Nr. 23 - September / Oktober 2009
Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant Normandie: Abbaye de Jumièges Ardèche: ein Departement voller Überraschungen Rezept: Baba au rhum Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern
Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude
Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant
Normandie: Abbaye de Jumièges
Ardèche: ein Departement voller Überraschungen
Rezept: Baba au rhum
Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern
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Frankreich heute Versailles<br />
hatte. Isabelle Penicaut wollte dieses Geheimnis<br />
enträtseln und unternahm ein paar<br />
Recherchen. Sie fand heraus, dass es sich<br />
um die Signatur des Künstlers handelte,<br />
einem Mann aus Burgund. Er wollte mit<br />
diesem Symbol seine Heimatverbundenheit<br />
zum Ausdruck bringen, denn die Schnecke<br />
steht offiziell für die Region Burgund. Es<br />
sind solche Geschichten, die Isabelle Penicaut<br />
den Besuchern erzählen kann, die diese<br />
sonst in keinem Reiseführer lesen würden.<br />
Selbst in ihrer Freizeit kommt die<br />
freundliche Aufpasserin manchmal nach<br />
Versailles. Sie bringt dann ihre Kinder mit,<br />
die ihr sogar ganz freiwillig ins Schloss<br />
folgen. Denn Isabelle Penicaut hat eine originelle<br />
Methode gefunden, sie für die Geschichte<br />
des Gebäudes zu interessieren. Sie<br />
fordert die Kinder in jedem Saal auf, nach<br />
Tieren in der Dekoration zu suchen. Es erscheint<br />
unglaublich, aber es gibt in der Tat<br />
überall zahlreiche Tierdarstellungen – auf<br />
dem Fußboden, an den Wänden oder an der<br />
Decke. Die goldene Schnecke im Bilderrahmen<br />
ist nur ein Beispiel.<br />
Die Tischlerei:<br />
ein Ort der Teamarbeit<br />
Der Unterhalt von Versailles ist kein einfaches<br />
Unterfangen. Eine ganze Heerschar<br />
von Handwerkern kümmert sich das ganze<br />
Jahr darum, die Anlage und ihre Schätze<br />
für die Nachwelt zu erhalten. Ein Teil von<br />
ihnen arbeitet für die Museumswerkstätten,<br />
die von Bertrand Rondot geführt werden. Diese<br />
Ateliers sind für den Erhalt des Schlosses<br />
und seiner Kunstsammlungen von ganz zentraler<br />
Bedeutung und vereinen Abteilungen und<br />
Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen.<br />
Darunter eine Tischlerei, zwei Experten für<br />
vergoldete Holzmöbel, einen Fachmann für die<br />
Restaurierung von Büchern und die Pflege von<br />
Kupfer und einen Spezialisten für Teppiche.<br />
Die Tischlereiabteilung ist in einem Gebäude<br />
gegenüber dem Schloss untergebracht,<br />
das auch kleiner Marstall genannt wird.<br />
Ihre Werkstatt ist aber mitnichten ein wildes<br />
Durcheinander, wie man sich das bei diesem<br />
Berufszweig ausmalen könnte. Alles wirkt sehr<br />
sauber und aufgeräumt, historische Arbeitsmittel<br />
stehen neben ultramodernen Maschinen. An<br />
einem Computer mit Internetanschluss können<br />
die Mitarbeiter zudem nach Ersatzteilen oder<br />
notwenigen Informationen für ihre Arbeit<br />
suchen. Der Altersdurchschnitt ist ebenfalls<br />
erstaunlich niedrig. Die meisten Tischler sind<br />
zwischen 30 und 35 Jahre alt. Es ist ein junges,<br />
dynamisches Team.<br />
Jeder der Mitarbeiter verfügt über spezielle<br />
Fertigkeiten, auch wenn sich die Ausgangspunkte<br />
der Karrieren ähneln. Denn am Anfang<br />
stand für alle ein schweres Auswahlverwahren,<br />
der concours des métiers d’art (dt. Auswahlverfahren<br />
der künstlerischen Berufe) des öffentlichen<br />
Dienstes. Hat ein Bewerber diesen Test<br />
bestanden, wird er je nach Stellensituation<br />
irgendwo in Frankreich eingesetzt. Die Tischler,<br />
die heute in Versailles werkeln, hatten also<br />
nicht unbedingt vor, hier zu arbeiten. Alle, die<br />
hierher kommen, merken aber sofort, dass diese<br />
Arbeitsstätte ein Ort ohnegleichen ist.<br />
In der Mitte<br />
der Werkstatt<br />
wird gerade ein<br />
Möbelstück vorsichtig<br />
demontiert.<br />
Es soll in Kürze<br />
nach Frankfurt<br />
am Main gebracht<br />
werden, wo man es<br />
im Rahmen einer<br />
großen Ausstellung<br />
zu André-<br />
Charles Boulle<br />
zeigen wird. Es<br />
ist ein sehr wertvolles<br />
Möbelstück.<br />
Die Mitarbeiter<br />
sind deshalb sehr<br />
konzentriert bei<br />
70 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong>