Nr. 62 - Frühling 2017
Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden ! Bretagne: Brest und Roscoff Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail
Drôme: wandern auf den Spuren der Hugenotten
Baie de Somme: Die Abbaye de Saint-Riquier
Le Havre: 500 Jahre, das will gefeiert werden !
Bretagne: Brest und Roscoff
Elsass: Kirrwiller: 520 Einwohner und die drittgrößte Music Hall Frankreichs
Chantals Rezept: Poulet fermier basse température à l'ail
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ON LIT<br />
Kunst<br />
Das « wiederentdeckte » Skizzenbuch<br />
mit unveröffentlichten Zeichnungen van Goghs:<br />
Publicitygag oder unglaubliche Entdeckung?<br />
Im November des vergangenen Jahres haben mehrere Verlage<br />
auf der ganzen Welt (in Deutschland der Knesebeck-Verlag)<br />
zeitgleich ein ihrer Ansicht nach vielversprechendes Werk veröffentlicht:<br />
das kommentierte Faksimile einer Kladde mit 65 bisher<br />
unveröffentlichten Zeichnungen, die der holländische Maler Vincent<br />
van Gogh (1853-1890) während seines Aufenthalts in der<br />
Provence in den Jahren 1888 bis 1890 angefertigt haben soll. Die<br />
Publikation war bis zuletzt geheim gehalten worden und erfolgte<br />
mit einer organisatorischen Präzision, die fast an eine militärische<br />
Vorgehensweise erinnert. Initiator der Aktion war der französische<br />
Verlag Le Seuil. Das Buch weckte nicht nur eine lebhafte Neugier<br />
in der Kunstwelt, sondern sorgte auch sofort für viel Polemik. Zur<br />
allgemeinen Überraschung stellte das Van-Gogh-Museum in<br />
Amsterdam, das in dieser Hinsicht quasi als moralische Instanz<br />
gilt, bereits in den ersten Stunden nach der weltweiten Publizierung<br />
des Werkes die Authentizität der Skizzen infrage. Rückblick<br />
auf diese erstaunliche Veröffentlichung und ihre Hintergründe …<br />
Die Entdeckung einer Zeichnung, eines Bildes oder<br />
auch nur eines Schriftstückes von van Gogh ist<br />
heutzutage immer ein internationales Ereignis, das<br />
die Kunstwelt sofort aufrüttelt. Denn der Künstler hat der<br />
Nachwelt relativ wenige Werke hinterlassen, und diese sind<br />
zudem geografisch sehr konzentriert. Weltweit zählt man<br />
heute etwas mehr als 1000 Zeichnungen, die offiziell van<br />
Gogh zugeschrieben werden, von denen sich knapp die<br />
Hälfte im Besitz des Van-Gogh-Museums in Amsterdam<br />
befindet. Dieses besitzt darüber hinaus weltweit die meisten<br />
Gemälde dieses Künstlers (rund 200) und quasi seine<br />
gesamte Korrespondenz. Als dann am 15. November 2016<br />
bei der Veröffentlichung des Skizzenbuchs aus Arles publik<br />
wurde, dass dieses nicht nur eine, sondern gleich 65 bisher<br />
unveröffentlichte Zeichnungen enthält, die dem holländischen<br />
Künstler zugeschrieben werden, hat dies – man<br />
kann es sich gut vorstellen – auf internationaler Ebene für<br />
riesigen Aufruhr gesorgt …<br />
Die an der Veröffentlichung des Werkes beteiligten<br />
Verlage hofften offensichtlich auf den Erfolg des Ereignisses<br />
und hatten dies sehr, wirklich sehr ambitioniert<br />
vorbereitet: Die Koordination war perfekt und länderübergreifend<br />
abgestimmt; es gab simultan stattfindende<br />
Pressekonferenzen; auf Vorabdrucke war vollständig verzichtet<br />
worden; es gab strenge Vertraulichkeitsklauseln …<br />
Solche Vorkehrungen lassen die meisten Autoren vor Neid<br />
erblassen.<br />
Vor allem die Druckqualität sticht sofort ins Auge:<br />
Das Werk ist als schöner, großer Kunstband mit 288 reich<br />
bebilderten Seiten aufgemacht. Es ist das Faksimile eines<br />
Heftes – genauer gesagt « einer Kladde », eines Kassenbuches,<br />
in das man früher die täglichen Kassenvorgänge<br />
eintrug – in das van Gogh angeblich gezeichnet hat und<br />
das 120 Jahre in Vergessenheit geraten sein soll …<br />
Blättert man in diesem Buch, entdeckt man provenzalische<br />
Landschaften, viele Bäume, darunter die für diese<br />
Region im Süden Frankreichs so typischen Zypressen,<br />
Häuserfassaden, Dörfer, Wiesen im Sonnenlicht, auch<br />
einige Gesichter, die als Menschen präsentiert werden,<br />
die van Gogh vermutlich nahestanden, die er bei seinem<br />
Aufenthalt in der Provence – also zwischen seiner Ankunft<br />
in Arles im Februar 1888 und seiner Abreise aus<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2017</strong>