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Nr. 23 - September / Oktober 2009

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant Normandie: Abbaye de Jumièges Ardèche: ein Departement voller Überraschungen Rezept: Baba au rhum Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

Nîmes: Römische Baudenkmäler und mediterrane Lebensfreude
Périgord: auf den Spuren von Jacquou le Croquant
Normandie: Abbaye de Jumièges
Ardèche: ein Departement voller Überraschungen
Rezept: Baba au rhum
Versailles: Berufe mit Tradition in historischen Mauern

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Jean-Jacques Schpoliansky,<br />

Betreiber des Balzac<br />

Monsieur Schpoliansky, Sie bezeichnen sich selbst als<br />

Direktor und Unterhalter. Warum?<br />

Folgen Sie mir einfach einen Tag lang bei meiner<br />

Arbeit und Sie werden es schnell verstehen. Das<br />

Balzac ist ein kleines unabhängiges Kino. Wir sind<br />

ein Dutzend Leute, die den Kinobetrieb in Schichten<br />

à drei Personen zum Laufen bringen.<br />

Es gibt zwei Sichtweisen auf die heutige Zeit.<br />

Entweder man sagt, dass es dem Kino schlecht geht<br />

und dass die Multiplexe alles aufsaugen, oder man krempelt<br />

die Ärmel hoch und ist innovativ. Ich habe mich für den<br />

zweiten Ansatz entschieden. Für mich gibt es hinter dem<br />

Phänomen Kino ein Geheimnis, das man nie vergessen darf.<br />

Ein Kinosaal muss ein lebendiger Ort sein. Schließlich ist<br />

es ein Ort der Kultur. Man muss damit spielen. Wissen Sie,<br />

das ist ein wenig wie mit den Literatursalons im 18. Jahrhundert:<br />

Die Leute liebten es, sich zu treffen und über ihre<br />

kulturellen Vorlieben und Entdeckungen zu diskutieren.<br />

Für mich ist ein Kino genau das: Ein Ort des Austausches,<br />

ein Ort, wo sich kulturinteressierte Menschen treffen.<br />

Deshalb gebe ich mir eine doppelte Berufsbezeichnung.<br />

Neben dem Direktor bin ich auch Unterhalter.<br />

Sobald mehr als 20 Besucher im Kinosaal sitzen – zum<br />

Glück also sehr häufig –, gehe ich in den Saal und erzähle<br />

den Leuten von Neuigkeiten aus der Branche. Ich diskutiere<br />

mit ihnen auch über den Film, den sie sehen wollen,<br />

mache ihnen Lust darauf. Und es scheint zu funktionieren.<br />

Wir verkaufen mehr als 170.000 Eintrittskarten im Jahr.<br />

Was macht Ihr Kino besonders?<br />

Vieles! Vielleicht aber gerade die Tatsache, dass wir uns<br />

nicht als eine reine Abspielstätte von Filmen begreifen.<br />

Vielleicht auch, weil wir Filme aussuchen, die wir mögen<br />

und die wir deshalb mit unseren Besuchern teilen wollen.<br />

Oft muss ich darum kämpfen, die Filme zu bekommen,<br />

die ich gerne zeigen möchte. Oft wollen die Verleiher sie<br />

nur an die größeren Kinos geben. Wir zeigen also Filme,<br />

weil wir sie mögen und nicht, wie in anderen Häusern,<br />

weil sie hohe Einnahmen versprechen.<br />

Außerdem: Kennen Sie andere Kinos, in denen<br />

nach der Vorführung ein von Sterneköchen zubereitetes<br />

Abendessen serviert wird, bei dem 350 Menschen mit<br />

dem Teller auf den Knien speisen, um einen Moment der<br />

Gemeinschaft zu erleben? Zusammen mit anderen Kinos<br />

organisieren wir darüber hinaus Filmtage, an denen die<br />

Menschen verschiedene Filme in den diversen Sälen sehen<br />

und anschließend darüber diskutieren. All das macht das<br />

Balzac aus. Sie sehen, das ist mehr als ein simples Kino.<br />

Und zu unseren Besonderheiten gehört auch, dass viele<br />

Prominente gerne inkognito zu uns kommen. Sie wissen,<br />

dass wir ihren Wunsch nach Anonymität respektieren. Ich<br />

habe aufgehört, die Politiker, Schauspieler und Künstler<br />

zu zählen, die zu unseren Gästen gehören.<br />

Monsieur Schpoliansky, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.<br />

bracht ist – ein geradezu magischer Ort inmitten der hektischen<br />

Weltstadt, unweit vom Eiffelturm und Invalidendom.<br />

Das Gebäude war einst das Geschenk eines reichen Mannes<br />

an seine Ehefrau. Auf die nächste Vorführung wartet man<br />

hier in einem kleinen japanischen Garten bei – wenn man<br />

mag – einer Tasse Tee. Danach geht es in einen Saal mit<br />

Kronleuchtern, die man sonst aus vornehmen Salons kennt.<br />

Und da man sich hier in einem gut situierten Viertel der<br />

Hauptstadt befindet, weisen einem Platzeinweiser, die sich<br />

über ein kleines Trinkgeld freuen, den Weg. Entsprechend<br />

betucht und wohlgekleidet ist auch das Publikum. In der<br />

Pagode geht es um Kultur, nicht um Popcorn und Cola.<br />

Ganz anders ist das Ambiente dagegen im Osten von<br />

Paris, im Schatten der Büchertürme der neuen Nationalbibliothek.<br />

Das Multiplexkino « MK2 Bibliothèque » gehört<br />

zu den modernsten Lichtspielhäusern der Stadt, was sich<br />

bereits an der kühlen Architektur des Gebäudes erkennen<br />

lässt. Der besondere Clou des Kinos sind aber seine Sitze:<br />

So gibt es in den Sälen Doppelsitze für verliebte Paare,<br />

bei denen keine Armlehne beim Kuscheln stört. Manch<br />

ein Besucher fühlt sich so an die Kinobesuche in seiner<br />

Jugend erinnert. Schön ist in diesem Kino auch, dass<br />

selbst für wartende Besucher viel Platz zur Verfügung<br />

steht – keine Selbstverständlichkeit in Paris, wo man oft<br />

auf der Straße auf den nächsten Film warten muss, auch<br />

bei Regen. Außerdem bieten kulturorientierte Geschäfte<br />

ihr Sortiment an, so dass man Wartezeiten beispielsweise<br />

mit dem Stöbern nach DVDs überbrücken kann.<br />

Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong> · 39

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