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Nr. 68 - Herbst 2018

Loire-Tal: Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten Corrèze: Les Tours de Merle: Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Picchu zu sein Ostfrankreich: Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei Vogesen: Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im Herzen der Vogesen Chantals Rezept: Die echte hausgemachte Mayonnaise

Loire-Tal: Eine faszinierende Reise ins Land der Troglodyten
Corrèze: Les Tours de Merle: Das Gefühl, in der Inkastadt Machu Picchu zu sein
Ostfrankreich: Vorreiter bei der Abschaffung der Sklaverei
Vogesen: Eine Fotoausstellung unter freiem Himmel im Herzen der Vogesen
Chantals Rezept: Die echte hausgemachte Mayonnaise

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ausfindig gemacht, von der man bisher schätzungsweise nur ein Drittel der Gänge<br />

entdeckt hat. Bei der Besichtigung entsteht das Gefühl, als sei die Zeit urplötzlich in<br />

einer Epoche stehengeblieben, in der man hier noch Muschelsandstein abbaute. Nach<br />

heutigen Berechnungen wurden dort 25 000 bis 30 000 Sarkophage hergestellt, alle<br />

vier Tage einer. Um eine Vorstellung von der kolossalen Arbeit zu haben, muss man<br />

wissen, dass ein solcher Steinsarg rund eine Tonne wog.<br />

Von dieser aufwändigen Arbeit, Steinsärge aus dem Muschelsandstein zu hauen,<br />

konnten mehrere Jahrhunderte lang zahlreiche Familien leben. Die Stätte Le Mystère<br />

des Faluns hat gezeigt, dass der Abbau von Steinen für den Bau von Häusern dazu<br />

beitrug, die Lebensbedingungen der Bewohner dieser Region entscheidend zu verbessern.<br />

Damit ist aber die Bedeutung des Muschelsandsteins in dieser Gegend noch<br />

lange nicht abschließend behandelt. Einige Kilometer entfernt verdankt ein ganzes<br />

Höhlendorf dem Stein seine Existenz: Rochenmenier.<br />

Nicht nur eine Höhle, sondern ein ganzes Höhlendorf<br />

Die Erkundung von Rochenmenier ist erstaunlich. Die Gassen und die Kirche erwecken<br />

auf den ersten Blick den Eindruck, dass es sich um ein hübsches, friedliches<br />

Dorf in der Ebene handelt, wie es hier so viele gibt. Doch in Rochenmenier spielte sich<br />

das Wichtigste unter der Erdoberfläche ab. Wie das sechs Kilometer südöstlich liegende<br />

Doué-en-Anjou zeichnet sich auch dieses Dorf dadurch aus, dass es auf einer Ader aus<br />

Muschelsandstein liegt. Die Bewohner von Rochenmenier bauten das Gestein ebenfalls<br />

ab, wenn auch auf andere Art. Die meisten waren Bauern und begannen damit,<br />

einen Hof anzulegen, der meist auch einen Garten enthielt. Durch das Hacken wurde<br />

aus dem Hof schnell eine Art Steinbruch unter freiem Himmel, von dem aus man<br />

unterirdische Wohnungen in den Muschelsandstein grub. Sie boten Platz für die sich<br />

vergrößernde Familie, dienten als Stallungen für Tiere oder als Scheunen zum Lagern<br />

landwirtschaftlicher Gerätschaften. Da sich die Bauern von Rochenmenier nicht an der<br />

Oberfläche ausbreiten konnten, erweiterten sie ihren Betrieb einfach unterirdisch.<br />

So wurden zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert in dem Dorf auf rund 40 Bauernhöfen<br />

nach und nach 250 unterirdische Höhlen gegraben. Im Laufe der Zeit entstand<br />

ein beeindruckendes Höhlendorf, das umfangreichste dieser Region, von dem<br />

es heute noch schöne Zeugnisse gibt, wie die beiden Höfe aus der Zeit Ende des 17./<br />

Anfang des 18. Jahrhunderts, in denen sich nun das Musée Village Troglodytique de<br />

Rochemenier befindet. Die Besichtigung dieser außergewöhnlichen Stätte ist ein angenehmer<br />

Spaziergang durch rund 20 Höhlen – die auf einem Areal von einem Hektar<br />

verteilt sind –, bei dem man die in gewisser Weise « labyrinthische » Anordnung dieser<br />

Höfe nachvollziehen kann. Scheunen, Weinkeller, Ställe, Schlafzimmer, Höfe, sogar<br />

eine unterirdische Kapelle, sind durch ein Netz von Wegen verbunden, die teils unter<br />

freiem Himmel verlaufen, teils in den Fels gehauen wurden. Vermutlich versteht man<br />

gerade an diesem Ort die spezifische Organisation eines Höhlendorfes am besten.<br />

Und doch kann man bei einem Besuch in dieser Region noch weiter gehen und die<br />

Gelegenheit nutzen, das Höhlenleben selbst auszuprobieren. Dazu begebe man sich<br />

ins einige Hundert Meter entfernte Hotel Rocaminori …<br />

Im Musée Troglo in Rochenmenier<br />

kann man sich das Leben in diesen<br />

Höhlenwohnungen vor Augen führen,<br />

die untereinander durch Öffnungen<br />

verbunden sind. Auch hier beeindrucken<br />

einige Räume durch ihre Größe.<br />

Ein kuscheliges Nest im Felsen<br />

Was für eine tolle Erfahrung, eine Nacht in diesem « Höhlenhotel » mit allem<br />

Komfort zu verbringen! Dies beginnt bereits bei der Ankunft: Wie für dieses Dorf<br />

typisch, befindet sich der Eingang « oben ». Über einen abfallenden Weg gelangt man<br />

zu Fuß nach unten in den ehemaligen Tagebau-Steinbruch, an den heute die verschiedenen<br />

Bereiche des Hotels und die beiden Restaurants angrenzen.<br />

Alles begann im April 1991 mit einem Steinmetz, der eine Leidenschaft für den<br />

typischen Muschelsandstein hegte. Er besaß eine kleine Höhlenwohnung, die er zu<br />

seinem Vergnügen sukzessive ausgebaut hatte. Ihm kam der Gedanke, diese für die<br />

Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ein paar Kleinigkeiten zum Essen anzu-<br />

Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2018</strong> · 33

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