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Nr. 23 - September / Oktober 2009

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant Normandie: Abbaye de Jumièges Ardèche: ein Departement voller Überraschungen Rezept: Baba au rhum Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude
Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant
Normandie: Abbaye de Jumièges
Ardèche: ein Departement voller Überraschungen
Rezept: Baba au rhum
Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

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Frankreich heute Versailles<br />

Es gibt nur wenige<br />

Schlösser weltweit, die<br />

prunkvoller sind als<br />

Versailles. Zweites Bild<br />

von unten: Spiegelsaal.<br />

Was haben Sie gefühlt, als Ihre Nominierung<br />

bekannt gegeben wurde?<br />

Ich habe dies als eine große Ehre empfunden.<br />

Die Chance und die Verantwortung<br />

zu bekommen, ein solch bedeutendes Kulturerbe<br />

Frankreichs, nein der Welt, führen<br />

zu dürfen, lässt einen natürlich nicht unberührt.<br />

Nachdem ich bereits eine andere<br />

Kultureinrichtung, das Centre Georges<br />

Pompidou, geleitet habe, wo es um moderne<br />

Kunst ging, finde ich mich nun inmitten<br />

von antiken Gegenständen mit neuen Herausforderungen<br />

und Fragestellungen wieder<br />

– eine aufregende Erfahrung.<br />

Außerdem liebe ich das Interdisziplinäre<br />

von Versailles: Das Schloss ist Museum,<br />

historisches Denkmal, Konzert ort,<br />

Forschungszentrum und Staatsgebäude in<br />

einem. Es ist ein kultureller Ort, an den<br />

man einlädt, wo man innovativ ist, forscht<br />

und nachdenkt. Wenn man hier ankommt,<br />

übermannt einen das Gefühl, dass man eine<br />

lange Geschichte erbt und man spürt die<br />

Last der historischen Verantwortung für<br />

diesen Ort.<br />

Ist es manchmal nicht schwierig, diese Last<br />

zu tragen?<br />

Wenn es Abend wird, die Besucher das<br />

Schloss verlassen und ich mich ganz allein<br />

im Spiegelsaal oder dem Schlafzimmer<br />

des Königs wiederfinde, dann spüre ich<br />

intellektuell und physisch die Dichte der<br />

Geschichte. Dieses Gefühl hat etwas sehr<br />

Sinnliches. Ich fühle mich aber nicht einsam.<br />

Ludwig XIV., Ludwig XV., Ludwig<br />

XVI., Marie-Antoinette, alle scheinen hier<br />

zu sein und mich in meiner Arbeit zu unterstützen.<br />

Wenn ich dann das Schloss verlasse und<br />

in den Garten gehe, um zu meiner Dienstwohnung<br />

zu gelangen, dann überkommt<br />

mich das Gefühl, am schönsten Ort der<br />

Welt zu sein. Wenn ich abends das Fenster<br />

meines Schlafzimmers öffne, um etwas frische<br />

Luft hereinzulassen, dann sehe ich das<br />

Schloss und die Kapelle im Dunkeln. Dann<br />

sage ich zu mir: « Junge, du hast wirklich<br />

Glück gehabt ». Man darf nicht vergessen,<br />

was für ein Privileg es ist, ein Schloss wie<br />

Versailles führen zu dürfen.<br />

Wird Versailles irgendwann alltäglich,<br />

wenn man hier arbeitet und sogar lebt?<br />

Versailles ist ein Anwesen, das sich stetig<br />

verändert. Das fängt schon ganz simpel mit<br />

dem Lauf der Jahreszeiten an. Die Gärten<br />

wirken in jeder Saison anders. Wenn sich der<br />

Winter ankündigt, verhüllen wir die Statuen<br />

mit Schutzhüllen. Das ist eine ganze andere<br />

Atmosphäre als im Frühling, wenn wir die<br />

Orangenbäume herausstellen. Versailles bezaubert<br />

immer wieder von neuem. Es gibt keine<br />

Routine.<br />

Versailles verleitet auch zum Träumen.<br />

Das Schloss ist wie eine große Schatzkiste,<br />

die glitzert und glänzt. Wenn Sie sich allein<br />

anschauen, wie viele Romane und Filme von<br />

Versailles inspiriert wurden. Auch Modeschöpfer<br />

sind davor nicht gefeit. Karl Lagerfeld<br />

kommt regelmäßig zum Fotografieren<br />

hierher. Ohne prätentiös sein zu wollen,<br />

Versailles ist Vorbild und Inspirationsquelle<br />

für viele Berufe und wurde dafür auch gebaut.<br />

Hier wurden etwa in der Herstellung von<br />

Möbeln und Dekorationsgegenständen Spitzenleistungen<br />

vollbracht. Auch das begeistert<br />

immer wieder von neuem und kann niemals<br />

alltäglich werden.<br />

Es gibt immer neue Aspekte zu entdecken.<br />

Wir haben die Verpflichtung, diese außergewöhnlichen<br />

Leistungen zu bewahren. Das<br />

kann nie ein ganz normaler Job werden.<br />

Zum Abschluss eine ganz andere Frage: Kennen<br />

Sie Deutschland?<br />

Ja, ich kenne aus familiären Gründen<br />

Deutschland sogar sehr gut. Meine Mutter<br />

und Großmutter wurden im Departement Moselle<br />

geboren, das vom Deutschen Reich annektiert<br />

worden war. Mein Großvater stammt<br />

aus dem Saarland. Ihre Kultur war also immer<br />

deutsch geprägt. Meine Mutter wurde am 16.<br />

<strong>September</strong> 1918 auf dem Gebiet des Deutschen<br />

Reiches geboren, um nach Ende des Ersten<br />

Weltkrieges Französin zu werden. Mein Vater<br />

kommt dagegen aus dem Béarn. Ich habe Vorfahren,<br />

die auf beiden Seiten der Schlachtfelder<br />

gefallen sind. Das fördert auf natürliche Weise<br />

ein gewisses Interesse für beide Länder und ein<br />

Gefühl der Verbundenheit, selbst wenn unsere<br />

Vergangenheit manchmal gewalttätig war.<br />

Doch selbst diese Gewalt macht unser gemeinsames<br />

Schicksal einzigartig. Davon bin ich<br />

überzeugt. Ich mag Deutschland von ganzem<br />

Herzen.<br />

Monsieur Aillagon, wir danken Ihnen für das<br />

Gespräch.<br />

74 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong>

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