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Nr. 23 - September / Oktober 2009

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant Normandie: Abbaye de Jumièges Ardèche: ein Departement voller Überraschungen Rezept: Baba au rhum Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude
Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant
Normandie: Abbaye de Jumièges
Ardèche: ein Departement voller Überraschungen
Rezept: Baba au rhum
Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

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Zuckerrohrschnaps. Was für ein profaner Begriff für<br />

ein Getränk, das in uns Bilder von karibischer Sonne,<br />

Palmenküsten und relaxtem Lebensstil hervorruft.<br />

Guildive (vom englischen Kill-devil), Tafia oder Arack sind<br />

Bezeichnungen, die früher für das feurige Getränk gebräuchlich<br />

waren. Heute sprechen wir schlicht von: Rum.<br />

Der Legende nach soll ein Sklave zufällig darauf gestoßen<br />

sein, dass aus vergärtem Zuckerrohrsaft Alkohol<br />

gewonnen werden kann. Er hatte einen Becher Zuckerrohrsaft<br />

in der Sonne stehen lassen und wurde vom Alkohol<br />

überrascht, der sich gebildet hatte. Die<br />

Geschichte könnte durchaus stimmen,<br />

war der Rum doch lange der Alkohol<br />

der Sklaven auf den karibischen Inseln,<br />

die mit seiner betäubenden Wirkung<br />

ihre Lebensbedingungen zu verdrängen<br />

suchten.<br />

Häufig wird der Rum mit Kuba<br />

oder Mexiko in Verbindung gebracht.<br />

Dass Rum auch eine französische<br />

Spezialität ist, weiß man außerhalb<br />

Frankreichs kaum. Es ist der Rum von<br />

den Überseedepartements der karibischen<br />

Antillen und dem im westindischen<br />

Ozean gelegenen Departement<br />

La Réunion. Die Rumproduktion ist<br />

in den DOM (Départements d’Outre-<br />

Mer, dt. Überseedepartements) ein<br />

enormer Wirtschaftsfaktor, denn für<br />

viele Franzosen ist der wahre Rum<br />

natürlich der französische. Dabei geht<br />

die Rumproduktion der karibischen<br />

« Blumeninsel » Martinique zu 65 Prozent<br />

in den lokalen Konsum, während von dem Rum, der<br />

auf La Réunion produziert wird, der überwiegende Teil in<br />

den Export gelangt.<br />

Auf Martinique wird Rum im Gegensatz zu den meisten<br />

anderen Sorten nicht aus Zuckerrohrmaische hergestellt,<br />

sondern aus reinem Zuckerrohrsaft. Es ist der so<br />

genannte rhum agricole, der auf Martinique so sehr zum<br />

Alltag gehört, dass man ihn wohl als ein soziales Getränk<br />

bezeichnen muss. Kein Fest ohne Rum, kein Tanz ohne<br />

Rum, keine Beerdigung ohne Rum. Für jede Phase des Tages<br />

gibt es eine eigene Spezialität und wenn man möchte<br />

– und es verträgt –, kann man den ganzen Tag nur rumhaltige<br />

Getränke zu sich nehmen. Reinen Rum, Rum gemischt<br />

mit Wasser, Rum als Cocktail oder Rum als fruchthaltiger<br />

punch. Der Zuckerrohrschnaps gilt aber auch als Medizin<br />

und wird nicht nur zur Wunddesinfektion eingesetzt, sondern<br />

auch zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden<br />

und Kopfschmerzen und selbst zur Bekämpfung von Potenzproblemen.<br />

Die Rumproduktion auf La Réunion ist ebenfalls ein<br />

enormer Wirtschaftszweig, belegt der Rum doch Platz zwei<br />

der Ausfuhren von der Insel. Spezialitäten des Rums aus La<br />

Réunion sind der Versatz mit Kräutern, Rinden und Früchten.<br />

Das gibt dem Réunion-Rum seinen eigenen Geschmack,<br />

der sich von dem des Martinique-Rums deutlich unterscheidet.<br />

Letzterer reift vor allem in alten Bordeaux-Fässern und<br />

wird dadurch mit unverwechselbaren Aromen angereichert.<br />

Auf La Réunion produziert man allerdings noch ein erstaunliches<br />

Nebenprodukt aus Rum – und zwar Strom. Ein Sechstel<br />

des Strombedarfs der Insel wird aus den Abbauprodukten<br />

der Rumproduktion gewonnen. Dabei wird die Restmaische<br />

verfeuert, was pro Jahr das Verbrennen von 120.000 Tonnen<br />

Schweröl ersetzt. Ein Segen für die Umwelt.<br />

Unterscheidet man zwischen den<br />

beiden Produktionsweisen des rhum<br />

agricole und des rhum traditionnel<br />

(der etwa 90 Prozent der weltweiten<br />

Produktion ausmacht), so gibt es<br />

zusätzlich auch streng überwachte<br />

Qualitätsstufen der Rumsorten. Für<br />

den rhum agricole aus Martinique gibt<br />

es eine eigene AOC, die französische<br />

kontrollierte Herkunftsbezeichnung.<br />

Dabei wird genau unterschieden, wie<br />

lange der Rum gereift ist und ob er<br />

in einem Edelstahltank oder in einem<br />

Eichenfass gelagert wurde. Bei<br />

den Rumsorten, die länger als sechs<br />

Jahre gelagert wurden (meist in alten<br />

Bordeaux-Fässern), übersteigen die<br />

Flaschenpreise schnell einmal die 100<br />

Euro. Es ist der rhum hors d’âge. Der<br />

rhum blanc (dt. weißer Rum) braucht<br />

dagegen nur drei Monaten im Edelstahlfass<br />

gelagert werden. Der Rum<br />

von La Réunion wird zu großem Teil<br />

als Verschnitt in die ganze Welt verkauft. In Deutschland<br />

und Österreich stammt etwa die Hälfte des verarbeiteten<br />

Rums von La Réunion.<br />

So vielfältig die Gelegenheiten und Rezepte für den<br />

Zuckerrohralkohol sind, so vielfältig sind die Legenden, die<br />

sich um ihn ranken. Einst das Getränk der Sklaven, wurde<br />

er später zum Markenzeichen der Piraten in der Karibik.<br />

Was sich nach Abenteuerromantik anhören mag, hatte vor<br />

etwa 300 Jahren einen ernsten Hintergrund. Denn mit<br />

Rum machten die Freibeuter die Seeleute der Handelsschiffe<br />

betrunken, die vor den Karibikhäfen vor Anker lagen.<br />

So sehr betrunken, dass die Matrosen die Abfahrt ihrer<br />

Schiffe versäumten. Vor die Wahl gestellt, auf den Inseln zu<br />

versauern, oder sich von den Piraten rekrutieren zu lassen,<br />

schlugen sich die meisten auf die Seite der Banditen. Der<br />

perfide Trick wurde aber auch manch einem Piraten zum<br />

Verhängnis. Der Bande um den Seeräuber John Rackam<br />

kam die englische Marine 1720 auf die Schliche, weil die<br />

Piraten sich so sehr am Rum eines erbeuteten Schiffs gütlich<br />

taten, dass sie zu betrunken waren, um sich gegen die<br />

Verfolger zu verteidigen. Heute genießen wir den Rum zum<br />

Glück etwas gesitteter, mit dem Kuchen Baba au rhum zum<br />

Beispiel.<br />

Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong> · 85

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