weniger unbekanntes Niemandsland. Man durchquert es meist mit<br />
der RER oder dem Bus auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt,<br />
doch ansonsten bleibt der Durchschnittstourist während seines<br />
Paris-Aufenthaltes erfahrungsgemäß innerhalb des Boulevard Périférique.<br />
Der einzige Anlass, den Ballungsraum jenseits des inneren Stadtautobahnringes<br />
zu erkunden, ist im Allgemeinen ein Ausflug nach Versailles<br />
oder ins Hochhausviertel La Défense. Und dabei bleibt es dann normalerweise<br />
auch. Viele assoziieren mit dem Speckgürtel vor allem Bilder von<br />
trostlosen Trabantensiedlungen oder gar Jugendgangs und brennenden<br />
Autos.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 13
Fokus Pariser Umland<br />
Der Fôret de Fontainebleau ist für seine diversen Steinformationen bekannt.<br />
S. <strong>12</strong>/13: Das Schloss von Versailles.<br />
Kein Zweifel, Paris hat derart viele<br />
Sehenswürdigkeiten, dass man selbst<br />
bei einem längeren Aufenthalt nicht<br />
wirklich gezwungen wird, in die Ferne<br />
zu schweifen. Ob Eiffelturm, Champs-<br />
Elysées oder Louvre, ob verwinkelte<br />
Gassen im Marais oder Szenekneipen<br />
in der Rue Oberkampf: In der französischen<br />
Hauptstadt findet man von<br />
der weltbekannten Attraktion bis zum<br />
exotischen Geheimtipp alles. Aber,<br />
wer den Ballungsraum, den man gemeinhin<br />
mit der Ortbezeichnung Paris<br />
meint, und der im Französischen gerne<br />
auch als Région Parisienne benannt<br />
wird, wirklich kennenlernen will, sollte<br />
sich nicht scheuen, zu neuen Ufern<br />
aufzubrechen und sich auch einmal in<br />
die Gegenden jenseits des Boulevard<br />
Périférique zu begeben.<br />
Denn innerhalb des inneren Stadtautobahnrings,<br />
also dem Gebiet, das<br />
auch administrativ als Paris gilt, leben<br />
nur etwas mehr als zwei der rund zehn<br />
Millionen Einwohner der Hauptstadtregion.<br />
Der Großteil lebt also<br />
im Banlieue, wie man den Gürtel der<br />
unzähligen Vororte nennt. In Frankreich<br />
gab es kein Groß-Berlin- bzw.<br />
Groß-Hamburg-Gesetz, das 1920<br />
bzw. 1937 aus Deutschlands größten<br />
Städten durch Eingemeindung der<br />
angrenzenden Kommunen Millionenmetropolen<br />
machte. Vielmehr wucherte<br />
um die französische Hauptstadt,<br />
deren administrative Grenzen seit dem<br />
19. Jahrhundert nicht mehr verändert<br />
wurden, ein wildes Geflecht von Trabantenstädten<br />
ohne eine wirkliche<br />
Gesamtplanung.<br />
Es gab und gibt zwar immer wieder<br />
Versuche, die Stadtentwicklung der<br />
Metropolenregion zu koordinieren,<br />
doch meist ist die Realität der Fakten<br />
schneller als die Vorschläge der Planer<br />
oder die sich manchmal auch widersprechenden<br />
Wünsche der Lokalpolitiker.<br />
In den 1960er-Jahren verfolgte<br />
man sogar die Idee, mehrere Nouvelles<br />
Villes im Dunstkreis der Hauptstadt<br />
anzulegen, die als Zentren in der Peripherie<br />
den Druck von der Pariser Innenstadt<br />
nehmen sollten. Fünf dieser<br />
Städte wurden schließlich gegründet,<br />
nämlich Cergy-Pontoise, Marne-la-<br />
Vallée, Mélun-Sénart, Evry und Saint-<br />
Quentin-en-Yvelines. Doch dieses,<br />
wie auch alle anderen bisher verfolgten<br />
Konzepte, hat nicht verhindert, dass<br />
der Speckgürtel von Paris längst zu<br />
einem riesigen Moloch zusammengewachsen<br />
ist, zu einer Ansammlung<br />
von Schlafstädten, Gewerbegebieten,<br />
Shoppingcentern, Autobahnen und<br />
Schnellstraßen.<br />
Für einen Auswärtigen sind die<br />
Übergänge von Paris zu den angrenzenden<br />
Kommunen bzw. zwischen<br />
den einzelnen Vorstädten meistens<br />
gar nicht auf den ersten Blick sichtbar.<br />
In Vincennes sieht es beispielsweise<br />
nicht viel anders aus als im <strong>12</strong>. Arrondissement<br />
auf der anderen Seite des<br />
Boulevard Périférique. Genauso wenig<br />
ist der Unterschied zwischen Neuillysur-Seine<br />
und dem 17. Arrondissement<br />
für den ungeübten Blick erkennbar.<br />
Längst sind die Kommunen miteinander<br />
verwachsen. Allerdings gibt es<br />
teilweise große Unterschiede zwischen<br />
dem Lebensstandard in den einzelnen<br />
Vororten. So liegen etwa Neuilly-sur-<br />
Seine und Clichy ähnlich weit von der<br />
Kernstadt Paris entfernt. Hinsichtlich<br />
des Wohlstands der Einwohner liegen<br />
jedoch Welten, genauso bezüglich der<br />
ethnischen Bevölkerungszusammensetzung<br />
oder der politischen Ausrichtung.<br />
Einige Vorstädte haben eine lange<br />
kommunistische Tradition, andere<br />
gelten als erzkonservativ.<br />
Aber egal, ob es sich um einen<br />
wohlhabenden oder einen armen<br />
Vorort handelt, einen politisch linken<br />
oder rechten, beiden ist gemein, dass<br />
sich die meisten Touristen dafür nur<br />
wenig interessieren. Dabei kann man<br />
gerade im Banlieue manchen Geheimtipp<br />
entdecken. In kurzer Zeit gelangt<br />
man mit dem Auto oder dem öffentlichen<br />
Nahverkehr zu herrschaftlichen<br />
Schlössern, majestätischen Parkanlagen<br />
oder romantischen Künstlerdörfern.<br />
Eine Entdeckungsreise in die Ilede-France,<br />
wie die Region um Paris<br />
herum offiziell heißt, lohnt sich! Und<br />
meidet man den morgendlichen und<br />
abendlichen Berufsverkehr, entpuppt<br />
sie sich zudem als durchaus entspanntes<br />
Vorhaben.<br />
Hat man dabei erst einmal die Petite<br />
Couronne, wie man gerne die drei<br />
unmittelbar an Paris angrenzenden<br />
Departements Hauts-de-Seine, Seine-<br />
Saint-Denis und Val-de-Marne nennt,<br />
verlassen, wird man über eine weitere<br />
Erkenntnis staunen: So eng und dicht<br />
besiedelt der Großraum Paris im Inneren<br />
ist, so abrupt fühlt man sich im<br />
äußeren Gürtel in die tiefste Provinz<br />
versetzt. Ackerfelder, Wälder und rustikale<br />
Dörfer geben der Ile-de-France<br />
manchmal geradezu einen ländlichen<br />
Anstrich. An manchen Ecken mag<br />
man kaum glauben, dass die quirlige<br />
Zehn-Millionen-Metropole nur wenige<br />
Kilometer entfernt ist. Ein Ausflug<br />
ins Pariser Umland kann daher ein<br />
nettes Kontrastprogramm zum Großstadttrubel<br />
an der Seine sein.<br />
14 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
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Fokus Pariser Umland<br />
Das Schloss und der Park von Vaux-le-Vicomte sind<br />
Meisterwerke der Baukunst des 17. Jahrhunderts.<br />
1<br />
Vaux-le-VicomtE<br />
Wenn Größenwahn zum Verhängnis wird<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Schlossherrn jedenfalls dramatisch verändern.<br />
An diesem Abend gab Fouquet ein schillerndes<br />
Fest, dessen Pomp und Herrschaftlichkeit ihm<br />
nur knapp drei Wochen später die Freiheit kostete.<br />
Am 5. September ließ der Sonnenkönig<br />
Fouquet festnehmen und ins Gefängnis stecken,<br />
das er bis zu seinem Lebensende nicht mehr<br />
verlassen sollte.<br />
Ein jähes Ende für jemanden, dem das<br />
Schicksal zuvor so gnädig gestimmt war. Der<br />
Aufstieg Fouquets ist durchaus als fabelhaft zu<br />
bezeichnen. In eine Beamtenfamilie geboren,<br />
zog er bereits als junger Mann in das Pariser<br />
Parlament, wie die Gerichtshöfe im Ancien<br />
Régime hießen, ein. Er wurde später Generalstaatsanwalt<br />
und anschließend Oberfinanzintendant<br />
unter Mazarin. Von ihm lernte er<br />
auch, wie man sich hemmungslos bereichert.<br />
Mit nur 40 Jahren verfügte Fouquet über eines<br />
der größten Vermögen im Land. Es wurde zudem<br />
berichtet, dass man seinem Charme kaum<br />
widerstehen konnte – egal ob Dichter, Maler<br />
oder schöne Frauen, alle fühlten sich von ihm<br />
angezogen.<br />
Doch dies alles sollte ihm nicht helfen,<br />
als er am 17. August den Zorn des Königs<br />
unwiderruflich auf sich zog. Der Prunk seines<br />
Festes war für seine persönliche Zukunft fatal.<br />
Wahrscheinlich wollte er mit der Pracht nur<br />
dem König huldigen, doch in Wahrheit stellte<br />
er diesen in den Schatten. Ein Fehler, den ein<br />
Sonnenkönig nicht verzeihen konnte. Voltaire<br />
fasste den Abend des 17. August im Nachhinein<br />
mit den Worten zusammen: « Um sechs<br />
Uhr abends war Fouquet der König Frankreichs,<br />
um zwei Uhr nachts ein Niemand ». Es<br />
heißt sogar, Ludwig XIV. wollte Fouquet noch<br />
am gleichen Abend festnehmen lassen. Doch<br />
die Königsmutter soll dies verhindert haben.<br />
Das tragische Ende war damit allerdings nur<br />
um wenige Tage verschoben. Fouquet wurde<br />
wegen Veruntreuung und Unterschlagung kurz<br />
danach angeklagt und verurteilt.<br />
Das Schloss und der Park dienten im<br />
Es gibt einige Schlösser im Umkreis von<br />
Paris, doch nur wenige ziehen einen<br />
derart in den Bann wie Vaux-le-Vicomte.<br />
Liegt es an der Schönheit des Schlosses<br />
und am traumhaften Park, der eine perfekte<br />
Harmonie verkörpert? Oder ist es vielleicht sogar<br />
die menschliche Tragödie des Erbauers Nicolas<br />
Fouquet, die mit diesem Schloss für immer<br />
und ewig in Verbindung gebracht werden muss?<br />
Der 17. August 1661 sollte das Leben des<br />
Ohne Probleme kann man Stunden im Park verbringen.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 17
Fokus Pariser Umland<br />
18 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Anschluss jedoch als Vorbild für Versailles. Ludwig XIV.<br />
engagierte die gleichen Künstler, die auch Vaux-le-Vicomte<br />
schufen. Vieles, was der König dort gesehen hatte, wurde<br />
in seinem eigenen Märchenschloss ebenfalls verwirklicht.<br />
Aber Fouquet bezahlte dafür einen hohen Preis. Wenn<br />
man sich heute dem Schloss auf der wunderschönen mit<br />
alten Bäumen bepflanzten Alleenstraße nähert, muss man<br />
unweigerlich an das tragische Schicksal des Erbauers denken.<br />
Gleichzeitig ist Vaux-le-Vicomte<br />
aber auch ein Mahnmal dafür, wohin<br />
Größenwahn und Geltungsbedürfnis<br />
führen können.<br />
Der erste Eindruck ist dann zunächst<br />
ein wenig abschreckend. Zwar<br />
ist man in Vaux-le-Vicomte noch weit<br />
von dem touristischen Massenansturm,<br />
Die Arbeiten am Hauptgebäude<br />
des Anwesens begannen 1656.<br />
Der Park von Vaux-le-Vicomte<br />
war Le Nôtres erster privater<br />
Auftrag, von dem man weiß.<br />
der in heutiger Zeit den Charme von<br />
Versailles stark schmälert, wenn nicht<br />
gar zerstört, entfernt. Doch auch hier<br />
wird einem leider schnell bewusst,<br />
dass das Schloss, das sich noch heute<br />
in Privatbesitz befindet, längst zu einer<br />
großen Touristenattraktion wurde.<br />
Über eine Empore oberhalb des Museumsshops<br />
wird man zu den Kassen<br />
geführt. Der Gang lässt erahnen, wie<br />
lang die Schlangen in Stoßzeiten sein<br />
müssen. Doch auch an einem normalen<br />
Sommertag ist der Besucherandrang<br />
vor den Schaltern groß. Das Personal<br />
ist nur bedingt freundlich, eben so, wie<br />
es oft in überlaufenen Touristeneinrichtungen<br />
ist. Hinter der Kasse findet<br />
man dann die üblichen Einrichtungen<br />
wie ein Selbstbedienungsrestaurant<br />
und Toiletten.<br />
Der besondere Reiz von Vaux-le-Vicomte liegt aber in<br />
der Größe des Parks. Ist das Schloss, das sich natürlich<br />
auch besichtigen lässt, selbst eher überschaubar, muss man<br />
sich nur weit genug in den imposanten Garten begeben,<br />
um dem touristischen Ansturm zu entfliehen. Dabei sollte<br />
man jedoch nicht auf eine optische Täuschung hereinfallen.<br />
Steht man nämlich am Fuße des Schlosses und schaut auf<br />
die Herkules-Statue auf der gegenüberliegenden Anhöhe,<br />
könnte man meinen, diese auf direktem Wege erreichen zu<br />
können. Erst wenn man den französischen Garten passiert<br />
hat, entdeckt man einen langen Kanal in der Senke, der den<br />
Weg zur Statue um viele hundert Meter verlängert.<br />
Dieses sowie die Perfektion der Gartenanlage insgesamt<br />
ist dem Genie von André Le Nôtre zu verdanken. Der Park<br />
von Vaux-le-Vicomte war dabei sein erster privater Auftrag,<br />
von dem man weiß. Es sind nämlich nicht viele persönliche<br />
Dokumente aus Le Nôtres Leben aufbewahrt worden. Und<br />
die, die erhalten sind, stammen meist aus dem letzten Viertel<br />
des Jahrhunderts, wo die Anlangen von Vaux-le-Vicomte<br />
und Versailles den Meister längst zu Ruhm gebracht hatten.<br />
Vielleicht war Le Nôtre sein Können schon in die Wiege<br />
gelegt worden, stammte er doch von einer Gärtnerfamilie<br />
ab, der seit dem 16. Jahrhundert die Pflege der Tuilerien<br />
oblag. André Le Nôtre absolvierte aber zunächst ein wissenschaftliches<br />
Studium und interessierte sich auch für die<br />
Malerei, bevor er in die Fußstapfen des Vaters trat.<br />
Die Kunst der Symmetrie, farbenfrohe<br />
Zierbeete und feine Rasenflächen,<br />
Springbrunnen und Wasserbecken,<br />
Grotten und Statuen bilden in Vaux-le-<br />
Vicomte ein perfektes Ensemble. Alles<br />
wirkt harmonisch und durchdacht.<br />
Man kann sich nur zu gut vorstellen,<br />
welches Vermögen diese imposante<br />
Anlage einst verschlungen hat und wie<br />
viel Geld noch heute für den Unterhalt<br />
aufgebracht werden muss.<br />
Wer genug Zeit hat, sollte sich<br />
einfach treiben lassen. Ohne Probleme<br />
kann man einen halben Tag in diesem<br />
Park verbringen. Für Fußfaule und<br />
Gehbehinderte stehen sogar kleine<br />
Elektrowagen, wie man sie normalerweise<br />
von Golfplätzen her kennt, zur<br />
Verfügung. Aber schöner ist es natürlich,<br />
den Garten gemächlich zu Fuß zu<br />
erkunden. Man sollte sich auch nicht<br />
scheuen, den einen Kilometer breiten<br />
Kanal in der Senke zu umlaufen, um<br />
bis zur Herkules-Statue zu gelangen.<br />
Der weite Weg wird von hier oben mit<br />
einem einmaligen Ausblick auf das gesamte<br />
Anwesen belohnt. Auch verlaufen<br />
sich die Besucher hier im hinteren<br />
Teil des Parks so sehr, dass man den Besucheransturm am<br />
Eingang schon längst vergessen hat. Am besten setzt man<br />
sich für ein paar Minuten an die Statue und lässt das einmalige<br />
Panorama auf sich wirken. Mit ein bisschen Fantasie<br />
kann man sich gut das rauschende Fest, das Fouquet zum<br />
Verhängnis wurde, vorstellen.<br />
Auf dem Rückweg zum Schloss bieten sich einige Abstecher<br />
links und rechts des Hauptgartens an. Je mehr man<br />
sich dem Ausgang nähert, desto größer wird auch wieder<br />
der Trubel. Doch die Stunden in diesem wunderbaren Park<br />
haben so beruhigend gewirkt, dass man die anderen Besucher<br />
gar nicht mehr wahrnimmt. Am Ausgang geht man<br />
dann durch den « obligatorischen » Museumsshop, um danach<br />
vom Parkplatz aus einen letzten Blick auf das Schloss<br />
zu werfen. Nach der Besichtigung von Vaux-le-Vicomte<br />
kann man sich dem Gedanken, dass die Welt ohne Fouquets<br />
Größenwahn heute ein Stückchen ärmer wäre, nur<br />
schwer entziehen.<br />
Gegenüberliegende Seite: Ein Wassergraben trennt das Schloss vom Park, der jedoch über eine Brücke erreichbar bleibt.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 19
Fokus Pariser Umland<br />
Die Grande Rue ist das Herz von Barbizon. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten liegen an der Hauptstraße.<br />
2<br />
Barbizon<br />
Nabel der französischen Landschaftsmalerei<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
20 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Die 1.400-Seelen-Gemeinde am westlichen<br />
Rand des Forêt de Fontainebleau<br />
war über Jahrhunderte ein unscheinbares<br />
Bauerndorf, bis es im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />
zum Mekka der französischen Landschaftsmalerei<br />
mutierte. Seitdem wurde die hier<br />
ihren Ausgang nehmende Kunstrichtung als<br />
« Schule von Barbizon » berühmt. So berühmt,<br />
dass Barbizon selbst heute noch von dem Renommee<br />
als Künstlerdorf zehren kann, sich<br />
Kunstinteressierte aus der ganzen Welt unverändert<br />
auf den Weg hierher machen und zahlreiche<br />
Galerien im Ort ihr Auskommen finden.<br />
Warum aber gerade Barbizon, dieses zuvor<br />
so unbedeutende Fleckchen im Süden der<br />
Ile-de-France? Die Antwort auf diese Frage<br />
ist vielschichtig. Es ist eine Mischung aus geografischen<br />
und historischen Gegebenheiten,<br />
aber auch der Zufall spielte sicherlich eine<br />
Rolle. Ein entscheidender Grund war dabei<br />
die unmittelbare Nähe zum Forst von Fontainebleau.<br />
Der verwunschene Wald beflügelte die<br />
Fantasie der damaligen Künstler, die gerade<br />
dabei waren, ihre Ateliers zu verlassen, um in<br />
freier Natur zu zeichnen und mit traditionellen<br />
Kunstformen zu brechen. Barbizon, direkt am<br />
Waldesrand gelegen, war als Basislager für ihre<br />
Arbeit geradezu ideal.<br />
Hinzu kamen Cholera-Epidemien in der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts sowie die Revolution<br />
von 1848, die viele Maler bewog, die<br />
französische Hauptstadt zu verlassen und aufs<br />
Land zu ziehen. Barbizon war weit genug weg<br />
von der großen Stadt und ihren Problemen,<br />
aber dennoch nah genug, um von Zeit zu Zeit<br />
nach Paris zu fahren und dort Bilder zu verkaufen<br />
oder benötigte Utensilien zu erwerben.<br />
Und schließlich löste die Anwesenheit der<br />
ersten Künstler in Barbizon, wie Jean-François<br />
Millet, Charles Jacque und Théodore Rousseau,<br />
eine gewisse Kettenreaktion aus, die<br />
weitere Maler anzog. Rund 60 Künstler, meist<br />
französischer Nationalität, werden später zur<br />
« Schule von Barbizon » gezählt, die aufbauend<br />
auf der holländischen Landschaftsmalerei des<br />
18. Jahrhunderts und der romantischen Schule<br />
aus England die französische Malerei nachhaltig<br />
veränderte.<br />
Früher wie heute ist die Auberge Ganne<br />
der Dreh- und Angelpunkt des künstlerischen<br />
Lebens in Barbizon. Damals fanden die Maler<br />
eine günstige Unterkunft unter dem Dach<br />
des Ehepaares Ganne. Auch Besucher, die<br />
mit den Künstlern in Kontakt treten wollten,<br />
logierten hier. Schnell wurde das Haus ein bekannter<br />
Treffpunkt der Kunstszene. An langen<br />
Abenden wurde geraucht, getrunken und über<br />
die Malerei diskutiert. Heute ist aus der ehemaligen<br />
Pension das Museum der Schule von<br />
Barbizon geworden, und so spielt das Gebäude<br />
noch immer eine zentrale Rolle im Ort. Es bietet<br />
sich deshalb auch an, eine Besichtigungstour<br />
hier zu beginnen.<br />
Nachdem man eine Eintrittskarte erstanden<br />
hat, führt der individuelle Rundgang durchs<br />
Haus zunächst in einen Projektionsraum, wo<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 21
Fokus Pariser Umland<br />
Die ehemalige Auberge Ganne beherbergt heute<br />
das Museum der Schule von Barbizon.<br />
Zahlreiche Restaurants laden<br />
zum Verweilen ein.<br />
Kleine Boutiquen und Galerien<br />
säumen die Hauptstraße.<br />
ein 25-minütiger Film die Geschichte<br />
der Malerei von Barbizon anschaulich<br />
darstellt. Anschließend kann man<br />
die ehemalige Herberge besichtigen.<br />
Hierzu gehören im Erdgeschoss der<br />
Innenhof, der Speisesaal der Künstler<br />
sowie der Wohn- und Arbeitsbereich<br />
des Ehepaares Ganne. Über eine<br />
Treppe gelangt man im Anschluss ins<br />
Obergeschoss, wo unter anderem die<br />
Schlafräume der Künstler zu sehen<br />
sind. An den Wänden sind noch Relikte<br />
von Zeichnungen zu erkennen,<br />
die die Gäste damals dorthin malten.<br />
Es sind Zeugnisse ihres Alltags in<br />
Barbizon. Leider wurden sie aber im<br />
Laufe der Jahre mit Farbe überstrichen<br />
bzw. mit Tapete überklebt, so<br />
dass nur wenig davon erhalten blieb.<br />
Darüber hinaus sind Werke diverser<br />
Künstler ausgestellt, anhand derer die<br />
Bedeutung der « Schule von Barbizon »<br />
aufgezeigt werden soll.<br />
Nach dem Museumsbesuch ist es<br />
empfehlenswert, die heute als Einbahnstraße<br />
ausgewiesene Grande<br />
Rue in Richtung Ortskern entlang zu<br />
schlendern. Natürlich gibt es weitere<br />
Straßen in Barbizon, doch spielt sich<br />
das ganze Leben der kleinen Gemeinde<br />
in dieser Hauptstraße ab. Kunstgalerien,<br />
Boutiquen mit Einrichtungsund<br />
Dekorationsgegenständen sowie<br />
Restaurants und Cafés säumen den<br />
Weg. Alles ist sehr adrett und einladend.<br />
Gerade am Wochenende pilgern<br />
großstadtmüde Pariser nach Barbizon,<br />
da sie hier für ein paar Stunden dem<br />
Traum vom Leben auf dem Lande<br />
nachhängen können.<br />
Die gediegene Atmosphäre des<br />
Ortes lässt Sehnsüchte nach einer Lebensform<br />
jenseits jeglichen Großstadttrubels<br />
aufkommen, die der Realität<br />
vom Leben auf dem Dorf aber wohl<br />
kaum entsprechen mag. Doch auch<br />
das ist Barbizon: Eine Illusion des perfekten<br />
Künstlerdorfes, durch das der<br />
Geist einer glorreichen Vergangenheit<br />
zieht. Gerne kommt man hierher, um<br />
in einem der Restaurants zu Mittag<br />
zu essen und anschließend von einer<br />
Boutique zur nächsten Galerie zu<br />
spazieren, verbunden mit dem Gefühl,<br />
zumindest für ein paar Stunden einer<br />
Elite anzugehören. Und dennoch hat<br />
der Ort seine Authentizität bewahren<br />
können und wirkt längst nicht<br />
so touristisch wie etwa viele Dörfer<br />
der Provence oder des Elsass. Die<br />
Lage im Schatten der übermächtigen<br />
Hauptstadt und des bekannteren Fontainebleau<br />
schützt den bodenständigen<br />
Charme von Barbizon.<br />
Geht man die Grande Rue weiter,<br />
entdeckt man etwas versteckt zur<br />
rechten Seite die kleine Dorfkirche.<br />
Früher mussten die Bewohner am<br />
Sonntagmorgen nach Chailly zum<br />
Gottesdienst laufen. Denn erst seit<br />
1903 ist Barbizon eine eigenständige<br />
Kommune mit allem, was dazugehört:<br />
einem Bürgermeister, einer<br />
Schule, einem Friedhof und einer<br />
eigenen Kirche. Gleich daneben steht<br />
das Haus, das Théodore Rousseau als<br />
Atelier diente. Zunächst mietete er<br />
es, kaufte es dann aber alsbald von<br />
22 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Noch mehr<br />
Lust auf Paris?<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 1:<br />
Paris – Metropole<br />
der Sinne<br />
Die kleine Kirche von Barbizon. Daneben das Atelier von<br />
Théodore Rousseau, das besichtigt werden kann.<br />
dem Geld, das er mit seinen Werken<br />
verdiente. Heute ist es Teil des Museums<br />
der Schule von Barbizon, das<br />
hier Wechselausstellungen veranstaltet.<br />
Im Treppenhaus hängen zudem<br />
ein paar Postkarten aus alten Tagen.<br />
Théodore Rousseau ist einer der<br />
bekannten Namen aus Barbizon.<br />
Er gehört zu den größten Landschaftsmalern<br />
seiner Epoche. Seine<br />
Vorliebe galt dem hohen Wald mit<br />
seinen Lichtungen und dem Spiel<br />
des Lichtes. Seine Freundschaft zu<br />
Jean-François Millet, ein weiterer<br />
bedeutender Name der Zeit, ist<br />
sprichwörtlich. Beide Künstler, die zu<br />
einem großen Teil auch den Ruf von<br />
Barbizon begründeten, respektierten<br />
sich in ihrer Arbeit und bewunderten<br />
das Talent des anderen. Auch unterstützen<br />
sie sich gegenseitig beruflich<br />
und privat, selbst wenn sie vom Charakter<br />
sehr unterschiedlich waren.<br />
Théodore Rousseau erreichte zudem,<br />
dass im Forst von Fontainebleau ein<br />
erstes Naturreservat zum « Vergnügen<br />
des Spaziergängers und Künstlers »<br />
eingerichtet wurde. Die Gräber der<br />
beiden findet man auf dem Friedhof<br />
von Chailly. Das Atelier von Jean-<br />
François Millet lässt sich heute ebenfalls<br />
besichtigen.<br />
Folgt man dem Verlauf der Hauptstraße<br />
weiter, werden die Restaurants<br />
und Läden weniger. Es folgen noch<br />
ein paar Wohnhäuser, und schon<br />
erreicht man den Rand des sagenhaften<br />
Fôret de Fontainebleau. Kühle<br />
Waldluft schlägt einem entgegen und<br />
beflügelt, wie im 19. Jahrhundert, die<br />
Fantasie. Wer Lust zu einer kleinen<br />
Wanderung hat, kann auf einem<br />
Rundweg den Spuren der Künstler<br />
von Barbizon im Forst folgen. Das<br />
lokale Fremdenverkehrsamt gibt dazu<br />
eine Broschüre mit einem kleinen<br />
Plan heraus. Ein anderer sehr schöner<br />
Wanderweg, den man auch gut mit<br />
dem Fahrrad erkunden kann, verbindet<br />
Barbizon durch den Forst mit<br />
Fontainebleau. Auch hierzu gibt es<br />
eine Broschüre. Der Weg ist mit den<br />
Initialen « FB » für « Liaison Fontainebleau<br />
Barbizon » ausgeschildert.<br />
Und wer nach soviel Kunst- und<br />
Naturerlebnis am Abend noch keine<br />
Lust hat, wieder in die Metropole<br />
Paris zurückzukehren, der findet in<br />
Barbizon eine Reihe kleiner Hotels<br />
und Pensionen zum Übernachten.<br />
Wer weiß, manch einem mag es wie<br />
den Künstlern des 19. Jahrhunderts<br />
ergehen, die diesen Ort gar nicht<br />
mehr verlassen wollten.<br />
Stadtteile Spaziergang durch<br />
eine sinnliche Metropole<br />
Märkte Jedem seinen Markt<br />
Bistros Un crème et un croissant s.v.p.<br />
Auteuil Hinter den Kulissen der<br />
Gewächshäuser von Auteuil<br />
Willy Ronis Seine Motive sind das Paris<br />
der kleinen Leute<br />
Restaurant Chez Antoine, traditionelles Bistro<br />
unweit der Seine<br />
Interview Anne Hidalgo, die starke<br />
Frau an der Seite des Pariser<br />
Bürgermeisters<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6:<br />
Paris – Weihnachtsshopping<br />
an der Seine<br />
Kaufhäuser Mythos Grand Magasins:<br />
vom «Paradies der Damen»<br />
zum Konsumtempel<br />
Interview 1000 und ein Weihnachten<br />
Av. Montaigne Nächtlicher Bummel<br />
über die Pariser Luxusmeile<br />
Palais-Royal Die Renaissance<br />
des Shoppings<br />
Shoppingtour Auf Einkaufstour durch Paris<br />
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Im Inneren entfaltet das Schloss von Fontainebleau seine ganze Pracht.<br />
Seit diesem Sommer sind auch wieder die Papstgemächer zugänglich.<br />
3<br />
Fontainebleau<br />
Kleines Paradies der Glückseligkeit<br />
Im Jahre 1860 lieferte<br />
das Haus Fourdinois<br />
dieses kostbare<br />
Schlafzimmer.<br />
Die Stadt südlich der französischen<br />
Hauptstadt scheint es gut getroffen zu<br />
haben. In der Region ist sie dafür bekannt,<br />
ein vornehmer Wohnort zu sein, in dem<br />
es sich hervorragend leben lässt. Pariser Tagesausflügler<br />
schätzen den riesigen Forst von Fontainebleau,<br />
der die Kommune im Norden, Westen<br />
und Süden umschließt. Touristen aus dem<br />
In- und Ausland strömen wegen des berühmten<br />
Schlosses in die ehemalige Garnisonsstadt. Und<br />
die private Business School INSEAD katapultiert<br />
Fontainebleau in die Liga namhafter Wissensstandorte<br />
wie Harvard oder Yale.<br />
Die Basis für den heutigen Ruhm ist aber<br />
eindeutig das Schloss. So entstand die Kleinstadt<br />
in acht Jahrhunderten auch nicht wie die<br />
meisten französischen Ortschaften um einen<br />
Kirchturm herum, sondern am Rande des königlichen<br />
Anwesens. Dies wird schon auf den<br />
ersten Blick deutlich. Folgt man, mit dem Auto<br />
aus Paris kommend, den Schildern ins Stadtzentrum,<br />
taucht bald vor einem das herrschaftliche<br />
Schloss auf. Allerdings wird man sich<br />
nicht sofort bewusst, welche Ausmaße die Gebäude<br />
in Wirklichkeit einnehmen, verteilen sie<br />
sich doch um mehrere Höfe herum, was man<br />
erst bei einer ausführlichen Besichtigungstour<br />
entdeckt.<br />
Seit diesem Sommer gibt es übrigens noch<br />
einen Grund mehr für einen Besuch von Fontainebleau.<br />
Denn seit Juli kann man, nach über<br />
20 Jahren andauernden Restaurierungsarbeiten,<br />
24 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
wieder das Appartement du Pape besichtigen. Es<br />
handelt sich dabei um elf Säle, die ihren Namen<br />
zwei Aufenthalten von Pius VII. zwischen<br />
1804 und 1814 verdanken.<br />
Das erste Mal wurde das kirchliche Oberhaupt<br />
hier zur Kaiserkrönung empfangen.<br />
Am 25. <strong>November</strong> 1804 kam der Papst dafür<br />
in Fontainebleau an. Das Schloss hatte man<br />
im Vorfeld schnell wieder hergerichtet, da es<br />
während der Revolution vollkommen ausgeplündert<br />
worden war. Der zweite Aufenthalt<br />
von Juni 18<strong>12</strong> bis Januar 1814 war weniger<br />
freiwillig. Napoleon I. hielt den Papst in den<br />
gleichen Räumen, in denen er 1804 empfangen<br />
wurde, fest, um damit ein Konkordat zu erzwingen.<br />
Dabei behandelte man das geistliche<br />
Oberhaupt jedoch mehr wie einen Gast als wie<br />
einen Gefangenen. Selbst acht Pferde standen<br />
ihm zur Verfügung. Doch Napoleons Vorhaben<br />
blieb erfolglos. In den folgenden Jahren<br />
wurden die Gemächer mehrfach umgestaltet<br />
und dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Die<br />
letzten großen Veränderungen wurden 1860<br />
für Napoleon III. vorgenommen. Heute lassen<br />
sich deshalb vor allem Möbel und Kunstgegenstände<br />
bewundern, die dem Geschmack des<br />
Zweiten Kaiserreichs entsprechen.<br />
Doch nicht nur die Papstgemächer lohnen<br />
einen Besuch. Auch die anderen Apartments,<br />
Höfe und Museen, die das Schloss zu bieten<br />
hat, sind sehenswert. Wenn man schließlich<br />
genug von prachtvollen Sälen hat, bietet sich<br />
ein langer Spaziergang durch den wunderschönen<br />
Park von Fontainebleau an. Westlich eines<br />
kleinen zentralen Sees breitet sich ein hübscher<br />
englischer Garten aus. Er wurde im Jahre 18<strong>12</strong><br />
angelegt. Im Osten des Sees schließt sich ein<br />
klassischer französischer Garten an. Franz<br />
I. legte den Grundstein dafür, Heinrich IV.<br />
gestaltete ihn neu. Die heutige Form stammt<br />
weitgehend von André Le Nôtre.<br />
Wenn man nach Fontainebleau kommt,<br />
sollte man aber nicht nur das Schloss und den<br />
Park erkunden. Auch das Stadtzentrum, das<br />
sich nördlich davon ausbreitet, ist einen Besuch<br />
wert. Am besten verlässt man den Schlosspark<br />
durch den Jardin de Diane, um anschließend<br />
durch die von kleinen Läden und Restaurants<br />
gesäumten Straßen und Gassen zu schlendern.<br />
Der Ort wirkt wie eine wohlhabende Provinzstadt,<br />
wobei sich Pariser Chic unter ländlichen<br />
Lebensstil mischt. Und wer dann noch etwas<br />
Zeit hat, könnte den Fôret de Fontainebleau<br />
näher auskundschaften. Der 25.000 Hektar<br />
große Wald ist zu großen Teilen in Staatsbesitz<br />
und ein beliebtes Naherholungsgebiet.<br />
Die enormen Ausmaße des Schlosses sind auf den<br />
ersten Blick weniger auffällig als anderswo.<br />
Der französische Garten wurde weitgehend von Le Nôtre gestaltet.<br />
In der ersten Etage dieses Schlossflügels ist das Appartement du Pape<br />
untergebracht.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 25
Fokus Pariser Umland<br />
4<br />
Parc de Sceaux<br />
Wenn der Park im Mittelpunkt steht<br />
Als ich an diesem sonnigen Morgen Anfang September<br />
auf dem Parkplatz östlich der Gartenanlage von<br />
Sceaux ankomme, fallen mir sofort Heerscharen<br />
junger Menschen auf, die sich in Richtung des Parks begeben.<br />
Es ist la Rentrée, wie man in Frankreich die Wiederaufnahme<br />
des Schulbetriebs, aber auch insgesamt des wirtschaftlichen<br />
Lebens nach den großen Sommerferien nennt.<br />
Die jungen Leute müssen sich von diesem Tag an wieder an<br />
ihren schulischen bzw. universitären Alltag gewöhnen. Sicherlich<br />
keine ganz leichte Aufgabe, wenn man vor kurzem<br />
noch faul am Strand in der Sonne gelegen hat. Dank der<br />
rund 14.000 Lernenden erhöht sich täglich kurzfristig die<br />
Einwohnerzahl von Sceaux auf das Doppelte.<br />
Ich parke mein Auto und betrete den Parc de Sceaux<br />
26 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Blick vom Schloss in den Park.<br />
durch das große Haupttor. Vor mir erstrahlt das schmucke<br />
Schloss in der Morgensonne. Einige Jogger durchqueren<br />
den Garten, und Hundehalter führen ihre geliebten Vierbeiner<br />
aus. Insgesamt liegt aber eine himmlische Ruhe über<br />
der Anlage. Nicht viele Menschen verirren sich an diesem<br />
frühen Morgen hierher, schließlich ist es ein Wochentag,<br />
und die Einheimischen sind zu dieser Uhrzeit auf dem Weg<br />
zur Arbeit. Auch die vielen Schüler und Studenten sehe<br />
ich nicht mehr, nehmen sie doch einen Seiteneingang und<br />
verschwinden hinter der Orangerie. Ich bin froh, dass ich<br />
unter der Woche hierher gekommen bin. Am Wochenende<br />
ist es im Park so voll wie im Berliner Tiergarten an einem<br />
sommerlichen Sonntag, nur dass das Grillen hier natürlich<br />
untersagt ist.<br />
Langsam schreite ich die Hauptallee zum Schlosseingang<br />
entlang, nachdem ich vorher noch einen Abstecher<br />
zum neu eröffneten Museumsshop gleich rechts neben dem<br />
Haupttor gemacht habe. Schon seit dem 15. Jahrhundert<br />
gab es ein Herrenhaus an dieser Stelle. Colbert erwarb es im<br />
Jahre 1670 und ließ es radikal umbauen. Als Oberintendant<br />
für die Bauten des Königs verfügte er über die besten Kontakte<br />
und beauftragte die Crème de la Crème der damaligen<br />
Zeit. Claude Perrault, der sich schon in Versailles einen Namen<br />
gemacht hatte, wurde als Architekt verpflichtet. Der<br />
königliche Hofmaler Charles Le Brun kümmerte sich um<br />
die Ausstattung und André Le Nôtre um die Gestaltung<br />
eines französischen Gartens. Die Einweihung des Anwesens<br />
fand schließlich im Jahre 1677 in Gegenwart von Ludwig<br />
XIV. mit einem prächtigen Fest statt.<br />
In den folgenden Jahrzehnten erfolgten einige bauliche<br />
Veränderungen. So ließ Colberts Sohn zum Beispiel eine<br />
Orangerie errichten. Während der Revolution wurde die<br />
gesamte Anlage jedoch konfisziert. Möbel und Statuen<br />
verschwanden, der Garten verwandelte sich in Ackerland.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 27
Fokus Pariser Umland<br />
Erst aus der Luft wird deutlich, wie sehr der Park von den Pariser Vorstädten umzingelt ist.<br />
Das Schloss beherbergt heute das<br />
Musée de l’Ile-de-France.<br />
Vor der Orangerie erstreckt sich<br />
ein kleiner Ziergarten.<br />
Schließlich kaufte ein Händler aus Saint-Malo das Anwesen, ließ die<br />
Gebäude allerdings abreißen. Sein Schwiegersohn, der Herzog von<br />
Treviso, errichtete 1856 ein neues Schloss an gleicher Stelle. Doch<br />
auch dieses verkam im Laufe der Zeit, bis 1924 das Departement die<br />
Immobilie erwarb und dort seit 1936 das Musée de l’Ile-de-France, das<br />
Einblicke in die Geschichte der Region ermöglicht, aber ebenso eine<br />
Keramiksammlung beherbergt, unterbrachte. Auch die Gartenanlage<br />
wurde liebevoll im Sinne von Le Nôtre restauriert, so dass Besucher<br />
heute wieder ein prachtvoller Park erwartet.<br />
Nachdem ich das Museum besucht habe, gehe ich um das Schloss<br />
herum auf die Westseite des Gebäudes. Vor mir breitet sich ein großer<br />
Garten aus, der zunächst abfällt und in der Ferne wieder ansteigt. Hier<br />
merke ich, wie winzig das Schloss im Vergleich zum Park, der immerhin<br />
stolze 152 Hektar misst, erscheint. Im Gegensatz zu den meisten<br />
Schlossparks spielt es geradezu eine Nebenrolle. Kein Zweifel, die wirkliche<br />
Attraktion in Sceaux ist der Park. Dabei überblickt man von hier<br />
oben nur rund ein Viertel des Geländes. Der ganze südliche Bereich<br />
mit seinen Wasserbassins und Kaskaden wird erst beim anschließenden<br />
Rundgang nach und nach sichtbar. Doch bereits der von hier erkennbare<br />
Teil wirkt immens.<br />
Ich halte zunächst inne und genieße für ein paar Minuten den<br />
herrlichen Ausblick. Einige Gärtner sind gerade mit der Pflege der<br />
Blumenbeete beschäftigt. Die Blütenpracht des französischen Gartens<br />
ist ohnehin entzückend. Durch die Lage des Gartens in einer Senke<br />
eröffnet sich zudem ein weiter Blick, auch auf die Umgebung. In der<br />
Ferne ragen einige Wohnsilos in die Höhe, ganz so, wie man sich die<br />
Vororte meist klischeehaft vorstellt. Dazwischen aber liegt eine wahrhaft<br />
grüne Oase, wie man sie hier im Banlieue kaum erwarten würde.<br />
Ich entschließe mich dazu, zunächst dem Hauptweg in die Senke zu<br />
28 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
folgen, um im Anschluss den südlicheren Parkabschnitt<br />
zu erkunden.<br />
Dafür durchquere ich den französischen Garten. Anschließend<br />
umrunde ich das zentrale Wasserbecken. Von<br />
hier aus eröffnet sich in Richtung Süden der Blick auf den<br />
tiefer gelegenen großen Kanal, der mit 1.030 Metern genauso<br />
lang ist wie der kleine Kanal von Versailles. Ich gehe<br />
an einer großen Rasenfläche entlang bis zum westlichen<br />
Ende des Parks. Der Weg steigt dabei an. Am Ziel angekommen,<br />
werde ich mit einem wunderschönen Blick auf die<br />
Gartenanlage und das von hier wirklich sehr klein aussehende<br />
Schloss belohnt.<br />
Den Rückweg trete ich in einem großen Bogen über den<br />
südlichen Parkabschnitt an. Durch Wälder und entlang des<br />
großen Kanals gelange ich schließlich zu den großen Kaskaden,<br />
die terrassenförmig angelegt sind. Über insgesamt<br />
zehn Stufen plätschert das Wasser. Die Wasserfälle liegen<br />
zu dieser Tageszeit noch ein wenig im Schatten, wirken dadurch<br />
aber nicht weniger grandios. Ich folge ihnen zurück<br />
zum Schloss. Dort angekommen, biege ich nach rechts zur<br />
Orangerie ab.<br />
An der südlichen Seite der Orangerie schließt sich ein<br />
kleiner Ziergarten an, begrenzt durch eine mannshohe<br />
Hecke. Ich stelle mich auf eine Bank, um ein Foto von der<br />
Orangerie und dem Garten zu machen. Und als ich mich<br />
umdrehe und über die Hecke schaue, entdecke ich die vielen<br />
jungen Leute wieder, die auf der sich anschließenden Wiese<br />
munter irgendwelchen Kennlernspielen nachgehen. Auch<br />
das fällt in Sceaux auf: Hier ist der Park für die Menschen<br />
da, das Betreten der Wiesen ist erlaubt. Ein Umstand, der<br />
in Frankreich nicht immer selbstverständlich ist.<br />
Langsam spüre ich meine Füße, habe ich doch bereits<br />
einige Kilometer in dem riesigen Park zurückgelegt.<br />
Dennoch will ich den Ort noch nicht verlassen, sondern<br />
begebe mich zum Nordausgang. Hier gelangt man in die<br />
Thalys_Fr_erl_210x103.pdf 18.09.<strong>2007</strong> 18:15:17 Uhr<br />
Stadtmitte von Sceaux, wo mich die zweite Überraschung<br />
erwartet: Weder einen solchen Park hätte man hier im<br />
südlichen Speckgürtel von Paris erwartet, noch ein kleines<br />
Zentrum, das viel mehr wie ein charmantes Provinzstädten<br />
als wie ein Vorort von Paris wirkt. Das Leben spielt sich dabei<br />
vor allem um die Kirche Saint-Jean-Baptiste ab. Bistros<br />
stellen ihre Stühle auf die Bürgersteige, an der Nordseite<br />
des Platzes steht eine typische Markthalle, die vor ein paar<br />
Jahren grundsaniert wurde. Richtung Westen beginnt eine<br />
kleine Fußgängerzone mit Geschäften, Bäckereien und<br />
Banken. Von Großstadthektik ist hier keine Spur. Das Leben<br />
geht gemächlich vonstatten, eben genauso wie in der<br />
Provinz. Auch ich beschließe, einen Kaffee zu genießen,<br />
bevor ich wieder zu meinem Auto zurückkehre.<br />
Das Schloss stammt in seiner heutigen<br />
Form aus dem 19. Jahrhundert.
Fokus Pariser Umland<br />
Das Schloss von Rambouillet gehört zu einer Reihe von Residenzen,<br />
die dem Präsidenten in ganz Frankreich zur Verfügung stehen.<br />
5<br />
Rambouillet<br />
Ein Schloss für den Präsidenten<br />
Nicolas Sarkozy ist dafür bekannt, keine Berührungsängste<br />
mit den Reichen und Schönen der Welt zu<br />
haben. Ohne Skrupel ließ er sich nach seinem<br />
Wahlsieg auf eine Luxusyacht vor Malta einladen oder diesen<br />
Sommer in einen vornehmen Urlaubsort nahe der Sommerresidenz<br />
von George Bush in die USA. Fragen nach der<br />
Vereinbarkeit solcher Einladungen mit der Unabhängigkeit<br />
seines Amtes weist er mit dem Hinweis zurück, dass auch er<br />
das Recht habe, wohlhabende Freunde zu besitzen.<br />
Dabei befindet sich der französische Präsident im Vergleich<br />
zu den meisten anderen Staatsoberhäuptern Europas<br />
bereits ohne spendable Freunde in einer äußerst komfortablen<br />
Lage. Denn der Präsident Frankreichs verfügt nicht nur<br />
mit dem Elysée-Palast über einen herrschaftlichen Dienstsitz<br />
in Paris, sondern kann auch auf eine Reihe weiterer Unterkünfte<br />
im ganzen Land zurückgreifen, die für ihn vorgehalten<br />
werden, sollte er Lust verspüren, einmal der Hauptstadt<br />
den Rücken zu kehren. Eines dieser Feriendomizile ist<br />
seit 1896 das Schloss von Rambouillet im Südwesten von<br />
Paris, zwischen Versailles und Chartres gelegen.<br />
Doch Rambouillet fungiert nicht nur als Sommerresidenz<br />
des Präsidenten. Auch für Staatsempfänge oder<br />
wichtige internationale Treffen wurde und wird das Anwesen<br />
gerne genutzt. So fand hier 1975 unter Einladung<br />
von Giscard d’Estaing der erste Gipfel der wichtigsten<br />
Industrieländer der Welt statt. Damals waren es noch<br />
nicht die G8-, sondern die G6-Staaten, also Frankreich,<br />
Deutschland, Großbritannien, Italien, Japan und die<br />
USA, die sich hier trafen. Im Jahre 1999 tagten in Rambouillet<br />
die Konfliktparteien des Kosovos. Tagelang be-<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
ichteten Journalisten damals aus der Kleinstadt.<br />
Die Vereinbarung von Rambouillet<br />
konnte den Kosovo-Krieg allerdings nicht<br />
verhindern. Aber auch simple Staatsbesuche<br />
führten manchmal nach Rambouillet. So<br />
wurde beispielsweise Nelson Mandela hier<br />
empfangen.<br />
Das Schloss hat im Laufe der Geschichte<br />
also schon eine Reihe illustrer Persönlichkeiten<br />
beherbergt. Auch mancher schicksalhafter<br />
Moment war darunter: So verstarb Franz I. in<br />
Rambouillet, nachdem er zuvor hier seinem<br />
Sohn die Macht übergeben hatte. Ludwig XIV.<br />
kaufte das Anwesen 1706 für einen seiner Söhne.<br />
Später erwarb Ludwig XVI. Rambouillet,<br />
doch Marie-Antoinette mochte das Schloss<br />
ganz und gar nicht. Napoleon I. unterbrach<br />
seine Reise in die Verbannung in Rambouillet<br />
und verbrachte eine Nacht im Schloss. Karl X.<br />
flüchtete während der Julirevolution ebenfalls<br />
hierher und überlegte in Rambouillet, wie<br />
er sich weiter verhalten sollte. Doch zu einer<br />
selbstbestimmten Entscheidung kam es nicht<br />
mehr, setzen ihn seine eigenen Truppen kurzerhand<br />
ab.<br />
Wenn man heute das Schloss und den Park<br />
besucht, hat man nicht unbedingt das Gefühl,<br />
an einem derart staatstragenden Ort zu<br />
verweilen. Das gesamte Anwesen wirkt recht<br />
unscheinbar, fast schon unspektakulär. Das<br />
Schloss selbst ist längst nicht so bombastisch<br />
wie etwa Vaux-le-Vicomte, Fontainebleau oder<br />
Chantilly. Nur die angrenzende Polizeikaserne<br />
gibt einen Hinweis darauf, dass das Schloss<br />
mehr als ein Museum und längst noch nicht<br />
in einen Dornröschenschlaf gefallen ist. Auch<br />
der gute bauliche Zustand verrät, dass die Gebäude<br />
noch zeitgemäßen Ansprüchen genügen<br />
müssen. Das Schloss wirkt sogar recht modern.<br />
Der französische Garten ist ebenfalls in einem<br />
tadellosen Zustand, und der mit Kanälen<br />
durchzogene englische Garten lädt zu einem<br />
längeren Spaziergang ein.<br />
Das Zentrum von Rambouillet wirkt dagegen<br />
wie die einer gewöhnlichen Kleinstadt. Ein<br />
paar Straßen, die von Geschäften gesäumt sind,<br />
bilden die Ortsmitte. Einheimische erledigen<br />
ihre Besorgungen, haben aber auch Zeit für ein<br />
kleines Schwätzchen. Rambouillet ist zu weit<br />
von Paris entfernt, um eine reine Schlafstadt<br />
zu sein, doch auch viele Berufspendler wohnen<br />
hier. Die Bürger sind, trotz der präsidialen Residenz,<br />
sehr bodenständig geblieben. Und wer<br />
weiß, vielleicht verbringt auch Nicolas Sarkozy<br />
einmal ein paar Tage im Südwesten der französischen<br />
Hauptstadt.<br />
Zahlreiche Staatsgäste wurden bereits in Rambouillet<br />
empfangen, so auch Nelson Mandela.<br />
Der Park von Rambouillet lädt zu langen Spaziergängen ein.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 31
Fokus Pariser Umland<br />
Heute steht nur noch das alte Schloss von Saint-Germain-en-Laye, das inzwischen ein Museum beherbergt.<br />
6<br />
Saint-Germainen-Laye<br />
Sinnbild eines elitären Lebensgefühls<br />
Saint-Germain-en-Laye, nicht zu verwechseln mit dem<br />
Pariser Stadtteil Saint-Germain-des-Près im 6. Arrondissement,<br />
ist mehr als nur ein Vorort. Es ist ein<br />
Lebensgefühl. Hier im Westen der Région Parisienne, wie<br />
man den Ballungsraum der französischen Hauptstadt gerne<br />
nennt, verbindet man die geografische Nähe zur Metropole<br />
mit den Vorzügen einer gediegenen Vorstadt. Dank der guten<br />
RER-Anbindung, die jeden Tag Tausende von Menschen<br />
direkt von Saint-Germain-en-Laye nach Paris bzw. ins Geschäftsviertel<br />
La Défense und zurück befördert, konnte sich<br />
die Kommune prächtig als Wohnort der Noblen und Reichen<br />
etablieren. Hier ist man weit davon entfernt, was die<br />
meisten Menschen mit dem Begriff Banlieue verbinden.<br />
Saint-Germain-en-Laye ist keine Trabantenstadt.<br />
Häuser mit Sandsteinfassaden und nicht trostlose Hochhäuser<br />
aus Beton prägen das Stadtbild. Hier brannten<br />
während der Vorstadtunruhen auch keine Autos. Die<br />
Vandalismus- und Kriminalitätsrate unterscheidet sich<br />
nicht wesentlich von der anderer reicher Viertel der<br />
benachbarten Metropole. Ganz im Gegenteil, die Innenstadt<br />
von Saint-Germain-en-Laye wirkt adrett und<br />
nobel. Ganz so, als hätte man das schicke 16. Arrondissement<br />
ein wenig nach Westen verschoben und ihm<br />
zugleich einen etwas provinzielleren Anstrich gegeben.<br />
Wer in Saint-Germain-en-Laye wohnt, fühlt sich als jemand<br />
Besonderes. Dem Ort haftet etwas Elitäres an, wie<br />
sonst nur wenigen Kommunen im Umkreis von Paris.<br />
Der Ortsname wird deshalb auch gerne in einem Atemzug<br />
mit Städten wie Versailles oder Neuilly-sur-Seine<br />
genannt.<br />
32 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Von der kleinen und großen Terrasse aus hat man einen wunderbaren<br />
Panoramablick auf die westlichen Vororte von Paris.<br />
Seit einigen Jahren wird wieder Wein angebaut. In der Ferne: La Défense.<br />
Die Gründe hierfür sind neben einer bezaubernden geografischen<br />
Lage auf einem Plateau mit Fernblick vor allem<br />
in der königlichen Vergangenheit zu suchen. Zahlreiche<br />
französische Könige kamen nach Saint-Germain-en-Laye,<br />
um die Sommerfrische zu genießen. Ludwig XIV. wurde<br />
hier, wie zuvor schon Heinrich II. und Karl IX., am 5.<br />
September 1638 gegen 11.00 Uhr geboren. Der Ort wurde<br />
daraufhin königliche Residenz und Regierungssitz, bis der<br />
Hof 1682 nach Versailles umzog. Der Sonnenkönig blieb<br />
Saint-Germain-en-Laye aber stets verbunden. Auch heute<br />
noch prägen das Schloss und der angrenzende prachtvolle<br />
Park das Stadtzentrum.<br />
Von der königlichen Pracht ist dabei nur das alte Schloss<br />
erhalten geblieben. In der heutigen Form wurde es weitgehend<br />
von Franz I. errichtet, nachdem seit dem <strong>12</strong>. Jahrhundert<br />
bereits eine Burg an der Stelle stand. Das neue Schloss<br />
dagegen, ein herrschaftliches Lustschloss direkt am Rande<br />
des Plateaus mit einer einmaligen Lage hoch über der Seine,<br />
existiert heute nicht mehr. Nur der Pavillon Henri IV., wo<br />
Ludwig XIV. getauft wurde, sowie Teile der Fundamente<br />
und Grotten sind davon noch erhalten. Seit einigen Jahren<br />
besinnt man sich aber wieder dieses Erbes. Ein Projekt wurde<br />
in Angriff genommen, wonach die vorhandenen Reste wieder<br />
restauriert und besser in Szene gesetzt werden sollen.<br />
Eine einzige Pracht ist der Schlossgarten, der von<br />
André Le Nôtre gestaltet wurde. Höhepunkte sind dabei<br />
mit Sicherheit die kleine und große Terrasse am östlichen<br />
Rand. Der Park öffnet sich hier wie ein Balkon über die<br />
westlichen Vororte von Paris. Der Blick schweift weit in<br />
die Ferne. Besonderer Blickfang sind die Hochhäuser von<br />
La Défense mit seiner weißen Grande Arche. Direkt unterhalb<br />
der Terrassenmauer wird seit ein paar Jahren auch<br />
wieder Wein angebaut. Die beiden Terrassen erstrecken<br />
sich insgesamt über 2,4 Kilometer von Süden nach Norden.<br />
Ein wunderbarer Spaziergang bietet sich geradezu an. Der<br />
weite Horizont vermittelt ein Gefühl von Freiheit. Möchte<br />
man nicht den gleichen Weg zurückgehen, kann man auch<br />
durch den angrenzenden englischen Garten ins Stadtzentrum<br />
zurückkehren.<br />
Letzterem sollte man im Anschluss unbedingt einen<br />
Besuch abstatten. In den Straßen westlich des Schlosses<br />
herrscht reger Trubel. Boutiquen und Restaurants laden<br />
zum Bummeln ein. Alles ist sehr gediegen, und die Einheimischen<br />
sind meist elegant gekleidet. Die Atmosphäre<br />
ist eine Mischung aus Weltläufigkeit und Provinzialität.<br />
Gerade auch die oft prachtvollen Fassaden tragen zum<br />
besonderen Flair bei. Allein in den Jahren, die Ludwig<br />
XIV. in Saint-Germain-en-Laye verbrachte, entstanden<br />
rund 60 Herrschaftshäuser. Hat man von dem ganzen<br />
elitären Gehabe irgendwann genug, braucht man nur<br />
zum Schloss zurückzugehen und dort zur RER-Station<br />
hinabzusteigen. In nur wenigen Minuten bringen einen<br />
die Züge wieder nach Paris und somit in die Realität einer<br />
Großstadt zurück.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 33
Fokus Pariser Umland<br />
Wie ein Balkon öffnet sich der Parc de Saint-Cloud zum Häusermeer von Paris.<br />
7<br />
Parc de<br />
Saint-Cloud<br />
Schlosspark ohne Schloss<br />
Am Wochenende ist es hier richtig voll », erzählt uns<br />
Christine, die in einem der Pavillons im Park als<br />
« Kellnerin arbeitet. « Allerdings kommen meist Leute<br />
aus Paris und den umliegenden Orten zu uns. Ausländische<br />
Touristen haben wir hier eher selten zu Gast. Und wochentags<br />
geht es meist ruhig zu ». So auch an diesem Nachmittag.<br />
Obwohl die Sonne von einem fast wolkenlosen Himmel<br />
strahlt und die Temperaturen angenehm spätsommerlich<br />
sind, wirkt der Park verlassen. Nur einzelne Spaziergänger<br />
und ein paar Hundebesitzer kreuzen unseren Weg. Wir genießen<br />
aber die Ruhe, die in diesem 450 Hektar großen Park<br />
herrscht.<br />
Dabei müssen wir zugeben, dass wir diese Grünanlage<br />
trotz vieler Paris-Besuche nicht wirklich auf unserem<br />
Radarschirm hatten. Gerne wird immer wieder der Bois<br />
de Boulogne im Westen der französischen Hauptstadt als<br />
Naherholungsgebiet genannt. Dabei liegt der Parc de Saint-<br />
Cloud nur wenige Kilometer im Südwesten davon und wirkt<br />
unseres Erachtens durch seine Hanglage fast reizvoller als<br />
der Stadtwald. Beide Parks haben gemein, dass man mit<br />
dem Auto hineinfahren kann. Der Zugang zum Park von<br />
Saint-Cloud ist im Vergleich zum Bois de Boulogne jedoch<br />
kostenpflichtig. Aber selbst wenn man mit dem Auto<br />
hierher kommt, sollte man dieses alsbald abstellen und die<br />
Natur zu Fuß erkunden.<br />
Wie bei vielen Schlossparks in der Ile-de-France hatte<br />
André Le Nôtre auch beim Parc de Saint-Cloud seine Finger<br />
im Spiel. Alleen, die zugleich beeindruckende Sichtach-<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
sen sind, Wasserbecken und Kaskaden zeugen<br />
davon. Doch nach etwas sollte man in diesem<br />
ehemaligen Schlosspark nicht mehr suchen:<br />
nach einem Schloss. Es überlebte den Lauf der<br />
Geschichte nicht. Heute weist nur noch eine<br />
große Tafel am östlichen Rand des Parks auf<br />
die ehemalige Lage der Gebäude hin. Dabei<br />
fanden hier sogar einige historische Ereignisse<br />
statt. So erwarb etwa Marie-Antoinette im<br />
Jahre 1785 das Anwesen. Bonaparte wurde<br />
hier 1802 zum Konsul auf Lebenszeit ernannt.<br />
Auch der zivile Part seiner Trauung mit Marie<br />
Louise fand hier statt. Im Jahre 1870 erklärte<br />
Napoleon III. von Saint-Cloud aus den Krieg<br />
mit Preußen. Doch schon drei Monate später<br />
geriet das Schloss unter Beschuss und brannte<br />
aus. 1891 wurde es schließlich geschliffen.<br />
Aber die Schönheit des Parks leidet nicht<br />
unter dem Fehlen des Schlosses. Nachdem wir<br />
unseren Kaffee getrunken haben, empfiehlt<br />
uns Christine, unbedingt die breite Allee<br />
zum östlichen Parkrand hinunterzulaufen.<br />
« Sie werden sehen, der Ausblick ist einfach<br />
fantastisch », schwärmt sie uns vor. Gesagt,<br />
getan. Wir schlendern gemächlich durch den<br />
ehemaligen Schlossgarten. Wasserbecken, Statuen,<br />
Blumenkübel und Zierbäume lassen auch<br />
ohne Schloss ein königliches Ambiente aufkommen.<br />
Und als wir dann schließlich an die<br />
Stelle kommen, wo es früher stand, liegt uns<br />
Paris zu Füßen. Der Ausblick auf das Häusermeer<br />
ist einmalig. Der Eiffelturm erhebt sich<br />
majestätisch in die Höhe. Etwas weiter links<br />
davon erblicken wir Sacré Cœur. Rechts vom<br />
Eiffelturm sieht man den Tour Montparnasse.<br />
Wir hatten nicht erwartet, von hier aus einen<br />
derart hinreißenden Panoramablick auf die<br />
Seine-Metropole zu haben.<br />
Während wir noch den Ausblick genießen,<br />
kommen wir mit Janice ins Gespräch. Sie ist<br />
ein junges Aupairmädchen aus Südafrika und<br />
erzählt uns, dass sie schon seit rund vier Monaten<br />
in Paris weilt: « Viele junge Südafrikaner<br />
gehen nach Großbritannien, aber ich hatte Lust,<br />
ein europäisches Land zu entdecken, wo man<br />
kein Englisch spricht », erklärt sie uns. « Schon<br />
als Kind habe ich davon geträumt, einmal den<br />
Eiffelturm zu sehen. » Während wir miteinander<br />
sprechen, muss sie immer wieder den beiden<br />
Kindern, auf die sie aufpasst, nachrennen. Zu<br />
verlockend sind die vielen Statuen, Blumenkübel<br />
und Treppen für die beiden Kleinen. Die Eltern<br />
spielen gerade Tennis in einem renommierten<br />
Club, der im westlichen Teil des Parks untergebracht<br />
ist. Es ist eine reiche Familie, die ihr Zuhause<br />
im noblen Vorort Saint-Cloud hat. « Das<br />
Leben in Saint-Cloud ist schon außergewöhnlich<br />
», erzählt uns Janice. « Wenn man aus einem<br />
Land wie Südafrika kommt, wo alles ein wenig<br />
lockerer zugeht, muss man sich an gewisse Umgangsformen<br />
erst gewöhnen. Das Leben wirkt<br />
in diesem Vorort dann schon recht steif. Aber<br />
ich komme gut mit meiner Gastfamilie zurecht.<br />
Und außerdem hat der Luxus auch seinen Vorteil.<br />
Im August waren wir in der familieneigenen<br />
Villa an der Côte d’Azur im Urlaub ».<br />
Nachdem wir noch ein wenig geplaudert<br />
haben, verabschieden wir uns herzlich von Janice<br />
und beschließen, den Park noch weiter zu<br />
erkunden. In Richtung Süden führt eine breite<br />
Allee mit einer Wiese in der Mitte den Hügel<br />
hinauf. Der Anstieg wird wiederum mit einem<br />
schönen Blick belohnt. Etwas später kommt<br />
man zu einem weiteren Aussichtspunkt, von<br />
dem aus man sogar die Hochhäuser von La<br />
Défense erblicken kann. Anschließend geht es<br />
zurück zum Auto. Aber wir verlassen den Park<br />
nicht, ohne erneut in eines der Restaurants einzukehren.<br />
Das viele Laufen hat uns müde und<br />
hungrig gemacht, so dass wir uns jetzt einen<br />
kleinen Snack gönnen.<br />
Der Park wirkt<br />
noch heute wie<br />
ein Schlosspark,<br />
selbst wenn es das<br />
Schloss schon längst<br />
nicht mehr gibt.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 35
Fokus Pariser Umland<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
8<br />
Auvers-sur-Oise<br />
Van Goghs letzte Ruhestätte<br />
Seien Sie mal ganz ehrlich: Wissen Sie, wo<br />
sich Vincent van Goghs Grab befindet?<br />
Natürlich ist bekannt, dass der Künstler<br />
lange Zeit in Frankreich wirkte, insbesondere<br />
auch in Paris. Doch nur wenige wissen, dass er<br />
die letzten Tage seines Lebens im nordwestlichen<br />
Dunstkreis der Seine-Metropole verbrachte,<br />
in Auvers-sur-Oise. In diesem Ort befindet<br />
sich auch sein Grab, genauso wie das von<br />
seinem Bruder Theo. Doch nicht nur Vincent<br />
van Gogh verweilte in diesem Dorf, das heute<br />
längst zu einem Vorort von Paris geworden ist.<br />
Auch andere Maler ließen sich hier inspirieren,<br />
so dass die Kommune an der Oise noch heute<br />
das Image eines Künstlerdorfes innehat.<br />
Einen Besuch von Auvers-sur-Oise können<br />
Sie gut am Rathaus beginnen. Auf einem Parkplatz<br />
daneben lässt sich das Auto abstellen, um<br />
den Ort gemütlich zu Fuß zu erkunden. Gleich<br />
gegenüber auf der anderen Straßenseite erblickt<br />
man die Auberge Ravoux. In diesem Gasthaus<br />
hatte Vincent van Gogh ein Zimmer angemietet.<br />
Heute kann man seine Stube besichtigen,<br />
und Schilder weisen auf den berühmten Gast<br />
hin. Als van Gogh nach Auvers-sur-Oise kam,<br />
durchlebte er noch einige Wochen intensiven<br />
Schaffens. In der kurzen Zeit, die ihm noch<br />
blieb, entstanden über 80 Bilder und Zeichnungen,<br />
insbesondere Impressionen vom Dorf<br />
und Portraits einiger Bewohner. Zu den bekanntesten<br />
Werken gehören das Bild von der<br />
Dorfkirche und das Portrait des Doktors Paul<br />
Gachet, der ihn auch medizinisch betreute und<br />
selbst Maler und Kunstliebhaber war.<br />
Nach der Maison Van Gogh bietet sich ein<br />
kleiner Spaziergang über die Hauptstraße zur<br />
Dorfkirche an. Die einzelnen Sehenswürdigkeiten<br />
von Auvers-sur-Oise sind hervorragend<br />
ausgeschildert. Außerdem zeigen Hinweistafeln<br />
die Werke bekannter Künstler an ihren<br />
Originalschauplätzen. So lässt sich ein guter<br />
Eindruck vom Wirken der Impressionisten<br />
im Oise-Tal gewinnen. Vorbei am Parc Van<br />
Gogh gelangen Sie nach einigen Minuten zu<br />
einer kleinen Gasse, die nach links den Hügel<br />
hinauf zur Kirche des Ortes führt. Wohnhäuser<br />
aus Naturstein und zahlreiche Bäume und<br />
Sträucher verbreiten eine idyllische Aura. Die<br />
Kirche selbst thront etwas oberhalb des Ortes.<br />
Touristen versuchen immer wieder, mit ihrem<br />
Fotoapparat den gleichen Blickwinkel wie<br />
damals van Gogh einzufangen. Neben dem<br />
Eingang weist eine Tafel zudem auf sein berühmtes<br />
Werk hin.<br />
Von der Kirche aus führt eine Straße zu<br />
dem rund 500 Meter entfernten Friedhof der<br />
Gemeinde. Zunächst durchquert man dafür<br />
einen winzigen Wald, um anschließend auf<br />
eine Hochebene mit Feldern zu gelangen. Es<br />
ist überraschend, wie abrupt der Ort endet und<br />
man sich aufs Land versetzt fühlt. Gerade wenn<br />
die Sonne am Nachmittag schon etwas tiefer<br />
steht und die Farben in ein sanftes Licht hüllt,<br />
ist die Wirkung magisch. In der Ferne sehen<br />
Vincent van Gogh wurde in Auvers-sur-Oise begraben.<br />
Das Grab seines Bruders wurde später hierher umgebettet.<br />
Das Château de<br />
Léry beherbergt<br />
heute eine Multimediashow<br />
über den<br />
Impressionismus.<br />
Die Auberge Ravoux.<br />
Gegenüberliegende Seite: Die Kirche<br />
liegt etwas oberhalb des Dorfes.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 37
Fokus Pariser Umland<br />
Vom Château de Léry bietet sich ein schöner Blick auf den Ort und das Oise-Tal.<br />
Sie bereits die Mauern des Friedhofs, der etwas unvermittelt<br />
zwischen den Feldern liegt. Links der Friedhofsmauer<br />
spenden Alleebäume etwas Schatten. Der Friedhof selbst<br />
ist baumlos und wie die meisten Friedhöfe in Frankreich<br />
sehr « steinlastig » und sandig. Ihm fehlt die herrschaftliche<br />
Wirkung, wie sie etwa Père Lachaise oder der Friedhof von<br />
Montmartre in Paris besitzen. Dank einer Hinweistafel am<br />
Haupteingang findet man schnell zum Grab der beiden van<br />
Gogh-Brüder. Das Doppelgrab befindet sich an der nördlichen<br />
Friedhofsmauer. Es ist schlicht, mit Efeu bewachsen<br />
und verfügt über zwei getrennte Grabsteine.<br />
Zurück zur Kirche gelangen Sie entweder über die gleiche<br />
Straße oder Sie laufen im Bogen über einen Feldweg,<br />
auf dem ein weiteres Motiv von van Gogh ausgestellt ist.<br />
Ist man an der Dorfkirche wieder angekommen, sollte man<br />
nicht zurück zur Hauptstraße gehen, sondern über die oberhalb<br />
des Dorfes verlaufende Rue Daubigny den Rundgang<br />
fortsetzen. Nach rund zehn Minuten führt ein Pfad wieder<br />
hinunter zum Maison Van Gogh. Ihm gegenüber liegt das<br />
Musée Daubigny, das Bilder ausstellt, die zum Renommee<br />
von Auvers-sur-Oise beitrugen. Hierzu zählen Werke von<br />
Daubigny-Schülern, von Malern aus Barbizon und Impressionisten<br />
wie Maufra oder Guillaumin. Auch die Touristeninformation<br />
befindet sich an dieser Stelle.<br />
Im Anschluss sollten Sie zur Rue Daubigny zurückkehren,<br />
über die man nach weiteren fünf bis zehn<br />
Minuten das ehemalige Haus und Atelier von Daubigny<br />
erreicht. Von hier aus ist es auch nicht mehr weit bis zum<br />
Château de Léry. Das Schloss aus dem 17. Jahrhundert<br />
lädt heute zu einer Reise in die Zeit der Impressionisten<br />
38 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Anzeige<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tafeln weisen überall im<br />
Ort auf Originalmotive der<br />
Impressionisten hin.<br />
ein. Während eines Rundgangs kann<br />
der Besucher das kreative Wirken<br />
zum Ende des 19. Jahrhunderts in<br />
einer modernen Multimediashow<br />
nachvollziehen. Auf der Südseite<br />
des Schlosses gibt es einen kleinen<br />
französischen Garten, von dem aus<br />
Sie einen schönen Ausblick über die<br />
Dächer von Auvers-sur-Oise haben,<br />
liegt doch das Schloss, genauso wie<br />
die Kirche, etwas erhöht. Auf der<br />
Nordseite schließt sich ein schöner<br />
Landschaftsgarten an.<br />
Wenn Sie nun noch nicht zu müde<br />
sind, sollten Sie ein wenig weiter in<br />
Richtung Westen zur Maison du<br />
Docteur Gachet laufen. Der Arzt zog<br />
1872 nach Auvers-sur-Oise, behielt<br />
aber auch seine Praxis in Paris. Sein<br />
medizinisches Wissen wurde gepriesen,<br />
doch gerade sein Kunstverstand<br />
machte ihn bei zahlreichen Künstlern<br />
der damaligen Zeit beliebt. So<br />
Die Dorfkirche ist eins von van Goghs bekanntesten<br />
Motiven aus seiner Zeit an der Oise.<br />
kümmerte er sich auch liebevoll um<br />
Vincent van Gogh. Das Portrait des<br />
Arztes gehört zu den bekannten Werken<br />
des Impressionisten aus der Zeit<br />
an der Oise.<br />
Auf dem Rückweg in den Ortskern<br />
kommt man wieder am Schloss vorbei.<br />
Etwas unterhalb davon lohnt sich ein<br />
Abstecher zum Absinth-Museum. Das<br />
anrüchige Getränk erlebte seine Blütezeit<br />
im 19. Jahrhundert, bevor es Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts wegen seiner<br />
gesundheitsschädlichen Wirkung<br />
schließlich verboten wurde. Plakate,<br />
Dokumente und Ausstellungsstücke<br />
verdeutlichen die Ursprünge und<br />
Geschichte dieses Getränks. Sind Sie<br />
dann schließlich am Rathaus wieder<br />
angekommen, werden Sie mit Sicherheit<br />
Ihre Füße spüren, aber auch die<br />
Lust, sich nochmals intensiv mit der<br />
Zeit des Impressionismus beschäftigen<br />
zu wollen.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 39
Fokus Pariser Umland<br />
Das Schloss von Chantilly ist ein beliebtes Ausflugsziel im Nordosten von Paris.<br />
9<br />
Chantilly<br />
Schloss, Pferde und Schlagsahne<br />
Als ich ankomme, wartet Colin bereits auf mich. Wir<br />
hatten uns für <strong>12</strong>.00 Uhr mittags verabredet, doch<br />
durch einen Stau auf der Autobahn bin ich ein wenig<br />
spät. Colin ist kein echter Chantilien, wie sich die Bewohner<br />
der Stadt nennen. Nein, er ist noch nicht einmal<br />
Franzose, auch wenn er sich in Frankreich sehr zu Hause<br />
fühlt. Vielmehr kam er vor vielen Jahren aus England nach<br />
Paris, um dort als internationaler Beamter für eine UN-Organisation<br />
zu arbeiten. « Aber nach meiner Pensionierung<br />
wollte ich raus aus der großen Stadt », erzählt mir Colin auf<br />
die Frage, was ihn denn nach Chantilly verschlagen hat. « Ich<br />
war es leid, meine Zeit in überfüllten Verkehrsmitteln zu<br />
verbringen und mich durch die Menschenmassen in den<br />
Straßen schieben zu müssen. Schon seit meinem ersten Besuch<br />
in Chantilly mochte ich den Ort. Irgendwie wirkt hier<br />
alles ein wenig britisch. Vielleicht sind es die Pferde, ich<br />
weiß es nicht. Auf jeden Fall fühle ich mich in Chantilly sehr<br />
zu Hause. Es ist, als ob man das Beste aus Frankreich und<br />
England zusammenführen würde ».<br />
Pferde spielen in der Tat eine bedeutende Rolle in der<br />
Kleinstadt, die in der südlichen Picardie liegt. Gleich wenn<br />
man mit dem Auto ankommt, begegnet man am Ortseingang<br />
den beiden Symbolen, die man gemeinhin mit Chantilly<br />
verbindet: dem Schloss und der Pferderennbahn. Die Kleinstadt<br />
nennt sich stolz Capitale du Cheval (Pferdehauptstadt).<br />
Colin schlägt mir deshalb auch vor, eine Besichtigungstour<br />
seiner Wahlheimat beim Musée Vivant du Cheval Grandes<br />
Ecuries zu beginnen. Das Museum ist im großen Marstall<br />
untergebracht, der als einer der schönsten der Welt gilt. Auf<br />
fast 190 Metern erstreckt sich das herrschaftliche Gebäude,<br />
das eher wie ein Schloss denn ein Pferdestall aussieht. Den<br />
Anstoß zum Bau gab 1719 Ludwig Heinrich, der glaubte, als<br />
Pferd wiedergeboren zu werden. Im 18. Jahrhundert waren<br />
hier mehr als 240 Pferde und über 500 Hunde untergebracht.<br />
1982 wurde schließlich das Museum eingerichtet.<br />
Ziel war es, ein lebendiges und pädagogisch wertvolles<br />
Museum zu schaffen. In 31 Räumen auf einer Fläche von<br />
4.000 Quadratmetern geht es um den Pferdesport, den damit<br />
im Zusammenhang stehenden Berufen und natürlich den<br />
Pferden selbst. Der Höhepunkt des Rundgangs ist eine Dressurvorführung,<br />
die dreimal täglich stattfindet und bei der<br />
zwei Reiter in Kostümen einfache und schwierige Übungen<br />
vorführen und erläutern. Mehr als 150.000 Besucher zieht<br />
das Museum jedes Jahr an. Gleich im Anschluss an den<br />
Marstall erstreckt sich das großflächige Hippodrom, welches<br />
1834 gebaut wurde. Auf der Südseite der Rennbahn erkennt<br />
man die Zuschauertribünen. « Wenn hier Rennen stattfinden,<br />
haben Hüte Hochkonjunktur », erzählt mir Colin mit<br />
einem Schmunzeln. « Dann fühle ich mich definitiv wie in<br />
England. Besonders mondän geht es im Juni zu, wenn zwei<br />
internationale Preise in Chantilly vergeben werden. Aber<br />
auch in den anderen Sommermonaten finden regelmäßig<br />
Pferderennen statt ».<br />
Colin führt mich nach diesem Ausflug in die Pferdewelt<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Der Marstall beherbergt heute ein Pferdemuseum. Dahinter liegt die Pferderennbahn.<br />
von Chantilly auf die Hauptstraße zurück. Wir kommen zu<br />
einem Stadttor, die Porte Saint-Denis. Es grenzt direkt an<br />
die Nordseite des Marstalls. Nun braucht man nur noch ein<br />
paar Schritte zu gehen und zur Linken taucht das sagenhafte<br />
Schloss auf. Märchenhaft spiegelt sich seine Fassade im<br />
Wasser. Das königliche Anwesen, dessen Bau sich über vier<br />
Jahrhunderte erstreckte, ist eines der sehenswertesten und<br />
bekanntesten Schlösser im Pariser Umland. Es ist mehr als<br />
verständlich, dass jedes Wochenende viele Hauptstädter, aber<br />
auch ausländische Touristen, hierher pilgern.<br />
Auch wir lassen es uns nicht nehmen, das Schloss zu<br />
besichtigen. Beflissen führt mich Colin durch die einzelnen<br />
Räume. Die Pracht ist berauschend. Doch noch viel mehr<br />
bin ich von der wunderschönen Lage und dem herrlichen<br />
Park angetan. Von allen Seiten ist das Schloss von Wasser<br />
umgeben. In der zentralen Sichtachse Richtung Norden erstreckt<br />
sich zudem ein breiter Kanal, der anschließend von<br />
dem noch viel längeren Großen Kanal gekreuzt wird. Colin<br />
fragt mich, ob ich Lust hätte, einmal um den Großen Kanal<br />
herumzugehen. Natürlich stimme ich zu. Am östlichen Ende<br />
kommen wir an einem künstlichen Wasserfall vorbei. Zurück<br />
geht es auf der nördlichen Seite, um zum Schluss noch<br />
den wunderschönen englischen Garten, der sich westlich des<br />
Schlosses ausbreitet, zu erkunden. Ich bin vom Schlosspark<br />
sehr begeistert.<br />
Das viele Herumlaufen macht hungrig. Colin schlägt vor,<br />
in einem Café in der Innenstadt einzukehren und die Tour<br />
mit einem leckeren Gateau ausklingen zu lassen. Wir kehren<br />
also in das hübsche Stadtzentrum zurück. Als ich schließlich<br />
meinen Kuchen mit Schlagsahne serviert bekomme, macht<br />
mich mein persönlicher Stadtführer noch auf ein weiteres<br />
« Wahrzeichen » von Chantilly aufmerksam: « Neben dem<br />
Hippodrom und dem Schloss ist Chantilly auch für eine<br />
kulinarische Köstlichkeit bekannt: Schlagsahne. Nicht ohne<br />
Grund heißt diese auf Französisch Chantilly. Schließlich soll<br />
sie hier erfunden worden sein », berichtet Colin voller Stolz.<br />
Dreimal täglich finden kommentierte Dressurvorstellungen statt.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 41
Fokus Pariser Umland<br />
Der kleine See in der Dormitte mit seiner<br />
Promenade verströmt ein wenig mondänes Flair.<br />
10<br />
Pierrefonds<br />
Beschaulichkeit versus Monumentalität<br />
Wenn man sich Pierrefonds mit dem Auto von Paris<br />
aus nähert, führt der Weg auf den letzten Kilometern<br />
durch den Forêt de Compiègne. Urwüchsig<br />
und dicht wirkt er so, wie man sich als Kind immer<br />
einen Wald vorstellte. Auf zahlreichen Pfaden lassen sich<br />
herrliche Wanderungen unternehmen. Schon unter Ludwig<br />
XIV. und Ludwig XV. wurde das Wegenetz ausgebaut, galt<br />
der Forst, heute der größte der Picardie, doch als ideales<br />
Jagdrevier. Die recht schmale Landstraße führt fast schnurstracks<br />
geradeaus. Am östlichen Waldrand gelangt man<br />
schließlich zum Ortseingang von Pierrefonds. Und dann<br />
plötzlich, zwischen den Häusern, erblickt man zum ersten<br />
Mal das gewaltige Schloss. Die massive Festung thront geradezu<br />
über den Dächern des Ortes und wirkt viel zu groß für<br />
das kleine Dorf. Doch wenn die Abendsonne die Fassade<br />
anstrahlt und die Hektik des Tages der abendlichen Ruhe<br />
weicht, spürt man die ganze Magie von Pierrefonds. Dann<br />
verliert sogar das mächtige Schloss seine bedrohliche Monumentalität.<br />
Nun dauert es auch nicht mehr lange, und man ist bereits<br />
im Ortskern angekommen. Ein kleiner See mit einer<br />
hübschen Uferpromenade verströmt ein gewisses mondänes<br />
Flair. Die Atmosphäre erinnert an einen Kurort. Tretboote<br />
lassen sich mieten. Restaurants mit Tischen und Stühlen<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Von Nahem wirkt das Schloss wie eine uneinnehmbare Trutzburg.<br />
unter freiem Himmel locken hungrige Gäste. Die Straßen<br />
sind gepflegt und die Gebäude besitzen den Charme eines<br />
typischen französischen Dorfes. Eine kleine idyllische Oase.<br />
Vor allem aber fällt der Blick immer wieder auf das gewaltige<br />
Schloss, das sich fast senkrecht oberhalb des Ortes erhebt. Es<br />
macht den Reiz von Pierrefonds erst vollkommen, kontrastiert<br />
aber auch die Beschaulichkeit des Ortes.<br />
Schon im <strong>12</strong>. Jahrhundert gab es eine Burg an dieser<br />
Stelle. Ihre Geschichte ist sehr wechselvoll. Die Bewohner<br />
änderten sich im Laufe der Zeit, und die Mauern mussten<br />
mehreren Belagerungen standhalten. Doch schließlich nahmen<br />
die königlichen Truppen Ludwigs XIII. die Festung<br />
ein und zerstörten sie. Im Jahre 1810 erwarb Napoleon I. die<br />
Ruine. Doch es war erst Napoleon III., der die Restaurierung<br />
der Anlage in Auftrag gab. Anfangs war vorgesehen,<br />
nur Teile wieder zu errichten und den Rest als romantische<br />
Ruinenkulisse zu belassen. Doch dann wurde entschieden,<br />
das Schloss in eine kaiserliche Residenz zu verwandeln. In<br />
weiten Teilen passte man die Architektur dabei den modernen<br />
Bedürfnissen an, so dass quasi ein neuer Bau entstand. Die<br />
Arbeiten unter der Leitung von Viollet-le-Duc dauerten bis<br />
1885, allerdings unterbrochen durch den Krieg von 1870/71.<br />
Der Innenausbau wurde dabei niemals ganz vollendet.<br />
Heute gelangt man in wenigen Minuten zu den Festungsmauern,<br />
nachdem man sein Fahrzeug auf einem<br />
zentralen Parkplatz im Ortskern abgestellt hat. Durch<br />
ein Eingangstor führt der Weg auf das Plateau, auf<br />
dem das Schloss steht. Von Nahem sieht die Anlage<br />
noch massiver aus als aus der Ferne. Während sie im<br />
Sonnenlicht fasziniert, wirkt sie an einem grauen Regentag<br />
bedrohlich und abweisend. Die massiven Türme<br />
und Mauern scheinen uneinnehmbar. Dabei lässt<br />
sich heute das Innere ganz friedlich erobern: Mehrere<br />
Ausstellungen erlauben einen Blick in das Innenleben<br />
und die Geschichte der Festung. Und auch beim Blick<br />
vom Schloss geht einem der gleiche Gedanke durch den<br />
Kopf wie beim ersten Anblick desgleichen: Irgendwie<br />
wirkt die Festung viel zu überdimensioniert für dieses<br />
behagliche Dorf.<br />
Hat man das Schloss besichtigt und schlendert anschließend<br />
wieder durch die Gassen in den Ort hinunter,<br />
sollte man vor der Rückfahrt noch kurz in eines der<br />
Bistros am See einkehren. Einige Touristen gleiten mit<br />
ihrem Tretboot über den See. Ein paar Enten kreuzen<br />
ihren Weg. Der Kellner bringt den bestellten Kaffee.<br />
Im Rücken das Schloss, vor einem Romantik pur.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 43
Fokus Pariser Umland<br />
95<br />
Auvers-sur-Oise<br />
Saint-Germain-en-Laye<br />
78<br />
Parc de Saint-Cloud<br />
Parc de Sceaux<br />
Rambouillet<br />
Anreise nach Paris<br />
Chantilly<br />
Paris<br />
91Fontainebleau<br />
Barbizon<br />
Flugzeug: Von vielen Flughäfen aus<br />
dem deutschsprachigen Raum bestehen<br />
Direktflugverbindungen nach<br />
Paris. Auch Billigfluggesellschaften fliegen<br />
die französische Hauptstadt regelmäßig<br />
an. Zu den Airlines mit Non-Stop-<br />
Verbindungen an die Seine im Flugplan<br />
gehören Air France, Lufthansa, Austrian,<br />
Swiss, Air Berlin, Germanwings, easyJet,<br />
TUIfly. Die meisten Flüge aus Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz<br />
landen auf dem Flughafen Paris-CDG.<br />
Einige kommen jedoch auch in Paris-<br />
Orly an.<br />
Auto: Aus dem norddeutschen Raum<br />
erreicht man Paris am besten über<br />
Belgien und die A1 (Lille-Paris). Aus dem<br />
süddeutschen Raum und Österreich<br />
bietet sich die Anfahrt über den Osten<br />
Frankreichs an, insbesondere über die<br />
A4 (Straßburg/Saarbrücken-Paris). Aus<br />
der Schweiz erreicht man Paris über<br />
Dijon und die A6 oder alternativ über<br />
die A5.<br />
Zug: Von Köln aus verkehrt der Hoch-<br />
Pierrefonds<br />
77<br />
Vaux-le-Vicomte<br />
geschwindigkeitszug Thalys mehrmals<br />
täglich nach Paris, aus Frankfurt a.M.<br />
über Saarbrücken der ICE, aus Stuttgart<br />
über Karlsruhe der TGV. Auch Zürich<br />
ist ans französische TGV-Netz angebunden.<br />
Außerdem verkehren aus dem<br />
deutschsprachigen Raum Nachtzüge<br />
nach Paris.<br />
Verkehrssituation<br />
Großraum Paris<br />
www.sytadin.tm.fr<br />
Allgemeine Informationen<br />
Comité Régional du Tourisme<br />
Paris Ile-de-France<br />
11, rue du Faubourg Poissonnière<br />
75009 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 73 00 77 00<br />
www.pidf.com<br />
Vaux-le-Vicomte<br />
Anreise mit dem Auto über die A6,<br />
N104 und A5 bis zur Abfahrt <strong>Nr</strong>. 15. Von<br />
dort ausgeschildert. Anreise mit dem<br />
öffentlichen Nahverkehr mit der RER D<br />
bis Melun. Von dort aus mit dem Taxi<br />
bzw. an Sommerwochenenden mit<br />
dem Bus-Shuttle (Chateaubus).<br />
Château de Vaux-le-Vicomte<br />
77950 Maincy<br />
Telefon: +33 (0)1 64 14 41 90<br />
www.vaux-le-vicomte.com<br />
Der Zugang zum Park und Schloss ist<br />
kostenpflichtig. Achtung: Das Schloss<br />
und der Garten sind nur von März bis<br />
<strong>November</strong> für die Öffentlichkeit zugänglich.<br />
Im Winter ist die Anlage für<br />
Besucher geschlossen.<br />
Barbizon<br />
Anreise mit dem Auto über die A6 bis<br />
zur Ausfahrt <strong>Nr</strong>. 13. Anschließend über<br />
die N37 und D64 nach Barbizon. Anreise<br />
mit dem öffentlichen Nahverkehr: Mit<br />
der RER D nach Melun oder Pringy-<br />
Ponthierry bzw. per Zug nach Fontainebleau.<br />
Von dort aus gibt es Busverbindungen<br />
nach Barbizon.<br />
Office de Tourisme<br />
41, Grande Rue<br />
77630 Barbizon<br />
Telefon: +33 (0)1 60 66 41 87<br />
www.barbizon-tourisme.com<br />
Musée Départemental de l’Ecole de<br />
Barbizon<br />
Auberge Ganne<br />
92, Grande Rue<br />
77630 Barbizon<br />
Telefon: +33 (0)1 60 66 22 27<br />
Fontainebleau<br />
Anreise mit dem Auto über die A6 bis<br />
zur Ausfahrt <strong>Nr</strong>. 13. Dann weiter über die<br />
N37 und N7 bis Fontainebleau. Anreise<br />
mit dem Zug ab dem Bahnhof Gare de<br />
Lyon.<br />
Office de Tourisme<br />
4, rue Royale<br />
77300 Fontainebleau<br />
Telefon: +33 (0)1 60 74 99 99<br />
www.fontainebleau-tourisme.com<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Château de Fontainebleau<br />
Telefon: +33 (0)1 60 71 50 70<br />
www.musee-chateau-fontainebleau.fr<br />
Der Zugang zum Park ist kostenlos, aber<br />
für die Schlossbesichtigung wird ein<br />
Eintritt erhoben.<br />
Parc de Sceaux<br />
Anreise mit dem Auto über die D920<br />
(ehemals N20). In Bourg-la-Reine<br />
biegt die Allée d’Honneur direkt zum<br />
Park ab (ausgeschildert). Anreise mit<br />
dem öffentlichen Nahverkehr mit der<br />
RER B zur Station Parc de Sceaux oder<br />
Sceaux.<br />
Office de Tourisme<br />
70, rue Houdan<br />
92330 Sceaux<br />
Telefon: +33 (0)1 46 61 19 03<br />
www.sceaux-tourisme.fr<br />
Musée de l’Ile-de-France<br />
Château de Sceaux<br />
92330 Sceaux<br />
Telefon: +33 (0)1 46 61 06 71<br />
Parc de Sceaux<br />
http://parc.de.sceaux.free.fr<br />
Der Zugang ist kostenlos.<br />
Rambouillet<br />
Anreise mit dem Auto über die A13, A<strong>12</strong><br />
und N10. Anreise mit dem Zug ab dem<br />
Bahnhof Montparnasse.<br />
Office de Tourisme<br />
Place de la Libération<br />
78<strong>12</strong>0 Rambouillet<br />
Telefon: +33 (0)1 34 83 21 21<br />
www.rambouillet-tourisme.fr<br />
Château de Rambouillet<br />
Telefon: +33 (0)1 34 83 00 25<br />
www.monum.fr<br />
Das Schloss kann, außer während der<br />
Anwesenheit des Präsidenten, besichtigt<br />
werden. Der Zugang zum Park ist<br />
kostenlos.<br />
Saint-Germain-en-Laye<br />
Anreise mit dem Auto über die A13 und<br />
N186. Anreise mit dem öffentlichen<br />
Nahverkehr mit der RER A.<br />
Office de Tourisme<br />
38, rue au Pain<br />
78100 Saint-Germain-en-Laye<br />
Telefon: +33 (0)1 34 51 05 <strong>12</strong><br />
www.ot-saintgermainenlaye.fr<br />
La Terrasse André Le Nôtre (Park)<br />
Der Zugang ist kostenlos.<br />
Parc de Saint-Cloud<br />
Anreise mit dem Auto über die N10<br />
nach Sèvres oder die Route de la Reine<br />
nach Saint-Cloud. Anreise mit dem<br />
öffentlichen Nahverkehr mit der Metro-<br />
Linie 9 bis zur Endstation Pont de Sèvres<br />
oder der Metro-Linie 10 zur Endstation<br />
Boulogne-Pont de Saint-Cloud. Von<br />
dort aus ist der Park jeweils in Fußweite.<br />
Domaine National de Saint-Cloud<br />
92210 Saint-Cloud<br />
Telefon: +33 (0)1 41 <strong>12</strong> 02 90<br />
www.dnsc.fr<br />
Der Park ist mit dem Auto zugänglich,<br />
allerdings kostenpflichtig. Zufahrt von<br />
Sèvres oder Saint-Cloud aus.<br />
Auvers-sur-Oise<br />
Anreise mit dem Auto über die A1, A86,<br />
A15 und A115 zur N184. Anschließend<br />
sofort die Abfahrt zur D928 nehmen.<br />
Auvers-sur-Oise lässt sich mit Umsteigen<br />
mit dem Zug erreichen.<br />
Office de Tourisme<br />
Manoir des Colombières<br />
Rue de la Sansonne<br />
95430 Auvers-sur-Oise<br />
Telefon: +33 (0)1 30 36 10 06<br />
www.auvers-sur-oise.com<br />
Maison de Van Gogh<br />
Auberge Ravoux<br />
52, rue du Général de Gaulle<br />
95430 Auvers-sur-Oise<br />
Telefon: +33 (0)1 30 36 60 60<br />
Voyage au temps des impressionnistes<br />
Château d’Auvers<br />
Rue de Léry<br />
95430 Auvers-sur-Oise<br />
Telefon: +33 (0)1 34 48 48 45<br />
www.chateau-auvers.fr<br />
Chantilly<br />
Anreise mit dem Auto über die A1 bis zur<br />
Ausfahrt <strong>Nr</strong>. 7. Von dort weiter über die<br />
D924 (ehemals N17). Anreise mit dem<br />
öffentlichen Nahverkehr: Entweder<br />
mit der RER D oder dem Zug ab dem<br />
Bahnhof Gare du Nord.<br />
Office de Tourisme<br />
60, avenue du Maréchal Joffre<br />
60500 Chantilly<br />
Telefon: +33 (0)3 44 67 37 37<br />
www.chantilly-tourisme.com<br />
Château de Chantilly<br />
Telefon: +33 (0)3 44 27 31 80<br />
www.chateaudechantilly.com<br />
Der Zugang zu Park und Schloss ist<br />
kostenpflichtig.<br />
Musée Vivant du Cheval<br />
Grandes Ecuries<br />
Telefon: +33 (0)3 44 27 31 80<br />
www.museevivantducheval.fr<br />
Pierrefonds<br />
Anreise mit dem Auto über die A1 bis zur<br />
Ausfahrt <strong>Nr</strong>. 9. Dann weiter über die D200<br />
und D85 nach Pierrefonds. Anreise mit<br />
dem öffentlichen Nahverkehr: Zug vom<br />
Bahnhof Gare du Nord bis Compiègne.<br />
Von dort gibt es eine Busverbindung<br />
nach Pierrefonds.<br />
Office de Tourisme<br />
Place de l’Hôtel de Ville<br />
60350 Pierrefonds<br />
Telefon: +33 (0)3 44 42 81 44<br />
www.pierrefonds-tourisme.com<br />
Château de Pierrefonds<br />
Telefon: +33 (0)3 44 42 72 72<br />
www.monum.fr<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 45
Kulturschock<br />
Es war an einem Dienstag in einer deutschen Großstadt.<br />
Ich traf mich mit einem deutschen Geschäftspartner<br />
zum Mittagessen im Restaurant, das sich mit<br />
großen Fensterfronten zur Straße hin öffnete. Unser Tisch<br />
war direkt am Fenster, so dass der Blick immer wieder auf<br />
den Trubel draußen fiel. Menschen eilten am Restaurant<br />
vorbei, reger Verkehr herrschte auf der vierspurigen Straße.<br />
Außerdem lag vor uns eine temporäre Bushaltestelle, da am<br />
eigentlichen Haltepunkt ein paar Meter weiter gebaut wurde.<br />
Busse kamen, ließen Fahrgäste ein- und aussteigen und<br />
fuhren weiter. Ab und zu staute sich der Verkehr ein wenig<br />
aufgrund einer nahen Fußgängerampel. Soweit also nichts<br />
Außergewöhnliches, was eine Erwähnung lohnen noch einen<br />
Kulturschock darstellen könnte. Es war eine ganz typische<br />
Alltagssituation, wie sie sich überall auf der Welt abspielen<br />
könnte.<br />
Doch dann nahmen die Dinge unerwartet einen anderen<br />
Lauf. Denn an der Haltestelle wartete ein Mann in einem<br />
elektrischen Rollstuhl auf den nächsten Bus. Dieser kam auch<br />
nur wenige Minuten später. Der Fahrer stieg aus, um am hinteren<br />
Ausgang eine Rampe für den Rollstuhlfahrer auszuklappen.<br />
« Wie vorbildlich », dachte ich mir. Voller Achtung sagte<br />
ich zu meinem deutschen Geschäftspartner, dass die Gewerkschaften<br />
in Frankreich mit Sicherheit nicht bereit wären, diese<br />
Aufgabe den Busfahrern zuzusprechen. Einmal mehr war ich<br />
davon überzeugt, dass das Leben in Deutschland einen Hauch<br />
zivilisierter als in meiner Heimat ist.<br />
Während ich aber noch darüber nachdachte, stellte sich<br />
heraus, dass der Busfahrer für die kleine Rampe zu weit<br />
von der Bürgersteigkante entfernt angehalten hatte. Die<br />
Rampe war schlicht und einfach zu kurz, um bis auf den<br />
Bürgersteig zu reichen. Die Bürgersteigkante stellte sich für<br />
den armen Rollstuhlfahrer aber als unüberwindbares Hindernis<br />
dar. Der Busfahrer gestikulierte zwar heftig, aber<br />
der vermeintlich neue Fahrgast wurde dadurch nur noch<br />
verzweifelter. Nun, so dachte ich mir, würde der Busfahrer<br />
wahrscheinlich ein paar Meter vorfahren, ausreichend Platz<br />
war vorhanden, und dabei den Bus einfach näher an den<br />
Bürgersteig bringen. Aber anscheinend war ein solcher Gedanke<br />
zu sehr durch den unorthodoxen Lebensstil meiner<br />
Heimat beeinflusst.<br />
Denn plötzlich hörte der Busfahrer auf, mit dem Mann<br />
im Rollstuhl zu reden, und ging auf einen Autofahrer zu,<br />
der hinter dem Bus geparkt hatte und nun wieder in sein<br />
Fahrzeug steigen wollte. Natürlich konnten wir vom Restaurant<br />
aus nicht verstehen, was die beiden sagten. Doch<br />
die Gestik zeigte deutlich, dass der verbale Austausch<br />
immer heftiger wurde. Der Busfahrer zeigte immer wieder<br />
auf das temporäre Bushaltestellenschild, das einige Meter<br />
vom Auto entfernt stand. Der Autofahrer verwies dagegen<br />
ständig auf ein Schild, das den Bereich normalerweise als<br />
Parkstreifen auswies und trotz der temporären Haltestelle<br />
nicht überklebt worden war. Anscheinend war der Busfahrer<br />
davon überzeugt, wenn es rational auch nicht wirklich<br />
stimmte, dass das geparkte Auto, übrigens eines von mehreren,<br />
daran schuld war, dass er nicht nah genug an den<br />
Bürgersteig heranfahren konnte. Die Minuten vergingen.<br />
Einige Fahrgäste stiegen in der Zwischenzeit aus dem Bus<br />
aus, um den nächsten zu nehmen, der längst in zweiter Reihe<br />
gehalten hatte.<br />
Doch nichts konnte die beiden Streithähne scheinbar<br />
beruhigen. Und so kam es, dass schließlich ein Streifenwagen,<br />
der zufällig vorbeikam, angehalten wurde. Die Polizistin<br />
ging zu dem Autofahrer und klärte ihn offenbar über<br />
die Bedeutung des temporären Bushalteschildes auf. Dieser<br />
wehrte sich erneut mit dem Hinweis auf das nicht überklebte<br />
Parkschild und den mehr als ausreichenden Platz für<br />
den Bus. Unbeirrt zog die Beamtin jedoch ihren Stift aus<br />
46 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Die Statue in der letzten<br />
Ausgabe war vom<br />
tschechischen Künstler<br />
Alphonse Mucha (1860-<br />
1939). Und dieses Mal?<br />
der Tasche und fing mit dem Ausstellen eines Strafzettels<br />
an. Der Autofahrer wiederum zückte seine kleine Handykamera<br />
und machte Fotos von den Schildern und der Polizistin<br />
samt Busfahrer.<br />
Es vergingen weitere Minuten, bis schließlich alle administrativen<br />
Angelegenheiten geregelt waren. Der Autofahrer<br />
stieg in sein Fahrzeug ein und fuhr wutentbrannt davon.<br />
Wahrscheinlich überlegte er sich schon, wie und wo er<br />
gegen den Strafzettel Beschwerde einlegen würde. Immerhin<br />
hatte er Beweisfotos gemacht. Auch die Polizistin ging<br />
zurück zum Streifenwagen und fuhr mit ihrem Kollegen,<br />
der die ganze Zeit im Auto auf sie gewartet hatte, wieder<br />
los. Und der Busfahrer? Er ging ebenfalls zurück zu seinem<br />
Bus, würdigte dabei aber den Rollstuhlfahrer keines Blickes.<br />
Ich wollte meinen Augen zunächst nicht trauen, aber<br />
er verschwand in der Tat hinter seinem Lenkrad, schloss die<br />
Türen des Busses und fuhr davon. Nur der Rollstuhlfahrer<br />
blieb allein am Straßenrand zurück.<br />
« Das kann doch nicht war sein », fauchte ich leicht genervt<br />
meinen Geschäftspartner an, der dafür nun wirklich<br />
nichts konnte. « Der Busfahrer kann doch nicht einfach den<br />
Mann im Rollstuhl zurücklassen ». Ihm schien die Situation<br />
auch sehr peinlich zu sein, hatte ich zuvor doch lange davon<br />
geschwärmt, wie sehr ich Deutschland liebe. « Wissen Sie »,<br />
antwortete er mir in einem etwas verlegenen Tonfall, « in<br />
Deutschland ist es manchmal wichtiger, den Schuldigen zu<br />
finden als eine Lösung. Man will die Ursache des Problems<br />
erkunden. Das unterscheidet uns vielleicht von Südeuropa.<br />
Ihr seid zwar chaotischer, dafür wird im Chaos improvisiert.<br />
Die Umstände werden als gegeben angenommen, und<br />
man versucht, sich mit einer Situation leichter zu arrangieren<br />
». Doch noch während ich über diesen Satz nachdachte,<br />
kam schon wieder der nächste Bus. Ohne Probleme fuhr<br />
dieser nah genug an den Bürgersteig heran. Der Busfahrer<br />
musste noch nicht einmal seinen Fahrersitz verlassen, denn<br />
bereits ein aussteigender Fahrgast klappte die Rampe für<br />
den Rollstuhlfahrer aus. Alles lief wie am Schnürchen,<br />
und schon kurz danach fuhr der Bus wieder an. Das Leben<br />
vor dem Restaurant mutierte erneut zu einer gewöhnlichen<br />
Alltagssituation, und ich war wieder mit meinem geliebten<br />
Deutschland versöhnt.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 47
Frankreich Heute Vorstädte<br />
Créteil<br />
Vom Leben<br />
in einer<br />
Trabantenstadt<br />
Zwei Jahre sind bereits vergangen, seitdem massive Unruhen<br />
in den französischen Vorstädten ausbrachen.<br />
Heute hat sich die Situation wieder beruhigt, auch wenn<br />
sich die Probleme, die damals zu den Ausschreitungen<br />
führten, nicht grundlegend verändert haben. Doch die<br />
Suche nach Lösungen scheint keine oberste Priorität<br />
mehr zu genießen. Dafür müssen die Trabantenstädte,<br />
insbesondere im Pariser Speckgürtel, nun mit dem<br />
Image leben, gefährlich und trostlos zu sein. Eine Reputation,<br />
die viele Bewohner traurig stimmt, wohnen sie<br />
doch gerne in ihrem Viertel.<br />
Es ist nett von Ihnen, hierher gekommen<br />
zu sein. Es ist das erste<br />
« Mal seit zwei Jahren, dass uns<br />
ein Journalist besucht. Damals während<br />
der Ereignisse fielen sie plötzlich alle<br />
hier ein: die Fernsehsender, Radiostationen<br />
und großen Tageszeitungen. Sie<br />
wollten wissen, wie das Leben im Vorort<br />
ist. Dabei war es hier in Créteil im<br />
Vergleich zu dem, was woanders passierte,<br />
ruhig. Deshalb erzählten wir den<br />
Medien, dass es uns hier gut ginge. Anscheinend<br />
wollten die Journalisten etwas<br />
anderes hören. Sie zogen schnell<br />
wieder ab. Und seitdem kam keiner<br />
mehr », erzählt uns Jacqueline, 63 Jahre<br />
alt, als wir sie in Créteil treffen.<br />
Sie wohnt seit ihrer Geburt in<br />
diesem Vorort, genauer in der Siedlung<br />
Mont-Mesly. In ihrem Gebäude,<br />
einem gut gepflegten Sozialbau auf den<br />
Höhen der Stadt, kennt jeder jeden.<br />
Jacqueline ist so etwas wie die gute<br />
Seele der Hausgemeinschaft. « Man<br />
darf nicht alles durcheinanderwerfen<br />
», empört sie sich. « Natürlich gibt<br />
es Probleme in den Vorstädten, große<br />
Probleme sogar. Aber ist das nicht<br />
auch in den großen Städten der Fall?<br />
Warum soll man nicht glücklich sein<br />
können, wenn man im Vorort wohnt?<br />
Ich bin hier geboren und ich kann Ihnen<br />
sagen, dass ich um nichts auf der<br />
Welt diesen Ort verlassen würde, um<br />
nach Paris zu ziehen. »<br />
Jacqueline ist nicht die einzige,<br />
die meint, dass die Vororte durch die<br />
Bilder in den Medien ungerechtfertigterweise<br />
in Verruf geraten sind. Vor<br />
dem Haus treffen wir Soraya. Mit 24<br />
Jahren studiert sie, muss nebenher<br />
aber als Sekretärin in einem kleinen<br />
48 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Unternehmen jobben, um ihr Studium<br />
zu finanzieren. Auch sie wohnt<br />
gerne in Créteil: « Natürlich, Bilder<br />
von Graffiti an den Wänden, verwahrlosten<br />
Eingangshallen und teilweise<br />
verwaisten Gebäuden in den Köpfen<br />
der Menschen machen nicht gerade<br />
Lust auf ein Leben im Vorort. Aber<br />
schauen Sie sich doch einmal hier<br />
genau um. Sehen Sie so etwas hier?<br />
Nein! Nur die Medien nehmen dies<br />
nicht wahr. Ich sage nicht, dass es so<br />
was nicht auch gibt, aber nicht nur und<br />
überall. Man sollte nicht immer alles<br />
verallgemeinern. Das wäre, als ob ich<br />
sagen würde, dass Paris nur die hässlichen<br />
Gebäude an der Stadtautobahn<br />
ausmachen würde. »<br />
Soraya hat nicht Unrecht. Créteil<br />
ist durchaus eine angenehme Stadt.<br />
Vor allem die vielen Grünflächen fallen<br />
sofort auf. Überall stehen Bäume<br />
an den Straßen. Vor vielen Gebäuden<br />
schmücken Rasenflächen, Blumen und<br />
Büsche das Stadtbild. Im Zentrum<br />
von Créteil erstreckt sich sogar ein<br />
großer See, auf dem auch Wassersport<br />
betrieben wird. Keine Frage, es gibt<br />
schlimmere Gegenden zum Wohnen.<br />
Aber eben auch schönere. Die Architektur<br />
der Gebäude ist nicht gerade<br />
attraktiv. Damals musste schnell neuer<br />
Wohnraum geschaffen werden. Die<br />
Stadt vergrößerte sich sprunghaft: von<br />
25.000 Einwohnern im Jahre 1960 auf<br />
heute fast 90.000. So eine Entwicklung<br />
hinterlässt ihre Spuren. Die Häuser<br />
sind eher abweisend, ohne besonderen<br />
Charme. In den letzten Jahren<br />
unternahmen die Stadtverwaltung und<br />
die Wohnungsbaugesellschaften aber<br />
erhebliche Bemühungen, das Stadtbild<br />
freundlicher werden zu lassen.<br />
Balkone wurden angebaut, Fassaden<br />
farbenfroher gestrichen, Grünflächen<br />
neu angelegt und ausgeweitet. Alles<br />
Maßnahmen, um das Wohnumfeld<br />
insgesamt aufzuwerten.<br />
Créteil profitiert vor allem von<br />
der geografischen Nähe zu Paris. Der<br />
Nullpunkt der französischen Hauptstadt,<br />
die Kathedrale Nôtre-Dame,<br />
liegt gerade einmal zwölf Kilometer<br />
Luftlinie entfernt. Der Bouldevard<br />
Périférique, der innere Stadtautobahnring,<br />
nur sieben Kilometer. Doch der<br />
wichtigste Vorteil ist der Anschluss an<br />
das Pariser U-Bahnnetz. Die Metrolinie<br />
8, die Paris von West nach Ost<br />
durchquert, hat die Präfektur von Créteil<br />
als Endstation. Nicht viele Trabantenstädte<br />
haben das Privileg, durch die<br />
Metro mit der Hauptstadt verbunden<br />
zu sein.<br />
Alain gehört zu den Cristoliens, wie<br />
man die Bewohner von Créteil nennt,<br />
die jeden Tag zur Arbeit nach Paris<br />
pendeln. Er hat kein Auto, so dass er<br />
auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen<br />
ist: « Ich arbeite im Zentrum<br />
von Paris, in der Nähe der Oper. Ich<br />
komme mit der Metro dorthin, ohne<br />
Umsteigen. In nur 40 Minuten bin ich<br />
von zu Hause im Büro. Ohne Angst<br />
vor Staus steige ich in die U-Bahn<br />
und lese meine Zeitung. Man kann<br />
es kaum besser getroffen haben, es sei<br />
denn, man wohnt direkt neben seiner<br />
Arbeitsstelle. » Sobald wir auf die Frage<br />
kommen, warum er in Créteil und<br />
nicht in Paris wohnt, ist Alains Antwort<br />
eindeutig: « Die Wahl ist schnell<br />
getroffen. Hier zahle ich für eine<br />
Drei-Zimmer-Wohnung 310 Euro<br />
im Monat. In Paris würde sogar eine<br />
Ein-Zimmer-Wohnung dreimal so<br />
viel kosten. » Das Mietniveau von<br />
Créteil ist in der Tat nicht mit dem der<br />
Hauptstadt zu vergleichen. Doch auch<br />
in den Vororten steigen aufgrund der<br />
insgesamt angespannten Situation auf<br />
dem Immobilienmarkt der Metropole<br />
inzwischen die Preise. Die Zeiten<br />
sind vorbei, zu denen das Wohnen im<br />
Speckgürtel automatisch auch billig<br />
war. Heute muss man auch hier nach<br />
günstigem Wohnraum suchen.<br />
Während wir noch mit Alain reden,<br />
taucht Jacqueline wieder auf. Mit<br />
einem zufriedenen Gesichtsausdruck<br />
hält sie eine Zeitung in den Händen:<br />
« Schauen Sie, ich habe gefunden, wonach<br />
ich suchte. Es ist einer der Gründe,<br />
warum ich hier so gerne lebe. » Jacqueline<br />
zeigt uns die Zeitung. Auf dem<br />
Titelblatt befindet sich eine Zeichnung<br />
mit dem Titel « Créteil erzählt ». Angesichts<br />
unseres ungläubigen Blickes<br />
erklärt sie uns: « Es ist eine Initiative<br />
der Bibliotheken der Stadt. Jede Ausgabe<br />
beinhaltet Geschichten, verfasst<br />
von den Bewohnern der Kommune.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 49
Frankreich Heute Vorstädte<br />
Laurent Cathala,<br />
Bürgermeister von Créteil.<br />
Man findet alle möglichen Themen.<br />
Jeder kann erzählen, wozu er Lust hat<br />
und was er gerne mit seinen Mitbürgern<br />
teilen möchte. In dieser Ausgabe<br />
habe ich beispielsweise erfahren, dass<br />
es bis 1949 einen Hufschmied an<br />
der Straßenkreuzung an der großen<br />
Straße gab. » Wir blättern durch die<br />
Zeitschrift. Tatsächlich, sie ist voll von<br />
Berichten und Fotos. Die Menschen<br />
bringen sich ins Gemeinwohl ein.<br />
Bevor Jacqueline zum Einkaufen<br />
aufbricht, schwört sie uns nochmals<br />
ein: « Das Leben im Vorort ist sicherlich<br />
eine Welt für sich. Es ist anders<br />
als in Paris. Das ist für die Pariser und<br />
auch für ausländische Touristen oft<br />
schwer verständlich. Aber auch für uns<br />
ist es manchmal schwer, die Pariser zu<br />
verstehen. Und dennoch ist gegenseitiges<br />
Verständnis notwendig. Warum<br />
also nicht auch einmal ein paar Anstrengungen<br />
in die andere Richtung<br />
unternehmen? Immer nur die Vorstädte<br />
anzuklagen, ist nicht sehr einleuchtend.<br />
Außerdem müssen wir hier auch<br />
irgendwie zurechtkommen. Wenn<br />
der Staat bei uns ein Kommissariat<br />
schließt oder das Personal zusammenstreicht,<br />
fragt man nicht nach unserer<br />
Meinung. »<br />
Etwas später bemerken wir eine<br />
junge Mutter auf einem Platz. Sie<br />
passt auf ihre beiden Kinder auf, die<br />
dabei sind, mit anderen Kindern zu<br />
spielen. Wir beobachten sie, so wie<br />
sie ihre Kinder beobachtet. Wenn sie<br />
untereinander sprechen, fallen uns einige<br />
Wörter auf, die wir nicht kennen.<br />
Eines kommt dabei oft vor: Koucoudèdè.<br />
Wir fragen daher eine andere Frau,<br />
die neben uns auf einer Bank sitzt.<br />
Mit einem Schmunzeln antwortet<br />
sie: « Faire Koucoudèdè? Das bedeutet,<br />
dass sie Verstecken spielen. Der kleine<br />
Fafane hat ihnen das beigebracht. Er<br />
ist Kreole. »<br />
Als ich diese Anekdote später dem<br />
Bürgermeister von Créteil, Laurent<br />
Cathala, erzähle, antwortet er mir,<br />
dass dies eines der Markenzeichen der<br />
Vorstädte ist. Hier geht der Austausch<br />
zwischen den Kulturen einfacher vonstatten:<br />
« In den Vororten ist mehr<br />
Bereitschaft, sich auszutauschen, als<br />
in Paris. Hier hat das Wort Nachbarschaft<br />
noch einen Wert. Ich glaube,<br />
es gibt auch mehr Solidarität. Die<br />
Bewohner respektieren sich untereinander,<br />
ungeachtet ihrer ethnischen<br />
Herkunft, Hautfarbe oder ihres sozialen<br />
Status. Ganz einfach, weil sie von<br />
klein auf gewöhnt sind, miteinander zu<br />
leben. Für sie gibt es keine kulturellen<br />
Unterschiede mehr. Die Vielfalt macht<br />
den Reichtum des Alltags aus. »<br />
Wir erinnern uns dabei an einen<br />
Satz von Soraya. Sie sagte: « In meiner<br />
Straße habe ich mit Menschen aus der<br />
ganzen Welt zusammengewohnt. Heute<br />
weiß ich, dass das ein unheimlicher<br />
Vorteil war. Es wäre so schön, wenn<br />
die Leute lieber daran denken würden,<br />
wenn sie über die Vororte reden. » Wir<br />
verstehen Soraya. Hoffen wir, dass die<br />
Menschen jenseits der Trabentenstädte<br />
dieses schlummernde Potential eines<br />
Tages begreifen und die Klischees<br />
einer realitätsnäheren Wahrnehmung<br />
weichen werden.<br />
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Frankreich Heute Bernard Kouchner<br />
Bernard Kouchner<br />
Ein Politiker mit Prinzipien<br />
Der Lebenslauf von Bernard Kouchner ist einer<br />
der erstaunlichsten unter Frankreichs Politikern,<br />
und auch sein Erfahrungsschatz ist außergewöhnlich<br />
groß. Von den Barrikaden im Mai 1968 über<br />
die Mitgliedschaft der kommunistischen und später<br />
der sozialistischen Partei schlägt sein Herz bis<br />
heute politisch links. Dennoch findet er sich seit<br />
den letzten Wahlen auf Anfrage des konservativen<br />
Nicolas Sarkozy als Außenminister in einer<br />
rechten Regierung wieder. Bei vielen seiner alten<br />
Weggenossen stößt dies auf Unverständnis und<br />
Ablehnung. Einige sprechen sogar von Verrat.<br />
Doch ist die Entscheidung Kouchners zu diesem<br />
Schritt nicht eine logische Konsequenz der Lektionen,<br />
die ihn das Leben lehrte?<br />
«<br />
Ich kenne Deine politischen Überzeugungen und ich bitte<br />
Dich nicht, diese abzulegen », als Nicolas Sarkozy am<br />
10. Mai dieses Jahres Bernard Kouchner anruft, um ihm<br />
den Posten des Außenministers anzubieten, weiß der frisch<br />
gewählte Präsident, dass sein Wunschkandidat ohne dieses<br />
Zugeständnis niemals zustimmen würde. Bernard Kouchner<br />
ist ein Mann mit Prinzipien. Es würde nichts bringen, davor<br />
die Augen zu verschließen. Selbst die verlockende Aufgabe,<br />
die französische Außenpolitik zu leiten, ein Amt, von dem<br />
Kouchner immer träumte, würde daran nichts ändern. Und<br />
so kommt es, dass Bernard Kouchner von einer rechten Regierung<br />
zum neuen Außenminister gekürt wird, eine Aufgabe,<br />
die ihm die politische Linke niemals angeboten hatte.<br />
Doch auch Nicolas Sarkozy weiß, welche Symbolwirkung<br />
es hat, wenn er Bernard Kouchner, der zuvor die<br />
sozialistische Kandidatin Ségolène Royal unterstützte und<br />
bereits mehrmals Minister bzw. Staatssekretär in von der<br />
Parti Socialiste geführten Regierungen war, in sein Kabinett<br />
holt. Schon seit Jahren gehört Kouchner zu den beliebtesten<br />
Politikern der Franzosen. Er verkörpert ein modernes<br />
und verantwortungsbewusstes Bild der Politik und gilt<br />
als äußerst engagiert. Er ist eher ein Mann der Taten als<br />
der Worte. Das Wahlvolk weiß darum und schätzt diese<br />
Eigenschaften. Da passt es gut, dass auch Sarkozy seine<br />
Regierungszeit mit genau diesem Image prägen möchte.<br />
Acht Tage nach dem Telefonanruf, am 18. Mai <strong>2007</strong>,<br />
akzeptiert Bernard Kouchner das verlockende Angebot<br />
des Staatschefs, obwohl er unverändert der sozialistischen<br />
Partei angehört. Mit seinen 67 Jahren wird er das älteste<br />
Mitglied der neuen Regierung, deren Durchschnittsalter<br />
bei 53 Jahren liegt. Die politischen Reaktionen lassen nicht<br />
lange auf sich warten: Die Linke spricht überwiegend von<br />
einem Skandal, klagt den Präsidenten an, die politischen<br />
Spielregeln zu brechen, und Kouchner, das eigene Lager<br />
zu verraten. François Hollande, Generalsekretär der Parti<br />
Socialiste, muss sich gegen jemanden wenden, der bisher zu<br />
seinen Freunden zählte, und erklärt: « Kouchner wird mit<br />
sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen. Dies ist<br />
die automatische Konsequenz, wenn man sich gegen die<br />
Kandidaten der eigenen Partei stellt. Kouchner muss sich<br />
in die neue Regierung integrieren. Er wird also die Kandidaten<br />
der Konservativen gegen die Sozialisten bei den<br />
Parlamentswahlen unterstützen ».<br />
Die Aufregung im Land ist derart groß, dass sich der<br />
neue Außenminister verpflichtet fühlt, seine Entscheidung<br />
öffentlich zu rechtfertigen. Als Plattform wählt er die Tageszeitung<br />
Le Monde vom 20. Mai. Unter dem Titel « Warum<br />
ich akzeptiert habe » erklärt er zunächst seine unveränderte<br />
Verbundenheit zur politischen Linken: « Ich war immer ein<br />
freier Mensch, ein Kämpfer einer aufgeschlossenen linken<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Politik, war mutig und modern, in einem Wort sozialdemokratisch.<br />
Die Tatsache, dass ich heute mit Menschen zusammenarbeite,<br />
die in einigen Bereichen nicht das Gleiche<br />
denken wie ich, bedeutet für mich keine Abwendung von<br />
meinem sozialistischen Engagement ». Dann rechtfertigt er<br />
seine Entscheidung mit der Notwendigkeit einer neuen Offenheit:<br />
« Die Außenpolitik unseres Landes ist weder links<br />
noch rechts. Als der Präsident mir die Ehre gab, diesen Posten<br />
wahrnehmen zu dürfen, stellte er sich nicht vor, dass ich<br />
damit eine Sarkozyste werde. Einige meiner Überzeugungen<br />
sind nicht die seinigen und vice versa. Es bahnen sich in<br />
der Politik, so hoffe ich, glückliche Veränderungen im Stil<br />
und der Wahrnehmung an. Dies hat einen schönen Namen:<br />
Aufbruch ». Seine letzten Worte sind schließlich unmissverständlich<br />
und zeigen die Überzeugung eines Mannes,<br />
der immer engagiert und kämpferisch agierte: « Man möge<br />
mich an meinen Ergebnissen messen ».<br />
Bernard Kouchner hat bereits mehrfach bewiesen, dass er<br />
ohne Probleme die Position eines Ministers ausfüllen kann.<br />
Man soll aber nicht erwarten, dass er seine Überzeugungen<br />
am Eingang des Quai d’Orsay, wie man das Außenministerium<br />
umgangssprachlich nennt, abgeben würde. Ganz im<br />
Gegenteil. Doch darin liegt die Gefahr, dass Verstimmungen<br />
nicht auszuschließen sind. Es dauert auch nicht lange,<br />
bis sich dies bemerkbar macht. In einem Interview für das<br />
US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek, das im<br />
Rahmen eines Irakbesuchs, dem ersten seit dem Einmarsch<br />
der US-Amerikaner ins Land, veröffentlicht wird, erklärt<br />
Kouchner in Bezug auf den irakischen Premierminister:<br />
« Viele denken, dass der Premierminister ausgetauscht werden<br />
sollte. Ich weiß aber nicht, ob dies so kommen wird,<br />
denn es scheint, dass Präsident Bush an Herrn Maliki festhält.<br />
Aber die Regierung funktioniert nicht ». Die internationalen<br />
Diplomaten erschauern bei derart direkten Worten,<br />
auch wenn der französische Außenminister nur ausspricht,<br />
was die meisten denken. Doch die Diplomatie hat ihre eigenen<br />
Regeln, und so muss sich Kouchner später offiziell beim<br />
irakischen Premierminister entschuldigen.<br />
Eine ähnliche Situation ereignet sich am 16. September,<br />
als der Außenminister in Bezug auf die Krise mit dem Iran<br />
sagt, dass « man sich auf das Schlimmste vorbereiten muss ». In<br />
nur wenigen Stunden geht diese Äußerung um die Welt. Der<br />
französische Außenminister muss sich im Anschluss in den<br />
Medien erklären. Die Franzosen verstehen seinen Satz danach<br />
besser, schließlich kennen sie den Mann und seine Grundwerte.<br />
Beim Rest der Welt ist dies nicht unbedingt der Fall.<br />
Diese Vorkommnisse verdeutlichen aber noch etwas:<br />
Wenn man Bernard Kouchner richtig deuten will, sollte<br />
man ihn als einen Menschen einschätzen, der aus Überzeugung<br />
handelt. Er ist ein Politiker, der viel während seiner<br />
Laufbahn erlebte, was manchmal auch dazu führt, dass er<br />
die Welt mit anderen Augen sieht. Bernard Kouchner kennt<br />
die Dramen der Welt. Als Mediziner gründete er die Organisation<br />
« Ärzte ohne Grenzen » und anschließend « Ärzte<br />
der Welt » und trägt damit auch zum Image des « French<br />
Doctors » bei. Als ein Mann mit Tatendrang war er in vielen<br />
Konflikten der Welt an vorderster Front und wusste als<br />
einer der ersten, wie man die Medien benutzt, um die internationale<br />
Öffentlichkeit zum Handeln zu bewegen.<br />
Manchmal wirft man ihm jedoch auch vor, zuviel des<br />
Guten zu tun. Zum Beispiel im <strong>Dezember</strong> 1992, als er sich<br />
in Mogadischu in Somalia mit einen Sack Reis auf dem Rücken<br />
fotografieren ließ. Für ihn reicht es aber nicht, nur die<br />
Menschen medizinisch zu versorgen. Vielmehr möchte er,<br />
dass die Menschen auch reagieren. Er will auf seine Art die<br />
Öffentlichkeit wachrütteln. Es stört ihn dabei nicht, Gewohnheiten<br />
durcheinanderzubringen. « Wissen Sie, nur die<br />
Opfer zählen. Nur sie allein haben das Recht, eine helfende<br />
Hand abzuweisen. Alles andere ist nur Politik », erklärt<br />
Kouchner am 6. März 2006 während einer Veranstaltung<br />
an der Ecole Normale Supérieure in Paris.<br />
Kouchner kann sich manchmal aber auch weniger bodenständig<br />
geben. Verheiratet mit der berühmten Journalistin<br />
Christine Okrent, die erste Frau, die jemals die Nachrichten<br />
im französischen Fernsehen präsentierte, gibt es zahlreiche<br />
Fotos von ihm und seiner Gattin im Pool in seinem Haus<br />
auf Korsika. In Paris lebt das Paar in einem der schicksten<br />
Viertel der Stadt, am Jardin du Luxembourg. Doch diese<br />
« luxuriösere » Seite hindert Kouchner nicht daran, seinen<br />
Grundwerten treu zu bleiben.<br />
Der Arzt begriff schnell, dass man die Welt nicht nur<br />
verändern, sondern dass er sich für eine solche Veränderung<br />
selbst instrumentalisieren muss. Einer seiner wichtigsten<br />
Verdienste ist mit Sicherheit die UNO-Resolution 688 aus<br />
dem Jahre 1991, womit das Recht der humanitären Einflussnahme<br />
anerkannt wurde. « Wenn ich damals nicht Minister<br />
gewesen wäre, hätte es diese Resolution nicht durch die<br />
Instanzen geschafft », gibt er im Frühjahr 2006 in der Zeitschrift<br />
Le meilleur des mondes zu Protokoll. Von Juli 1999<br />
bis Januar 2001 verwaltete er den Kosovo als Repräsentant<br />
der UNO – ein weiteres Mal, dass der Außenminister im<br />
Auftrag der Weltgemeinschaft unterwegs war.<br />
Aus all diesen Erfahrungen zieht Kouchner die Erkenntnis,<br />
die vielleicht auch seine Äußerung zum Nuklearprogramm<br />
des Irans erklärt: Der Mensch ist zum<br />
Schlimmsten fähig. « Ich habe gelernt, dass alles möglich<br />
ist, dass der Mensch zu allem bereit ist », sagt Kouchner.<br />
« Man soll sich keine Illusionen machen, die einzige Lösung<br />
ist, sich mit dem Schlimmsten auseinanderzusetzen. Meine<br />
Philosophie war immer, pessimistisch zu sein. So wird<br />
Hoffnung möglich ».<br />
Bernard Kouchner hat sich vorgenommen, seinen<br />
Prinzipien, die ihn sein ganzes Leben begleiteten, treu zu<br />
bleiben. Die Zukunft wird zeigen, ob die Franzosen, aber<br />
auch der Rest der Welt, diese Entscheidung verstehen und<br />
billigen werden. In der Zwischenzeit macht sich der Außenminister<br />
keine Illusionen: « In der Politik darf man in<br />
Frankreich keine Dankbarkeit erwarten. Wenn man Erfolg<br />
hat, wird man suspekt. Wenn man beliebt ist, ruft man<br />
Neid hervor und tut angeblich den anderen Unrecht. Wenn<br />
man darum weiß, soll man sich nichts erhoffen. Nur so<br />
kann man positive Überraschungen erleben. »<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 53
Frankreich Heute Vélib<br />
Paris erlebt eine<br />
Fahrradrevolution<br />
Noch vor kurzem wollte niemand daran glauben, dass man die Pariser Autofahrer<br />
davon überzeugen könnte, aufs Fahrrad umzusteigen. Obwohl sich die Metropole an<br />
der Seine aufgrund der geringen Entfernungen im Zentrum für diese Fortbewegungsart<br />
bestens eignet, waren Fahrradfahrer eher Exoten auf den Straßen. Seit einiger Zeit<br />
wird aber kräftig in eine fahrradfreundlichere Stadt investiert und seit Juli dieses Jahres<br />
stehen nun auch öffentliche Zweiräder an praktisch jeder Straßenecke zur Verfügung.<br />
Der Erfolg dieser Maßnahme übertrifft alle Erwartungen. Das als Vélib bezeichnete<br />
Angebot mutiert zu einem Gesellschaftsphänomen.<br />
Auch wenn die Franzosen jedes Jahr ihre weltberühmte<br />
Tour de France feiern und mit 3,5 Millionen<br />
verkauften Fahrrädern im Jahr 2006 der viertgrößte<br />
Konsument von Zweirädern sind, bleiben sie sehr zögerlich,<br />
wenn es darum geht, das umweltschonende Transportmittel<br />
im Alltag zu etablieren. Lange Zeit galt eine Politik, die den<br />
Ausbau zu einer fahrradfreundlichen Stadt förderte, als eine<br />
rein populistische Maßnahme, um ökologisch orientierte<br />
Wähler anzuziehen. Es mangelte jedoch stets an der Ernsthaftigkeit,<br />
wirklich eine Änderung der Gewohnheiten der<br />
Menschen erzielen zu wollen. Doch auch in Frankreich steht<br />
die Zeit nicht still. Die Hauptstadt erlebt momentan sogar<br />
eine regelrechte grüne Revolution. Nach dem Einrichten von<br />
geschützten Busspuren gelang der sozialistischen Stadtregierung<br />
nun ein weiterer Coup, der von sich reden macht. Dank<br />
Vélib, das Wort steht für Vélo-Liberté (Deutsch: Fahrrad-<br />
Freiheit), erobern Fahrradfahrer zunehmend die Straßen der<br />
Hauptstadt.<br />
Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë hatte sich<br />
zuvor in Städten wie Wien und Lyon umgeschaut, die bereits<br />
erfolgreich ähnliche Projekte initiiert hatten. Der Umfang<br />
des Pariser Konzepts ist allerdings enorm und übertrifft<br />
alles bisher Gekannte. An der Seine hat man nicht<br />
gekleckert, sondern geklotzt. Zunächst einmal ist die Zahl<br />
der zur Verfügung stehenden Fahrräder mehr als beeindruckend:<br />
Bis zum Ende des Jahres werden es 20.600 Stück<br />
sein. Doch auch die Anzahl der Ausleihmöglichkeiten ist<br />
gewaltig: Hierfür werden bis zum Ende des Jahres 1.451<br />
Stationen – sechsmal mehr als es Metrostationen gibt – in<br />
den Straßen der Hauptstadt gebaut, das bedeutet, dass im<br />
Durchschnitt alle 270 Meter eine Station liegt!<br />
Aber nicht nur diese Zahlen sind erstaunlich. Auch die<br />
Finanzierung hinter dem Konzept ist außergewöhnlich.<br />
Denn die Anschaffung, der Bau der Stationen und der<br />
gesamte kostspielige Unterhalt der Räder kosten die Stadt<br />
keinen einzigen Cent. Die Stadtverwaltung agierte geschickt<br />
und hatte die Idee, bei der Ausschreibung für die<br />
Bewirtschaftung städtischer Werbeflächen das Bereitstellen<br />
öffentlicher Fahrräder zu integrieren. Das Unternehmen<br />
JCDecaux sah sich, um die Konzession nicht an den USamerikanischen<br />
Konkurrenten Clear Channel zu verlieren,<br />
gezwungen, das Zweiradangebot in seine Offerte einzubinden.<br />
Nur so konnte das französische Unternehmen auch<br />
in Zukunft die fast 2.000 Werbeflächen der französischen<br />
Hauptstadt weiterhin vermarkten.<br />
Allein Bau und Einrichtung der automatischen Verleihstationen<br />
sowie die Anschaffung der Fahrräder summieren<br />
sich auf eine Investitionssumme von 80 bis 90 Millionen<br />
Euro. Hinzu kommen weitere Kosten für den Unterhalt<br />
sowie die Einstellung von rund 400 Mitarbeitern, die dafür<br />
benötigt werden. Und dennoch bleibt dieses Geschäft für<br />
alle Seiten eine Win-Win-Situation: lukrative Werbeflächen<br />
gegen Fahrräder für eine bessere Umwelt. Bertrand Delanoë<br />
ist fest davon überzeugt, dass Vélib für Paris nur Vorteile<br />
bringt.<br />
Die Pariser scheinen das neue Angebot jedenfalls<br />
schnell ins Herz geschlossen zu haben. Nach nur 39 Tagen<br />
wurden bereits zwei Millionen Anmietungen registriert,<br />
nach drei Monaten bereits drei Millionen. An einigen schönen<br />
Sommertagen, wie etwa am Samstag, dem 4. August,<br />
zählte man 97.000 Benutzer an einem einzigen Tag. Auch<br />
an einem normalen Tag werden im Durchschnitt rund<br />
50.000 Nutznießer registriert. Gerade in den Morgen- und<br />
Abendstunden sowie in den zentralen Stadtvierteln wird<br />
Vélib gerne und viel genutzt. Man geht davon aus, dass in<br />
den ersten Monaten bereits mehr als 100.000 Kilometer pro<br />
54 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Tag mit den Fahrrädern zurückgelegt wurden. Die durchschnittliche<br />
Anmietdauer beträgt 22 Minuten. Der Erfolg<br />
ist so durchschlagend, dass bereits eine Polemik zwischen<br />
der Stadt Paris und den angrenzenden Kommunen ausgebrochen<br />
ist, die ihrerseits eine Verlängerung des Systems<br />
jenseits der Stadtgrenzen fordern.<br />
Wenn man heute durch Paris geht, sieht man überall<br />
die Verleihstationen.<br />
Sie wurden jeweils<br />
an zentralen Stellen<br />
eingerichtet, so dass<br />
man niemals lange<br />
danach suchen muss.<br />
Das Prinzip dahinter<br />
ist einleuchtend: Der<br />
Benutzer soll wissen,<br />
dass überall, wohin<br />
er sich begeben will,<br />
eine Station in der<br />
Nähe ist. Auch die<br />
Handhabung der<br />
automatischen Stationen<br />
ist simpel. Zunächst<br />
muss man sich<br />
entscheiden, ob man<br />
ein Jahresticket (29<br />
Euro), Wochenticket<br />
(fünf Euro) oder Tagesticket<br />
(ein Euro)<br />
erwerben möchte.<br />
Bezahlt wird dabei<br />
mit der Kreditkarte.<br />
Jedes Ticket erlaubt<br />
die kostenlose Benutzung<br />
eines Fahrrades<br />
für 30 Minuten je<br />
Anmietung, egal<br />
wie oft man dieses<br />
in Anspruch nimmt.<br />
Entscheidend ist nur,<br />
dass das Zweirad vor<br />
Ablauf der Zeit wieder<br />
an einer anderen<br />
Station abgegeben<br />
wird.<br />
Nur wenn eine<br />
einzelne Anmietung<br />
länger als 30 Minuten dauert, fallen zusätzliche Kosten an.<br />
So kosten die zweiten 30 Minuten einen Euro, die dritten<br />
zwei Euro usw. Das System bevorzugt also kurze Anmietzeiten.<br />
Aber niemand hindert einen daran, alle halbe<br />
Stunde das Rad zu wechseln, um keinerlei weitere Gebühren<br />
außer dem Basisticket zahlen zu müssen. Und sollte<br />
eine Verleihstation einmal voll sein, erhält man weitere 15<br />
Freiminuten, um zur nächsten, niemals weit entfernten Station<br />
zu radeln.<br />
Jedes Fahrrad verfügt über drei Gänge, einen Einkaufskorb,<br />
einen Diebstahlschutz, eine Klingel, einen Ständer,<br />
einen höhenverstellbaren Sattel, eine auch im Stand funktionierende<br />
Beleuchtung sowie einen elektronischen Chip,<br />
womit es identifiziert wird. Durch die silbergraue Farbe<br />
wirken die Räder sogar recht elegant. Einziger Wermutstropfen:<br />
Da die Fahrräder robust sein müssen, sind sie auch<br />
sehr schwer.<br />
Vélib, eine Gebrauchsanweisung<br />
1. Gehen Sie zu einer der zahlreichen<br />
Verleihstationen in den Straßen von<br />
Paris.<br />
2. Wählen Sie auf dem Bildschirm das<br />
gewünschte Ticket. Es gibt Tages-<br />
(1 Euro), Wochen- (5 Euro) und<br />
Jahrestickets (29 Euro).<br />
Bezahlt wird per Kreditkarte.<br />
3. Anschließend erhalten Sie eine<br />
Quittung über die Transaktion.<br />
Am Automaten sehen Sie auch,<br />
welches Fahrrad für Sie zur<br />
Verfügung steht.<br />
4. Gehen Sie zu dem Fahrrad, das am<br />
Automaten angezeigt wurde. Es wird<br />
automatisch für Sie entriegelt.<br />
5. Radeln Sie los. Damit keine zusätzlichen<br />
Kosten entstehen, sollte das<br />
Fahrrad innerhalb von 30 Minuten<br />
an einer Station wieder abgegeben<br />
Einige Pariser beäugen<br />
noch argwöhnisch<br />
die neuen Gefährte<br />
in ihrer Stadt,<br />
die einen revolutionären<br />
Mentalitätswechsel<br />
einzuläuten<br />
scheinen. Doch auch<br />
die Strafzettel sprechen<br />
eine eindeutige<br />
Sprache: So wurden<br />
zwischen Januar und<br />
August 6.311 Vergehen<br />
von Fahrradfahren<br />
geahndet. 2006<br />
waren es im gleichen<br />
Zeitraum nur 2.579.<br />
Es ist nicht davon<br />
auszugehen, dass die<br />
Verkehrsmoral derart<br />
gesunken ist, sondern<br />
vielmehr, dass immer<br />
mehr Radler in der<br />
Hauptstadt unterwegs<br />
sind und somit<br />
konsequenter weise<br />
auch mehr Strafzettel<br />
gezählt werden.<br />
Es gibt aber noch<br />
eine zweite Personengruppe,<br />
die Vélib<br />
für sich entdeckt hat:<br />
die Touristen. Für sie<br />
sind die öffentlichen<br />
Fahrräder eine fast<br />
werden. Sie können so oft ein Fahrrad kostenlose Variante,<br />
in der Weltstadt<br />
anmieten, wie Sie wollen.<br />
mobil zu sein. Keine<br />
Parkplatzprobleme,<br />
keine leidigen Staus, die Möglichkeit, überall anhalten zu<br />
können und dennoch schneller als zu Fuß unterwegs zu<br />
sein. Kurzum, das ideale Fortbewegungsmittel, ohne dass<br />
der Geldbeutel leidet. Selbst Bus- und Metrotickets sind auf<br />
die Dauer teurer.<br />
Schon gibt es Gerüchte, dass sich die Stadt Chicago für<br />
das System interessiert. Vélib hat mit Sicherheit eine glorreiche<br />
Zukunft vor sich. Und wer weiß, vielleicht wird es<br />
sogar ein Exportschlager.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 55
Leben in Frankreich<br />
Was sollte man über Verkehrskontrollen<br />
in Frankreich wissen?<br />
Als Nicolas Sarkozy noch französischer<br />
Innenminister war, erklärte er<br />
die Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />
zu einem seiner obersten Ziele.<br />
Seine Botschaft war eindeutig: Null<br />
Toleranz für Verkehrssünder. Es sollte<br />
mit den kleinen « Arrangements »<br />
zwischen Polizei und Autofahrern<br />
Schluss sein. Gleiches Recht für alle<br />
und verstärkte Verkehrskontrollen<br />
standen auf dem Aktionsplan. Außerdem<br />
wurden landesweit automatische<br />
Radarfallen installiert. Heute<br />
wird man kaum mehr als 30 oder<br />
40 Kilometer im Land zurücklegen<br />
können, ohne an einer festen oder<br />
mobilen Geschwindigkeitsüberwachung<br />
vorbeizukommen.<br />
Welche Verkehrskontrollen<br />
gibt es?<br />
Die Ordnungskräfte führen<br />
sowohl tagsüber als auch nachts<br />
Verkehrskontrollen durch. Schwerpunkte<br />
dabei sind die Überprüfung<br />
der Geschwindigkeit, eines möglichen<br />
Alkoholkonsums des Fahrers,<br />
des Anlegens der Sicherheitsgurte<br />
sowie der Verkehrssicherheit des<br />
Fahrzeuges. Selbstverständlich wird<br />
auch die Gültigkeit der Papiere<br />
(Führerschein und Fahrzeugschein)<br />
kontrolliert. Geschwindigkeitskontrollen<br />
können entweder direkt durch<br />
die Ordnungskräfte oder mittels automatischer<br />
Radarfallen erfolgen.<br />
Wer führt die<br />
Kontrollen durch?<br />
Verkehrskontrollen werden sowohl<br />
von der nationalen Polizei als<br />
auch der Gendarmerie durchgeführt.<br />
Seit einiger Zeit darf auch die kommunale<br />
Polizei in den Städten, in<br />
denen sie existiert, Überprüfungen<br />
vornehmen. Bei der nationalen Polizei<br />
sind rund 2.800 Polizisten für die<br />
Überwachung der Verkehrssicherheit<br />
eingesetzt, rund 1.800 davon auf dem<br />
Motorrad. Unterstützt wird sie von<br />
Bereitschaftspolizisten und in Grenzgebieten<br />
von der Grenzpolizei. Den<br />
Großteil der Verkehrsüberwachung<br />
erledigt aber die Gendarmerie. Über<br />
62.000 Mitglieder der Gendarmerie<br />
Départementale und 17.000 der<br />
mobilen Gendarmerie sind unter anderem<br />
damit beschäftigt, Autofahrer<br />
zu kontrollieren und Verkehrssünder<br />
zu ahnden. Die Gendarmerie setzt<br />
zudem 46 Hubschrauber zur Überwachung<br />
des Verkehrs ein. Für den<br />
Verkehrssünder ist es aber letztendlich<br />
egal, wer die Kontrolle durchführt.<br />
Die Folgen sind die gleichen.<br />
Welche Höchstgeschwindigkeiten<br />
sind zu beachten?<br />
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />
auf Autobahnen beträgt bei<br />
schönem Wetter normalerweise 130<br />
km/h bzw. 110 bei Regen. Auf autobahnähnlichen<br />
Schnellstraßen gilt<br />
ein Tempolimit von 110 km/h (bei<br />
Regen von 100), auf Landstraßen<br />
von 90 km/h (bei Regen von 80) und<br />
innerhalb von geschlossenen Ortschaften<br />
von 50 km/h. Bei Nebel mit<br />
Sichtweiten unter 50 Metern gilt ein<br />
generelles Tempolimit von 50 km/h<br />
auf allen Straßen. Außerdem kommt<br />
es in Ballungsgebieten oft vor, dass<br />
niedrigere Höchstgeschwindigkeiten<br />
gelten, auf Autobahnen oftmals nur<br />
110 oder 90 km/h, in Wohngebieten<br />
30. Dieses wird aber natürlich durch<br />
Schilder ausgewiesen.<br />
Wie hoch sind die Strafen?<br />
Verkehrssünden sind in fünf<br />
Klassen eingeteilt. Die Strafen können<br />
von 11 bis 1.500 Euro reichen,<br />
je nach Schwere des Verstoßes. Außerdem<br />
kann bei einigen Delikten<br />
der Führerschein eingezogen werden<br />
oder der Fahrer Punkte verlieren.<br />
Im Gegensatz zu Deutschland bekommt<br />
man nämlich keine Punkte<br />
für Verkehrssünden, sondern verliert<br />
welche von seinem vorgegebenen<br />
Führerscheinkonto. Bei besonders<br />
schlimmen Vergehen kann auch<br />
eine Strafverfolgung drohen und im<br />
schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe.<br />
Ein Großteil der Bußgelder<br />
der ersten vier Klassen, beispielsweise<br />
Geschwindigkeitsübertretungen<br />
von bis zu 50 km/h, lassen sich um<br />
30 Prozent reduzieren, wenn man<br />
sie sofort bzw. innerhalb von drei<br />
Tagen bezahlt. Ansonsten hat der<br />
Verkehrssünder 30 Tage dafür Zeit,<br />
bevor sich das Bußgeld automatisch<br />
empfindlich erhöht.<br />
Im Folgenden einige Beispiele<br />
häufiger Bußgelder: unerlaubtes<br />
Parken: 11 Euro (erhöht 33 Euro);<br />
Telefonieren mit dem Handy am<br />
Steuer: 35 Euro (erhöht 75 Euro)<br />
sowie Abzug von zwei Punkten;<br />
Abbiegen ohne Benutzung des<br />
Blinkers: 35 Euro (erhöht 75 Euro)<br />
und Abzug von drei Punkten; Geschwindigkeitsübertretung<br />
bis zu<br />
20 km/h an einer Stelle, wo mindestens<br />
50 km/h erlaubt sind: 68<br />
Euro und Abzug von zwei Punkten;<br />
Geschwindigkeitsübertretung<br />
bis zu 20 km/h an einer Stelle, wo<br />
weniger als 50 km/h erlaubt sind:<br />
135 Euro (erhöht 375 Euro) und<br />
Abzug von einem Punkt; fehlendes<br />
Anlegen des Sicherheitsgurtes:<br />
135 Euro (erhöht 375 Euro) und<br />
Abzug von drei Punkten; Missachtung<br />
einer roten Ampel oder eines<br />
Stoppzeichens: 135 Euro (erhöht<br />
375 Euro) und Abzug von vier<br />
Punkten.<br />
56 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
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Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 57
Unterwegs in Frankreich Toulouse<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Toulouse<br />
Weltoffenheit und Lebenslust<br />
Auf der einen Seite scheint Toulouse alles<br />
zu haben, was einen modernen Ballungsraum<br />
lebenswert macht: das Zentralmassiv<br />
im Norden, die Pyrenäen im Süden,<br />
das Mittelmeer im Osten und den Atlantik<br />
im Westen. Zudem liegt die Iberische<br />
Halbinsel nicht weit entfernt. Auf der anderen<br />
Seite liegt nichts davon direkt vor<br />
der Haustür, muss man immer erst einige<br />
Kilometer mit dem Auto oder Zug zurücklegen.<br />
Doch dieser Umstand führte mitnichten<br />
zu einer Identitätskrise. Ganz im<br />
Gegenteil, die viertgrößte Stadt Frankreichs<br />
gilt mit ihrer Weltoffenheit und Dynamik<br />
als einer der attraktivsten Orte im<br />
ganzen Land.<br />
Die Stadtverwaltung und das örtliche Fremdenverkehrsamt<br />
sind schon längst nicht mehr darüber erstaunt:<br />
Jedes Jahr, wenn die französischen Zeitungen<br />
– meist vor den Sommerferien – ein Ranking der<br />
beliebtesten Städte der Franzosen aufstellen, schafft es Toulouse<br />
fast immer an die Spitze der Tabellen. Das Urteil ist<br />
einhellig: Hier im Südwesten lässt es sich gut leben, hier<br />
würde man gerne seine Zelte für immer aufschlagen. Wenn<br />
man nach den Ursachen für diese Liebe der Franzosen zu<br />
Toulouse forscht, hört man neben Aussagen über das milde<br />
Klima und die Schönheit der rosafarbenen Stadt, was der<br />
besonderen Bauweise mit Ziegeln geschuldet ist, vor allem<br />
ein Argument: Toulouse strotzt vor Dynamik.<br />
Alles in der Stadt scheint in Bewegung zu sein. Das<br />
fängt bereits mit der sich stetig verändernden Bevölkerung<br />
an. Mit rund 430.000 Einwohnern (844.000 im Großraum)<br />
ist Toulouse eine der wichtigsten Städte im Land.<br />
Und die Bevölkerung erneuert sich ununterbrochen. Jedes<br />
Jahr ziehen etwa 10.000 neue Bürger in die Hauptstadt der<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 59
Unterwegs in Frankreich Toulouse<br />
Eine Fahrradtour entlang der Garonne ist bei Einheimischen und Touristen sehr beliebt.<br />
Seite 58/59: Blick von der Prairie des Filtres<br />
auf das andere Garonne-Ufer.<br />
Region Midi-Pyrénées. Mit 115.000 Studenten ist die kleine<br />
Metropole zudem Frankreichs zweitwichtigster Universitätsstandort<br />
nach Paris. Dies führt dazu, dass ständig ein<br />
« frischer Wind » durch die Stadt weht.<br />
Hinzu kommt, dass schon seit langem Einwanderer die<br />
Stadt kulturell bereichern. Kamen früher aufgrund historischer<br />
Gegebenheiten und der geografischen Lage vor<br />
allem Spanier – 20.000 allein während des spanischen Bürgerkrieges<br />
– nach Toulouse, so ziehen heute viele Nordeuropäer<br />
an die Garonne. Man muss nur durch die Innenstadt<br />
spazieren, um zu sehen, wie sehr der massive Zustrom von<br />
Airbus-Mitarbeitern aus dem deutschen und angelsächsischen<br />
Raum die Stadt verändert hat. Schon längst müssen<br />
die berühmten Tapas-Bars mit sehr britisch anmutenden<br />
Pubs um die Gunst der Gäste wetteifern und wird der Genuss<br />
eines Bieres zunehmend eine Selbstverständlichkeit.<br />
Dabei existieren die verschiedenen Angebote erfolgreich<br />
nebeneinander. Die Einheimischen lieben die kulinarische<br />
Abwechslung. Dies ist sogar sinnbildlich für das Lebensgefühl<br />
von Toulouse: Vielfalt wird als Chance und nicht als<br />
Bedrohung empfunden.<br />
Auch unter den Studenten trifft man viele Ausländer.<br />
So auch Judith. Sie kam kürzlich im Rahmen eines europäischen<br />
Austauschprogramms in Frankreichs Südwesten.<br />
Um ihr Studium zu finanzieren, jobbt sie nebenher in einem<br />
Restaurant im Zentrum. « In Toulouse fiel mir sofort auf,<br />
dass die Menschen sehr tolerant sind », erzählt sie. « Am<br />
Anfang hatte ich Angst, Französisch zu sprechen. Doch<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Das Kapitol beherbergt das<br />
Rathaus von Toulouse.<br />
Das Karussell im Jardin Raymond VI.<br />
Die Decken der Arkadengänge<br />
der Place du Capitole wurden mit<br />
Bildern von Moretti versehen.<br />
dann bemerkte ich schnell, wie offen die Menschen hier<br />
reagierten. Man muss sich nur trauen, dann kann man sich<br />
verständigen, selbst wenn es eine Mischung aus Englisch,<br />
Deutsch und Spanisch wird. Ich liebe die Mentalität in<br />
Toulouse. »<br />
In der Tat, an der Garonne fühlt man sich ein wenig<br />
wie im Film « L’Auberge Espagnole » von Cédric Klapisch.<br />
Hier vermischen sich die Kulturen, zur Freude der Einheimischen,<br />
aber ebenso der Touristen. Auch die Namen<br />
auf den Türklingeln der Häuser zeugen davon. Toulouse<br />
ist ein Melting Pot. Dabei kommt aber die Verbundenheit<br />
zur eigenen okzitanischen Identität nicht zu kurz. Bereits<br />
der starke Dialekt, der für manchen Besucher mit Französischkenntnissen<br />
aus der Schule anfangs gewöhnungsbedürftig<br />
ist, weist darauf hin. In Toulouse ist man stolz auf<br />
seine Stadt.<br />
Es ist aber kein übertriebenes Selbstbewusstsein. Vielmehr<br />
zeigt sich dieser Stolz oftmals in den kleinen Dingen<br />
des Alltags. So findet man in Toulouse beispielsweise keine<br />
Wegweiser nach Paris. Sogar auf den Autobahnschildern<br />
weist man lieber Bordeaux aus, selbst wenn die Richtung<br />
auch in die Metropole an der Seine führt. Die französische<br />
Hauptstadt, mit der Bahn oder dem Auto zwischen fünf<br />
und sieben Stunden entfernt, ist nicht nur geografisch weit<br />
weg. Toulouse hat wie wenige andere Provinzstädte eine<br />
eigene Identität aufgebaut und behauptet sich stolz gegenüber<br />
der Kapitale. Dies zeigt sich exemplarisch an der<br />
Erfolgsgeschichte des ehemals lokalen Radiosenders Le<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 61
Unterwegs in Frankreich Toulouse<br />
Mouv’. Längst ist die Station, die zur<br />
öffentlich-rechtlichen Senderfamilie<br />
von Radio France gehört, zu einem<br />
nationalen Radiosender aufgestiegen.<br />
Doch im Gegensatz zu den anderen<br />
nationalen Programmen von Radio<br />
France, die alle in Paris produziert<br />
werden, sendet Le Mouv’ weiterhin<br />
von der Garonne aus.<br />
Obwohl Toulouse mit seiner<br />
Weltoffenheit und den entzückenden<br />
Farben der Fassaden schnell jeden Besucher<br />
betört, braucht es aber dennoch<br />
einige Zeit, sich die Stadt wirklich<br />
zu erschließen. Toulouse hat keinen<br />
Eiffelturm wie Paris und keinen Vieux<br />
Port wie Marseille. Hier liegt der<br />
Charme im Ensemble der Gassen,<br />
Plätze und Häuser. Man sollte sich<br />
Zeit nehmen, einzelne Orte zu verschiedenen<br />
Tageszeiten aufzusuchen<br />
und dem Lebensgefühl nachzuspüren.<br />
Es wäre zu schade, nur ein paar Stunden<br />
in der Stadt zu bleiben. Idealer<br />
ist schon ein ganzes Wochenende.<br />
Zahlreiche Unterkunftsmöglichkeiten<br />
stehen dafür zur Verfügung, von der<br />
einfachen Pension über das kleine Hotel<br />
bis zur Designerherberge.<br />
Dem Touristen kommt außerdem<br />
zugute, dass Toulouse eine überschaubare<br />
Stadt geblieben ist. Ohne<br />
Probleme kann man die Innenstadt zu<br />
Fuß erkunden. Wer möchte, kann sich<br />
dafür aber auch eines der vielen « öffentlichen<br />
» Fahrräder ausleihen. Für<br />
nur einen Euro pro halben Tag bzw.<br />
zwei Euro pro Tag steht der eigenen<br />
Mobilität auf zwei Rädern dann nichts<br />
mehr im Wege. Die Kommunalpolitik<br />
hat ohnehin das Fahrrad entdeckt:<br />
Rund 200 Kilometer Fahrradweg stehen<br />
heute zur Verfügung. Außerdem<br />
entstanden außergewöhnliche Initiativen<br />
rund um dieses Fortbewegungsmittel.<br />
So bietet etwa der Verein Movimento<br />
eine preiswerte Registrierung<br />
des eigenen Zweirades an, wodurch es<br />
im Falle eines Diebstahls besser identifiziert<br />
werden kann.<br />
Eine Stadtbesichtigung sollte an<br />
der Place du Capitole, dem unstrittigen<br />
Herzen von Toulouse, anfangen.<br />
Auf diesem Platz versammeln sich die<br />
Toulousains zu besonderen Anlässen.<br />
So zum Beispiel am 27. April 2005, als<br />
man von hier aus dank einer immensen<br />
Leinwand den ersten Flug des Airbus<br />
A380 live verfolgen konnte. An den<br />
Decken der umliegenden Arkadengänge<br />
befinden sich zudem sehenswerte<br />
Gemälde von Moretti, die 1997 realisiert<br />
wurden und die Geschichte der<br />
Stadt auf originelle Weise abbilden.<br />
Das Kapitol selbst beherbergt heute<br />
das Rathaus. Seine imposante 130 Meter<br />
lange Fassade gibt dem Platz seine<br />
Kontur. Gezeichnet wurde das Gebäude<br />
bereits 1730 vom Maler Antoine<br />
Rivalz, realisiert jedoch erst 1750 von<br />
Guillaume Cammas. Die acht Marmorsäulen<br />
der Fassade symbolisieren<br />
die acht Altvorderen, die von 1189 bis<br />
1789 die Stadt regierten. Durch die<br />
große Holztür, die oft unverschlossen<br />
ist, gelangt man zum Innenhof zu einer<br />
Statue von Henri IV. Durch den<br />
Garten des Kapitols kommt man anschließend<br />
zum Bergfried, in dem sich<br />
das Fremdenverkehrsamt befindet.<br />
In unmittelbarer Nähe steht die<br />
Basilika Saint-Serin, das « Juwel » von<br />
Toulouse. Ihr Bau dauerte fast hundert<br />
Jahre und wurde im <strong>12</strong>. Jahrhundert<br />
vollendet. Die kürzliche Restaurierung<br />
sorgte aber in ganz Frankreich<br />
für viel Gesprächsstoff. Denn man<br />
beschloss, Verputz und Gemälde aus<br />
dem 19. Jahrhundert wieder zu entfernen,<br />
um näher an den Urzustand der<br />
Kirche heranzukommen. Eine mutige<br />
Entscheidung, die wunderschöne Ziegelwände<br />
und mittelalterliche Fresken<br />
zum Vorschein brachten. Nur wenige<br />
Minuten von der Place du Capitole<br />
entfernt steht auch das Couvent des<br />
Jacobins. Die abweisend wirkende äußere<br />
Fassade lässt nicht vermuten, dass<br />
sich hinter den Mauern ein herrlicher<br />
Kreuzgang versteckt. Jedes Jahr im<br />
September findet in diesem Kloster<br />
das berühmte Festival « Piano aux Jacobins<br />
» statt.<br />
Wenn man anschließend vom Kloster<br />
in Richtung der Garonne geht, fällt<br />
in der Hausnummer 18 der Rue Gambetta<br />
das Librairie-Café Terra Nova<br />
auf. Wie in jedem Buchladen findet<br />
man hier natürlich Bücher. Doch das<br />
Terra Nova ist noch mehr, es ist eine<br />
Art Tor zur Welt. Die Bücher sind<br />
überwiegend nach Ländern sortiert.<br />
Aus einem Schlachthof wurde ein<br />
Museum der Modernen Kunst.<br />
62 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Claude Nougarose<br />
ist ein bekannter<br />
Sänger aus Toulouse.<br />
Erst hinter den Außenmauern entfaltet das<br />
Jakobiner-Kloster seinen wirklichen Charme.<br />
Das Terra Nova ist ein Ort der Begegnung der Kulturen.<br />
Blick aufs linke Garonne-Ufer mit dem Hôtel Dieu.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 63
Unterwegs in Frankreich Toulouse<br />
Im hinteren Teil des Ladens befindet<br />
sich ein Café, wo es nicht ungewöhnlich<br />
ist, Menschen anzutreffen, die auf<br />
Französisch, Spanisch, Englisch oder<br />
auch Deutsch über Literatur und die<br />
Welt diskutieren. Typisch Toulouse<br />
eben.<br />
Ist man dann schließlich am Fluss<br />
angekommen, bietet sich ein wunderschöner<br />
Blick aufs linke Ufer und das<br />
Hôtel Dieu, das ein Museum der Medizingeschichte<br />
sowie das neue Museum<br />
für medizinische Geräte beherbergt.<br />
Wenn man über die Pont-Neuf<br />
die Garonne überquert, gelangt man<br />
zum Musée d’Art Moderne et Contemporain<br />
des Abattoirs. Das Museum<br />
wurde im ehemaligen Schlachthof<br />
untergebracht. Gekonnt führte man<br />
dabei einen von den Einheimischen<br />
ehemals unbeliebten Ort ins urbane<br />
Geschehen zurück. Einen Abstecher<br />
lohnt auch der Jardin Raymond VI.<br />
Geschützt vom Großstadtlärm ist der<br />
Park eine kleine grüne Oase. Das Karussell<br />
ist von Jules Verne inspiriert.<br />
Neben dem ehemaligen Schlachthof<br />
zeugt auch der alte Wasserturm<br />
von der Fähigkeit der Stadt, alte Gemäuer<br />
kunstvoll neu zu beleben. In<br />
dem Turm befindet sich seit 1974 ein<br />
Zentrum der Fotografie mit internationalen<br />
Ausstellungen. Die alte Struktur<br />
des 1823 erbauten Wasserturms<br />
ist dabei erhalten geblieben. Sogar der<br />
Maschinenraum wurde konserviert.<br />
Die rundliche Form bietet sich für<br />
Fotoausstellungen geradezu an und<br />
erlaubt einen neuartigen Kunstgenuss.<br />
Wenn man ein paar Stunden oder<br />
gar Tage an der Garonne verbracht<br />
hat, versteht man, warum die Franzosen<br />
diese Stadt so schätzen. Es ist<br />
diese Mischung aus Weltoffenheit und<br />
Lokalstolz, Metropole und Überschaubarkeit,<br />
Dynamik und Behutsamkeit,<br />
die so anziehend wirkt. Und nicht zu<br />
vergessen natürlich, die vielen Sonnenstunden<br />
im Jahr und die kulinarischen<br />
Köstlichkeiten der Region. Die<br />
richtige Mischung machte bekanntlich<br />
schon immer den Unterschied.<br />
In einem ehemaligen<br />
Wasserturm wurde ein Zentrum<br />
der Fotografie eingerichtet.<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
D 992<br />
N 137 / E 3<br />
n<br />
s<br />
aubrian<br />
s<br />
A 83 / E 3<br />
Roche<br />
St. Michel<br />
Phare de<br />
Cordouan<br />
Pointe de<br />
Grave<br />
Fougères<br />
ERDRE<br />
A 11 / E 60<br />
LOIRE<br />
N 249<br />
SÉVRE NANTAISE<br />
Royan<br />
A 87<br />
Mayenne<br />
MAYENNE<br />
kehren die Cognac Züge über weite Strecken<br />
Angoulême<br />
Jonzac<br />
A 81 / E 50<br />
SARTHE<br />
A 11<br />
A 85<br />
Alencon<br />
Mamers<br />
Châteaudun<br />
Laval<br />
Anreise<br />
Le Mans<br />
Informationen vor Ort<br />
Orleans<br />
Châteu-Gontier<br />
Vendôme<br />
Auto: Aus Süddeutschland und Chahaignes der Office de Tourisme<br />
la Segré<br />
Schweiz bietet sich eine Anreise<br />
La Chartre<br />
Donjon du Capitole<br />
la Flèche<br />
sur le Loir<br />
über Lyon und Montpellier an, aus 31000 Toulouse<br />
Angres<br />
Blois<br />
Norddeutschland über Paris und Telefon: +33 (0)5 61 11 02 22<br />
LOIR<br />
die noch relativ neue A20 (Orléans-<br />
LOIRE<br />
Tours<br />
Toulouse). Aus Österreich gelangt<br />
man am besten über Norditalien und<br />
Saumur<br />
entlang des Mittelmeeres nach Toulouse.<br />
Berlin-Toulouse ca. 1.800 km,<br />
Chinon<br />
Cholet<br />
Köln-Toulouse ca. 1.200 km, Wien-<br />
Toulouse ca. 1.750 km, Zürich-Toulouse<br />
ca. 980 km.<br />
Flugzeug: Lufthansa bietet Direktflüge<br />
von Düsseldorf, Frankfurt a.M.<br />
und München sowie Umsteigeverbindungen<br />
von vielen deutschen,<br />
österreichischen und schweizerischen<br />
Städten aus an. Air France fliegt aus<br />
dem deutschsprachigen Raum via<br />
Paris nach Toulouse. Germanwings<br />
verbindet Hamburg und Olt Bremen<br />
jeweils nonstop<br />
Rochefort<br />
St. Jeand’Angély<br />
mit Toulouse.<br />
Zug: Toulouse ist ans französische TGV-<br />
Saintes<br />
Netz angeschlossen, allerdings ver-<br />
nicht auf Hochgeschwindigkeitstrassen.<br />
Mortagne-au-Perche<br />
Nogent-le-Rotrou<br />
A 11 / E 50<br />
Chartres<br />
A 10 / E 60<br />
Stadtrundgang<br />
A 85 / E 604<br />
Basilique Saint-Serin<br />
Loches<br />
Place Saint-Serin<br />
A 10 / E 5<br />
LOIRE<br />
A 71 / E 9<br />
Romorantin-<br />
Lanthenay<br />
Vierzon<br />
Etampes<br />
Pithiviers<br />
Täglich geöffnet, während Issoudun der<br />
Mittagszeit allerdings geschlossen.<br />
Couvent des Jacobins<br />
Place des Jacobains<br />
Täglich geöffnet, Zutritt ist<br />
kostenpflichtig.<br />
Librairie-Café Terra Nova<br />
18, rue Gambetta<br />
www.librairie-terranova.fr<br />
Bourges<br />
Musée d’Art Moderne et<br />
Contemporain des Abattoirs<br />
76, allée Charles-de-Fitte<br />
www.lesabattoirs.org<br />
Täglich außer montags geöffnet.<br />
Eintrittspreise: 6,00 €, ermäßigt 3,00 €<br />
N 6<br />
Troyes<br />
N 77<br />
D 965<br />
Chablis<br />
Avallon<br />
Montbard<br />
A 6<br />
A 5 / E 17 - E 54<br />
C<br />
D<br />
A<br />
Arcachon<br />
Lesparre<br />
Toulouse Paulliacim Internet<br />
www.ot-toulouse.fr<br />
Blaye<br />
www.toulouse.fr<br />
Bordeaux<br />
A 63<br />
A 10<br />
N 10<br />
A 89<br />
Libourne<br />
Le Château d’eau Centre<br />
Photographique<br />
Place Laganne<br />
Täglich nachmittags außer montags<br />
geöffnet.<br />
Eintrittspreis: 2,50 €<br />
Vale<br />
Privas<br />
A 62N113<br />
Langon<br />
Cahors<br />
Mende<br />
Florac<br />
A20 / E9<br />
Agen<br />
Millau<br />
Mialet<br />
Alès<br />
Auch<br />
Toulouse<br />
A62 / E9-72<br />
Montauban<br />
A68<br />
Albi<br />
A 75 / E 11<br />
Roquefort<br />
-sur-Soulzon<br />
Lodève<br />
D 907<br />
Montpellier<br />
A 9<br />
N 106<br />
Nîmes<br />
E 15 – E 80<br />
A<br />
A<br />
Pau<br />
A64 / E80<br />
A64 / E80<br />
A61 / E80<br />
Béziers<br />
A 9<br />
Plain de la<br />
Camargu
Unterwegs in Frankreich Barcelonnette<br />
In der Villa La Sapinière wurde ein Museum eingerichtet. Es ist die einzige Villa, die sich besichtigen lässt.<br />
Barcelonnette –<br />
Einmal Mexiko und zurück<br />
Im idyllischen Ubaye-Tal gelegen, könnte Barcelonnette eine alpine<br />
Kleinstadt wie jede andere sein, wäre da nicht eine sonderbare Verbindung<br />
ins ferne Mexiko, von der heute herrschaftliche Villen im<br />
Stadtbild sowie kulturelle Events im Veranstaltungskalender zeugen.<br />
Wenn der aktuelle Bürgermeister von Mexiko-<br />
Stadt von einer Familie abstammt, deren Ursprünge<br />
in Barcelonnette liegen, dann könnte<br />
dies auf den ersten Blick ein großer Zufall sein. Doch wer<br />
die Geschichte der Kommune in den Alpen kennt, weiß,<br />
dass der Zufall weniger groß ist, als man zunächst glauben<br />
mag. Denn heute leben mehr Abkömmlinge der alpinen<br />
Kleinstadt im fernen Mexiko als in Barcelonnette selbst.<br />
Angefangen hat diese seltsame Verbundenheit Anfang des<br />
19. Jahrhunderts. Damals emigrierten die drei Brüder der<br />
Familie Arnaud in die neue Welt, um dort ihr Glück zu suchen.<br />
Zunächst nach Louisiana, kurz darauf zogen sie aber<br />
weiter nach Mexiko, wo sie ein Stoffgeschäft eröffneten. Es<br />
dauerte danach nicht mehr lange, und andere Bewohner des<br />
Ubaye-Tals folgten ihnen. Am Ende des 19. Jahrhunderts<br />
zählte man rund 100 Textilunternehmen in Mexiko, die von<br />
Immigranten aus Barcelonnette betrieben wurden.<br />
Unter der mexikanischen Präsidentschaft von Porfirio<br />
Díaz wurden die neuen Einwohner, die eine wichtige Rolle<br />
in der Industrialisierung des Landes spielten, beliebte<br />
Gesprächspartner der Regierung. Eine Gruppe um die<br />
Barcelonnette-Immigranten herum kaufte sogar eine mexikanische<br />
Bank, die die landesweite Lizenz zur Ausgabe<br />
von Geldnoten besaß. Aus anfänglich bescheidenen Stoff-<br />
66 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Die Villen von Barcelonnette zeugen vom Reichtum der Heimkehrer aus Mexiko. Noch heute sind sie größtenteils in Privatbesitz.<br />
und Tuchhändlern wurden zum Teil bedeutende Akteure<br />
des Spinnerei-, Weberei- und Stoffdruckwesens, die große<br />
Unternehmen und Fabriken besaßen. In Mexiko-Stadt<br />
entstanden Konsumtempel nach Pariser Vorbild. In nur<br />
wenigen Jahrzehnten schafften die Auswanderer aus dem<br />
französischen Alpental einen beachtlichen sozialen Aufstieg<br />
und beherrschten alsbald die<br />
mexikanische Textilindustrie.<br />
Aber auch in anderen<br />
Branchen fand man Immigranten<br />
aus Barcelonnette in<br />
bedeutenden Positionen.<br />
Doch obwohl sich die<br />
Zugezogenen zunehmend<br />
in ihrer neuen Heimat integrierten,<br />
blieben sie ihren<br />
ethnischen Wurzeln stets<br />
verbunden. So nannte man<br />
sie in Mexiko nach ihrem<br />
Herkunftsort, während sie<br />
Barcelonnette und Barcelona<br />
in Barcelonnette als die « Mexikaner » galten. Einige von<br />
ihnen kehrten, nachdem sie zuvor in der neuen Welt ein<br />
kleines Vermögen angehäuft hatten, wieder nach Frankreich<br />
zurück, oftmals nach Paris oder an die Côte d’Azur. Doch<br />
auch in ihrer Heimatstadt bauten sie herrschaftliche Villen,<br />
eingebettet in prachtvolle Gärten. Diesen Rückkehrern ist es<br />
heute zu verdanken, dass sich das Stadtbild von Barcelonnette<br />
von dem der Nachbargemeinden unterscheidet. Auch<br />
Wenn man den Namen « Barcelonnette » hört, kommt<br />
unweigerlich die Frage auf, ob es einen Zusammenhang<br />
mit Barcelona gibt. Und in der Tat, die Ähnlichkeit ist<br />
nicht zufällig. Denn im Jahre <strong>12</strong>31 wurde an der Stelle<br />
des heutigen Barcelonnette eine Bastion gebaut, und<br />
zwar vom Herzog von Barcelona und der Provence, die<br />
dieser zunächst Barcelone taufte. Erst fünf Jahrhunderte<br />
später etablierte sich schließlich die Ortsbezeichnung<br />
« Barcelonnette ».<br />
im kommunalen Bereich engagierten sich die « Mexikaner »<br />
in Barcelonnette: Sie gründeten eine Bank, unterstützten die<br />
Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs und beteiligten<br />
sich am Bau von öffentlichen Gebäuden wie dem Rathaus<br />
oder der Kirche. Dreimal wurde auch ein Rückkehrer zum<br />
Bürgermeister der Gemeinde gewählt.<br />
Wenn man heute nach<br />
Barcelonnette reist, ist es<br />
nicht schwer, die Villen der<br />
« Mexikaner » zu finden.<br />
Sie schmiegen sich wie ein<br />
Gürtel um die Innenstadt<br />
und säumen vor allem die<br />
Straßen östlich des Zentrums.<br />
Gebaut wurden sie<br />
im Wesentlichen in den<br />
Jahren zwischen 1880 und<br />
1930. Große Bedeutung<br />
wurde dabei auch der Anlage<br />
von großzügigen Gärten<br />
eingeräumt, so dass die Atmosphäre einer Gartenstadt<br />
entstand. Die Architektur ähnelt zudem einem Baustil,<br />
den man eher von der Atlantik- und Mittelmeerküste als<br />
aus dem Alpenraum kennt. Oft kamen die Bewohner nur<br />
während der warmen Sommerzeit nach Barcelonnette, um<br />
in klimatisch angenehmeren Gefilden wie der Côte d’Azur<br />
zu überwintern oder während der restlichen Zeit des Jahres<br />
den Geschäften in Paris nachzugehen.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 67
Unterwegs in Frankreich Barcelonnette<br />
Die kleine Fußgängerzone verbindet<br />
das Villenviertel mit dem Rathaus.<br />
Das Rathaus von Barcelonnette wurde mit finanzieller<br />
Hilfe der Heimkehrer aus Mexiko errichtet.<br />
Während die ersten Villen mit ihren Proportionen und ihrer<br />
perfekten Symmetrie die Formensprache klassischer Bürgerhäuser<br />
aus Barcelonnette aufnahmen, wurden die Häuser<br />
der zweiten Bauwelle ab 1890 zunehmend prunkvoller und<br />
facettenreicher. Die Fassaden wurden mit Ornamenten geschmückt,<br />
die Dachkonstruktionen aufwendiger gestaltet.<br />
Architekten aus dem ganzen Land, aber auch aus Italien kamen<br />
in die Alpenkommune, um kleine Paläste zu errichten.<br />
Die Stile mischten sich zusehends, so dass eine Villa im neogotischen<br />
Stil genauso entstand wie ein Anwesen, das eher<br />
an einen florentinischen Palazzo erinnerte. Nach dem Ersten<br />
Weltkrieg nahm die Bautätigkeit schließlich ab. Die in den<br />
Folgejahren errichteten Häuser wirken wieder bescheidener<br />
und schlichter. Auffallend ist allerdings, dass die Architektur<br />
nicht durch mexikanische Elemente beeinflusst wurde. Nur<br />
die Namensgebung, wie beispielsweise Villa Puebla oder Villa<br />
Morelia, erinnert an die Verbundenheit ihrer Eigentümer<br />
nach Übersee.<br />
Heute hat an vielen Villen des Ortes der Zahn der Zeit<br />
genagt. Längst wirken die Anwesen nicht mehr so pompös<br />
wie zu Anfang des Jahrhunderts. Manche Häuser und Gärten<br />
verströmen noch den Charme einer vergangenen glanzvollen<br />
Epoche, andere sind ziemlich heruntergekommen. Doch unverändert<br />
sind die Villen in Privatbesitz und lassen sich bei<br />
einem Spaziergang nur von außen bewundern. Manchmal<br />
verhindern jedoch hohe Mauern und Zäune einen Blick auf<br />
die Häuser und Gärten. Eine Villa aber wurde in ein Museum<br />
verwandelt und kann damit auch von innen besichtigt<br />
werden. Es handelt sich dabei um die Villa La Sapinière, die<br />
von 1878 bis 1880 gebaut wurde und nun die Geschichte des<br />
Ubaye-Tales und seiner Bewohner anschaulich darstellt.<br />
Aber nicht nur die Villen der « Mexikaner » sind in Barcelonnette<br />
sehenswert. Ohne Zweifel lohnt sich auch ein<br />
Spaziergang durch die kleine Fußgängerzone, die von Geschäften,<br />
Konditoreien und Souvenirshops gesäumt wird.<br />
Sie verbindet die Villen im östlichen Stadtgebiet mit dem<br />
Rathaus, das 1934 durch Spenden der Rückkehrer gebaut<br />
werden konnte. Vor dem Rathaus breitet sich ein kleiner<br />
hübscher Platz mit Gastronomiebetrieben aus.<br />
Einen Abstecher sollte man zudem zum Friedhof von<br />
Barcelonnette unternehmen. Er liegt etwas versteckt am<br />
östlichen Ortsausgang. Seine Geschichte ist eng mit der der<br />
Villen verbunden. Es kam sogar vor, dass die Grabstätten von<br />
den gleichen Architekten entworfen wurden. Die Formensprache<br />
entspricht dem damaligen Zeitgeist. Manches Grab<br />
ist nicht weniger herrschaftlich als die prächtigen Villen und<br />
wirkt geradezu monumental. Marmor und Statuen zeugen<br />
vom Reichtum ihrer Auftraggeber. Keine Frage, der Wetteifer,<br />
der beim Bau der Wohnhäuser an den Tag gelegt wurde,<br />
wiederholte sich auf dem Friedhof in Gedenken an die verstorbenen<br />
Vorfahren. Besonders reizvoll ist zudem die Lage<br />
des Friedhofes, von wo aus man einen wunderbaren Blick<br />
auf die umliegenden Berge des Tales hat. Eine ehrwürdige<br />
Kulisse für die prächtigen Grabstätten.<br />
Die Verbindung zwischen Barcelonnette und Mexiko<br />
zeigt sich aber nicht nur im steinernen Erbe der Kleinstadt.<br />
Auch das kulturelle Leben zeugt davon. So findet jedes Jahr<br />
im August ein großes mexikanisches Festival statt, das sich<br />
seit einigen Jahren gegenüber ganz Lateinamerika geöffnet<br />
hat. Für einige Tage lebt Barcelonnette dann ganz im süd-<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
D 992<br />
es<br />
hâteaudun<br />
10 / E 60<br />
Blois<br />
85 / E 604<br />
A 10 / E 5<br />
LOIRE<br />
A 71 / E 9<br />
Digneles-Bains<br />
Romorantin-<br />
Lanthenay<br />
Vierzon<br />
Issoudun<br />
Etampes<br />
Orleans<br />
Pithiviers<br />
Bourges<br />
Paris<br />
Reims<br />
Epernay<br />
Chalons-en-<br />
Champagne<br />
Troyes<br />
N 77<br />
D 965<br />
Chablis<br />
Avallon<br />
A26 / E17<br />
Montbard<br />
FRANCE<br />
A 5 / E 17 - E 54<br />
Bar-le-Duc<br />
St. Dizier<br />
Chaumont<br />
Dijon<br />
A 38<br />
A4 / E50<br />
A 31<br />
Chalon<br />
Selbst auf dem Friedhof wurde der eigene Reichtum ohne Hemmungen<br />
zur Schau gestellt. Die Berge bilden eine einmalige Kulisse.<br />
N 6<br />
A 6<br />
Verdun<br />
Metz<br />
Châteu-<br />
Commercy Salins<br />
Sarrebourg<br />
amerikanischen Rhythmus. Nancy Künstlergruppen<br />
Toul<br />
aus Übersee, Konzerte, Lunéville kostenlose<br />
Molsheim<br />
Salsakurse<br />
sowie eine große Parade gehören zum Programm.<br />
Mexikanische Lebensfreude Scherwiller<br />
erobert die<br />
französischen Alpen. St.Die<br />
Neufchâteau<br />
Im Jahre 2004 wurde zudem eine Städtepartnerschaft<br />
zwischen Epinal Barcelonnette Colmar und Valle<br />
de Bravo in Mexiko ins Leben gerufen. Das<br />
<strong>12</strong>.000 Einwohner zählende Dorf Guebwiller liegt in 2.000<br />
Lons-le-<br />
Saunier<br />
A 36<br />
A 31<br />
Besancon<br />
N 74<br />
Dole<br />
bestehen ebenfalls rege Beziehungen. Neuchâtel Jedes Jahr<br />
Arc-et-Senans<br />
A 39<br />
A1<br />
A 4<br />
D 955<br />
A 5<br />
N 4<br />
SUISSE<br />
Lausanne<br />
A1<br />
A 9<br />
A 36 / E 60<br />
Montreux<br />
A 4 / E 25<br />
Metern Höhe etwas mehr als 100 Kilometer<br />
Mulhouse<br />
von der mexikanischen Hauptstadt entfernt.<br />
Genauso wie Barcelonnette ist es ein beliebtes<br />
Belfort<br />
Ferienziel. Beide Kommunen haben es sich zur<br />
Vesoul<br />
Aufgabe gemacht, die historische Verbundenheit<br />
zwischen Barcelonnette und Mexiko auch in<br />
Zukunft mit Leben zu erfüllen. Und nach Louisiana,<br />
wohin die Brüder Arnaud zuerst immigrierten,<br />
bevor sie ihr Glück in Mexiko suchten,<br />
im Juni kommen Studenten von der Louisiana<br />
State University Pontarlier zu einem Sprachaufenthalt ins<br />
Ubaye-Tal. Keine Frage, in Barcelonnette Fribourg ist<br />
man stolz auf die Verbindung nach Amerika.<br />
A 35 / E 25<br />
Sélestat<br />
Ka<br />
Wissembo<br />
Haguenau<br />
Basel<br />
Bern<br />
Strasb<br />
Freibu<br />
9-72<br />
A20 / E9<br />
Montauban<br />
A68<br />
Anreise<br />
Auto: Aus Lyon über Grenoble und<br />
Gap (A48 und N85) und anschließend<br />
über die D900 nach Barcelonnette.<br />
Aus Marseille über Aix-en-Provence<br />
und Sisteron (A55 und A51) zur D900<br />
nach Barcelonnette. Beide Straßenverbindungen<br />
sind ganzjährig befahrbar.<br />
Aus Nizza über die N202 und D2205.<br />
Achtung: Im Winter können Pässe geschlossen<br />
sein. Lyon-Barcelonnette ca.<br />
300 km, Marseille-Barcelonnette ca. 230<br />
km, Nizza-Barcelonnette ca. 160 km.<br />
Flugzeug: Die nächstgrößeren Flughäfen<br />
sind in Lyon, Marseille und Nizza.<br />
Alle drei Städte können teilweise<br />
direkt, teilweise mit Umsteigen mit den<br />
etablierten Linienfluggesellschaften<br />
aus dem deutschsprachigen Raum<br />
angeflogen werden. Außerdem haben Öffnungszeiten<br />
Mende<br />
auch einige Billigfluggesellschaft diese Mi – Sa 14.30 – 18.00 Uhr<br />
FRANCE<br />
drei Ziele sowie Grenoble in ihrem Verlängerte Öffnungszeiten während Nyons<br />
Florac<br />
Flugplan stehen.<br />
der Schulferien und im Sommer.<br />
Zug: Der nächste Bahnhof ist in Gap (ca. MialetEintrittspreise<br />
Millau<br />
Carpentras<br />
70 km entfernt). Von dort aus bestehen 3,30 €, Kinder Alès und Jugendliche bis<br />
Busverbindungen nach Barcelonnette. 20 Jahre 1,80 €<br />
Albi<br />
A 75 / E 11<br />
Roquefort<br />
-sur-Soulzon<br />
Lodève<br />
Montpellier<br />
Villa La Sapinière<br />
Valence<br />
10, avenue de la Libération<br />
04400 Barcelonnette<br />
Telefon: +33 (0)4 92 81 27 15<br />
Privas<br />
E-Mail: musee.vallee@ubaye.com<br />
D 907<br />
A 9<br />
N 106<br />
Nîmes<br />
E 15 – E 80<br />
Mâcon<br />
Barcelonnette im Internet<br />
www.barcelonnette.com<br />
www.ubaye.com<br />
Informationen vor Ort<br />
Office de Tourisme<br />
Place Frédéric Mistral<br />
04400 Barcelonnette<br />
Telefon: +33 (0)4 92 81 04 71<br />
E-Mail: info@barcelonnette.com<br />
Musée de la Vallée<br />
A 7 / E 15<br />
Avignon<br />
Arles<br />
A7<br />
Nantua<br />
A 404<br />
Apt<br />
A51<br />
Annecy<br />
Grenoble<br />
A51<br />
Thonon<br />
Genève<br />
Gap<br />
Albertville<br />
A43 / E70<br />
Briançon<br />
Barcelonnette<br />
Chamonix<br />
FRANCE<br />
Castellane<br />
Grasse<br />
ITALIA<br />
Draguignan<br />
Aix-en-Provence<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 69 Cannes<br />
A8/E80<br />
A8-E80<br />
A40<br />
Torino<br />
A8-E80<br />
Nice<br />
A52<br />
A61 / E80<br />
Béziers<br />
A55<br />
A57
Unterwegs in Frankreich Plombières-les-Bains<br />
Plombières-les-Bains<br />
Thermale Freuden in den Vogesen<br />
70 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Im Herzen des regionalen Naturparks Ballons des<br />
Vosges entspringt in einem reizvollen Tal die angeblich<br />
heißeste Thermalquelle des europäischen<br />
Kontinents. Die alten Römer und illustren Gäste der<br />
letzten Jahrhunderte können sich nicht geirrt haben:<br />
Plombières-les-Bains ist ein besonders charmanter<br />
Kurort, der noch heute zahlreiche Gäste<br />
anlockt.<br />
Ich sehe an Deinem Brief, dass Du noch<br />
immer in Plombières bist und dass Du<br />
« beabsichtigst, dort noch länger zu bleiben.<br />
Du machst es richtig, das Wasser und das gute<br />
Klima können Dir nur gut tun ». Der Autor<br />
dieser Zeilen, die am 7. August 1809 geschrieben<br />
wurden, war kein Geringerer als Napoleon<br />
Bonaparte. Sie galten seiner Frau Joséphine,<br />
Kaiserin der Franzosen, Königin Italiens und<br />
treuer Kurgast in der kleinen Thermalstation<br />
in den Vogesen, wohin sie regelmäßig reiste.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 71
Unterwegs in Frankreich Plombières-les-Bains<br />
Tunnel auf den Fundamenten der alten<br />
Römer, der heute als Dampfsauna dient.<br />
Oberhalb des Kurortes lädt ein terrassenförmiger Park zum Verweilen ein.<br />
Auch hier trifft man auf Überreste der alten Römer.<br />
Doch auch hier fand sie kein Wundermittel gegen ihre<br />
Unfruchtbarkeit, aufgrund derer sie ihrem Mann keinen<br />
Nachkommen schenken konnte. Ihr letzter recht langer<br />
Besuch von über zwei Monaten, währenddessen sie den besagten<br />
Brief verfasste, war bereits verdüstert durch die sich<br />
anbahnende Scheidung vom Kaiser. Dies erklärte vielleicht<br />
auch das Wohlwollen Napoleons bezüglich der räumlichen<br />
Trennung von seiner Frau während der Kur, wie es in den<br />
obigen Zeilen zum Ausdruck kam. Die bittere Perspektive<br />
für seine Ehe stellte die kaiserliche Begeisterung für Plombières-les-Bains<br />
allerdings nicht in Frage. So kam es, dass<br />
die Thermalanlagen am <strong>12</strong>. Juni 1811 Eigentum des Staates<br />
wurden und den Titel eines nationalen Heilbades erhielten.<br />
Am Anfang stand die Quelle<br />
Plombières-les-Bains, das ist die Geschichte eines kleinen<br />
Dorfes am Ende eines Tales, das selbst verlassen in den<br />
weiten Wäldern der Vogesen vor sich hin schlummerte. Ein<br />
Ort, an dem Nebel in der Frühe eine magische Atmosphäre<br />
schuf und an dem aus dem Nichts im Laufe der Jahrhunderte<br />
ein kaiserliches Kurbad wurde. Und das alles wegen<br />
einer Wasserquelle. Die Geschichte wirkt so fabelhaft,<br />
dass man beim Erzählen dergleichen fast versucht ist, mit<br />
einem « Es war einmal » zu beginnen. Wie bei den meisten<br />
Geschichten, die derart märchenhaft wirken, gibt es auch<br />
bei der Vergangenheit von Plombières-les-Bains einen Teil,<br />
bei dem man nur schwer zwischen Realität und Legende<br />
unterscheiden kann.<br />
Es soll jedenfalls so gewesen sein, dass bereits die Kelten<br />
von dem wunderbaren Wasser im Vogesen-Tal wussten.<br />
Vielleicht nutzten sie es auch für thermale Zwecke. Doch der<br />
wirkliche Aufstieg begann wohl mit den alten Römern. Man<br />
erzählt, dass eine Legion am Anfang des 2. Jahrhunderts auf<br />
dem Rückweg eines erfolgreichen Feldzuges zur Befriedung<br />
Belgiens auf den Höhen oberhalb des Tales ankam. Ihre<br />
Hunde tollten wie so oft in den Wäldern herum. Doch als<br />
die Tiere schließlich mit einem warmen Fell zurückkehrten,<br />
beschlossen die Soldaten, selbst ins Tal hinabzusteigen, um<br />
die heißen Quellen zu suchen. Thermalbäder waren bekanntlich<br />
Bestandteil römischer Lebenskultur. So dauerte es danach<br />
nicht mehr lange, bis im Tal mit viel Fachwissen eines<br />
der größten Bäder entstand, das die Römer jemals in Gallien<br />
errichteten. Die Bestimmung von Plombières-les-Bains als<br />
Kurort war damit wohl für die nächsten beiden Jahrtausende<br />
endgültig eingeläutet.<br />
Um den Wasserstrom zu beherrschen und zu kanalisieren,<br />
zögerten die Römer nicht, 30.000 Kubikmeter wasserresistenten<br />
Kalkmörtel im Tal zu verbauen. Das Prinzip folgte<br />
einer genialen Logik: Man « sperrte » das heiße Wasser unter<br />
einem Fundament aus Mörtel ein, um anschließend Löcher<br />
in das gleiche zu bohren, aus dem das Wasser mit natürlichem<br />
Druck sprudelte, womit man Bäder und Schwimmbecken<br />
speiste. Dabei stand die Funktionalität und nicht der Prunk<br />
im Vordergrund. Jean Kastener, Spezialist der Geschichte<br />
von Plombières-les-Bains, stellt daher auch fest: « Die Therme<br />
waren sehr einfach gehalten. Bei den Ausgrabungen fand<br />
man heraus, dass in Plombières Marmor, Mosaike oder andere<br />
wertvolle Dekorationselemente, wie man sie sonst von<br />
antiken Bädern kennt, komplett fehlten. » Die Größe der<br />
Anlage machte zugleich aber auch deutlich, dass die Römer<br />
das Wasser aus diesem Vogesen-Tal als bedeutend einstuften.<br />
Sicherlich nutzten sie es, um sich zu entspannen und die<br />
Wunden der Soldaten zu heilen.<br />
S. 70/71: Blick auf Plombières-les-Bains.<br />
Gegenüberliegende Seite: Eingangshalle der Napoleon-Therme<br />
72 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 73
Unterwegs in Frankreich Plombières-les-Bains<br />
Achtung vor den strengen Baderegeln<br />
Noch heute fallen die vielen<br />
Balkone im Stadtbild auf.<br />
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte und als Folge diverser Invasionen<br />
wurden die äußeren Bauten der Römer praktisch vollkommen zerstört.<br />
Doch das Herzstück, die Quellen und die Kanalisation, blieb erhalten, da<br />
sie geschützt im Erdboden lagen. Im Mittelalter, genauer gesagt im 15.<br />
Jahrhundert, wurden vier der sieben Thermalanlagen aus der Antike wieder<br />
errichtet. Man kam aus Frankreich, der Schweiz und dem Heiligen<br />
Römischen Reich Deutscher Nationen nach Plombières-les-Bains, um in<br />
dem heißen Wasser zu baden.<br />
Historiker fanden heraus, dass es damals strenge Regeln für die Badegäste<br />
gab. So war es verboten, « Beleidigungen auszusprechen und Waffen<br />
zu tragen ». Außerdem war der Zugang für « sich prostituierende und<br />
unzüchtige Frauen » untersagt. Sie mussten sogar einen Abstand von mindestens<br />
500 Schritten zu den Bädern einhalten. Alle « unkeuschen Berührungen<br />
» wurden mit Peitschenschlägen in der Öffentlichkeit bestraft, um<br />
die Schuldigen anschließend ins Wasser zu werfen. Dieses Spektakel, so<br />
hieß es, sei « eines der lustigsten Schauspiele der Welt » gewesen.<br />
Dennoch waren in dieser Epoche die Thermalanlagen von Plombièresles-Bains<br />
nicht wirklich berühmt. Man kam zwar gerne hierher, genoss<br />
die heißen Quellen und ihre heilende Wirkung, doch der Ruf des Ortes<br />
wurde erst später legendär. Als bekannte Persönlichkeit interessierte sich<br />
zuerst ein Deutscher für das Kurbad und widmete diesem ein Gedicht.<br />
Es handelte sich dabei um Joachim Camarius, den Rektor der Leipziger<br />
Universität. Obwohl sein Interesse vor allem den Umgangsformen und<br />
Gewohnheiten galt, machten seine Verse Plombières-les-Bains bekannter<br />
und trugen somit zum Aufstieg des Ortes bei.<br />
Die Stadt der tausend Balkone<br />
Weihnachtsmarkt<br />
Der Weihnachtsmarkt von Plombières-les-Bains<br />
gehört zu den bekanntesten der Region. Mehr<br />
als <strong>12</strong>0 Freiwillige aus dem Dorf bauen das ganze<br />
Jahr über an der Ständen und fertigen ebenso<br />
die Weihnachtsdekoration dafür an. Auch bei<br />
der Auswahl der Händler werden strenge Maßstäbe<br />
angelegt, um ein hochwertiges Sortiment<br />
und keinen Ramsch « Made in China » anzubieten.<br />
Der Weihnachtsmarkt findet jedes Wochenende<br />
vom 1. bis 23. <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> statt.<br />
www.marchedenoel-plombieres.com<br />
Nach und nach kamen immer mehr illustre Persönlichkeiten in das<br />
vogesische Dorf. Meist Adlige, die neugierig die Heilwirkung des Wassers<br />
ausprobierten und schätzen lernten. Zu den Gästen zählten die Schwester<br />
von Heinrich IV. oder der Bruder von Ludwig XIII., aber auch Autoren<br />
wie Montaigne. Zu einer Zeit, wo es noch kein Telefon gab, schien sich<br />
die Existenz des Bades aus heutiger Sicht dennoch erstaunlich schnell im<br />
ganzen Königreich und darüber hinaus herumzusprechen. Im Jahre 1715<br />
verschrieben die Ärzte von Ludwig XIV. das Wasser von Plombières-les-<br />
Bains dem sterbenden Sonnenkönig. Doch als die Flaschen schließlich in<br />
Versailles eintrafen, war es bereits zu spät.<br />
Es war vor allem im 18. Jahrhundert, als sich Plombières-les-Bains zu einer<br />
mondänen Thermalstation entwickelte. Die Großen der Zeit kamen alle<br />
hierher: Voltaire, der Herzog von Saint-Simon, Necker, Saint-Lambert, Madame<br />
de Staël, die Töchter von Ludwig XV., Beaumarchais u.a. Es ging sogar<br />
soweit, dass die Architektur der Gebäude dem illustren Gästeansturm angepasst<br />
wurde: Um die honoren Persönlichkeiten besser beobachten zu können<br />
und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich öffentlich zu inszenieren, wurden<br />
Balkone an die Fassaden gebaut, die noch heute im Stadtbild auffallen. Plombières-les-Bains<br />
verwandelte sich damit in die Stadt der tausend Balkone.<br />
Die Revolution unterbrach im Anschluss jedoch das mondäne Treiben.<br />
Eine Zeit lang öffneten sich die Türen der Thermalanlagen für kranke<br />
oder verletzte Soldaten, die der republikanischen Armee angehörten. Doch<br />
schnell schloss der Ort danach wieder an sein illustres Renommee an. Goya,<br />
Delacroix, Lamartine, Musset, Théophile Gautier, Berlioz, um nur einige<br />
zu nennen, kamen nach Plombières-les-Bains. Doch der wichtigste Gast<br />
für die Zukunft des Kurortes war Napoleon III. Er besuchte die Quellen<br />
74 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
tres<br />
Châteaudun<br />
A 10 / E 60<br />
Blois<br />
A 85 / E 604<br />
A 10 / E 5<br />
LOIRE<br />
A 71 / E 9<br />
Romorantin-<br />
Lanthenay<br />
während seiner Regentschaft fünfmal. Überzeugt von den Eigenschaften<br />
des Wassers und begeistert von der Schönheit der Örtlichkeit, gründete er<br />
1857 eine Aktiengesellschaft, an die der Staat die Konzession zum Betrieb<br />
der Thermalanlage übertrug. Im unmittelbaren Anschluss wurden große<br />
Ausbauarbeiten angeschoben. Die Napoleon-Therme entstand. Daneben<br />
wurden zwei herrschaftliche Hotels gebaut. In nur zehn Jahren veränderte<br />
der Ort sein Gesicht grundlegend und platzierte sich als einer der großen<br />
Kurorte des Landes.<br />
Wenn man all dies im Kopf hat, Gent ist es unmöglich, heute durch Plombières-les-Bains<br />
zu spazieren, ohne an diese bewegte und oft glorreiche<br />
Dunkerque<br />
Vergangenheit zu denken.<br />
BELGIQUE<br />
Überall trifft man auf Zeugnisse der verschiedenen<br />
Epochen als Thermalstation. Die Balkone sind mit Sicherheit am<br />
St. Omer<br />
augenfälligsten. Die Napoleon-Therme Roubaixmacht noch heute deutlich, wie<br />
wichtig diese Kultur Lille rund um die Heilwirkung von Wasser gewesen sein<br />
muss. Doch die beeindruckendste Endeckung sind vielleicht die Überreste<br />
der römischen BéthuneBäder. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die unverändert Namur<br />
intakten Fundamente<br />
Lens<br />
zu betreten und sich vorzustellen, dass schon vor fast<br />
zwei Jahrtausenden Menschen Douai an der gleichen Stelle vom 85 Grad warmen<br />
Wasser begeistert waren und an dessen positive Wirkung glaubten.<br />
Arras<br />
Cambrai<br />
Ein<br />
FRANCE<br />
Besuch der Thermalanlagen ist dabei nicht nur für Kurgäste im<br />
klassischen Sinne möglich. Auch Programme zum Entspannen und der<br />
Körperertüchtigung Amiens für wenige Tage werden angeboten. Es ist eine einmalige<br />
Möglichkeit, das Herz St. von Quentin Plombières-les-Bains zu erkunden.<br />
Charleville-<br />
Sicherlich gibt es Bäder, die mit einem zeitgemäßeren<br />
Mézières<br />
Design aufwarten.<br />
Dafür Montdidier erlebt man hier Thermalfreuden der authentischen Art, Sedán die<br />
sagenhafte Vergangenheit des Ortes Laon immer vor Augen.<br />
A 26 / E 15<br />
A 25<br />
Clermont<br />
Anreise<br />
A 1 / E 15<br />
A 1 / E 17<br />
A 27<br />
A 23<br />
Auto: Von Nancy aus erreicht man<br />
Plombières-les-Bains über die N57.<br />
Paris<br />
Aus Mulhouse nimmt man die N66<br />
bis Remiremont, von dort weiter auf<br />
der der N57 bis zum Kurort. Nancy-<br />
Plombières ca. 110 km, Mulhouse-<br />
Plombières ca. 104 km.<br />
Flugzeug: Die beiden nächsten großen<br />
Etampes<br />
Flughäfen sind Mulhouse/Basel und<br />
Metz/Nancy. Nach Mulhouse/Basel<br />
Pithiviers<br />
gibt es zahlreiche Nonstop-Verbindungen<br />
aus dem deutschsprachigen<br />
Raum.<br />
Orleans<br />
Zahlreiche Zeugnisse der Vergangenheit<br />
Zug: Der nächste Bahnhof ist in Remiremont,<br />
von wo aus Zugverbindungen<br />
nach Nancy bestehen.<br />
Plombières-les-Bains<br />
im Internet<br />
www.plombiereslesbains.com<br />
N 6<br />
Reims<br />
Rethel<br />
Epernay<br />
Office du Tourisme<br />
du Toursime des Vosges<br />
Neufchâteau<br />
Troyes<br />
Avenue du Général de Gaulle<br />
88000 Epinal<br />
Telefon: +33 (0)3 29 82 49 Chaumont 93<br />
Chablis<br />
Vouziers<br />
Avallon Telefon: +33 (0)3 29 30 07 00<br />
www.plombieres-les-bains.com<br />
Dijon<br />
BELGIEN<br />
Bois de Roucy<br />
Informationen vor Ort<br />
FRANCE<br />
Telefon: +33 (0)3 29 66 01 94<br />
St. Dizier<br />
Comité Départemental<br />
N 77<br />
D 965<br />
A26 / E17<br />
A 5 / E 17 - E 54<br />
Thermalanlage<br />
Compagnie Thermale<br />
de Plombières-les-Bains<br />
Montbard<br />
Avenue des Etats-Unis<br />
88370 Plombières-les-Bains<br />
A 6<br />
A 38<br />
A4 / E50<br />
A 31<br />
Die Napoleon-Therme lockt<br />
unverändert Kurgäste an.<br />
Liège<br />
Verdun<br />
Thionville<br />
Commercy<br />
A 36<br />
Metz<br />
A 31<br />
des Vosges Méridionales<br />
Chalons-en-<br />
Place Champagne Maurice Janot<br />
Bar-le-Duc<br />
88370 Plombières-les-Bains<br />
Châteu-<br />
Salins<br />
Nancy<br />
Lunéville<br />
Epinal<br />
Plombières<br />
N47 / E23<br />
Vesoul<br />
A 4<br />
Besancon<br />
D 955<br />
Saarbrücken<br />
Belfort<br />
A 4 / E 25<br />
Sarrebourg<br />
N 4<br />
Colmar<br />
Mulhouse<br />
A 36 / E 60<br />
A 35 / E 25<br />
Sélestat<br />
K<br />
Wissem<br />
Haguen<br />
Basel<br />
Stra<br />
Frei<br />
Vierzon<br />
Issoudun<br />
Bourges<br />
Chalon<br />
Dole<br />
Neuchâtel<br />
Arc-et-Senans<br />
A 39<br />
Frankreich Pontarlier<br />
erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 75<br />
Fribourg<br />
A 5<br />
SUISSE<br />
A1<br />
Bern
Unterwegs in Frankreich Hotel<br />
Le Prestige Impérial<br />
Modernes Design trifft auf eine Architektur des Zweiten Kaiserreichs<br />
Zu den Gebäuden, die den besonderen Charme von<br />
Plombières-les-Bains ausmachen, gehört das Hotel<br />
Le Prestige Impérial. Mit seinen 80 Zimmern und<br />
Suiten braucht es sich nicht hinter den Palästen anderer renommierter<br />
Kurorte zu verstecken. Als Napoleon III. im<br />
Jahre 1857 die Therme des Kurbades, die noch immer seinen<br />
Namen trägt, bauen ließ, wollte er den Kurgästen, die zumeist<br />
illustre Persönlichkeiten waren oder zumindest der<br />
Oberschicht angehörten, angemessene Unterkunftsmöglichkeiten<br />
bieten. So kam es, dass die Therme von zwei Gebäuden<br />
eingerahmt wurde, die als Hotel fungierten. Damit sich<br />
der Kuraufenthalt als so angenehm wie möglich gestaltete,<br />
wurde auch ein direkter Zugang von den Hotels zur Thermalanlage<br />
eingeplant. Heute sind die beiden Gebäude zum<br />
Hotel Le Prestige Impérial zusammengefasst, welches seit<br />
2004 zudem in neuem Glanz erstrahlt.<br />
Das Ergebnis der Renovierung kann sich sehen lassen: Die<br />
Innengestaltung bildet eine gekonnte Mischung aus Respekt<br />
vor der Architektur im Stil des Zweiten Kaiserreichs und<br />
modernen Designelementen. Während das Holz des alten<br />
Fahrstuhls beim Benutzen wie vor Jahrzehnten knarrt, sind<br />
die attraktiven Hotelzimmer in einem sehr zeitgenössischen<br />
Stil gehalten, wobei auch viel Aufmerksamkeit auf die Wirkung<br />
des Lichtes gelegt wurde. So bestehen die Kopfenden<br />
der Betten zum Beispiel aus einer eleganten Lichtwand. Die<br />
Tagesbettdecke unterstreicht mit ihrem Stoff und einem hellen<br />
Blauton die Modernität der Einrichtung. Ebenso ist das<br />
Design des Badezimmers durch und durch zeitgemäß.<br />
Im Erdgeschoss öffnet sich ein großer Speisesaal, mit<br />
Sicherheit einer der schönsten der Region, zu einer Veranda<br />
hin, auf der es sich morgens herrlich frühstücken lässt. Aber<br />
auch das Speiseangebot zu den anderen Tageszeiten ist emp-<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
fehlenswert. Der junge Küchenchef, der gerade einmal 25 Jahre alt ist,<br />
könnte es mit manch einem großen Namen der etablierten Kochszene<br />
aufnehmen. Besonders fällt die Innovationsfreude seiner kulinarischen<br />
Kreationen auf, beispielsweise sein mit Kakao verfeinertes Foie-Gras.<br />
Außerdem berät der Restaurantchef Frédéric Toppin mit Leidenschaft<br />
seine Gäste bei der Wahl eines passenden Weines zum Gericht. So<br />
manch eine Entdeckung kann dabei sein und das zu durchaus humanen<br />
Preisen. Denn es gehört zur Philosophie des Hauses, seinen Besuchern<br />
ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten und nicht mit überzogenen<br />
Preisen negativ aufzufallen.<br />
Le Prestige Impérial ist kein verstaubter Hotelpalast wie manch ein<br />
anderes Grand Hotel. Egal, ob man für einen längeren Kuraufenthalt,<br />
für den einmaligen Besuch der Thermalanlagen oder als Wochenendgast<br />
hierher kommt, jeder fühlt sich in diesem Haus schnell wohl. Und auch<br />
für Ausflüge in die umliegenden Vogesen bietet sich das Hotel bestens<br />
als Ausgangspunkt an.<br />
Le Prestige Impérial<br />
Avenue des Etats-Unis<br />
88370 Plombières-les-Bains<br />
Telefon: +33 (0)3 29 30 07 07<br />
Internet<br />
www.plombieres-les-bains.com<br />
Zimmerpreise<br />
DZ zwischen 72 und 102 €, je nach Saison<br />
Hotelausstattung<br />
80 Zimmer, kostenloses Internet im Zimmer,<br />
Garten, Parkplatz<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 77
Arte-Programm<br />
Samstag, 03.11.<strong>2007</strong>, 20.45 Uhr<br />
Die Astronomen von Lascaux<br />
Dokumentation<br />
Die französische Ethnologin und Astronomin Chantal<br />
Jègues-Wolkiewiez hat eine neue Theorie zu den Höhlenmalereien<br />
der Grotte von Lascaux entwickelt. Ihrer<br />
Ansicht nach sind die Bilder Beleg dafür, dass sich bereits<br />
die Cro-Magnon-Menschen mit Astronomie beschäftigt<br />
und die Bewegungen von Sonne, Mond und<br />
wichtigen Gestirnen als Tierdarstellungen dokumentiert<br />
haben. Sollte sich diese Behauptung bestätigen,<br />
müssten die bisher gültigen Vorstellungen vom Wissensstand<br />
prähistorischer Menschen überprüft werden.<br />
Freitag, 30.11.<strong>2007</strong>, 22.15 Uhr<br />
Saga Maeght<br />
Themenabend<br />
Der Name Maeght ist untrennbar mit der Kunst des<br />
20. Jahrhunderts verbunden. Der Verleger, Kunsthändler,<br />
leidenschaftliche Sammler und begeisterte Filmemacher<br />
Aimé Maeght eröffnete 1945 zusammen mit<br />
seiner Frau Marguerite eine Galerie in Paris. Künstler<br />
wie Matisse, Braque, Miró, Chagall, Calder, Kandinsky<br />
und Giacometti ließen sie schnell zur bedeutendsten<br />
Adresse für moderne Kunst werden. 1964 gründeten sie<br />
in Saint-Paul de Vence die Fondation Maeght, um dort<br />
einen Teil ihrer privaten Sammlung auszustellen. Bisher<br />
hat die Familie Maeght jegliche Verfilmung ihrer<br />
außergewöhnlichen Geschichte kategorisch abgelehnt.<br />
Für diesen Themenabend gewährt sie einen einmaligen<br />
Zugang zu ihrem unvergleichlichen Archiv.<br />
Sonntag, 16.<strong>12</strong>.<strong>2007</strong>, 20.45 Uhr<br />
Vier Degen für die Königin<br />
Spielfilm<br />
Kaum einer hat mehr geschrieben. Nach eigenem<br />
Bekunden 300 Romane. Und kaum einer hat mit<br />
D’Artagnan, Porthos, Aramis, Edmond Dantes, Milady<br />
de Winter Helden erschaffen, die auch gut noch<br />
eineinhalb Jahrhunderte nach ihrer Schöpfung weltweit<br />
so bekannt sind, dass ihr bloßer Name imstande<br />
ist, Geschichten und Bilder selbst in den Köpfen von<br />
Nichtlesern zu evozieren. Alexandre Dumas schrieb<br />
Bestseller im Akkord, die bei den Lesern bis heute gut<br />
ankommen.<br />
78 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
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absenden an: abenteuer und reisen,<br />
Abonnentenservice, Postfach 080,<br />
77649 Offenburg.<br />
Oder per<br />
Telefon: + 49(0)781/6394515<br />
Fax: + 49(0)781/6394502<br />
E-Mail: service@burda.com<br />
Internet: www.abenteuer-reisen.de
Art de vivre Le Corbusier<br />
Das Erbe eines<br />
polarisierenden<br />
Architekten<br />
Es ist kein Geheimnis, dass Le Corbusier<br />
zahlreiche Bauten in Frankreich<br />
hinterließ. Weniger bekannt ist allerdings,<br />
dass die Fondation Le Corbusier,<br />
die sein Erbe heute verwaltet, ihr<br />
Domizil versteckt in einer Sackgasse<br />
im 16. Arrondissement von Paris hat,<br />
und zwar in einer weißen Villa, wie<br />
sie für die Anfangsjahre des berühmten<br />
Architekten typisch waren.<br />
Eine Hälfte des Doppelhauses steht<br />
heute Besuchern offen.<br />
Man muss den Weg in die kleine Gasse<br />
mit dem Namen Square du Docteur<br />
Blanche schon kennen. Geradezu unscheinbar<br />
geht sie von der ebenfalls nicht großen<br />
Rue du Docteur Blanche im äußersten Westen der<br />
französischen Hauptstadt, unweit des Bois de Boulogne,<br />
ab. Nichts deutet darauf hin, dass am Ende<br />
der Sackgasse ein derart bedeutendes Gebäude<br />
steht. Doch es war hier, wo Le Corbusier 1923, drei<br />
Jahre nachdem er sich seinen Künstlernamen zugelegt<br />
hatte, für seinen Bruder Albert Jeanneret und<br />
Raoul La Roche, nach denen das Anwesen heute<br />
auch Villa La Roche-Jeanneret genannt wird, ein<br />
Doppelhaus im damals noch recht dörflich geprägten<br />
Stadtteil Auteuil plante.<br />
Doch dieser Bau war mehr als nur ein weiteres<br />
Projekt, an dem Le Corbusier arbeitete. Er markierte<br />
damit in gewisser Weise einen bedeutenden<br />
Entwicklungsschritt in seinem architektonischen<br />
Schaffen und versinnbildlichte seine geistige Öffnung<br />
gegenüber Werken europäischer Zeitgenossen.<br />
Le Corbusier war zuvor von Architekturmodellen<br />
von Theo van Doesburg und Cornelis van<br />
Eesteren derart begeistert, dass er seine bisherige<br />
Formensprache für Wohnhäuser modifizierte. Insbesondere<br />
ersetzte er die zuvor geplanten kleineren<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Fenster durch große Glasflächen und schuf eine<br />
neuartige Raumfolge. Der Bau wirkte dadurch insgesamt<br />
unregelmäßig gegliedert. Einen wichtigen<br />
Stellenwert nahm in der Haushälfte für Raoul La<br />
Roche zudem die Galerie ein, die vom Auftraggeber<br />
zur Inszenierung seiner Gemäldekollektion<br />
ausdrücklich gewünscht war. Auch Ähnlichkeiten<br />
zum Bauhaus-Stil sind nicht zu leugnen. Le Corbusier<br />
verweilte einige Zeit in Deutschland, wo er<br />
auch wie Walter Gropius und Ludwig Mies van<br />
der Rohe beim Berliner Architekten Peter Behrens<br />
arbeitete. Er unterstützte zudem stets das von der<br />
Schließung bedrohte Bauhaus.<br />
Wenn man heute vor der weißen Villa steht,<br />
staunt man, wie leicht die Architektur im Gegensatz<br />
zu der monumentaleren, von Beton geprägten Formensprache<br />
aus der späteren Schaffensphase von Le<br />
Corbusier wirkt. Es gibt ohnehin nicht viele Architekten,<br />
die ihre Zeitgenossen mit ihren Bauten derart<br />
schockierten wie Le Corbusier. Auch heute noch<br />
rufen die 75 Einzelbauten, die er in zwölf Ländern<br />
errichtete, und die 42 bedeutenden städtebaulichen<br />
Pläne, die er erarbeitete, recht unterschiedliche Reaktionen<br />
hervor. Er zählte auch zu den ersten Architekten,<br />
die auf mehreren Kontinenten gleichzeitig<br />
bauten. Eine Tatsache, die bei heutigen Star-Architekten<br />
längst selbstverständlich geworden ist.<br />
Nach Paris kam Charles-Edouard Jeanneret-Gris<br />
alias Le Corbusier im Jahre 1917. Obwohl voller<br />
Ehrgeiz, erhielt er zunächst kaum Bauaufträge.<br />
1920 gehörte er zum Mitbegründer der Zeitschrift<br />
L’Esprit nouveau, in der er von Anfang an unter<br />
seinem Pseudonym Le Corbusier veröffentlichte.<br />
Durch das Magazin wurden auch reiche Bauherren<br />
auf ihn aufmerksam, für die er in Folge Entwürfe<br />
anfertigte. Le Corbusier liebte es dabei, zu provozieren<br />
und unkonventionelle Ideen zu verfolgen. Auch<br />
städtebaulich plädierte er sein Leben lang für radikale<br />
Lösungen. Vortragsreisen führten ihn durch ganz<br />
Europa. Später entdeckte er seine Leidenschaft für<br />
das Fliegen, was ihm zudem Reisen auf andere Kontinente<br />
erlaubte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war<br />
Le Corbusier jedoch enttäuscht, dass er sich nicht mit<br />
seinen städtebaulichen Visionen beim Wiederaufbau<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 81
Art de vivre Le Corbusier<br />
Frankreichs durchsetzen konnte. Allerdings durfte er<br />
in Marseille seinen Prototyp einer Großwohnanlage<br />
verwirklichen. Es war aber letztendlich in Indien, wo<br />
er schließlich eine ganze Stadt entwerfen konnte.<br />
Sein architektonisches Erbe wird heute von der<br />
Fondation Le Corbusier verwaltet, die 1968 gegründet<br />
und ihren Sitz in der Haushälfte für Albert<br />
Jeanneret hat. Es war der ausdrückliche Wunsch des<br />
kinderlosen Architekten, dass eine Stiftung diese<br />
Aufgabe übernehmen würde. Zu ihren Aufgabengebieten<br />
gehört aber mehr, als die Rechte an seinen<br />
Werken zu wahren. So unterhält die Stiftung neben<br />
der Villa La Roche-Jeanneret noch das Wohnatelier<br />
in der Rue Nungesser et Coli sowie die Villa Le Lac<br />
in der Schweiz. Außerdem empfängt sie Forscher<br />
aus aller Welt, organisiert jährlich Seminare und<br />
unterstützt Ausstellungen über den Architekten.<br />
Auch bei Renovierungsarbeiten von Le Corbusiers<br />
Gebäuden berät sie und wacht über die denkmalgerechte<br />
Ausführung der Arbeiten.<br />
Die andere Hälfte des Doppelhauses, die für<br />
La Roche bestimmt war, lässt sich heute besichtigen<br />
und spiegelt wunderbar das Wirken des Architekten<br />
in den 1920er-Jahren wider. Ein Rund-<br />
Projekt: Le Corbusier als<br />
UNESCO-Weltkulturerbe<br />
Seit 2002 bemüht sich die Fondation Le Corbusier<br />
gemeinsam mit dem französischen Kulturministerium<br />
darum, das architektonische Erbe von Le Corbusier<br />
in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufnehmen<br />
zu lassen. Es geht darum, die Arbeit eines der<br />
bedeutendsten Architekten und Stadtplaner des 20.<br />
Jahrhunderts zu würdigen. Insgesamt stehen sieben<br />
Länder hinter dieser Initiative: Deutschland, Belgien,<br />
Frankreich, die Schweiz, Argentinien, Indien und Japan.<br />
Im Januar 2008 wird Frankreich die Bewerbung bei der<br />
UNESCO präsentieren. 23 Bauten, die in acht Kategorien<br />
(Wohnatelier, Villa, Großwohnanlage, Sakralarchitektur,<br />
die großen Programme, Stadtplanung und öffentliche<br />
Bauten) unterteilt sind, werden der Welterbe-Kommission<br />
als Gesamtwerk vorgeschlagen. Darunter auch die Villa<br />
La Roche-Jeanneret sowie die Weißenhofsiedlung in<br />
Stuttgart.<br />
Fondation Le Corbusier<br />
Maison Jeanneret<br />
8, square du Docteur Blanche<br />
75016 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 42 88 41 53<br />
www.fondationlecorbusier.fr<br />
gang durch das Wohnhaus eröffnet ständig neue<br />
An- und Ausblicke. Ein Besuch lohnt sich dabei<br />
nicht nur für explizite Architekturliebhaber. Noch<br />
heute wird die Modernität des Entwurfes zur damaligen<br />
Zeit spürbar. Wer danach Lust hat, noch<br />
mehr über Le Corbusier zu erfahren, kann auch<br />
sein Wohnatelier besichtigen, das sich ebenfalls<br />
im 16. Arrondissement befindet. Es wurde in den<br />
Jahren von 1931 bis 1934 errichtet.<br />
Maison La Roche<br />
10, square du Docteur Blanche<br />
75016 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 42 88 75 72<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo 13.30 – 18.00 Uhr<br />
Di – Do 10.00 – <strong>12</strong>.30 Uhr & 13.30 – 18.00 Uhr<br />
Fr 10.00 – <strong>12</strong>.30 Uhr & 13.30 – 17.00 Uhr<br />
Sa 10.00 – 17.00 Uhr<br />
Eintrittspreise: 3 €, ermäßigt 2 €<br />
Appartement-atelier de Le Corbusier<br />
24, rue Nungesser et Coli<br />
75016 Paris<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mi 9.00 – <strong>12</strong>.00 Uhr<br />
Sa 10.00 – 17.00 Uhr<br />
Eintrittspreise: 3 €<br />
82 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
070588_Frankr_erleben_BEL2.qxp 02.10.<strong>2007</strong> <strong>12</strong>:56 Uhr Seite 1<br />
Anzeige<br />
Voilà la France!<br />
Kurt Masur Christophe Rousset Pascal Dusapin Véronique Gens<br />
Unter dem Motto „Voilà la France!“ präsentiert die Philharmonie<br />
Essen in der Spielzeit <strong>2007</strong>/2008 ein ganzjähriges Festival mit über<br />
100 hochkarätigen Konzerten, Vorträgen, Lesungen und Filmen.<br />
„Voilà la France!“ ist eine Hommage an die große Musiknation, wie<br />
sie in ihrer Vielfalt und außergewöhnlichen Qualität so selbst in Paris<br />
nicht zu finden ist. Angeführt von Pierre Boulez und dem wunderbaren<br />
Maestro „In Residence“ Kurt Masur hat sich die Spitzengruppe französischer<br />
Dirigenten wie Christophe Rousset, Marc Minkowski und<br />
Jean-Claude Casadesus angesagt. Die Staatsorchester aus Paris, Lyon,<br />
Toulouse und Montpellier und so gefragte Formationen wie das<br />
Ensemble Intercontemporain, Les Talens Lyriques und Les Musiciens<br />
du Louvre sowie eine erlesene Schar einzigartiger Solisten wie<br />
Angelika Kirchschlager und Véronique Gens breiten die ganze faszinierende<br />
Welt französischer Musik aus – vom Barock bis zur Moderne.<br />
Von besonderem Rang ist die Residency des Komponisten Pascal<br />
Dusapin, ein nahezu einmalig fokussierter Blick in die Arbeit des neben<br />
Boulez wohl aktuell wichtigsten Tonschöpfers Frankreichs.<br />
Dem Jazz gilt wie immer ein besonders intensives Augenmerk der<br />
Philharmonie. Einen wahren Kulminationspunkt bildet bei dieser in<br />
der Philharmonie Essen so vitalen Sparte die Fête du Jazz. Vom<br />
15. bis 17. Mai stellen Joachim Kühn und seine „Franco-Allemand-Band“,<br />
die Klarinettenlegende Louis Sclavis mit einem faszinierenden Filmkonzert<br />
und außerdem das Henri Texier Strada Quartett, das Trio<br />
Africain Essens u.v. a. Essens Ruf als Jazz-Hochburg unter Beweis.<br />
Erleben Sie Frankreich in Essen, und freuen Sie sich auf außergewöhnliche<br />
Begegnungen in einem der schönsten Konzertsäle Deutschlands!<br />
Karten an allen bekannten Ticket Online-Verkaufsstellen.<br />
www.ruhr-ticket.de · www.ticketonline.com<br />
Eine Auswahl:<br />
Mo 19. <strong>November</strong> <strong>2007</strong> | 20:00<br />
Viktoria Mullova,Violine<br />
& La Chambre<br />
Philharmonique<br />
Emmanuel Krivine, Dirigent<br />
Werke von L. van Beethoven<br />
und F. Schubert<br />
Mo 31. <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> | 19:00<br />
„Paris, oh là là“<br />
Silvester-Gala <strong>2007</strong> mit<br />
den Kessler-Zwillingen<br />
Alice und Ellen Kessler,<br />
Chanson & Tanz<br />
Michael Quast, Conférencier<br />
Philharmonie Südwestfalen<br />
Peter Falk, Dirigent<br />
Mo 28. Januar 2008 | 2o:00<br />
La Tradition de l’Église de<br />
la Sainte-Trinité de Paris<br />
Naji Hakim &<br />
The Storstrøms<br />
Kammerensemble<br />
Werke von O. Messiaen, J. S. Bach<br />
und N. Hakim<br />
Philharmonie-Hotline:<br />
0180/59 59 59 8 (0,14 € /Min.)<br />
Fr 1. Februar 2008 | 20:00<br />
In Residence Kurt Masur<br />
Orchestre National de<br />
France & Kurt Masur<br />
Marianne Pousseur, Sprecherin<br />
Chœur de Radio France<br />
Franz Schubert Sinfonie <strong>Nr</strong>. 8<br />
h-Moll, D 759 „Unvollendete“<br />
César Franck „Psyché“ für Chor,<br />
Sprecher und Orchester<br />
Gefördert von der National-Bank AG Essen.<br />
So 3. Februar 2008 | 18:00<br />
In Residence Kurt Masur<br />
Orchestre National de<br />
France & Kurt Masur<br />
Ludwig van Beethoven Sinfonie<br />
<strong>Nr</strong>. 6 F-Dur, op. 68 „Pastorale“<br />
Claude Debussy „La Mer“<br />
(Trois Esquisses Symphoniques)<br />
Maurice Ravel La Valse<br />
Gefördert von der Alfried Krupp von<br />
Bohlen und Halbach-Stiftung.<br />
Mo 4. Februar 2008 | 20:00<br />
hr-Bigband spielt „Paris<br />
Blues“ – Auf den Spuren<br />
Duke Ellingtons in Paris<br />
Martial Solal, Klavier<br />
Das Programm der<br />
gesamten Spielzeit unter:<br />
Restkarten<br />
Sa 9. Februar 2008 | 20:00<br />
In Residence Christophe Rousset<br />
Christophe Rousset &<br />
Les Talens Lyriques<br />
Grand Opéra – Rameau:<br />
„Castor et Pollux“<br />
Véronique Gens, Sopran u.a.<br />
(Konzertante Aufführung)<br />
Gefördert von der Kunststiftung NRW.<br />
Fr 18. April 2008 | 20:00<br />
In Residence Pascal Dusapin<br />
Grand Opéra:<br />
„Faustus, the last night“<br />
Gesangssolisten, Orchestre de<br />
l’Opéra National de Lyon,<br />
Jonathan Stockhammer, Dirigent<br />
Pascal Dusapin „Faustus, the<br />
last night“, Oper in einer Nacht<br />
und 11 Kapiteln (konzertant)<br />
Gefördert von der Kunststiftung NRW.<br />
So 18. Mai 2008 | 18:00<br />
In Residence Christophe Rousset<br />
Rameau: Portrait der<br />
Sängerin Marie Fel<br />
Véronique Gens, Sopran<br />
Les Talens Lyriques<br />
Christophe Rousset, Leitung<br />
www.philharmonie-essen.de
Art de Vivre Kulturprogramm<br />
Fragonard, les<br />
plaisirs d’un siècle<br />
Paris, bis 13.01.2008<br />
Arcimboldo<br />
Paris, bis 13.01.2008<br />
Pharaon<br />
Valenciennes, bis 20.01.2008<br />
In dem Moment, da sich der Todestag<br />
von Fragonard zum zweihundertsten<br />
Mal jährt, widmet ihm die<br />
Stadt Paris, in der er seine ganze<br />
künstlerische Karriere verbrachte,<br />
eine Ausstellung – übrigens die erste<br />
große Exposition über diesen Maler<br />
seit über 20 Jahren. Mehr als 100<br />
Bilder aus der ganzen Welt zeigen<br />
nicht nur das Werk eines begnadeten<br />
Künstlers, sondern vermitteln auch<br />
den Eindruck einer ganzen Epoche.<br />
Fragonard wusste wie kaum ein<br />
anderer, den Geschmack und den<br />
Geist seiner Zeit in Bilder zu übersetzen.<br />
Der Veranstaltungsort dieser<br />
Ausstellung könnte zudem nicht<br />
besser gewählt sein.<br />
Musée Jacquemart-André<br />
148, boulevard Haussmann<br />
75008 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 45 62 11 59<br />
Internet<br />
www.musee-jacquemart-andre.com<br />
Öffnungszeiten<br />
Täglich 10.00 – 18.00 Uhr, Do bis<br />
21.30 Uhr<br />
Eintrittspreise<br />
9,50 €, ermäßigt 7,00 €, Kinder bis<br />
7 Jahre kostenlos<br />
Berühmt für seine aus Pflanzen,<br />
Früchten, Tieren und anderen Elementen<br />
zusammengesetzten Gesichter,<br />
umgibt Giuseppe Arcimboldo<br />
(1526-1593) noch immer eine mysteriöse<br />
Aura. Zum ersten Mal wird diesem<br />
Künstler eine ganze Ausstellung<br />
gewidmet. Sie zeigt bisher noch unbekannte<br />
Seiten seiner Persönlichkeit<br />
und seines kreativen Schaffens, wie<br />
beispielsweise seine Kostüm- und<br />
Dekorentwürfe für die Feierlichkeiten<br />
am Hofe der Habsburger. Am<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts sahen<br />
die Surrealisten in Arcimboldo einen<br />
Vorreiter der modernen Kunst. In<br />
Paris werden rund 100 Werke von<br />
ihm ausgestellt.<br />
Musée du Luxembourg<br />
19, rue de Vaugirard<br />
75006 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 45 44 <strong>12</strong> 90<br />
Internet<br />
www.museeduluxembourg.fr<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo, Fr, Sa 10.30 – 22.00 Uhr<br />
Di – Do 10.30 – 19.00 Uhr<br />
So 9.00 – 19.00 Uhr<br />
Eintrittspreise<br />
11,00 €, ermäßigt 9,00 €<br />
Die Region Nord/Pas-de-Calais<br />
hatte die originelle Idee, dem großen<br />
Beispiel auf europäischer Ebene<br />
folgend, eine regionale Kulturhauptstadt<br />
auszurufen. Zum ersten Mal<br />
profitiert Valenciennes von diesem<br />
innovativen Konzept, dank dessen<br />
die Stadt für eine Ausstellung Exponate<br />
ausleihen konnte, die sie unter<br />
sonstigen Umständen nicht bekommen<br />
hätte. Hierzu zählen insgesamt<br />
248 Ausstellungsstücke, darunter<br />
einige sehr kostbare Gegenstände<br />
aus dem Ägyptischen Museum in<br />
Kairo und dem Louvre. Die Exposition<br />
ist eine gute Möglichkeit,<br />
die Kultur der alten Ägypter besser<br />
kennenzulernen.<br />
Musée des Beaux-Arts<br />
Boulevard Watteau<br />
59300 Valenciennes<br />
Telefon: +33 (0)3 27 22 57 20<br />
Internet<br />
www.valenciennes.fr<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo, Mi, Do, Sa, So 11.00 – 19.00 Uhr<br />
Di 14.00 – 19.00 Uhr<br />
Fr 11.00 – 22.00 Uhr<br />
Eintrittspreise<br />
8,00 €, ermäßigt 2,00 €<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Douce France,<br />
Olga Kisseleva<br />
Saint-Ouen-l’Aumône,<br />
bis 25.02.2008<br />
Weihnachtsmarkt<br />
Straßburg, 24.11. – 31.<strong>12</strong>.<strong>2007</strong><br />
Fête des Lumières<br />
Lyon, 06. – 09.<strong>12</strong>.<strong>2007</strong><br />
Die Russin Olga Kisseleva ist für ihre<br />
Arbeit mit neuen Medien bekannt.<br />
Lange Zeit träumte sie von einem<br />
lieblichen Frankreich, so wie es die<br />
Bilder ihres Schulbuchs zeigten.<br />
Heute stellt sie fest, dass die gleichen<br />
Klischees auf Keksschachteln, Butterverpackungen<br />
oder gar Wahlplakaten<br />
verwendet werden. Ihre idealistischen<br />
Vorstellungen wichen einer Realität,<br />
die oft starken kommerziellen Zwängen<br />
unterworfen ist. In den Gemäuern<br />
eines gotischen Sakralbaus im Pariser<br />
Ballungsraum will sie die Vermischung<br />
der Kulturen, die Vielfalt der<br />
Sprachen und ihre Version eines modernen<br />
Frankreichs einer Gesellschaft<br />
des Konsums gegenüberstellen.<br />
Abbaye de Maubuisson<br />
Rue Richard de Tour<br />
95310 Saint-Ouen-l’Aumône<br />
Telefon: +33 (0)1 34 64 36 10<br />
Internet<br />
www.valdoise.fr<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo, Mi – Fr 13.00 – 18.00 Uhr<br />
Sa, So 14.00 – 18.00 Uhr<br />
Eintrittspreise<br />
3,80 €, Senioren 3,00 €, bis 25 Jahre<br />
kostenlos<br />
Der Straßburger Weihnachtsmarkt<br />
ist eine Institution. Dieses Jahr findet<br />
er bereits zum 437. Mal statt, womit<br />
er der älteste Weihnachtsmarkt<br />
Frankreichs ist. Es war unter dem<br />
Einfluss der Protestanten, die gegen<br />
die ausschweifenden Traditionen<br />
der Katholiken kämpften, dass sich<br />
dieser Markt etablierte. Heute erstreckt<br />
er sich über mehrere Plätze<br />
und Gassen der Innenstadt. Händler<br />
bieten Kunsthandwerksgegenstände<br />
an. Aber auch kulinarische Spezialitäten<br />
und natürlich das französische<br />
Pendant zum Glühwein, der Vin<br />
Chaud, sind omnipräsent. Ein großer<br />
Weihnachtsbaum ziert die Place Kléber,<br />
und auf dem Kulturprogramm<br />
stehen zahlreiche Konzerte. Außerdem<br />
gibt es wie jedes Jahr auch <strong>2007</strong><br />
wieder ein Gastland: dieses Mal ist es<br />
die kanadische Provinz Québec.<br />
Innenstadt von Straßburg<br />
Informationen<br />
Office du Tourisme<br />
17, place de la Cathédrale<br />
67000 Strasbourg<br />
Telefon: +33 (0)3 88 52 28 28<br />
Internet<br />
www.ot-strasbourg.com<br />
Das Lichterfest von Lyon gehört<br />
inzwischen zu einem der größten<br />
Events am Ende des Jahres. Es ermöglicht,<br />
die Hauptstadt der Region<br />
Rhône-Alpes in einem neuen Licht<br />
zu sehen, und dies im wahrsten Sinne<br />
des Wortes. Vier Tage lang wird der<br />
dunklen Jahreszeit mit Lichtinstallationen,<br />
Feuerwerken, animierten<br />
Projektionen, angestrahlten Fassaden<br />
usw. getrotzt. Die Lyonnais sind<br />
während des Festivals zudem aufgefordert,<br />
Kerzen in die Fenster zu<br />
stellen. Einen Höhepunkt während<br />
der Fête des Lumières bildet der 8.<br />
<strong>Dezember</strong>, an dem Lampions an<br />
den Fassaden die Straßen erhellen<br />
und auch die religiöse Prozession in<br />
Fourvière stattfindet.<br />
Gesamte Innenstadt von Lyon<br />
Information<br />
Office du Tourisme<br />
Place Bellecour<br />
69002 Lyon<br />
Telefon: +33 (0)4 72 77 69 69<br />
Internet<br />
www.lyon.fr<br />
Hotelübernachtungen sollten<br />
aufgrund der hohen Nachfrage im<br />
Voraus reserviert werden.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 85
Art De Vivre Kulturszene<br />
Vanessa Paradis:<br />
Divinidylle<br />
CDs<br />
Serge Gainsbourg gehörte zu ihren<br />
großen Förderern und mit « Joe le Taxi »<br />
landete sie vor vielen Jahren wohl ihren<br />
bekanntesten Hit. Nun veröffentlicht die<br />
Sängerin nach sieben Jahren Abstinenz<br />
ihr neues Album, das sich in weiten<br />
Zügen am klassischen Rock’n’Roll<br />
orientiert. CD von Universal Music<br />
Bob Sinclair:<br />
Live At The Playboy Mansion<br />
Bob Sinclair gehört zu den großen französischen Namen<br />
der elektronischen Musik. Sein neues Doppelalbum ist eine<br />
gelungene Mischung aus Soul-, Disco- und House-Musik.<br />
CD von Defected<br />
Aktuelle Tourdaten französischer<br />
Artisten finden Sie auf<br />
www.french-music.org/de<br />
Filme<br />
Persepolis<br />
Frankreich <strong>2007</strong>, 96 min • Originaltitel: Persepolis • Ein Film von<br />
Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud mit den Stimmen von<br />
Jasmin Tabatabai, Nadja Tiller und Hanns Zischler • Kinostart: 22.<br />
<strong>November</strong> <strong>2007</strong>, im Verleih von Prokino<br />
Marjane ist acht Jahre alt, als der Schah aus dem Iran vertrieben<br />
wird und die Mullahs die Macht an sich reißen. Fortschritt und Freiheit<br />
bleiben im Zuge der islamischen Revolution auf der Strecke. Frauen<br />
werden gezwungen, Kopftücher zu tragen. Doch die rebellische<br />
Marjane denkt gar nicht daran, sich dem rigiden Regelwerk zu<br />
unterwerfen. Sie ahnt nicht, dass ihr spielerischer Protest gefährlich<br />
ist – nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie... Marjane<br />
Satrapis erster Spielfilm erzählt von den Schwierigkeiten des<br />
Erwachsenwerdens, von dem Aufeinanderprallen verschiedener<br />
Kulturen, von Heimweh und Einsamkeit und beschreibt die Geschichte<br />
eines einst in Glanz und kulturellem Reichtum blühenden Landes.<br />
86 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Laurence Tardieu:<br />
Weil nichts bleibt, wie es ist<br />
Roman, 130 Seiten, claassen Verlag<br />
Bücher<br />
Die Liebe von Vincent und Geneviève zerbricht, nachdem ihre achtjährige<br />
Tochter verschwand. Er bricht in die Großstadt auf, sie bleibt mit allen ihren<br />
Erinnerungen auf dem Land. 15 Jahre nach der Trennung fährt Vincent<br />
wieder zu Geneviève, nachdem er von ihrer schweren Erkrankung gehört<br />
hatte. Der Roman zeigt, wie sehr Tod und Leben über die Liebe miteinander<br />
verbunden sind und wie das Erinnern die Gegenwart herausfordert. Eine<br />
Liebesgeschichte, die einen im Innersten berührt.<br />
Raymond Radiguet:<br />
Den Teufel im Leib<br />
Roman, 160 Seiten, Hoffmann und Campe<br />
In einer Neuübersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel<br />
erschien dieser Klassiker, den Radiguet zwischen 1919 und<br />
1921 schrieb. Damals löste der Roman einen Skandal aus,<br />
ging es doch um eine leidenschaftliche Liebe zwischen<br />
einem 15-jährigen frühreifen Schüler und einer drei Jahre<br />
älteren Soldatenbraut, die ihren Mann bedenkenlos betrog.<br />
Doch obwohl das Werk als geschmacklos galt, wurde das<br />
Buch ein großer Erfolg und sogar mehrfach verfilmt. Die<br />
neue Übersetzung ist weniger angestaubt als die aus den<br />
Jahren 1925, 1954 und 1974.<br />
Mein bester Freund<br />
Frankreich 2006, 90 min • Originaltitel: Mon meilleur ami • Ein Film von<br />
Patrice Leconte mit Daniel Auteuil, Dany Boon, Julie Gayet, Julie Durand,<br />
Jacques Mathou, Marie Pillet, Elisabeth Bourgine, Henri Garcin, Jacques<br />
Spiesser • Kinostart: 6. <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>, im Verleih von Alamode Film<br />
Der versierte Antiquitätenhändler François lebt nur für seine Arbeit, als ihn<br />
seine Kollegin Catherine damit konfrontiert, keine Freunde zu haben. Er<br />
reagiert entrüstet und nimmt ihre Wette an, ihr innerhalb von zehn Tagen<br />
seinen besten Freund vorzustellen. François macht sich auf die Suche und muss bald feststellen, dass<br />
sich tatsächlich niemand zu ihm bekennen will. Als er sich zusammen mit dem Taxifahrer Bruno auf die<br />
Jagd macht, bemerkt er nicht einmal, dass ihn die ganze Zeit ein wahrer Freund begleitet. Der Film<br />
von Patrice Leconte begeistert mit einer fein beobachteten Geschichte über Identitätssuche und<br />
späte Lebenserkenntnisse.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 87
Art de vivre Wein<br />
AOC Touraine<br />
Der Siegeszug des Sauvignon<br />
63 kontrollierte Appellationen existieren im Loire-Tal,<br />
Frankreichs drittgrößtem Weinanbaugebiet. Rund die<br />
Hälfte der Produktion geht dabei auf das Konto der<br />
Weißweine, die einen zunehmenden Erfolg auf dem<br />
Weltmarkt verzeichnen. Unter den Weißweinen der<br />
« AOC Toraine » gibt es jedoch ganz besonders eine<br />
Rebsorte, die in letzter Zeit außergewöhnliche Zuwachsraten<br />
für sich verbuchen konnte: der Sauvignon.<br />
Die Verkaufszahlen lassen<br />
es bereits erahnen,<br />
aber auch im Praxistest<br />
ist es leicht zu überprüfen: Es<br />
wird immer einfacher, einen<br />
Weißwein aus der Touraine, insbesondere<br />
einen Sauvignon, in<br />
den Regalen großer Supermärkte<br />
und kompetenter Weinläden<br />
außerhalb der Grenzen Frank-<br />
88 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
eichs zu finden. Zwar sind die<br />
Weine aus dieser Region im<br />
Herzen des Landes noch nicht<br />
so berühmt wie Bordeaux-<br />
Weine, doch die Verkaufssteigerungen<br />
im Export sind beeindruckend.<br />
Eine Entwicklung,<br />
die man nur begrüßen kann: Die<br />
Weine aus dem Loire-Tal sind<br />
originell, verfügen größtenteils<br />
über eine sehr gute Qualität und<br />
fallen nicht negativ durch überzogene<br />
Preisvorstellungen auf.<br />
Man könnte nun glauben,<br />
dass dieser Erfolg einer großen<br />
Marketingkampagne zu verdanken<br />
ist, durch die es manche<br />
Weine erst geschafft haben, sich<br />
im großen Stil auf dem Weltmarkt<br />
zu etablieren. Aber nein,<br />
hinter den Weißweinen der Touraine<br />
steht kein massives Marketingbudget.<br />
Ganz im Gegenteil, der Eroberungsfeldzug<br />
durch die Verkaufsregale erfolgte<br />
vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda.<br />
Die Weine aus dem Loire-Tal<br />
fielen durch ihre besonderen Charaktere<br />
auf, die den heutigen Weingeschmack zu<br />
treffen scheinen.<br />
Doch der größte Anteil an diesem<br />
Erfolg gebührt insbesondere dem Sauvignon.<br />
Nach und nach baute sich dieser<br />
Wein von der Loire seine Reputation<br />
auf. Ein glücklicher Umstand war dabei<br />
sicherlich, dass gerade die Weine,<br />
die französische Winzer meist etwas<br />
abschätzig als ungeliebte Konkurrenten<br />
betrachten, also die Weine aus den Ländern<br />
der sogenannten neuen Welt, die<br />
« Marke » Sauvignon so sehr in Mode<br />
brachten.<br />
Geografisch betrachtet erstreckt<br />
sich das Anbaugebiet der AOC Touraine<br />
auf einer Fläche von 5.500 Hektar<br />
im Südosten der Stadt Tours in unmittelbarer<br />
Nähe zur Loire und deren<br />
Zuflüssen. Es ist auch diesem Strom<br />
zu verdanken, dass sich die Weine der<br />
Region schon früh « exportieren » ließen,<br />
da der Wasserweg den Transport<br />
erleichterte. Der Weinanbau der Loire<br />
steht aber vor allem in einem engen<br />
Zusammenhang mit der Geschichte<br />
des Landes. Da die Region zu einer<br />
bevorzugten Gegend für Frankreichs<br />
Könige, Adlige und andere wichtige<br />
Persönlichkeiten wurde, wovon bis<br />
heute die herrlichen Schlösser und<br />
Parks zeugen, bestand der Bedarf, in<br />
der Nähe hochwertige Weine anzubauen,<br />
zudem die Böden und das Klima<br />
beste Voraussetzungen dafür lieferten.<br />
Nennenswert ist bei dem Weinanbaugebiet<br />
an der Loire auch, dass maritime<br />
klimatische Einflüsse in Richtung<br />
Westen immer bedeutender werden.<br />
Dies führt dazu, dass man in Richtung<br />
Osten eher Rebsorten anbaut, die früh<br />
reif werden. In Richtung Westen dagegen<br />
welche, die erst später die Weinlese<br />
erlauben. Dieser Umstand begünstigt die<br />
große Vielfalt der Loire-Weine.<br />
Der Sauvignon ist eine recht fragile<br />
Rebsorte, die sehr sensibel auf das Klima<br />
und die Bodenbeschaffenheit reagiert.<br />
Sie existiert in Frankreich schon<br />
sehr lange und wurde wahrscheinlich<br />
im Mittelalter in die Touraine gebracht.<br />
Einer der größten Fans dieser<br />
Rebsorte in der Geschichte war übrigens<br />
François I. Er mochte diesen frischen,<br />
trockenen und charaktervollen<br />
Wein besonders.<br />
Der intensive Geschmack gehört bis<br />
heute zu den Markenzeichen des Sauvignon.<br />
Auch eine gewisse Fruchtigkeit<br />
des Weins wird von seinen Liebhabern<br />
geschätzt. Beides macht es Kennern<br />
leicht, diese Rebsorte bei einem Weintest<br />
herauszuschmecken. Gerne reicht man<br />
eine Flasche Sauvignon zu einer Meeresfrüchteplatte,<br />
aber auch zu Fleisch und<br />
Käse passt der Wein gut. Er sollte eher<br />
frisch, bei einer Trinktemperatur von<br />
acht bis zehn Grad, konsumiert und<br />
nicht zu lange gelagert werden.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 89
Art de vivre Gastronomie<br />
Preiswert<br />
essen in Paris<br />
Einfach, aber gut<br />
Diese Lokale glänzen nicht mit einem aufwendigen<br />
Interieur. Man kommt hierher, um schnell<br />
und gut zu essen. Im Angebot sind beliebte traditionelle<br />
Gerichte, aber auch regionale Spezialitäten.<br />
Der Kundenstamm setzt sich vorwiegend aus Arbeitern<br />
und jungen Leuten zusammen, vereinzelt<br />
finden aber auch Touristen den Weg hierher.<br />
Paris hat den Ruf, ein teures Pflaster zu sein, insbesondere<br />
wenn es um Restaurants geht. Dabei gibt es<br />
auch in der französischen Hauptstadt die Möglichkeit,<br />
lecker und preiswert zu speisen. Echte Pariser kennen<br />
meist eine Reihe von Lokalen, die gutes Essen zu moderaten<br />
Preisen anbieten.<br />
Bekocht von zukünftigen<br />
Küchenchefs<br />
Viele Hotelschulen haben ein für die Öffentlichkeit zugängliches Restaurant.<br />
Normalerweise ist nur eine vorherige Reservierung notwendig, um<br />
die Kochkünste zukünftiger Küchenchefs zu genießen. Das Ambiente ist<br />
meist herzlich, so dass auch kleine Missgeschicke schnell vergessen sind.<br />
Die Preise sind zwar nicht mehr ganz niedrig, die Gerichte dafür aber<br />
sehr hochwertig. Die meisten der Einrichtungen haben nur unter der Woche<br />
geöffnet, da sich die Schüler am Wochenende erholen.<br />
Ecole supérieure de cuisine française<br />
Grégoire-Ferrandi<br />
Hier fühlt man sich wie in einem renommierten Restaurant.<br />
Der Service ist tadellos und die Speisen vom höchsten<br />
Niveau.<br />
28 rue de l’Abbé-Grégoire (6. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 49 54 17 31<br />
Öffnungszeiten: Mo – Fr <strong>12</strong>.30 – 14.30 Uhr, abends auf<br />
Anfrage<br />
Komplette Mahlzeit ca. 20 – 40 €<br />
Ecole de Paris des métiers de ta table,<br />
du toursime et de l’hôtellerie (EPMTTH)<br />
17 rue Jacques-Ibert (17. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 44 09 <strong>12</strong> 16<br />
Öffnungszeiten: Mo – Fr <strong>12</strong>.30 – 14.45 Uhr<br />
Ecole hôtelière Jean-Drouant<br />
In diesem Hotelschulenrestaurant im 17. Arrondissement mit<br />
dem leichten Charme einer Kantine geht es recht familiär<br />
zu.<br />
20 rue Médéric (17. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 56 21 01 02<br />
Öffnungszeiten: Di – Fr <strong>12</strong>.00 Uhr & 19.30 Uhr (Themendiner)<br />
Komplette Mahlzeit ca. 10 – 15 €<br />
La Table d’Albert<br />
3 rue Pierre-Leroux (7. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 43 06 33 09<br />
Öffnungszeiten: Mo – Do <strong>12</strong>.30 Uhr & Di – Do 19.30 Uhr<br />
Komplette Mahlzeit 15 – 22 € (mittags), 20 – 28 € (abends)<br />
90 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Foyer de la place<br />
de la Madeleine<br />
Die Lage ist ungewöhnlich, befindet sich<br />
das kantinenartige Restaurant doch im<br />
großräumigen Untergeschoss der Kirche<br />
Madeleine. Um hierher kommen zu<br />
dürfen, muss man einen Jahresbeitrag<br />
von zwei Euro bezahlen.<br />
Place de la Madeleine<br />
(8. Arrondissement)<br />
Eingang an der rechten Seite der Kirche<br />
Telefon: +33 (0)1 47 42 39 84<br />
Öffnungszeiten: Mo – Fr <strong>12</strong>.30 – 13.15 Uhr<br />
Komplette Mahlzeit ca. 8,00 €<br />
Cantine des compagnons<br />
du devoir du tour de France<br />
In diese Gaststätte mit kompliziertem<br />
Namen kommen meist junge Arbeiter<br />
in der Ausbildung, die hier jeden Mittag<br />
speisen.<br />
1, place Saint-Gervais<br />
(4. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 48 87 38 69<br />
Öffnungszeiten: Mo – Fr mittags<br />
Einheitsmenü für 10,80 €<br />
Chez Chartier<br />
Legendäres Lokal im Faubourg Montmartre.<br />
Die Zeit scheint hier am Ende<br />
des 19. Jahrhunderts stehen geblieben<br />
zu sein. Die Speisen sind einfach und<br />
unverändert vom damaligen Zeitgeist<br />
inspiriert.<br />
7, rue du Faubourg-Montmartre<br />
(9. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 47 70 86 29<br />
Öffnungszeiten: Täglich 11.30 – 15.00 Uhr<br />
& 18.00 – 22.00 Uhr<br />
Komplette Mahlzeit ca. 15,00 €<br />
La Rôtisserie<br />
Hier serviert man einen Eintopf, Lammcurry<br />
oder Couscous. Allerdings geht es<br />
beengt zu, denn das Restaurant hat nur<br />
zehn Plätze.<br />
5, rue Sainte-Marthe<br />
(10. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 40 03 08 30<br />
Öffnungszeiten: Täglich außer<br />
Samstag- und Sonntagmittag<br />
Komplette Mahlzeit ca. 10,00 €<br />
Das Gericht als Bonus<br />
Es gibt einige Lokale in Paris, da braucht man an einigen Tagen nur ein<br />
Getränk zu bestellen und erhält als Bonus ein einfaches Gericht dazu, oft<br />
ein Couscous oder einen Teller Muscheln mit Pommes frites. Die Atmosphäre<br />
ist meist locker und entspannt.<br />
Le Tribal Café<br />
Es ist eine der beliebtesten Kneipen dieser Art. An einigen<br />
Tagen muss man den Ellenbogen einziehen, so voll ist es<br />
hier.<br />
3, cour des Petites-Écuries (10. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 47 70 57 08<br />
Einen kostenlosen Teller mit Muscheln und Pommes frites<br />
am Mittwoch- und Donnerstagabend, ein kostenloses<br />
Couscous am Freitag- und Samstagabend.<br />
Les Trois Frères<br />
14, rue Léon (10. Arrondissement)<br />
Telefon: +33 (0)1 42 64 91 73<br />
Kostenloses Couscous am Donnerstagabend,<br />
kostenlose orientalische Suppe am Sonntagabend.<br />
Le Taïs<br />
<strong>12</strong>9 boulevard de Ménilmontant<br />
(11. Arrondissment)<br />
Telefon: +33 (0)1 43 55 67 90<br />
Kostenloses Couscous am Freitag- und Samstagabend.<br />
Le Grenier<br />
152 rue Oberkampf<br />
(11. Arrondissment)<br />
Telefon: +33 (0)1 48 05 13 52<br />
Kostenloses Couscous am Samstagabend.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 91
Art de vivre Chantals Rezept<br />
«<br />
Das<br />
Nationalgericht der Bretonen ist schnell zubereitet<br />
und schmeckt Groß und Klein. Crêpes passen zu jeder<br />
Jahres- und Tageszeit. Sie können als leckeres Frühstück<br />
an einem Sonntagmorgen, als süße Kleinigkeit am<br />
Nachmittag oder als Dessert eines aufwendigen Mittagsoder<br />
Abendmenüs gereicht werden. Bon appetit!<br />
»<br />
Chantal, Kochexpertin von Frankreich<br />
erleben, beantwortet gerne Ihre<br />
Fragen: chantal@frankreicherleben.de<br />
Für 6 Personen<br />
Vorbereitungszeit: 10 Minuten<br />
Ruhezeit des Teigs: 2 Stunden<br />
Zubereitungszeit:<br />
2 – 3 Minuten pro Crêpe<br />
Crêpe Bretonne<br />
92 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
Zutaten<br />
250 g Mehl<br />
500 ml Vollmilch<br />
70 g geschmolzene Butter<br />
4 Eier<br />
2 EL Zucker<br />
1 Prise Salz<br />
Zubereitung<br />
• Alle Zutaten in eine Schüssel geben und unter<br />
langsamer Zugabe der Milch mit einem Handmixer<br />
verrühren, bis der Teig geschmeidig und glatt wird.<br />
Anschließend den Teig zwei Stunden lang ruhen lassen.<br />
• Crêpe-Pfanne (falls nicht vorhanden, möglichst Pfanne<br />
mit niedrigem Rand, um das Umdrehen zu erleichtern)<br />
erhitzen und ein wenig Butter darin schmelzen lassen.<br />
• Sobald die Pfanne heiß genug ist, kann der erste Crêpe<br />
gebacken werden. Hierzu eine Kelle Teig (nicht zuviel,<br />
da ein Crêpe möglichst dünn sein sollte) in die Pfanne<br />
schütten und durch Bewegen derselben den Teig gleichmäßig<br />
verteilen. Nach einiger Zeit den Crêpe umdrehen.<br />
Wenn der Teig goldbraun gebraten ist, den Crêpe auf<br />
einen Teller geben.<br />
• Diesen Vorgang so oft wiederholen, bis der Teig<br />
ganz aufgebraucht ist. Dabei von Zeit zu Zeit erneut<br />
etwas Butter schmelzen lassen, sobald die Pfanne zu<br />
trocken wird.<br />
Tipp<br />
• Der erste Crêpe wird selten perfekt, da man erst die<br />
benötigte Teigmenge und die richtige Hitze der<br />
Pfanne testen muss.<br />
• Crêpes können zwei bis drei Tage im Kühlschrank<br />
aufbewahrt werden. Sie lassen sich gut mit ein wenig<br />
Butter in Aluminiumfolie im Backofen<br />
(ca. 5 Minuten) erhitzen.<br />
Serviervorschlag<br />
• Crêpes können mit diversen Zutaten genossen werden,<br />
insbesondere mit Zucker, Nutella oder Marmelade.<br />
• Crêpes können auch flambiert werden. Hierzu einen<br />
Likör der eigenen Wahl über den gebackenen Crêpe in<br />
der Pfanne geben, heiß werden lassen und flambieren.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong> · 93
Leserbriefe<br />
Ich lese Ihre Zeitschrift seit der ersten<br />
Ausgabe, und ich bin jedes Mal über<br />
die Vielfalt Ihrer Artikel erfreut. Ihre<br />
Berichte über die Provence in der letzten<br />
Ausgabe nahm ich heuer zum Anlass,<br />
meinen jährlichen Urlaub in Frankreich<br />
teilweise deswegen in dieser Region zu<br />
verbringen. Ich habe es nicht bereut,<br />
aufgrund Ihrer Anregungen vieles zu<br />
besichtigen und war auch größtenteils<br />
begeistert von der Vielfalt dieser Landschaft.<br />
Machen Sie weiter so, damit ich<br />
für die nächsten Jahre in Frankreich<br />
immer wieder etwas Neues entdecken<br />
kann. Nach meinem Aufenthalt in der<br />
Provence ging es dann zum Entspannen<br />
an den Atlantik ins Baskenland, was<br />
mein persönlicher Geheimtipp ist. Sollten<br />
Sie irgendwann einmal über diese<br />
Region berichten, bin ich schon gespannt<br />
auf welche Sehenswürdigkeiten Sie Ihre<br />
Leser hinweisen werden. Mit den besten<br />
Wünschen für Ihre Zeitschrift.<br />
Karl Springer, Ansbach<br />
Als Frankreichkenner und -liebhaber<br />
haben wir Ihre Zeitschrift von Anfang<br />
an abonniert, was wir bis heute keinen<br />
Moment lang bereut haben. In jeder Ausgabe<br />
finden wir wieder aufs Neue mehrere<br />
Beiträge, die uns sehr interessieren.<br />
So in der neuesten Ausgabe der Artikel<br />
über unsere Partnerstadt Saint-Nazaire,<br />
die wir aufgrund mehrerer Besuche und<br />
Schüleraustausche gut kennen. Schade<br />
nur, dass in dem Beitrag die seit 1969 bestehende<br />
Städtepartnerschaft zwischen<br />
Saint-Nazaire und Saarlouis mit keinem<br />
Wort erwähnt wird, ist sie doch eine der<br />
Hat Ihnen unser Magazin gefallen?<br />
Haben Sie Verbesserungsvorschläge<br />
oder Anregungen? Schreiben Sie uns.<br />
Wir sind gespannt auf Ihre Meinung!<br />
Per E-Mail: leserbriefe@<br />
frankreicherleben.de<br />
Per Brief:<br />
Frankreich erleben - Leserbriefe -<br />
Globus Medien GmbH<br />
Heckscherstraße 29 · 20253 Hamburg<br />
Per Fax: +49 (0)40 38017863552<br />
ältesten und, sowohl in Paris als auch in<br />
Berlin anerkanntermaßen, am besten<br />
funktionierenden deutsch-französischen<br />
jumelages!<br />
Elisabeth und Hubert<br />
Braunshausen, Saarlouis<br />
In Ihrer Juli/August-Ausgabe bringen<br />
Sie einen Bericht über die Dreharbeiten<br />
zu « Jean de Florette » und<br />
« Manon des Sources ». Wir würden<br />
diese Filme gerne in deutscher Synchronfassung<br />
auf DVD kaufen. Können<br />
Sie uns Bezugsquellen nennen?<br />
Christa Kluth, per E-Mail<br />
Redaktion: Sie können die DVD der beiden<br />
Filme beispielsweise über die bekannten<br />
Buch-Onlineshops erwerben.<br />
Kürzlich habe ich Ihr schönes<br />
Frankreich-Magazin entdeckt und<br />
sofort gekauft. Ihr Magazin ist sehr<br />
schön mit vielen interessanten Beiträgen.<br />
Ich habe heute deshalb sofort<br />
weitere Ausgaben nachbestellt.<br />
Dorothea Fekri, Gransee<br />
Herzlichen Glückwunsch zu der<br />
wundervollen Ausgabe über die französischen<br />
Alpen. Es war ein wahres<br />
Lesevergnügen, Ihre Artikel zu verschlingen.<br />
Hoffentlich hilft es, damit<br />
diese wunderschöne Ecke Frankreichs<br />
endlich mehr Aufmerksamkeit in<br />
Deutschland bekommt. Es gibt dort<br />
viel mehr zu entdecken, als die meisten<br />
glauben.<br />
Michael Stuber, München<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Fassung zu veröffentlichen.<br />
Bildnachweise (nach Seiten, Anordnung von links<br />
nach rechts, oben nach unten): Titel: Globus Medien •<br />
S.5: Ajc Presse • S.6: Globus Medien; Ajc Presse • S.7:<br />
Ministère Français des Affaires Etrangères, F. de La Mure;<br />
Ajc presse; Fondation Le Corbusier/Bildkunst, <strong>2007</strong> • S.8-<br />
9: Comité Régional du Tourisme de Bretagne, D.Ademas<br />
/ E.Pain; Photothèque ville de Saint-Nazaire; Musée Tomi<br />
Ungerer; Paris Tourist Office, Marc Bertrand • S.10: Ajc<br />
Presse; DR • S.<strong>12</strong>-24: Globus Medien • S.14: Fotolia, Anne<br />
Geoffroy • S.24: Château de Fontainebleau • S.24-26:<br />
Globus Medien • S.26: Globus Medien; Cg92, Didier Raux<br />
• S.27-30: Globus Medien • S.31: Service photographique<br />
de la Présidence de la République Française, D.S.; Globus<br />
Medien • S.31-40: Globus Medien • S.41: Globus Medien;<br />
R&B presse • S.42-43: Globus Medien • S.46-47: Chantal<br />
Cobac für Ajc Presse • S.48-50: Ajc Presse • S.52: Sipa,<br />
Haley • S.55: Ajc Presse • S.58-65: Ajc presse • S.66-69:<br />
Globus Medien • S.70-73: Ajc Presse • S.74: Ajc Presse;<br />
Office du Tourisme de Plombières • S.75-77: Ajc Presse •<br />
S.78: Arte, DR • S.80-83: Fondation le Corbusier/Bildkunst,<br />
<strong>2007</strong> • S.84-87: DR • S.88-89: Interloire, M.A. • S.90-91:<br />
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94 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
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Ausgabe <strong>Nr</strong>. 1 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 2<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 3 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 4<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 6 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 7<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 8 Ausgabe <strong>Nr</strong>. 9<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 10<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 11<br />
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Übersicht der Reisethemen,<br />
7<br />
1 Paris und Umgebung<br />
• Hotel - Hôtel des Académies<br />
et des Arts, Paris <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Paris La Défense - Paris‘<br />
futuristisches Gesicht <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Paris 14e - Stadtspaziergang durch<br />
das 14. Arrondissement <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Paris-CDG- Hinter den Kulissen des<br />
Pariser Flughafens Charles-de-Gaulle <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Paris Rive Gauche - Zukünftiges <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Opéra National de Paris - Eine Bühne für<br />
das Publikum <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Kaufhäuser - Mythos Grands Magasins:<br />
vom «Paradies der Damen» zum<br />
Konsumtempel <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Interview - 1000 und ein Weihnachten <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Avenue Montaigne - Nächtlicher Bummel<br />
über die Pariser Luxusmeile <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Palais-Royal - Die Renaissance des<br />
Shoppings <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Shoppingtour- Auf Einkaufstour durch<br />
Paris mit einem der legendärsten Autos<br />
Frankreichs, der Ente <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Restaurant - Café Marly, Pariser Chic im<br />
Louvre <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Pariser Museen - Andere Orte <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Mac/Val - Zeitgenössischer Kunsttempel in<br />
einem Vorort von Paris <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Hotel - Kube Rooms and Bars Paris <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Stadtteile - Spaziergang durch eine<br />
sinnliche Metropole <strong>Nr</strong>. 1<br />
• Märkte - Jedem seinen Markt <strong>Nr</strong>. 1<br />
• Interview - Anne Hidalgo <strong>Nr</strong>. 1<br />
• Die Gewächshäuser von Auteuil <strong>Nr</strong>. 1<br />
• Bistros <strong>Nr</strong>. 1<br />
8<br />
6<br />
5<br />
• Gastronomie - Chez Antoine <strong>Nr</strong>. 1<br />
9<br />
2 Nordfrankreich<br />
• La Piscine - Ein Schwimmbecken als<br />
Eintrittskarte in die Welt der Kunst <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Auf Lille 2004 folgt lille3000, die<br />
Verwandlung geht weiter <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Hotel - L‘Hermitage Gantois, Lille <strong>Nr</strong>. 5<br />
2<br />
1 3<br />
11<br />
4<br />
10<br />
<strong>12</strong><br />
• Lille - Frankreichs flämische Metropole <strong>Nr</strong>. 2<br />
3 Elsass / Lothringen /<br />
Champagne<br />
• Straßburg - Stadterneuerung als<br />
politisches Leitmotiv <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Wein - Jean-Paul Schmitt,<br />
ein Winzer mit Charakter und<br />
charaktervollen Weinen <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Genuss - Madeleines, die süße<br />
Verführung aus Commercy <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Metz - Im Osten etwas Neues <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Hotel - Le Domaine du<br />
Lac, Guebwiller <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Straßburg - Wenn Fachwerkhäuser<br />
auf Glaspaläste treffen <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Bugatti in Molsheim - Die<br />
Wiederentdeckung einer<br />
automobilen Legende <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Sainte-Marie-aux-Mines - Besuch einer<br />
Silbermine aus dem 16. Jahrhundert <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Colmar - Der Zauber der Nacht <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Dorfleben - Eine Reise zu den fünf<br />
schönsten Dörfern des Elsass <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Golf im Elsass - Geheimtipp<br />
unter Golfern <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Dominikanerkloster<br />
Guebwiller - Wo Musik<br />
Grenzen überwindet <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Mulhouse - Europäische Hauptstadt<br />
der Technikmuseen <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Elsässische Weinstraße - Eine<br />
Weingegend zeigt sich volksnah <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Burgen - Auf den Spuren<br />
des Mittelalters <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Skifahren in den Vogesen -<br />
Mittelgebirge hinter der Grenze <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Elsass - Hochburg der Weihnachtsmärkte <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Wein - Champagner, Lebensgenuss pur <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Stockweiher <strong>Nr</strong>. 3<br />
4 Burgund / Jura<br />
• Saline Royale - Salz des Lebens: die<br />
königliche Saline von Arc-et-Senans <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Skifahren im Jura - Landstrich<br />
der Geruhsamkeit <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Burgund - Mit dem Hausboot auf dem<br />
Canal du Nivernais <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Jura - Hundeschlittenfahren im hohen<br />
Norden... des Jura <strong>Nr</strong>. 1<br />
• Wein - Chablis, weißes Gold des Burgund <strong>Nr</strong>. 1<br />
5 Loire-Tal<br />
• Wein - Vouvray <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Wein - Domaine de Beauséjour <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Die etwas anderen Schlösser <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Als Schlossherr im Jahr 2006... <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Höhlenwohnungen - Moderne<br />
Troglodyten am Loir <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Gärten & Parks <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Fahrradtouren - Mit dem Fahrrad entlang<br />
der Loire <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Wein - Jasnières du Loir <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Gastronomie - Chez Miton <strong>Nr</strong>. 3<br />
6 Normandie<br />
• Mont-Saint-Michel - Die spektakuläre<br />
Rettung des Klosterbergs <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Trouville-sur-Mer - Bäderarchitektur vom<br />
Feinsten <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Le Havre - Frankreichs neuestes<br />
Weltkulturerbe <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Camembert-Herstellung <strong>Nr</strong>. 3<br />
7 Bretagne<br />
• Belle-Ile-en-Mer - Raues<br />
Eiland im Atlantik <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Le Pays des Abers - Die Bretagne<br />
im Kleinformat mit Fjorden wie<br />
im hohen Norden <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Rennes - Geschichtsträchtig<br />
und weltoffen <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Nantes-Brest-Kanal - Und aus der<br />
Mitte entspringt ein Kanal <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Bretonische Lebensart - Mehr<br />
als nur Klischees? <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Genuss - Lichouseries, zuckersüße<br />
Köstlichkeiten aus der Bretagne <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Hotel - Grand Hôtel Barrière,<br />
Dinard <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Bretagne - Thalassotherapie: die<br />
heilsamen Kräfte des Meeres <strong>Nr</strong>. 2<br />
8 Atlantikküste<br />
• Saint-Nazaire - Der Blick nach vorne <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Ein Traumwochenende im Bordelais <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Cordouan - Das kleine Versailles im<br />
Atlantik <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Inseln - Ile de Noirmoutier und Ile d‘Yeu<br />
- das Leben vor der Küste <strong>Nr</strong>. 4<br />
• LaLeyre - « Wenn du die Region wirklich<br />
kennenlernen möchtest, interessiere dich<br />
für die Leyre...» <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Nantes - Eine Stadt organisiert<br />
ihre kulturelle Metamorphose <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Hossegor - Wo Architektur den<br />
legendären Ruf eines Seebades<br />
begründet <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Portraits - Salzbauern, Austernzüchter,<br />
Kiwiproduzenten, die Berufe entlang der<br />
Küste <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Hotel - Les Sources de Caudalie,<br />
Bordelais <strong>Nr</strong>. 3<br />
• Aquarium von La Rochelle <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Wein - Bordelais: Les Vignobles<br />
Peyvergès <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Bordeaux - Das Erwachen einer<br />
schlafenden Schönheit <strong>Nr</strong>. 1
nach Regionen geordnet:<br />
9 Zentralfrankreich /<br />
Pyrenäen<br />
• Erinnerungskultur - Versuch einer<br />
Zustandsbeschreibung am Beispiel<br />
von Oradour-sur-Glane <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Genuss - Roquefort, le roi<br />
des fromages <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Hotel - Hôtel Garonne, Toulouse <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Skifahren im Zentralmassiv - Land<br />
der erloschenen Vulkane <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Skifahren in den Pyrenäen - Bergkette<br />
zwischen zwei Meeren <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Land der Katharer - Von Foix nach<br />
Carcassonne <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Viadukt von Millau - Die Brücke über den<br />
Wolken <strong>Nr</strong>. 1<br />
10 Alpen / Rhone-Tal<br />
• Route des Grandes Alpes -<br />
Höhenrausch und Fernsicht <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Grenoble - Frankreichs Alpenmetropole<br />
auf Schönheitskur <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Evian, Thonon, Aix-les-Bains - Legendäre<br />
Kurbäder der Belle Epoque <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Yvoire - Mittelalterliches Flair<br />
am Genfer See <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Flusskreuzfahrt - Freizeitstress und<br />
Langsamkeit, Tagebuch einer<br />
Flusskreuzfahrt auf der Rhone <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Hotel - Hameau Albert 1er,<br />
Chamonix <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Wein - Die Wahrheit über den<br />
Beaujolais Nouveau <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Skifahren in den Nordalpen<br />
- Gebirge der Superlative <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Skifahren in den Südalpen - Dem<br />
Mittelmeer so nah <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Lyon - Eine Stadt entdeckt die Magie des<br />
Lichts <strong>Nr</strong>. 3<br />
11 Mittelmeerküste /<br />
Provence<br />
• Nizza - Kunst erobert die Stadt <strong>Nr</strong>. 11<br />
• Die Provence wie im Film - Auf<br />
den Spuren von «Jean Florette»<br />
und «Manons Rache» <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Flusskreuzfahrt - Freizeitstress und<br />
Langsamkeit, Tagebuch einer<br />
Flusskreuzfahrt auf der Rhone <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Luberon - Eine Reise zu den<br />
Farben der Provence <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Massif de la Sainte-Baume - Auf<br />
dem Dach der Provence <strong>Nr</strong>. 10<br />
• Camargue - Land zwischen Fluss und<br />
Meer <strong>Nr</strong>. 9<br />
• Hotel - HI, Nizza <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Cevennen - Das Rätsel der<br />
Höhle von Trabuc <strong>Nr</strong>. 7<br />
• Circuit du Var - Erste Formel-1-Fahrschule<br />
der Welt <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Musée du Désert - Auf den Spuren des<br />
eigenen Namens <strong>Nr</strong>. 6<br />
• Marseille - 10 Gründe, die Hafenstadt zu<br />
mögen <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Bambouseraie - Die Poesie eines 150 Jahre<br />
alten Bambusgartens <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Narbonnaise - Ein Morgen mit Gérard<br />
beim Aalfang... <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Hotel - Le Delos, Mittelmeerküste <strong>Nr</strong>. 4<br />
• Saint-Tropez <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Villages perchés - Wo Dörfer auf Gipfeln<br />
thronen <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Confiserie - Wo Blüten zu süßen<br />
Köstlichkeiten werden <strong>Nr</strong>. 2<br />
• Gastronomie - Calissons <strong>Nr</strong>. 2<br />
<strong>12</strong> Korsika<br />
• Calvi - Perle im Nordwesten Korsikas <strong>Nr</strong>. 8<br />
• Wenn Landstraßen zu Traumstraßen<br />
werden <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Städtevergleich - Bastia versus Ajaccio <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Gorges de la Restonica, Korsikas alpine<br />
Seite <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Mit der Eisenbahn durch Korsikas<br />
Bergwelt <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Restaurant - A Pineta <strong>Nr</strong>. 5<br />
• Hotel Casadelmar, Porto-Vecchio <strong>Nr</strong>. 1<br />
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Ausgabe <strong>Nr</strong>. 13 - Januar / Februar 2008 erscheint am 19. <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong><br />
98 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>
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