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Nr. 23 - September / Oktober 2009

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant Normandie: Abbaye de Jumièges Ardèche: ein Departement voller Überraschungen Rezept: Baba au rhum Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude
Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant
Normandie: Abbaye de Jumièges
Ardèche: ein Departement voller Überraschungen
Rezept: Baba au rhum
Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

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Frankreich heute Versailles<br />

seiner Arbeit spricht, leuchten seine Augen.<br />

Man könnte ihm stundenlang zuhören. Oder<br />

einfach nur zuschauen, wie er mit äußerster<br />

Präzision und Vorsicht mit dünnen Goldblättchen<br />

hantiert. In Frankreich gibt es nur<br />

noch einen einzigen Hersteller, der diese<br />

Goldblättchen produziert. Geliefert wird das<br />

Gold direkt von der Banque de France.<br />

Die Arbeit mit dem Gold setzt ein besonderes<br />

Geschick voraus. Die Goldblätter<br />

sind derart fein, dass man sie nicht mit der<br />

bloßen Hand berühren darf. Sie würden bei<br />

Berührung sofort zerbröseln. Es bedarf also<br />

spezieller Werkzeuge, um mit dem Gold zu<br />

arbeiten, und einer Ablage mit einer ganz<br />

spezifischen Oberfläche. Diese besteht aus<br />

Tierhaut. Aber nicht aus irgendeiner, sondern<br />

aus der Haut eines totgeborenen Kalbes.<br />

Man fragt sich, wie die Vergolder je auf die<br />

Idee gekommen sind, diese Haut auszuprobieren,<br />

und wie dieses Wissen die Jahrhunderte<br />

überlebte.<br />

Wenn Laurent Heissier über seinen Beruf<br />

erzählt, weist er gerne daraufhin, wieviel<br />

Geduld und Ehrfurcht man dafür mitbringen<br />

muss. Im Anblick seiner Präzisionsarbeit<br />

glaubt man ihm das gerne. Allgemein heißt es,<br />

dass man rund sechs Monate braucht, bis man<br />

ein Goldblättchen richtig auftragen kann, aber<br />

viele Jahre, bis man wirklich vergolden kann.<br />

Für die Restaurierungsarbeiten versucht Laurent<br />

Heissier sich immer in die Situation des<br />

Erschaffers hineinzudenken und dessen Gesten<br />

nachzuahmen. Er hat großen Respekt vor der<br />

Leistung, die einst erbracht wurde. Während<br />

er sich an sein nächstes Werk macht, ertönt leise<br />

Musik aus einem kleinen Radio. Klassische<br />

Musik. Was hätte man auch sonst in dieser<br />

Werkstatt erwarten sollen.<br />

Die Empfangsdame: die<br />

Kunst der Gastfreundschaft<br />

Eines ist sicher, Marie-Claire Chennevière<br />

ist eine Frau, die weiß, wie man Gäste empfängt.<br />

Jedes Jahr begrüßt sie gemeinsam mit<br />

ihren Kollegen rund 10 Millionen Besucher in<br />

Versailles. Es ist nicht immer einfach, die Massen<br />

zu steuern und den täglichen Stress auszuhalten.<br />

Aber selbst wenn es hektisch zugeht,<br />

vergisst sie nie ihr freundliches Lächeln. Sie<br />

will damit Aggressivität und Spannungen, für<br />

die sie oft gar nichts kann, beispielsweise wenn<br />

es stark regnet oder wenn die Besucher unter<br />

heißem Wetter leiden,<br />

abbauen. Die<br />

Empfa n g s d a me<br />

weiß dabei von der<br />

besonderen Bedeutung<br />

ihrer Arbeit.<br />

Sie und ihre Kollegen<br />

sind die ersten<br />

Gesichter, die Versailles<br />

gegenüber<br />

den Touristen repräsentieren.<br />

Und<br />

bekanntlich ist<br />

der erste Eindruck<br />

ganz besonders<br />

wichtig.<br />

Stress ist natürlicher<br />

Bestandteil<br />

des Arbeitsalltags.<br />

Immer wieder gibt<br />

es Kollegen, die<br />

dem nicht gewachsen<br />

sind und um<br />

eine Versetzung<br />

auf einen ruhigeren Posten bitten, etwa ins<br />

Trianon. Aber Marie-Claire Chennevière<br />

will ihren Job nicht tauschen. Sie mag ihre<br />

Arbeit und den Kontakt zu den vielen Menschen.<br />

Dabei geht jeden Tag ein Schwall von<br />

nicht enden wollenden Fragen über sie<br />

her. Sie beantwortet diese mit Engelsgeduld<br />

– auf Französisch, auf Englisch, auf<br />

Italienisch oder auf Spanisch. Die häufigste<br />

Frage ist « Was kann man in Versailles<br />

besichtigen? », gefolgt von « Wie lange dauert<br />

die Besichtigung? ». Es ist gar nicht so<br />

einfach, diese Fragen kurz und treffend zu<br />

beantworten. Marie-Claire Chennevière<br />

muss erst herausfinden, was die konkrete<br />

Erwartungshaltung ist und wieviel Zeit ein<br />

Besucher zur Verfügung hat.<br />

Die meisten Besucher haben eine nur<br />

sehr unvollständige Vorstellung vom<br />

Schloss und seinem Park. Natürlich kennen<br />

sie ein wenig die Geschichte und<br />

wissen von der Bedeutung des Gebäudes.<br />

Auch haben sie gehört oder gelesen, dass<br />

die Anlage sehr groß ist. Aber die wenigsten<br />

sind sich bewusst, wie riesig sie wirklich<br />

ist. Wenn sie dann aber den Plan vom<br />

Schloss und seinem Park sehen, verstehen<br />

sie, warum man mindestens einen ganzen<br />

Tag braucht, will man alles sehen.<br />

Marie-Claire Chennevière hat in ihrer<br />

Karriere auch beobachtet, dass es nationa-<br />

72 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong>

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