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Nr. 62 - Frühling 2017

Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden ! Bretagne: Brest und Roscoff Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail

Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten
Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier
Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden !
Bretagne: Brest und Roscoff
Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs
Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France<br />

Seite 42: Nithards Skelett, das in der Abtei aufbewahrt<br />

wird. Oben: Das Bild von Jean Jouvenet aus dem Jahr<br />

1690 zeigt Ludwig XIV. bei einer Krankenheilung; es ist<br />

in der Abtei zu besichtigen. Unten: Die wundersame<br />

Quelle der Könige im Kellergeschoss der Abtei.<br />

übersetzte er vier Sätze in Altfranzösisch, in Althochdeutsch<br />

und in Latein. Damit hatte Nithard nicht nur<br />

eine kulturelle Diversität erfunden, die später für Europa<br />

so wichtig wurde, sondern er war gleichzeitig der erste<br />

Schriftsteller der Geschichte, der in französischer Sprache<br />

schrieb. Als Richelieu (1585-1642) einige Jahrhunderte<br />

später, am 2. Januar 1635, die Académie Française gründete,<br />

wurden Nithards Serments de Strasbourg offiziell<br />

als Geburtsstunde der französischen Sprache anerkannt.<br />

Diese offizielle Anerkennung verhinderte jedoch in der<br />

Folge nicht, dass, wie Anne Potié uns erzählte, Frankreich<br />

die sterblichen Überreste von Nithard einige Jahrhunderte<br />

lang « verlegen » konnte. Dieser war beim Kampf<br />

vermutlich durch einen Schwertstreich, der ihm den<br />

Kopf zertrümmerte, getötet worden. 1989 wurden seine<br />

mutmaßlichen sterblichen Überreste unter dem Vorplatz<br />

der Abbaye de Saint-Riquier entdeckt und der Schädel<br />

für eine Expertise nach Paris geschickt. Von Anne Potié<br />

erfuhren wir, dass der Karton, an den ihr Fuß gestoßen<br />

war und der den fraglichen Schädel enthalten hatte, an die<br />

Anschrift der Abtei adressiert war. Das « Paket » war also<br />

nach Erstellung der Expertise zurückgeschickt worden.<br />

« Ganz einfach mit der Post, offensichtlich ohne irgendeine<br />

besondere Vorsichtsmaßnahme », bemerkte sie immer<br />

noch sichtlich erstaunt. Sie fuhr fort: « Hier angekommen<br />

landete der Karton anscheinend in einer Ecke, fand sich<br />

schließlich auf dem Speicher wieder … Wer weiß, warum<br />

… » Inzwischen wurden der Schädel und die Gebeine<br />

Nithards nummeriert und ruhen in einem gläsernen Sarkophag<br />

in der Abtei, bis sie irgendwann in eine andere<br />

Grabstätte umgebettet werden.<br />

Die wundersame Quelle der Könige<br />

Als ob die erstaunliche Entdeckung, welchen Beitrag<br />

Nithard, der Abt von Saint-Riquier, bei der Entstehung<br />

der französischen Sprache geleistet und welchen Anteil<br />

die Abtei als solche an der Entwicklung des europäischen<br />

Gedankens und der europäischen Kultur gehabt hatte,<br />

noch nicht ausreichen würde, lud Anne Potié uns ein, ihr<br />

zu folgen. « Und damit sind die Überraschungen noch<br />

nicht zu Ende! Folgen Sie mir! », sagte sie lächelnd zu uns.<br />

« Aber ich warne Sie, Sie müssen Stiefel anziehen, denn<br />

der Ort, an den wir uns begeben, ist ziemlich feucht. » Einige<br />

Zeit und einige Treppen später befanden wir uns im<br />

Kellergeschoss der Abtei und standen mit den Füßen im<br />

Wasser. Im Licht der Taschenlampen sahen wir, dass dieses<br />

ganz außergewöhnlich klar war. Die Situation war, gelinde<br />

gesagt, ziemlich irreal. « Wir befinden uns hier quasi<br />

unterhalb des Vorplatzes der Abtei », erklärte uns Anne<br />

Potié. « Das Wasser, das Sie hier fließen sehen, verlieh den<br />

französischen Königen eine ihrer wichtigsten Fähigkeiten,<br />

nämlich die Fähigkeit, durch Berühren eine wundersame<br />

Heilung zu erzielen. » Die Könige in Frankreich waren<br />

nämlich traditionsgemäß sogenannte « Wundertäter ».<br />

Wenn sie durch ihr Königreich reisten, präsentierte man<br />

44 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2017</strong>

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