Nr. 62 - Frühling 2017
Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden ! Bretagne: Brest und Roscoff Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail
Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten
Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier
Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden !
Bretagne: Brest und Roscoff
Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs
Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Bretagne<br />
Vorherige und diese<br />
Doppelseite: Der Jardin<br />
exotique et botanique<br />
von Roscoff und das<br />
Gärtnerteam.<br />
Will man die Bretagne über ihre<br />
Gärten entdecken, so muss man<br />
sich abseits der ausgetretenen<br />
Pfade bewegen. Das ist nicht immer einfach,<br />
denn die Versuchung ist groß, sich<br />
ausschließlich von den Landschaften direkt<br />
am Meer, von wilden und ursprünglichen<br />
Küsten oder von Stränden mit<br />
feinem Sand verzaubern zu lassen. Besucht<br />
man jedoch bretonische Gärten, dann ist<br />
es, als würde man in eine Welt voller schöner<br />
Überraschungen treten, die dabei helfen,<br />
die Mentalität und die Kultur der<br />
Bretonen besser zu verstehen. Alle, die<br />
diese Erfahrung bereits gemacht haben,<br />
können das bestätigen.<br />
Ein Korn zu säen, eine Pflanze oder<br />
einen Baum großzuziehen, das ist nämlich<br />
so, als würde man ein bisschen von sich<br />
selbst preisgeben. Das heißt, neugierig zu<br />
sein, sich in Geduld üben zu können, etwas<br />
weitergeben zu wollen. Drei Charakterzüge,<br />
die den Bretonen schon immer<br />
eigen waren. Seit der Seehandel aufkam<br />
und sich in der Region entwickelte, brachten<br />
die bretonischen Seeleute Samen aus<br />
der ganzen Welt mit nach Hause, sei es in<br />
großen, für den Handel bestimmten Säcken,<br />
sei es, heimlich verborgen, in ihren<br />
Taschen. Zurück auf heimatlichem Boden<br />
haben einige von ihnen sie dann im Garten<br />
ausgesät, um zu experimentieren, und<br />
– Golfstrom sei Dank – diese haben oft<br />
ausgetrieben. Es ist heute sogar so, dass<br />
man nur schwer präzise angeben kann,<br />
wie viele Pflanzenarten tatsächlich schon<br />
immer hier heimisch waren und wie viele<br />
aus solchen Samenkörnern vom anderen<br />
Ende der Welt entstanden sind. Ein klassisches<br />
Beispiel hierfür ist die Hortensie<br />
– ihr botanischer Name lautet Hydrangea<br />
–, die bekanntlich der ganze Stolz der<br />
Bretonen ist. Ihre rosafarbenen, blauen<br />
oder weißen Blüten bilden wunderschöne<br />
üppige Hecken, die so gut<br />
mit den Granitsteinen von Häusern<br />
und Mauern harmonieren,<br />
dass sie quasi ein Symbol für<br />
die Region darstellen. Dabei<br />
stammt diese Pflanze<br />
ursprünglich aus Asien,<br />
wo sie vor allem in Japan<br />
nach wie vor kultiviert<br />
wird.<br />
Will man sich jedoch,<br />
abgesehen von diesen<br />
Pflanzen, die man überall in der Bretagne<br />
sehen kann, ein Bild davon machen, welchen<br />
Einfluss der Seehandel in Sachen<br />
Gartenbau und Pflanzenwelt hier schon<br />
immer gehabt hat, dann sollte man sich<br />
nach Brest begeben, genauer gesagt an<br />
einen Ort, der alleine schon aufgrund seiner<br />
geografischen Lage einen Besuch wert<br />
ist: das Vallon du Stang-Alar. Diese grüne<br />
Lunge der Stadt liegt nur wenige Schritte<br />
vom Stadtzentrum und dem Plage du<br />
Moulin Blanc entfernt. Hier, mitten in<br />
der Stadt, ist man von einer solch ausgedehnten<br />
Grünanlage wahrlich überrascht.<br />
Abgeschottet von Autoverkehr und Stadtlärm<br />
liegt eingebettet ein zwei Kilometer<br />
langer Grünstreifen, eine Art geschütztes<br />
« Miniaturtal » mit Seen, Wasserläufen,<br />
Felsen und einem 30 Hektar großen Park,<br />
in dem die Bretonen gerne mit der ganzen<br />
Familie spazieren gehen. Die Besonderheit:<br />
Es handelt sich dabei nicht, wie in so<br />
vielen anderen Städten, einfach « nur » um<br />
einen städtischen Park, sondern um einen<br />
richtigen, in die Stadt integrierten botanischen<br />
Garten. Er bietet die Gelegenheit,<br />
schnell – und kostenlos – dem Alltag zu<br />
entfliehen und verschiedenste Pflanzenwelten<br />
aus der ganzen Welt zu entdecken.<br />
Hier bewegt man sich beim Spaziergang<br />
auf den ausgeschilderten Wegen<br />
nicht zwischen Kastanienbäumen, Platanen<br />
und anderen Laubbäumen, die<br />
normalerweise die öffentlichen Parks im<br />
Norden Frankreichs bestücken, sondern<br />
man flaniert zwischen Bambus, riesigen<br />
Mammutbäumen, Baumfarn, Palmen,<br />
Kakteen und Eukalyptusbäumen. Es<br />
gibt zahlreiche Bänke, um den Ort zu<br />
genießen, was die Bretonen im Übrigen<br />
ausgiebig in Anspruch nehmen. Manche<br />
kommen sogar mit ihrem<br />
Musikinstrument hierher,<br />
was manchmal für angenehme<br />
Überraschungen<br />
sorgt, so wie es uns bei<br />
unserem Besuch ergangen<br />
ist, als wir auf eine Harfenspielerin<br />
gestoßen sind,<br />
die es sich unter einem<br />
Eukalyptusbaum bequem<br />
gemacht hatte.<br />
Auf unsere Frage hin<br />
erklärte sie uns, dass<br />
sie regelmäßig zum<br />
Üben hierher<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2017</strong>