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Nr. 68 - Herbst 2018

Loire-Tal: Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten Corrèze: Les Tours de Merle: Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Picchu zu sein Ostfrankreich: Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei Vogesen: Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im Herzen der Vogesen Chantals Rezept: Die echte hausgemachte Mayonnaise

Loire-Tal: Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten
Corrèze: Les Tours de Merle: Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Picchu zu sein
Ostfrankreich: Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei
Vogesen: Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im Herzen der Vogesen
Chantals Rezept: Die echte hausgemachte Mayonnaise

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Grand Est / Bourgogne-Franche-Comté<br />

Christiane Taubira (1993-2012 Abgeordnete von Französisch-Guyana,<br />

2012-2016 Justizministerin), die das am<br />

10. Mai 2001 verabschiedete französische Gesetz, das die<br />

Anerkennung von Sklaverei und Sklavenhandel als Verbrechen gegen<br />

die Menschlichkeit anstrebt, im Wesentlichen initiiert hatte,<br />

veröffentlichte 2015 ein Buch mit dem Titel L‘esclavage raconté à ma<br />

fille (Editions Philippe Rey). Darin teilt sie mit dem Leser einen Dialog<br />

zwischen Mutter und Tochter über Sklaverei, Handel mit und<br />

Ausbeutung von Menschen, Kolonisierung und Freiheitskampf.<br />

Inmitten dieser facettenreichen und leidenschaftlichen Unterhaltung<br />

gibt es eine Passage, die besonders aufhorchen lässt. An<br />

einer Stelle nämlich will die Mutter den kritischen Geist ihrer<br />

Tochter fördern und fordert diese auf, das in der Schule Gelernte,<br />

beziehungsweise die Lehren der Gesellschaft im weitesten<br />

Sinne, zu hinterfragen: « Was hast du gelernt? Dass der<br />

brillante Schriftsteller und Humanist Condorcet […] ein<br />

herausragender Abolitionist war? Das hat ihn nicht daran<br />

gehindert, eine allmähliche Abschaffung vorzuschlagen, die<br />

sich über 66 Jahre hinziehen sollte! […] Mein Schatz, hast<br />

du gelernt, dass Mirabeau zwar die ‹ kolonialen Tyrannen,<br />

die den Negern den Stellenwert von Lasttieren zusprachen<br />

›, anprangerte und die Notwendigkeit, die Sklaverei<br />

abzuschaffen, bekräftigte, gleichzeitig aber aus erstaunlich<br />

egoistischen Motiven empfahl, dabei nur sukzessive vorzugehen,<br />

da ‹ die weißen Sklavenhalter wie üblich ins Mutterland<br />

zurückkehren und dabei all ihre Sitten, Gewohnheiten und<br />

Prinzipien mitbringen würden ›, und dies die in der Konstitution<br />

festgeschriebene Freiheit gefährden würde? […] Hast du gelernt,<br />

dass Voltaire überaus einträgliche Aktien an Unternehmen besaß,<br />

die im Sklavenhandel tätig waren – er, der immer die Macht der<br />

Ungerechtigkeit und die Gewalttätigkeit von Vorurteilen bekämpft<br />

hat? […] Hast du gelernt, dass die Geschäfte der im Sklavenhandel<br />

tätigen Reeder in den ehrenwerten Jahren der Revolution, zwischen<br />

1788 und 1793 am besten liefen? […] Hast du gelernt, dass<br />

die Revolution von 1789 die Sklaverei nicht abgeschafft hat, sondern<br />

dass sich erst der Nationalkonvent von 1794 dazu durchgerungen<br />

hat? […] Hast du gelernt, dass der große Napoleon Bonaparte,<br />

der Mann der Eroberungen, der Expedition nach Ägypten und des<br />

Code civil, in Sorge um die Interessen der Kolonisten […] 1802 die<br />

Sklaverei unverzüglich wieder eingeführt hat? … » […]<br />

« Das ist brutal! », antwortet ihre Tochter.<br />

« Natürlich ist das brutal. Das ist ein Angriff auf die Legende<br />

der Aufklärung », setzt die Mutter, Christiane Taubira, engagierter<br />

als jemals zuvor fort.<br />

« Die Legende der Aufklärung » … Dieser Begriff veranschaulicht,<br />

wie komplex die Beziehung eines Landes<br />

zu seiner Geschichte ist. Egal welchen Landes. Was ist<br />

noch historische Wahrheit, wo beginnt der Roman national,<br />

die « nationale Meistererzählung », wie man diesen<br />

typisch französischen Ausdruck am ehesten ins Deutsche<br />

übersetzen kann? Natürlich bezieht sich diese Fragestellung<br />

nicht nur auf Frankreich. Und doch ist sie in diesem Land<br />

besonders legitim, da die universelle Bedeutung der Französischen<br />

Revolution und der Erklärung der Menschenund<br />

Bürgerrechte zwangsläufig einen Einfluss auf die<br />

Darstellung der Geschichte des Landes hatte. Was also<br />

50 · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2018</strong>

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