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Nr. 71 - Sommer 2019

Normandie: an Bord der Marité von Granville zu den Chausey-Insel Alpen: Évian: das Gedächtnis des Wassers Morvan: eine Geschichte von Ammen und Pflegekindern Baskenland: Château d'Abbadia, eine Inspiration für den Wiederaufbau von Notre-Dame? Heinz Stahlschmidt: der Deutsche, der den Hafen von Bordeaux rettete Chantals Rezept: le gâteau basque

Normandie: an Bord der Marité von Granville zu den Chausey-Insel
Alpen: Évian: das Gedächtnis des Wassers
Morvan: eine Geschichte von Ammen und Pflegekindern
Baskenland: Château d'Abbadia, eine Inspiration für den Wiederaufbau von Notre-Dame?
Heinz Stahlschmidt: der Deutsche, der den Hafen von Bordeaux rettete
Chantals Rezept: le gâteau basque

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie<br />

Interview: Matthieu Alluin, Kapitän der Marité<br />

Matthieu Alluin ist ein jugendlicher<br />

Vierziger, der schon von<br />

klein auf mit der Welt der Navigation<br />

und des Segelns vertraut<br />

gemacht wurde. Als Kind segelte<br />

er mit seinen Eltern auf deren<br />

Segelboot. Diese Leidenschaft<br />

hat ihn seit damals niemals verlassen<br />

und sogar dazu bewegt,<br />

zunächst Segellehrer, dann<br />

Skipper, Berufsmatrose und<br />

schließlich Kapitän der Étoile de<br />

France, eines französischen<br />

Zweimasters aus dem Jahr<br />

1938, zu werden. Seit 2013 ist er<br />

Kapitän der Marité.<br />

Matthieu Alluin, es ist hinreichend bekannt, dass traditionelle<br />

Großsegler immer zum Träumen verleiten. Auf der Marité zu<br />

segeln, ist ein heiß ersehnter Wunsch vieler Seeleute. Sie kennen<br />

dieses Schiff nun seit mehr als sechs Jahren, ist es für Sie immer<br />

noch ein mythisches Schiff?<br />

Aber sicher. Selbst heute sage ich mir immer noch jedes<br />

Mal, wenn ich einen Fuß auf die Brücke setze, dass<br />

ich großes Glück habe, auf einem fast hundertjährigen<br />

Schiff zu arbeiten: einem Schiff mit einer erstaunlichen<br />

Vergangenheit, das in Neufundland auf Kabeljaufang ging<br />

und einen Weltkrieg überstanden hat. Allein aufgrund<br />

dieser außergewöhnlichen Geschichte ist es bereits eine<br />

Legende. Dabei wäre das Schiff mehrmals beinahe aufgegeben<br />

worden und auf dem Schiffsfriedhof gelandet, wie<br />

durch ein Wunder wurde es jedoch immer wieder gerettet.<br />

Jedes Mal konnte es schließlich seinen Weg über die Meere<br />

fortsetzen …<br />

Beim Segeln an Bord der Marité hat man den Eindruck, dass<br />

sich die Dinge im Grunde genommen nicht sehr verändert haben<br />

…<br />

Es freut mich, dass Sie dies bemerkt haben. Für uns<br />

Seeleute ist das im Grunde das Bewegendste an Bord. Jeden<br />

Tag stellen wir fest, dass in Sachen Ausrüstung und<br />

Technik seit 1920 quasi nichts Besseres erfunden wurde!<br />

Nehmen Sie beispielsweise die essenzielle Frage der Dichtigkeit<br />

von Rumpf und Deck: Auch heute kalfatert man<br />

nach wie vor die Zwischenräume zwischen den Holzlatten<br />

mit Werg – einer Flachsfaser – und Pech – einer Art norwegischem<br />

Teer. Genau so, wie man es schon vor hundert<br />

Jahren machte. Und ich kann Ihnen versichern, dass diese<br />

Technik optimal ist! Die Segelkonfiguration<br />

der Marité ist nach<br />

wie vor dieselbe wie zu der Zeit,<br />

als sie nach Neufundland zum<br />

Kabeljaufang segelte. Viele Dinge<br />

haben sich nicht verändert …<br />

Selbstverständlich haben wir heute<br />

Strom und Elektronik an Bord.<br />

Aber es ist nur allzu gut bekannt,<br />

dass ein GPS ausfallen kann. Deshalb<br />

besitzen wir immer noch die<br />

alten Karten und unseren guten<br />

alten Kompass. Im Übrigen nutzen<br />

wir den viel lieber als das GPS. Die<br />

ursprünglichen Dinge gibt es also<br />

nach wie vor.<br />

Welches sind Ihre schönsten Erlebnisse<br />

mit der Marité?<br />

Es gibt viele, und alle sind total<br />

verschieden. Die Marité sticht mehrmals pro Monat von<br />

ihrem Heimathafen Granville in See, oft im Zusammenhang<br />

mit wichtigen nautischen Veranstaltungen: Start von<br />

Regatten (Route du Rhum, Vendée Globe …), Treffen von<br />

Traditionsseglern, Festivals … Für solche Anlässe wird<br />

das Schiff von den jeweiligen Veranstaltern gechartert. Es<br />

verleiht diesen Events ein gewisses Prestige, die Organisatoren<br />

können zudem Besichtigungen für das Publikum<br />

organisieren oder es für Privatveranstaltungen vermieten.<br />

Ich würde dies als die « kaufmännische » Seite bezeichnen.<br />

In dieser Eigenschaft ist die Marité aber auch Botschafter<br />

der Normandie und des Ärmelkanals. Solche Veranstaltungen<br />

– vor allem Treffen von Großseglern – sind<br />

immer sehr schöne Erinnerungen. Doch ein besonderes<br />

Erlebnis ist für mich das Segeln auf offener See. Ich denke<br />

da beispielsweise an ganz unglaubliche Durchquerungen<br />

der Biskaya: 48 Stunden ohne Motor, die Marité nur<br />

vom Wind in den Segeln angetrieben, ein ganz ruhiges<br />

Meer … Glauben Sie mir, das sind magische Momente.<br />

Und doch ist es nicht zwangsläufig notwendig, weite<br />

Strecken zurückzulegen, um einzigartige Augenblicke zu<br />

erleben. Jedes Jahr kehren wir im <strong>Sommer</strong> in unseren Heimathafen<br />

zurück und organisieren diese halbtägigen oder<br />

ganztägigen Segeltörns zu den Chausey-Inseln. An einem<br />

Tag wie heute, mit einem strahlend blauen Himmel,<br />

Wind und einem ruhigen Meer ist das einfach großartig!<br />

In der Tat scheinen alle über die Geschwindigkeit verblüfft zu<br />

sein …<br />

So ist es! Selbst Menschen, die mit dem Segeln vertraut<br />

sind, sind in der Regel immer erstaunt darüber, wenn<br />

36 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2019</strong>

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