Nr. 62 - Frühling 2017

Faszinierendes Le Havre! Schon 500 Jahre! Und doch ist es eine
Stadt, über die man letztendlich nur wenig weiß. Man könnte darauf
wetten, dass jetzt, so kurze Zeit vor den Feierlichkeiten dieses
runden Geburtstages, ihr nur wenige Besucher dieses Alter zuschreiben
würden – Franzosen sind dabei nicht ausgenommen. Kann man ihnen
dies aber übelnehmen? Wer kann sich denn heute beim Spaziergang
durch die breiten Straßen dieser « urbanen Experimentierstätte » mit der
in ihrer Art einzigartigen Betonarchitektur ernsthaft vorstellen, dass sie
von Franz I. (1494-1547) gegründet wurde? Dieser ordnete nämlich am
7. Februar 1517 die Schaffung eines « befestigten » Hafens an und unterzeichnete
am 8. Oktober desselben Jahres die Gründungsurkunde der
Stadt. Es war derselbe Franz I., der die schönsten der Loire-Schlösser
erbauen ließ und der die Renaissance in seinem Königreich auf ihren
Höhepunkt führte.
Doch Le Havre hatte bei der Geburt nicht das Glück, das dem
Loiretal beschieden war. Hier ging es nicht darum, die Kultur und
die französische Architektur in ihrem besten Licht zu zeigen, sondern
es ging vielmehr um ein strategisches Ziel: Im Norden der Seine-
Mündung sollte ein neuer Hafen entstehen, der den wachsenden wirtschaftlichen
Opportunitäten und den Anforderungen der Verteidigung
des Königreiches gerecht wurde. Allerdings wollte Franz I. die Dinge
gut machen: Getrieben von seiner Neugier und seiner Vorliebe für die
italienische Architektur vertraute er das Projekt für die Urbanisierung
und Befestigung des Ortes dem aus Siena stammenden Architekten
Girolamo Bellarmato (1493-1555) an. Dieser schuf eine Stadt, die um
die Rue Saint-Michel (die spätere Rue de Paris), das Bassin du Roy sowie
um die Viertel Notre-Dame und Saint-François herum ausgerichtet
Frankreich erleben · Frühling 2017 · 49