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BIBER 04_20 Ansicht+Hyperlink

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Österreichische Post AG; PZ 18Z<strong>04</strong>1372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

„MEINE<br />

HEBAMME<br />

WIRD<br />

MASKE<br />

TRAGEN“<br />

APRIL<br />

<strong>20</strong><strong>20</strong><br />

Hip-Hop Ballkönigin Sajeh<br />

Tavasolie über Geburt in<br />

Zeiten von Corona<br />

+<br />

RAAB IN ZAHLEN<br />

+<br />

CORONAHELDEN<br />

+<br />

EIN LAPTOP FÜR<br />

SIEBEN GESCHWISTER<br />

+<br />

EXKLUSIV: HILFERUF EINER KROATISCHEN PFLEGERIN


Schau<br />

auf dich,<br />

bleib<br />

zu Hause!<br />

Es gibt nur 4 Gründe, hinauszugehen:<br />

• unaufschiebbare berufliche Tätigkeiten<br />

• dringend notwendige Besorgungen wie Lebensmittel<br />

• Hilfe für Mitmenschen oder die Allgemeinheit<br />

• Bewegung im Freien alleine oder mit Mitbewohnern –<br />

mit einem Mindestabstand von 1m zu allen anderen<br />

So schützen wir uns:<br />

Indem wir zu Hause bleiben, schützen wir uns und andere vor<br />

einer Ansteckung. Die eigenen vier Wände sollten deshalb nur<br />

im akuten Notfall verlassen werden, damit wir eine weitere<br />

Ausbreitung verhindern. #schauaufdich


3<br />

minuten<br />

mit<br />

Erzsebet<br />

Hummer<br />

Die Corona-Krise hat<br />

gezeigt, welche Berufe unser<br />

System wirklich am Laufen<br />

halten. Neben Angestellten<br />

im Gesundheitswesen sind<br />

das vor allem Supermarktmitarbeiter*innen.<br />

Erzsebet<br />

Hummer ist eine von ihnen.<br />

Von Hannah Jutz; Foto: Zoe Opratko<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag<br />

seit der Coronakrise verändert?<br />

ERZSEBET HUMMER: Es ist ein furchtbar<br />

beklemmendes Gefühl, den ganzen<br />

Tag die Maske zu tragen. Ich bekomme<br />

schlecht Luft, habe ständig Kopfweh<br />

und es ist schwieriger, persönlichen<br />

Kontakt zu halten. Ich hoffe, das alles<br />

ist bald vorbei und ich kann das Gesicht<br />

von den Kunden wieder sehen. Die<br />

Stimmung unter den Mitarbeitern ist<br />

aber gut, wir bekommen Gratiskaffee<br />

und sind durch Handschuhe und Desinfektionsmittel<br />

gut geschützt.<br />

Wie verhalten sich die Kunden Ihnen<br />

gegenüber?<br />

Die meisten sind sehr dankbar und<br />

freundlich. Es gibt aber Menschen, die<br />

die Situation nicht ernst nehmen oder<br />

unhöflich sind. Ich versuche, meine<br />

Freundlichkeit aufrechtzuerhalten und<br />

ich erwarte keine Dankbarkeit von<br />

ihnen. Aber mehr Respekt wäre schön.<br />

Ich habe meinen 10-jährigen Sohn seit<br />

drei Wochen nicht gesehen, weil ich<br />

durch meine Arbeit ein Risiko für ihn<br />

bin. Er hat Lungenprobleme und ist<br />

jetzt bei meinen Schwiegereltern. Aber<br />

ich arbeite trotzdem, weil sonst nichts<br />

mehr funktioniert. Wir sitzen alle in<br />

einem Boot und müssen aufeinander<br />

aufpassen.<br />

Hamstern die Leute wirklich so viel<br />

Klopapier?<br />

Das mit dem Klopapier hat sich verbreitet<br />

wie ein Lauffeuer, sogar mein Mann<br />

hat welches gekauft (lacht). Die Hamstereinkäufe<br />

waren Wahnsinn, es gab<br />

ewig lange Schlangen, manche sind mit<br />

der Gasmaske einkaufen gekommen –<br />

sowas habe ich noch nicht erlebt. Jetzt<br />

hat es sich normalisiert, man merkt<br />

aber, dass die Leute mehr haltbare<br />

Lebensmittel und Alkohol kaufen.<br />

Ärgert es Sie, dass die meisten Menschen<br />

zuhause sitzen und Sie arbeiten<br />

müssen?<br />

Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen<br />

vereinbaren, zuhause zu bleiben.<br />

Das würde ich nicht aushalten. Ich<br />

mache meine Arbeit gerne und habe<br />

sie mir ausgesucht. Jeder Mensch ist<br />

in seinem Bereich wichtig, egal wo man<br />

arbeitet. Jetzt sind eben wir an der<br />

Reihe.<br />

Durch die aktuelle Situation ist eine<br />

Diskussion um die Bezahlung systemrelevanter<br />

Jobs losgetreten worden<br />

– denken Sie, dass sich nach der Krise<br />

etwas ändern wird?<br />

Ich finde es gut, dass die Menschen<br />

jetzt sehen, wie wichtig unsere Arbeit<br />

ist. Ich kriege mein Gehalt und wenn<br />

was dazu kommt, freue ich mich natürlich.<br />

Aber ich erwarte nichts. Diese<br />

Zeit hat auch etwas Positives: Alles ist<br />

auf das Wesentliche reduziert und die<br />

Natur erholt sich. Wir haben nur eine<br />

Erde und entscheiden, was mit uns<br />

passiert.<br />

Alter: 49<br />

Beruf Supermarkt-Kassiererin<br />

Besonderes: Arbeitet seit <strong>20</strong> Jahren als<br />

Kassiererin bei Spar und bedient dabei<br />

mehrere hundert Kunden täglich.<br />

/ 3 MINUTEN / 3


3 3 MINUTEN MIT<br />

EINER SPAR-KASSIERERIN<br />

Eine Heldin unseres neuen Alltags im Interview.<br />

8 UNSER CORONA TAGEBUCH<br />

Die biber Redaktion reflektiert über das<br />

Arbeiten von Zuhause und wie ein Magazin<br />

aus den Wohnzimmern entstanden ist.<br />

12 IVANAS WELT<br />

Am ganzen Balkan wird derb unter der<br />

Gürtellinie geflucht. Warum es trotzdem<br />

schwer ist, über Sex zu reden.<br />

POLITIKA<br />

14 „VERGESST UNS NICHT!“<br />

Der Hilferuf einer kroatischen<br />

24-Stunden-Pflegerin.<br />

18 INTERVIEW IN ZAHLEN<br />

MIT SUSANNE RAAB<br />

Biber fragt in Worten, Integrations- und<br />

Frauenministerin Susanne Raab antwortet in<br />

Zahlen.<br />

<strong>20</strong> „WER ÜBT MIT DEN<br />

KINDERN JETZT DEUTSCH?“<br />

Viele Menschen auf engem Raum, kein eigener<br />

Laptop – über die Herausforderungen des<br />

Home-Learnings in sozial schwachen Familien.<br />

24 DIGITALE INTEGRATION<br />

ÖIF-Direktor Franz Wolf darüber, wie<br />

Integrationsarbeit in Zeiten von Corona<br />

funktionieren soll.<br />

RAMBAZAMBA<br />

26 LIZENZ MIT SUPERKRAFT<br />

Können Corona-Genesene unsere neuen<br />

Superhelden werden? Chefredakteurin Delna<br />

Antia-Tatić über die Vision vom „Corona-Pass“.<br />

18<br />

„FRAU RAAB, WIE VIELE ROLLEN KLOPAPIER<br />

HABEN SIE ZUHAUSE?“<br />

Die Frauen- und Integrationsministerin hat<br />

10 Klopapierrollen zuhause gehortet.<br />

32<br />

SCHWIERIGE<br />

GEBURT<br />

Sajeh Tavasolie über<br />

Geburt in Zeiten<br />

von Corona.<br />

IN<br />

30 KLIMAAKTIVISMUS<br />

IN DER PANDEMIE<br />

Klimaaktivistin Imeh Ituen über die fehlende<br />

Auseinandersetzung mit Rassismus und<br />

Ausbeutung in der Klimadebatte.<br />

32 „MEINE HEBAMME WIRD<br />

MASKE TRAGEN.“<br />

Hip-Hop-Ballorganisatorin Sajeh Tavasolie<br />

in einem intimen Gespräch über Geburt in<br />

Zeiten von Corona, Insta-Fame und Selbstbestimmung.


38 HEY BABY!<br />

Homeoffice und ein quengelndes Baby<br />

vertragen sich nicht.<br />

39 „BEI UNS FÄHRT NIEMAND<br />

MIT DEM FAHRRAD.“<br />

Spielt in migrantischen Familien Umweltschutz<br />

keine Rolle? Ein Erklärungsversuch.<br />

HALT APRIL<br />

<strong>20</strong><strong>20</strong><br />

39<br />

14<br />

FAHRRAD WOZU?<br />

Warum migrantische Familien beim<br />

Umweltschutz andere Prioritäten haben.<br />

DIE<br />

VERGESSENEN<br />

PFLEGEKRÄFTE<br />

Die geschlossenen<br />

Grenzen führten<br />

zahllose Pflegerinnen<br />

in eine ausweglose<br />

Situation.<br />

Andreas Wenzel BKA, Zoe Opratko, Sophie Kirchner, Cover: Sophie Kirchner<br />

44 ÜBER TOTE KINDER<br />

SPRICHT MAN NICHT<br />

Tabuthema Fehlgeburt: Drei Frauen teilen ihre<br />

Erfahrungen.<br />

LIFE & STYLE<br />

48 LIFE & STYLE<br />

Nachhaltige Atemschutzmasken und DIY-<br />

Beauty-Tipps<br />

KARRIERE<br />

50 HELD OHNE GELD<br />

Von Applaus allein wird niemand satt.<br />

51 FREIWILLIGE QUARANTÄNE<br />

53 Wien Energie Mitarbeiter wohnen freiwillig<br />

vier Wochen lang in Müllverbrennungsanlagen.<br />

Wir sprachen mit einem von ihnen.<br />

52 „OLIVENÖL WAR EIN<br />

WICHTIGER TEIL MEINER<br />

KINDHEIT.“<br />

Özlem Bulut ist Sopranistin und verkauft ganz<br />

nebenbei noch fair produzierte Olivenprodukte.<br />

TECHNIK<br />

55 NICHTS ZU SMILEN<br />

Jedes Jahr gibt es mehr und mehr Emojis.<br />

Kolumnist Adam Bezeczky sagt deshalb:<br />

Unsere Sprache ist schön, nutzt sie mehr!<br />

KULTUR<br />

58 KULTURA NEWS<br />

Ein Nachruf auf den kürzlich verstorbenen<br />

Musiker Gabi Delgado von Nada El-Azar.<br />

60 DEM VIRUS IST DEINE<br />

HAUTFARBE EGAL<br />

Jad Turjman über das große Potenzial, dass in<br />

Krisen wie Corona steckt.<br />

62 TODOR


Liebe Leserinnen und Leser,<br />

machen wir doch eine „Corona-negativ“ Ausgabe? Content ohne Virus – eine<br />

Auszeit vom Ausnahmezustand. Manch ein Redakteur wünschte sich Illusion<br />

statt Realität. Psychologisch verständlich, aber geht natürlich nicht. Wie die<br />

ganze Welt hat Corona auch den biber-Kosmos einmal umgekrempelt. „Normal“<br />

war leider gestern.<br />

Das fängt bei uns in der Redaktion an. Seit Freitag, den 13. März, war keiner von<br />

uns mehr dort. Stattdessen kramten wir unsere veralteten Skypenamen hervor<br />

und treffen uns seither verpixelt im Konferenzmodus. Was am Anfang noch<br />

(schau)lustig war – aha, so bist du eingerichtet, aha das ist also die Farbe deines<br />

Bademantels – ist spätestens jetzt kurz vor Druck dieser Ausgabe anstrengend.<br />

Wie effizient Mittagspausen und Rauchertreffen für den Job sind, weiß man<br />

erst im Nachhinein zu schätzen.<br />

„<br />

Ihr Sohn hat Lungenprobleme<br />

und lebt nun bei den Schwiegereltern.<br />

Vom stundenlangen<br />

Masketragen bekommt sie<br />

Kopfschmerzen. Und trotzdem<br />

ist es für die Supermarktkassiererin<br />

unvorstellbar, deswegen<br />

nicht arbeiten zu gehen. Das<br />

„3min“-Interview auf Seite 3<br />

zeigt, wie dankbar wir alle für<br />

Menschen wie Erzsebet hier in<br />

Österreich sein können.<br />

Delna Antia-Tatić, “<br />

Chefredakteurin<br />

Dass die Corona-Krise gerade die biber-Community betrifft, zeigen unsere<br />

Recherchen. Weil die kroatische 24h-Pflegerin Valerija Kositer ihren<br />

90-jährigen Patienten in Wien nicht allein ließ, weiß sie nicht, wann sie ihre<br />

Familie in Kroatien wiedersehen kann. Die Geschichte und ihr Hilferuf an die<br />

Politik ab Seite 14.<br />

Auch auf Hilfe angewiesen wären Kinder und Jugendliche, die unter wahrhaft<br />

erschwerten Bedingungen „e-lernen“ müssen: Sie teilen sich mit fünf<br />

Geschwistern den einzigen PC, haben kein eigenes Zimmer und können sich<br />

nicht konzentrieren, weil die Eltern zu laut fernschauen. Ab Seite <strong>20</strong>.<br />

Aber auch das Leben einer Ballkönigin wird von Corona umgekrempelt:<br />

Sajeh Tavasolie muss nicht nur ihr „Baby“, den Hip-Hop-Ball, absagen. Die<br />

hochschwangere Influencerin erwartet im April ihr Kind und erzählt im biber-<br />

Cover-Interview von Geburt im Ausnahmezustand.<br />

Ab Seite 32.<br />

Spätestens jetzt fällt auf, wie weiblich diese Ausgabe ist. Passenderweise haben<br />

wir die Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab im „Interview in<br />

Zahlen“ befragt: Wie viele feministische Freundinnen besitzen Sie, und by the<br />

way, wie viele Klopapierrollen? Ab Seite 18.<br />

Keine Sorge, ihr findet aber auch Seiten in dieser Ausgabe, die tatsächlich<br />

„negativ“ sind und das Wort Corona nicht enthalten. Aber die müsst ihr selber<br />

suchen.<br />

In diesem Sinn, bleibt gesund, bleibt zuhause und konsumiert Lesestoff „mit<br />

scharf“ – aber erst nach dem Hände waschen!<br />

Bussis mit Maske,<br />

Eure biber-Redaktion<br />

Marko Mestrović<br />

6 / MIT SCHARF /


IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21, Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070<br />

Wien<br />

HERAUSGEBER<br />

Simon Kravagna<br />

CHEFREDAKTEURIN:<br />

Delna Antia-Tatić<br />

STV. CHEFREDAKTEUR:<br />

Amar Rajković<br />

CHEFiN VOM DIENST:<br />

Aleksandra Tulej<br />

LEITUNG NEWCOMER:<br />

Amar Rajković & Aleksandra Tulej<br />

FOTOCHEFIN:<br />

Zoe Opratko<br />

KOLUMNIST/IN:<br />

Ivana Cucujkić-Panic, Todor Ovtcharov, Jad Turjman<br />

REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />

Adam Bezeczky, Nada El-Azar, Andrea Grman, Sophie<br />

Kirchner,Jelena Pantić- Panić, Anna Jandrisevits, Hannah Jutz, Jara<br />

Majerus<br />

CONTENT CREATION, CAMPAIGN<br />

MANAGEMENT & SOCIAL MEDIA<br />

Aida Durić<br />

BRANDED CONTENT & DIGITAL CONSULTING:<br />

Timea Zawodsky<br />

CORPORATE SOCIAL INNOVATION:<br />

Andrea Grman (karenziert)<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Wilfried Wiesinger<br />

REDAKTIONSHUND:<br />

Casper<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

Tel: +43/1/ 9577528 redaktion@dasbiber.at marketing@<br />

dasbiber.at abo@dasbiber.at<br />

WEBSITE: www.dasbiber.at<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LEKTORAT: Birgit Hohlbrugger<br />

Die f<br />

leischlo<br />

s e Kolumne von Zina Sayed<br />

BEZAHLTE ANZEIGE<br />

Schöner als Döner<br />

Salome Dorner<br />

STREETFOOD FÜR’S<br />

HOME-OFFICE<br />

Zugegeben, ich habe ein kleines Gemüselaibchen-Trauma.<br />

In jedem Gasthaus sind sie der Star auf der vegetarischen<br />

Auswahl an Speisen, aber werden letztlich doch häufig liebund<br />

geschmacklos serviert. Aber noch wollte ich die Laibchen<br />

nicht aufgeben, denn alles hat eine zweite Chance verdient<br />

(außer Lakritze). Bei Spar Gourmet sprangen mir die veganen<br />

Bio-Laibchen Mediterran sofort ins Auge: Optisch sehen sie<br />

würzig aus, statt der altgedienten Albtraum-Kombination aus<br />

Kartoffeln und Mais bestehen sie hauptsächlich aus Hirse,<br />

Tomaten und Karotten, sowie jeder Menge anderem Gemüse.<br />

Kurz in einem Pfännchen angebraten bekommen die Bio-<br />

Laibchen auch eine schöne Kruste und füllen die Küche mit<br />

einem kräftigen Aroma. Während die Laibchen so fröhlich<br />

vor sich hin brutzeln, kann man Pitabrot im Toaster auf eine<br />

Bräunungskur schicken. Bestreicht man beide Seiten mit<br />

Hummus, verhindert man, dass die Tomaten das Brot durchnässen.<br />

Innerhalb weniger Minuten kann man sich mit den<br />

Bio-Laibchen einen mediterranen Snack zaubern! Geheimtipp:<br />

etwas Joghurt und Chili verleihen dem Ganzen Gourmet-Status.<br />

Wenn das nicht wirklich schöner als (bestellter) Döner ist!<br />

Mahlzeit!<br />

ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Zweitprüfung im 2. HJ <strong>20</strong>18:<br />

Druckauflage 85.000 Stück<br />

verbreitete Auflage 80.700 Stück<br />

DRUCK: Mediaprint<br />

Präsentiert von


QUARANTÄNE MIT SCHARF<br />

Diese Ausgabe ist aus dem Homeoffice und in sozialer Isolation entstanden. So<br />

vielfältig unsere Redaktion ist, so unterschiedlich sind auch die Wahrnehmungen<br />

der Quarantäne. Hier liest du die persönlichen Erfahrungsberichte unserer Redaktion<br />

– aufgeschrieben Ende der dritten Woche nach den Ausgangsbeschränkungen.<br />

Jetzt, wo du das Heft in der Hand hältst, sind wir möglicherweise schon alle<br />

durchgedreht. Aber wir haben’s geschafft! Für euch und wie immer – mit scharf.<br />

Mein Sohn ist schuld.<br />

Amar Rajković – stv. Chefredakteur<br />

Eigentlich hätte ich – abwechselnd mit meiner Frau – auf<br />

unseren zweijährigen Sohn aufpassen, den Haushalt schmeißen<br />

und natürlich meiner Arbeit als stv. Chefredakteur des<br />

Bibers nachgehen sollen. Eigentlich. Es kam alles anders.<br />

Der kleine Wirbelwind mag es nämlich nicht, wenn ich auf<br />

den Bildschirm starre und nicht stattdessen mit ihm kleine<br />

Fruchtfliegen auf dem Balkon fange oder zum 94sten Mal<br />

an dem Tag die Tiere der Savanne durchzähle. Er meint es<br />

auch ernst, das bewies er, indem er zuerst unseren Stand-<br />

PC und dann tatsächlich auch den Uralt-Laptop meiner Frau<br />

in den Computer-Himmel schickte. Deswegen gibt es von<br />

mir in dieser Ausgabe Interviews und kurze Texte zu lesen –<br />

für zusammenhängende Artikel und eine dahinterstehende<br />

Recherche war an Tagen wie diesen einfach kein Platz, keine<br />

Zeit, keine Chance. Danke jetzt schon an die KollegInnen,<br />

die kinderlos einen Großteil der Arbeit geschupft haben – als<br />

Belohnung dürft ihr auf meinen Sohn aufpassen.<br />

Ihr seid mir zu sozial.<br />

Aleksandra Tulej – Chefin vom Dienst<br />

Social Distancing ist auch ohne Corona mein zweiter Vorname,<br />

wie ich in den letzten Wochen gelernt habe. Aus meiner<br />

unglaublich privilegierten Situation, in der ich meine Quasi-<br />

Quarantäne verbringe: Ich habe nicht das geringste Problem<br />

damit, alleine in meiner Wohnung zu sitzen. Meine Freunde<br />

scheinbar schon. Plötzlich wollen sich alle ständig zum<br />

Spritzertrinken via Skype, zum Online-Zocken, zum Sport auf<br />

Zoom, zum FaceTimen im virtuellen Museum und was weiß<br />

ich noch verabreden. Leute, ich komme nicht mehr nach vor<br />

lauter virtuellen sozialen Verpflichtungen. Mein Handy hat<br />

keinen Speicher mehr für eure ganzen sozialen social distancing<br />

Apps. Ich fühl mich langsam schon sozial bedrängt. So<br />

viele Abendpläne hatte ich seit <strong>20</strong>14 nicht mehr. Nur, dass<br />

ich jetzt schwer Ausreden erfinden kann, wenn ich wo nicht<br />

erscheinen möchte. Versteht mich nicht falsch, ich vermisse<br />

meine Freiheit genau wie ihr – aber scheinbar lebe ich das,<br />

was ich seit immer predige: Ich kann gut mit mir selbst auskommen<br />

und das gibt mir viel Ruhe und Kraft für die nächste<br />

Zeit. Ich gehe jetzt wieder den Raben vor meinem Fenster<br />

zusehen, die sich scheinbar jeden Vormittag auf dem Dach<br />

gegenüber treffen, um den Hood-Gossip auszutauschen.<br />

Verdammt, sogar die blöden Vögel sind sozialer als ich.<br />

8 / MIT SCHARF /


„<br />

Es war schwer, mich mit dem<br />

Gedanken anzufreunden,<br />

abends nicht in eine Bar gehen<br />

zu können.<br />

“<br />

Mein psychologischer<br />

Quarantänevorsprung<br />

Delna Antia – Chefredakteurin<br />

In puncto exzessiven Daheimseins bin ich in Übung. Ich<br />

besitze einen psychologischen Quarantänevorsprung. Im<br />

Jänner lag ich mit Lungenentzündung danieder, im Februar<br />

folgte die Influenza und auf die SMS eines Bekannten, der<br />

mir damals zur Genesung schrieb: „Gut, dass derzeit nicht<br />

die Pest grassiert“, kann ich nur milde lächelnd zurückblicken.<br />

Über Wochen weder Kollegen, Freunde oder Familie zu<br />

treffen, gehört zu <strong>20</strong><strong>20</strong> für mich wie die Jogginghose zum<br />

Laptop. Die Tränen der Asozialität habe ich schon geweint.<br />

Auch die tägliche Verwunderung darüber, dass man trotz so<br />

viel Zeit zu Hause das Gewürzsortiment noch nicht sortiert<br />

hat, kenne ich. Soweit für mich alles beim Alten. Im Homeoffice<br />

das Handy in der einen und den Kinderpopo in der<br />

anderen zu jonglieren, während E-Mails beantwortet und das<br />

Mittagessen umgerührt gehören, auch nicht neu. Tägliches<br />

Fiebermessen, totale Routine. Welcome to my life „erstes<br />

Kindergartenjahr“. Andererseits neu ist: Der Ehemann hat<br />

einen Totalausfall an Dienstreisen und ist derzeit so sehr<br />

da, dass es in unserer Ehe die Premiere des gemeinsamen<br />

Badezimmerputzens gab. Ohne Fortsetzung. Auch der Sohnemann<br />

baut neuerdings lieber Krankenhäuser als Zugstrecken,<br />

das mag an seinen neuen Freunden Rudi & Armin<br />

liegen. Und ich habe tatsächlich an einem Wochentag einen<br />

Kuchen gebacken. Doch so heimelig das Glück in unserer<br />

kleinen Welt auch anmutet, eines dabei ist so fremd, dass es<br />

Angst macht: Das Wissen um die Welt da draußen und das<br />

Unwissen um unsere Zukunft. Es gibt kein normales Leben<br />

im Ausnahmezustand.<br />

„<br />

Täglich Fiebermessen?<br />

Totale Routine!<br />

“<br />

Plötzlich lebe ich in<br />

einem Callcenter<br />

Nada El-Azar – Kulturressortleiterin<br />

Die Quarantäneregelungen trafen mich in besonderer<br />

Weise, da ich für das Kulturressort zuständig bin. Schon in<br />

der Woche vor der allgemeinen „Ausgangssperre“ bekam ich<br />

reihenweise Absagemails von Museen und Theatern… ich<br />

wusste gar nicht, worüber ich denn noch schreiben sollte.<br />

Ich freute mich heimlich schon literatenmäßig im Kaffeehaus<br />

zu arbeiten, aber als klar wurde, dass auch diese ihre<br />

Türen schließen würden, verwandelte sich mein gemütliches<br />

Wohnzimmer in ein winziges Callcenter. Denn mein Freund<br />

hat auch einen Medienjob und arbeitete ebenfalls von hier.<br />

Den ersten Tag hatten wir eigentlich souverän gemeistert,<br />

wir saßen jeweils mit unseren Laptops und Kopfhörern im<br />

Raum. Doch am zweiten Tag schon überlagerten sich unsere<br />

Skype-Calls, was dem häuslichen Frieden nicht immer<br />

zuträglich war … Der Besuch von Kulturveranstaltungen<br />

hatte meinen Alltag bereichert – das alles war aber bis auf<br />

Weiteres nicht mehr möglich. Meine ganzen Routinen und<br />

Wege durch die Stadt waren plötzlich also futsch. Abgesehen<br />

davon war es auch schwierig, Interviewpartnern nicht<br />

face-to-face zu begegnen. Ich konnte mich anfangs nicht mit<br />

dem Gedanken abfinden, abends nicht in eine Bar gehen zu<br />

können oder Freunde spontan zu treffen. So eine Einsamkeit<br />

spürte ich lange nicht mehr. Wenigstens gehe ich dafür aber<br />

öfter laufen.<br />

/ MIT SCHARF / 9


„<br />

Meine Mutter ist die Frisörin<br />

und mein Bruder ihr erster und<br />

einziger Kunde.<br />

“<br />

Schmetterling unter<br />

Quarantäne<br />

Hannah Jutz – Akademie<br />

Homeoffice war für mich immer ein Traum. Mit Musik im<br />

Wohnzimmer sitzen und an Texten schreiben? Klingt perfekt.<br />

Ich bin gerne allein. Als die Ausgangsbeschränkungen<br />

kamen, fand ich das also gar nicht so schlimm. In meiner<br />

Vorstellung sah ich mich beim Yoga, beim Zeichnen und<br />

Bachelorarbeit schreiben. Einzig der soziale Schmetterling in<br />

mir zuckte beim Wort „Selbstisolation“ zusammen. Ich treffe<br />

mich normalerweise fast täglich mit Freunden und gehe<br />

gerne aus. Aber ein bisschen social detox und Entschleunigung<br />

können ja nicht schaden. So die These. Nach wenigen<br />

Wochen allein habe ich realisiert: man hat nicht mehr Zeit,<br />

nur weil man zuhause ist. Während andere töpfern, Gedichte<br />

schreiben und gemeinsam trainieren bin ich nach acht Stunden<br />

Homeoffice (die übrigens um einiges weniger produktiv<br />

sind, als erwartet), gelegentlichem Einkaufen, Aufräumen<br />

und Spazieren schon wieder müde. Und: Trotz stundenlanger<br />

Telefonate fühlt man sich bei so viel Zeit mit sich und seinen<br />

Gedanken irgendwann einsam. Mein neuer Traum ist also ein<br />

Sommer ohne Corona. Ein Sommer mit Festivals, Menschenmengen<br />

und nackter Haut. Ein Sommer mit vielen Freunden<br />

und noch mehr tanzen. Und: ein Sommer mit unendlich viel<br />

Zeit.<br />

„<br />

Trotz stundenlanger Telefonate<br />

fühlt man sich bei so viel Zeit<br />

mit sich und seinen Gedanken<br />

irgendwann einsam.<br />

“<br />

Homeoffice gesucht!<br />

Jara Majerus – Akademie<br />

Es ist merkwürdig still im Haus meiner Eltern in Tirol, als ich<br />

von meinem Laptop aufschaue. Immerhin wohnen hier gerade<br />

sieben Menschen. Ich verlasse mein Homeoffice, das ich<br />

heute in der Küche eingerichtet habe, und mache mich auf<br />

die Suche nach meinem Freund, der amüsanter Weise immer<br />

noch in Tirol ist. Eigentlich hätte er schon vor zwei Wochen<br />

wieder in die Niederlande fliegen sollen, aber Corona hat<br />

ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich öffne die<br />

Terassentür und höre ein leises mechanisches Kreischen.<br />

Mein Freund sägt wahrscheinlich wieder unter dem Carport,<br />

er baut gerade einen Tisch. Da muss ich nicht unbedingt<br />

dabei sein, denke ich, und mache mir zurück auf den Weg<br />

in mein Homeoffice. In der Küche angekommen muss ich<br />

feststellen, dass mein Büro zu einem Frisörsalon umfunktioniert<br />

wurde. Meine Mutter ist die Frisörin und mein Bruder<br />

ihr erster und einziger Kunde. Er schaut etwas resigniert aus,<br />

nicht hundertprozentig zufrieden mit dieser Situation. Ich<br />

packe also meine sieben Sachen, verlasse den Frisörsalon<br />

und mache mich auf den Weg in mein zweites Büro – das<br />

Wohnzimmer. Aber auch das Wohnzimmer ist besetzt, meine<br />

kleine Schwester sitzt auf der Couch. Sie tätowiert mit ihrer<br />

neu erstandenen Tätowiermaschine auf Fake-Skin, die aussieht<br />

wie ein großes Stück Cheddarkäse. Hier kann ich also<br />

auch nicht bleiben, denke ich, und mache mich weiter auf<br />

die Suche nach meinem Büro für heute.<br />

10 / MIT SCHARF /


Linke Wienzeile 280<br />

1150 Wien<br />

Not macht erfinderisch<br />

Zoe Opratko – Fotochefin<br />

Diese Ausgabe ist eine Premiere im doppelten Sinne. Sie<br />

ist nicht nur die erste, die aus dem Homeoffice entsteht.<br />

Sie ist gleichzeitig mein Debüt als Fotochefin beim <strong>BIBER</strong>.<br />

War der Ausnahmezustand anfangs noch in weiter Ferne,<br />

wurde innerhalb weniger Tage klar: Kaum an die scharfe<br />

Redaktion gewöhnt, muss ich auch schon radikal umdenken.<br />

Das übliche Fotoshooting kann plötzlich nicht mehr<br />

stattfinden. Neue Ideen müssen her!<br />

Da wird mir klar: Ausnahmesituationen sind immer auch<br />

eine Gelegenheit, Neues auszuprobieren und mit alten<br />

Mustern zu brechen. Collagen basteln, Puppenmöbel<br />

fotografieren und einfach improvisieren lautete die Devise.<br />

Was bedeutet Normalität in Zeiten wie diesen schon?<br />

Auch das Zeitgefühl scheint ausgehebelt.<br />

Während ich also abwechselnd gespannt und besorgt<br />

mein Umfeld beobachte, zwischen über- und unvorsichtigen<br />

Mitmenschen Einkäufe erledige und meine sozialen<br />

Kontakte weitgehend problemlos mit frisch entfachter<br />

Pflanzen-Leidenschaft ersetze, stelle ich fest:<br />

Es sind immer Ausnahmesituationen, die uns auf neue<br />

Ideen bringen.<br />

„<br />

Collagen basteln, Puppenmöbel<br />

fotografieren und einfach<br />

improvisieren lautete die Devise.<br />

“<br />

HWB: 21,64 kWh/m²; fGEE: 0,824<br />

Work Life<br />

Balance<br />

BEGINNT<br />

BEIM WOHNEN<br />

Provisionsfrei<br />

mieten<br />

direkt vom<br />

Bauträger<br />

Schnell überall und doch<br />

daheim. Lebensqualität<br />

bedeutet kurze Wege zwischen<br />

Arbeit, Wohnung und<br />

Freizeit. Die 192 freifinanzierten<br />

Mietwohnungen ab 30 m2<br />

passen perfekt zu meinem aktiven<br />

Lifestyle. Freiheit, ganz<br />

nach meinen Vorstellungen!<br />

Klaudio Alexander Graf, BA, MLS<br />

T. +43 (0)1 878 28 1214<br />

E. klaudio.graf@buwog.com<br />

www.liwi.buwog.com


In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />

Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />

IVANAS WELT<br />

Ivan Minić<br />

LET’S TALK ABOUT HECK, BABY!<br />

Der Jugo ist hemmungslos. Im Fluchen. Über Sex reden kann er auch.<br />

Wenn es dabei um Autos geht.<br />

Der Österreicher gibt nicht gerne an. Seine Erfolge zu<br />

feiern oder auf etwas richtig stolz zu sein, sagen wir<br />

mal… auf den Kauf eines neuen Autos, das wär ihm<br />

viel zu peinlich. Nicht so dem Jugo. Der hat mit Angeberei<br />

keine Probleme. Empirisch belegen lässt sich<br />

das anhand der Anzahl an Profilbildern in den sozialen<br />

Kanälen, deren Konterfeis ein schnittiger Sportwagen<br />

im Hintergrund ziert.<br />

IM 16. HAB’ ICH FAME<br />

In einem serbisch-vlahischen Haushalt sozialisiert,<br />

habe ich jedenfalls wenig Berührungsängste mit fortgeschrittener<br />

Prahlerei. Darum – Konfetti! – darf ich<br />

mit stolzer Brust in die Welt pfeifen, dass diese Kolumne<br />

hier tatsächlich gelesen wird. Nicht nur von meiner<br />

Familie. Von Dana zum Beispiel. In einer Bäckerei im<br />

16. Bezirk gönnte ich mir an einem Sonntag eine Balkanspezialität<br />

aus Käse, Strudelteig und vor allem viel<br />

Fett. „He, bist du nicht diese Ivana aus biber? Ur cool,<br />

das lese ich immer“, meinte das fesche Mädl, das mir<br />

3 Euro verrechnete. Schnappatmung, Herzrasen ‚das<br />

muss ich sofort meinen Eltern erzählen… Ich hab’ die<br />

Autogrammkarten am nächsten Tag doch nicht drucken<br />

lassen.<br />

„ETWAS LEICHT EROTISCHES“ – WE DON’T<br />

DO THIS<br />

Fanpost landet auch hin und wieder in meinem Posteingang.<br />

Von Christian zum Beispiel. Er liest ‚Ivanas<br />

Welt’ sehr gerne. Einen inhaltlichen Wunsch für<br />

die nächste Ausgabe hat er auch geäußert: „…mag<br />

dich fragen ob du mal etwas leicht Erotisches texten<br />

könntest?“. Schnappatmung, Herzrasen, das kann ich<br />

meinen Eltern unmöglich erzählen... Lieber Christian,<br />

es ist nämlich so: Ich freu mich wie ein Käsestrudel<br />

über deine Mail, umso mehr schmerzt es mich, meine<br />

Fanbase zu enttäuschen. Aber, über etwas ‚leicht<br />

Erotisches’ zu schreiben überschreitet einfach mein<br />

kulturelles Schamgefühl.<br />

DIRTY TALK FÜR ANFÄNGER<br />

Man kann am Balkan herrlich derb fluchen. Dirty Talk<br />

im deutschen Porno liest sich hingegen wie ein Kinderlied.<br />

Fluchen gehört zur Sprachkultur. Ein „uh jebote<br />

(ich f**** dich), wir haben uns hundert Jahre<br />

nicht gesehen“ ist ein ganz gewöhnliches „Servas,<br />

wie geht’s“ unter Freunden. Auf den Tag verteilt fliegen<br />

die Genitalien verbal nur so durchs Wohnzimmer<br />

einer Durchschnittsfamilie. Flimmert beim gemeinschaftlichen<br />

Fernsehen aber unerwartet eine ‚leicht<br />

erotische’ Filmszene über den Bildschirm, ist die abblätternde<br />

Wandfarbe laut Herrn Papa just in diesem<br />

Moment aufzufrischen, der Rest simuliert beschämt<br />

akuten Harndrang. Wir reden nicht über xeS. Oder<br />

Nacktheit.<br />

Ja, in den Nachtklubs sind wir textil schon sehr freizügig<br />

unterwegs, zeigen uns gleichzeitig sehr zugeknöpft<br />

bei Themen wie tätilauxeS. Vorschlag: Über Autos<br />

kann ich Seiten füllen. Das ist quasi Dirty Talk auf<br />

Jugo. „Uh, jebote, schau, wie schnell der abgeht...Was<br />

für eine heiße Maschine, Bruda! Magst du mal unter<br />

meine 60.000 Euro-Haube gucken?“ Aber, das wäre<br />

dir viel zu peinlich…<br />

cucujkic@dasbiber.at<br />

12 / MIT SCHARF /


mf.gv.at<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Fotos: BMF/JELLY BEAN Media<br />

Holen Sie sich mit der Arbeitnehmerveranlagung – auch Steueroder<br />

Jahresausgleich genannt – jenen Teil der Lohnsteuer zurück,<br />

den Sie zu viel bezahlt haben. Es zahlt sich aus.<br />

Steuerausgleich lohnt sich<br />

Ohne Umwege zu Ihrem Geld<br />

Ihr Gehalt kann über ein Jahr gesehen<br />

aufgrund von Jobwechsel, Reduzierung<br />

der Stundenanzahl etc. variieren.<br />

Die Lohnsteuer wird aber monatlich<br />

berechnet – so, als würden Sie das<br />

ganze Jahr über gleich viel verdienen.<br />

Zählt man jedoch die unterschiedlichen<br />

Löhne bzw. Gehälter zusammen und<br />

berechnet dann die Steuer, kommt oftmals<br />

ein Guthaben für Sie heraus.<br />

Außerdem können Sie im Steuerausgleich<br />

Folgendes geltend machen:<br />

• Werbungskosten: z. B. Ausund<br />

Fortbildungsmaßnahmen,<br />

Arbeitsmittel<br />

• Sonderausgaben: z. B. Freiwillige<br />

Personenversicherungen, Steuerberatungskosten<br />

• Außergewöhnliche Belastungen:<br />

z. B. Krankheitskosten<br />

Alle Details dazu finden Sie im aktuellen<br />

Steuerbuch unter bmf.gv.at/steuerbuch<br />

Sie können das entsprechende Formular<br />

für Ihren Steuerausgleich händisch gang bei finanzonline.at, dem Online-<br />

Am einfachsten geht es mit einem Zuausgefüllt<br />

an das Finanzamt schicken. Portal des Finanzamts.<br />

Finanz Online Neu: Einfach von zu Hause gemacht<br />

Seit Jahresbeginn präsentiert sich FinanzOnline mit verbesserter<br />

Benutzeroberfläche und bietet dadurch erhebliche Erleichterungen:<br />

• Das Design führt intuitiv durch den Steuerausgleich.<br />

• Der neu entwickelte Steuerassistent leitet ab der Erklärung <strong>20</strong>19 nur<br />

durch jene Bereiche, die für Sie auch tatsächlich relevant sind. Es ist vor<br />

allem die neue Ausfüllhilfe, die Ihnen die Durchführung erleichtert.<br />

• Der Chatbot „Fred“ wurde um das Thema „Arbeitnehmerveranlagung“<br />

erweitert, damit Sie auch hier die notwendigen Auskünfte erhalten.<br />

Ein Erklärvideo sowie Folder finden Sie auf bmf.gv.at/finanzonlineneu<br />

Bei Fragen zu FinanzOnline rufen Sie 050 233 790<br />

(Mo–Fr 8.00–17.00 Uhr); bei steuerlichen Fragen 050 233 233<br />

(Mo–Do 7.30–15.30 Uhr; Fr 7.30–12.00 Uhr).


DIE<br />

VERGESSENE<br />

PFLEGERIN<br />

14 / POLITIKA /


Die 24-Stunden-Pflegerin Valerija Kositer sitzt an ihrem Arbeitsplatz<br />

in einem Haus in Wien-Liesing fest. Die Rückkehr nach<br />

Kroatien ist unleistbar. Kositer fühlt sich von der österreichischen<br />

Politik im Stich gelassen, so wie viele ihrer Kolleginnen.<br />

Ein persönlicher Appell ans Nicht-Vergessenwerden.<br />

Von Valerija Kositer und Jara Majerus, Foto: Zoe Opratko<br />

Heute ist ein grauer Apriltag<br />

in Wien. Draußen ist es kalt.<br />

Ich verlasse das Haus und<br />

mache mich auf den Weg in<br />

Richtung Wiener Wald, der am Ende der<br />

Straße beginnt, und achte darauf, keinen<br />

Menschen zu begegnen. Momentan<br />

befinden wir uns im Ausnahmezustand.<br />

Wir müssen auf uns aufpassen, soziale<br />

Kontakte meiden und eigentlich sollten<br />

wir zuhause bleiben.<br />

Ich heiße Valerija Kositer, bin 55 Jahre<br />

alt und kann nicht zuhause bleiben.<br />

Denn ich bin nicht zuhause, sondern in<br />

Wien. Hier, im 23. Bezirk, arbeite ich als<br />

Krankenpflegerin und kümmere mich<br />

um einen alten, dementen Mann, der<br />

allein lebt. Normalerweise sorge ich zwei<br />

Wochen für ihn und fahre dann nach<br />

Hause, nach Petrinja, zu meiner Familie.<br />

In der kleinen kroatischen Stadt war ich<br />

aber schon seit fünf Wochen nicht mehr.<br />

Ich kann nicht zurück, kann nicht nach<br />

Hause. Ich stecke fest. Die Grenzen sind<br />

zu, mein Flug wurde abgesagt und auch<br />

sonst gibt es keine leistbaren Verbindungen<br />

in mein Heimatland. Als es in<br />

den Nachrichten hieß, dass die Grenzen<br />

dichtgemacht werden, war unklar, ob<br />

meine Kollegin aus der Slowakei ihre<br />

zwei Arbeitswochen im Haus des alten<br />

Herren antreten und meine Schicht<br />

ablösen kann. Deshalb blieb ich hier.<br />

Einfach zu gehen und den Mann allein zu<br />

lassen, das konnte ich nicht. Das wäre<br />

unmenschlich gewesen. Für die Gesellschaft<br />

bin ich als Pflegerin austauschbar,<br />

ich weiß das. Aber für den alten Mann,<br />

den ich betreue, bin ich das nicht.<br />

„Für den alten Mann,<br />

den ich betreue, bin ich<br />

nicht ersetzbar.“<br />

ALLES STEHT STILL<br />

Meine Kollegin schaffte es gerade noch<br />

rechtzeitig, mit ihrem Auto aus der Slowakei<br />

nach Wien zu kommen. Zu diesem<br />

Zeitpunkt konnte ich Österreich aber<br />

schon nicht mehr verlassen. Ich habe die<br />

Botschaft kontaktiert. Dort hieß es, ich<br />

solle mit dem Zug, dem Bus oder dem<br />

Taxi bis an die slowenische Grenze fahren<br />

und dann müsse mich eben jemand<br />

abholen. Aber mein Mann darf mich nicht<br />

abholen. Er darf meine Heimatgemeinde<br />

in Kroatien, Petrinja, nicht verlassen und<br />

erst recht nicht nach Slowenien oder gar<br />

Österreich einreisen. Dabei würde er ja<br />

gar nie aus dem Auto aussteigen. Wir<br />

würden nirgendwo anhalten und niemanden<br />

anstecken. Aber für mich und all<br />

die anderen Frauen in meiner Situation<br />

macht die Regierung keine Ausnahme.<br />

Wir sind nicht wichtig genug. Wir sind<br />

nur die Pflegerinnen. Wir sind nur die<br />

Leute, die sich um die Alten und Kranken<br />

kümmern.<br />

Wir Pflegerinnen wurden vergessen.<br />

Ich wollte es nicht wahrhaben und ich<br />

habe mir diesen Gedanken lange verboten.<br />

Aber wir wurden vergessen und<br />

das schmerzt. Ich habe akzeptiert, dass<br />

ich länger als geplant hier bleiben muss.<br />

Ich habe Geduld, aber ich sehe keine<br />

Überlegungen, ich sehe keine Lösungsvorschläge.<br />

Ich habe versucht, mir einzureden,<br />

dass die Regierung schon nach<br />

einer Lösung sucht, um uns nach Hause<br />

und wieder zurück zu unseren Arbeitsplätzen<br />

in Österreich zu bringen. Aber<br />

das ist nicht der Fall.<br />

UNMÖGLICHE<br />

MASSNAHMEN<br />

Die Maßnahmen, die die Regierung<br />

bis jetzt für uns beschlossen hat, sind<br />

unmöglich durchzuführen. Denn wenn<br />

wir es irgendwie in unsere Heimatländer<br />

schaffen sollten, müssen wir uns automatisch<br />

in eine zweiwöchige Quarantäne<br />

begeben. Wenn wir danach für die Arbeit<br />

zurück nach Österreich möchten, müssen<br />

wir mit einem Test nachweisen, dass wir<br />

uns nicht mit dem Coronavirus infiziert<br />

haben. Diesen Test können aber nur jene<br />

machen, die Symptome für das Virus<br />

aufweisen. Wenn ich an der österreichischen<br />

Grenze keinen negativen Bescheid<br />

nachweisen kann, darf ich zwar nach<br />

Österreich einreisen, muss aber auch hier<br />

zwei Wochen in Quarantäne. Nur wo?<br />

Viele Pflegerinnen dürfen nicht bei den<br />

Menschen, die sie pflegen, in Quarantäne<br />

gehen. Das wäre kontraproduktiv und<br />

lebensgefährlich für die pflegebedürftigen<br />

Menschen. Wieso werden nicht<br />

einfach Shuttlebusse organisiert, die uns<br />

über die Grenzen bringen? Wieso erhalten<br />

wir und unsere Agenturen nicht mehr<br />

Informationen von der Regierung? Wieso<br />

interessiert sich niemand für uns? Die<br />

Unsicherheit und die geringe Wertschätzung<br />

für unsere Arbeit machen mich und<br />

meine Kolleginnen schwach und wütend.<br />

/ POLITIKA / 15


„Mein Leben in<br />

Petrinja wartet auf<br />

mich.“<br />

DER APPLAUS<br />

BLEIBT AUS<br />

Ärzte und Krankenschwestern wurden<br />

durch die Krise zu Helden, denen man<br />

applaudierte. Wir Pflegerinnen aber<br />

blieben vergessen. Wir sind keine Leute,<br />

die zu Helden wurden. Wir sind keine<br />

Leute, die die Situation retten. Wir sind<br />

keine Leute, um die sich die Regierung<br />

kümmert. Dabei tragen wie alle in dieser<br />

schwierigen Situation eine Last. Diejenigen,<br />

die Tag und Nacht in den Spitälern<br />

arbeiten, diejenigen, die durch die Krise<br />

ihre Arbeit verloren haben, diejenigen,<br />

die in den Supermärkten arbeiten und<br />

auch wir Pflegerinnen. Alle sprechen<br />

davon, dass wir in dieser Situation<br />

zusammenhalten müssen. Aber der<br />

Zusammenhalt schließt uns nicht ein.<br />

Er hört bei uns auf. Dabei leisten wir in<br />

diesem Land nicht bloß eine Arbeit. Wir<br />

haben nicht nur einen Beruf gewählt,<br />

sondern einen Lebensweg. Und dafür<br />

erfahren wir nicht genug Anerkennung,<br />

denn wir sind nur die Pflegerinnen.<br />

Unsichtbar und unerwähnt.<br />

Wenn die Regierung entscheidet,<br />

dass wir weiterhin nicht ausreisen<br />

können und noch zwei Wochen oder gar<br />

zwei Monate in Österreich bleiben müssen,<br />

dann bleibt uns keine Wahl. Niemand<br />

fragt sich, welche Auswirkungen<br />

das für uns hat. Wir alle haben unsere<br />

eigenen Leben zuhause, wir haben<br />

Familien. Wir alle haben Probleme, mit<br />

denen wir uns beschäftigen müssen und<br />

Dinge, die wir in unseren Heimatländern<br />

erledigen müssen. Wenn ich in Wien bin,<br />

dann pausiere ich alles in Petrinja. Seit<br />

fünf Wochen wartet mein Leben in der<br />

kleinen Stadt auf mich und ich weiß noch<br />

nicht mal, wann und wie ich zurückkomme.<br />

Ich werde mit Sicherheit noch<br />

einen Monat hier bleiben müssen und<br />

es scheint niemanden zu sorgen oder zu<br />

kümmern, was das für mich bedeutet.<br />

Dabei sind wir Pflegerinnen für die<br />

Gesellschaft und die Gemeinschaft da.<br />

Wir tragen unsere Verantwortung und<br />

bringen Opfer. Dafür wollen wir keinen<br />

Applaus. Wir wollen nur nicht vergessen<br />

werden. ●<br />

DAS SAGT DAS<br />

GESUNDHEITS­<br />

MINISTERIUM:<br />

„Die COVID19-Pandemie stellt die<br />

Situation der 24-Stunden-Betreuung<br />

vor besondere Herausforderungen.<br />

Durch verstärkte Grenzkontrollen<br />

und Grenzschließungen kam es für<br />

24-Stunden-BetreuerInnen aus den<br />

süd-ost-europäischen Ländern zu<br />

Hürden bei der Einreise. Wir wissen,<br />

dass das BMEIA (Außenministerium)<br />

laufend in Kontakt mit den jeweiligen<br />

AußenministerInnen der Herkunftsländer<br />

der Betreuungskräfte steht,<br />

um auch für diese Personengruppe<br />

die Einreise in Ihre Heimat zu erleichtern.<br />

In der letzten Videokonferenz<br />

zwischen dem Gesundheitsminister<br />

und den neun LandessozialreferentInnen<br />

wurde vereinbart, dass<br />

Betreuungskräften, die ihren Turnus<br />

in Österreich verlängern, ein<br />

einmaliger Bonus in der Höhe von<br />

500 Euro ausbezahlt wird. Unser<br />

oberstes Gebot ist der Schutz der<br />

Pflegebedürftigen sowie derjenigen,<br />

die für die Aufrechterhaltung unseres<br />

Pflegesystems essentiell sind – und<br />

dazu gehören zweifelsfrei auch die<br />

24-Stunden-BetreuerInnen.“<br />

WISSENSWERTES ZUR 24-STUNDEN PFLEGE UND BETREUUNG<br />

Bei der 24-Stunden Pflege werden betreuungsbedürftige<br />

Menschen von Personen<br />

unterstützt, die im selben Haushalt leben.<br />

Meistens wechseln sich zwei Betreuer*innen<br />

ab und leben jeweils für zwei Wochen bei<br />

der zu pflegenden Person. Je nach Bedarf<br />

wird beim Einkaufen, Kochen, Anziehen,<br />

Spazieren oder der Körperpflege geholfen.<br />

Aktuell gibt es in Österreich ca. 62.000<br />

registrierte Personenbetreuer*innen, fast<br />

alle sind Frauen. Knapp die Hälfte von ihnen<br />

kommt aus Rumänien, ein Drittel aus der<br />

Slowakei und nicht einmal zwei Prozent<br />

aus Österreich. Daher treffe die Coronakrise sie besonders,<br />

erklärt Veronika Bohrn Mena, Expertin für prekäre<br />

Arbeitsverhältnisse: „Die Familien hier haben Angst, dass<br />

sie die Pflegerinnen verlieren. Diese haben selbst Familie,<br />

sind auf das Geld angewiesen und müssen sich entscheiden:<br />

Bleibe ich hier, verstoße gegen das Gesetz und sehe<br />

meine Familie nicht mehr oder fahre ich<br />

nachhause und kann eventuell nicht zurückkommen?“<br />

Die Arbeitszeit von 238 Stunden<br />

in zwei Wochen wird mit um die 1000 Euro<br />

entlohnt. „Wir bezahlen Arbeit nicht nach<br />

ihrem gesellschaftlichen Wert, sondern nach<br />

Anerkennung.“, so Bohrn Mena. Bevor die<br />

Pfleger*innen einreisen, müssen sie sich<br />

testen lassen: „Das Risiko ist für sie selbst<br />

und die Pflegebedürftigen sehr hoch.“ Da die<br />

Personenbetreuung ein freies Gewerbe ist,<br />

sind die Pfleger*innen fast immer selbstständig.<br />

Sie müssen sich selbst versichern<br />

und haben keine Arbeitslosenversicherung. „Wenn sie nicht<br />

arbeiten, bekommen sie nichts.“, ergänzt Veronika Bohrn<br />

Mena. Síe hofft, dass wir durch die Krise lernen: „Die Pflegerinnen<br />

brauchen rechtlichen Schutz und höheren Lohn. Wir<br />

dürfen niemanden vergessen. Auch nicht die Alten und die,<br />

die sie pflegen.“<br />

16 / POLITIKA /


DANKE, ABER EHRLICH!<br />

Lob ist wichtig, vor allem in Krisenzeiten. Die Politik<br />

macht aber einen gewaltigen Fehler, wenn sie<br />

Migranten dabei ausschließt.<br />

Amar Rajković, stv. Chefredakteur<br />

Seit dem Ausbruch von Covid-19 vergeht kaum ein<br />

Tag, an dem der Kanzler oder ein Minister nicht vor<br />

die Kameras treten, um uns über die neuesten Entwicklungen<br />

zu informieren. Dabei dürfen auf keinen<br />

Fall die Dankesbekundungen fehlen, die sich (zu Recht)<br />

an jene richten, die Großartiges leisten: Die Supermarktkassiererin,<br />

der Lkw-Fahrer, die Paketzusteller, die Pflegerin im<br />

Spital. Allerdings gibt es zwei Haken an dem Wertschätzungsgewitter:<br />

FAVORITEN IST NICHT ÖSTERREICH<br />

Die kleinen Helden des Alltags nehmen das “Danke” gar nicht<br />

wahr, weil es nicht an sie adressiert ist. Oft wird von Österreicherinnen<br />

und Österreichern gesprochen. Dabei arbeiten<br />

vor allem MigrantInnen in diesen schlecht bezahlten Jobs. Die<br />

sehen sich in den seltensten Fällen als “Österreicher” – und<br />

bevor wieder der Mob der erzürnten Patrioten ausrückt – sondern<br />

vor allem als Wiener, Dornbirner, Austrotürken, Favoritner,<br />

Migranten oder einfach in Österreich lebende und<br />

arbeitende Menschen. Herr Kanzler, denken Sie<br />

darüber nach.<br />

Der zweite Haken knüpft an die gerade von Ihnen<br />

gelesene Geschichte über Valerija und andere Leidensgenossinnen<br />

im 24-Stunden-Pflegebereich an. Die Frauen<br />

sind unsichtbar und leisten enorme Arbeit, um ihre Familien<br />

in Rumänien, Bulgarien oder Kroatien zu versorgen. Dabei<br />

nehmen sie Reisestrapazen in Kauf und sorgen sich um unsere<br />

pflegebedürftigen Angehörigen. Sie waren schon vor der Coronakrise<br />

Heldinnen, in schweren Zeiten wie diesen sind sie zu<br />

Superheldinnen aufgestiegen. Sie verdienen Anerkennung, vor<br />

allem in monetärer Form. Vergessen wir nicht, dass vielen von<br />

diesen Frauen unter schwarz/blau die Familienbeihilfe halbiert<br />

wurde. (Die sogenannte “Indexierung” wird vom Europäischen<br />

Gerichtshof geprüft und höchstwahrscheinlich rückgängig<br />

gemacht). Halbiert! Die einzig richtige Antwort darauf ist eine<br />

Verdoppelung. Wann, wenn nicht jetzt?<br />

Bezahlte Anzeige<br />

Wien hilft, hilf mit!<br />

Sowohl in der Soforthilfe<br />

als auch in der Nachbarschaft<br />

Wien ist die Stadt des sozialen Zusammenhalts. Unzählige<br />

Wienerinnen und Wiener engagieren sich in diesen Tagen für<br />

andere. Dabei kannst du auf zwei Arten helfen: Melde dich<br />

einerseits auf der Plattform für freiwilliges Engagement der<br />

Helfer Wiens an oder andererseits unterstütze die Menschen<br />

direkt im eigenen Wohnhaus mittels eines Flugzettels für<br />

das Schwarze Brett – zum Beispiel bei Besorgungen und<br />

Erledigungen des täglichen Lebens.<br />

Nähere Informationen zur<br />

• Anmeldung bei der „Soforthilfe“-Plattform<br />

der Helfer Wiens<br />

• Nachbarschaftshilfe<br />

erhältst du online unter: wien.gv.at/coronavirus<br />

rajkovic@dasbiber.at<br />

wien.gv.at/coronavirus


Frau Raab, wie<br />

viele Klopapierrollen<br />

haben Sie<br />

daheim?<br />

Wie viele<br />

Klopapierrollen<br />

haben Sie<br />

daheim?<br />

Wie oft skypen<br />

Sie täglich mit<br />

Ihrer Familie?<br />

Wie viele<br />

Stunden täglich<br />

informieren<br />

Sie sich zu<br />

den neuesten<br />

Entwicklungen in<br />

Sachen Corona?<br />

Interview in Zahlen:<br />

In der Politik wird bereits genug<br />

geredet. Biber fragt in Worten,<br />

Integrations- und Frauenministerin<br />

Susanne Raab antwortet<br />

mit einer Zahl.<br />

10<br />

2<br />

3<br />

Von Amar Rajković<br />

Fotos: Andreas Wenzel BKA<br />

Susanne Raab hat 4 feministische Bücher in ihrem<br />

Leben gelesen.<br />

10 Klopapierrollen hat die 36-jährige Juristin daheim.<br />

Wie viele<br />

Lieder von<br />

Andreas<br />

Gabalier<br />

können Sie<br />

mitsingen?<br />

Wie hoch<br />

war Ihr erstes<br />

Gehalt?<br />

Wie viel haben<br />

Ihre teuersten<br />

Schuhe<br />

gekostet?<br />

Wie lautete Ihr<br />

Matura-Notendurchschnitt?<br />

Wie viel<br />

Prozent Ihrer<br />

Mitarbeiter-<br />

Innen haben<br />

Migrationshintergrund?<br />

2<br />

950<br />

160<br />

2,2<br />

40<br />

18 / POLITIKA /


Wie oft machen<br />

Sie sich täglich<br />

Gedanken um<br />

ihre älteren<br />

Verwandten?<br />

Wie viele<br />

feministische<br />

Freundinnen<br />

haben Sie?<br />

Wie viele<br />

MigrantInnen<br />

haben Sie<br />

in Ihrem<br />

Freundeskreis?<br />

Wie oft waren<br />

Sie in Ihrem<br />

Leben in der<br />

Moschee?<br />

Wie oft im<br />

Jahr tragen<br />

Sie Dirndl?<br />

3<br />

2<br />

6<br />

5<br />

5<br />

3 Stunden täglich informiert sich Raab zur Corona-Krise. Die Frauen- und Integrationsministerin hat<br />

6 migrantische FreundInnen.<br />

Wie oft wurden<br />

Sie in Ihrem<br />

Berufsleben<br />

von Männern<br />

bevormundet?<br />

Wie viele<br />

Frauen wurden<br />

im Jahr<br />

<strong>20</strong>19 Opfer<br />

häuslicher<br />

Gewalt in<br />

Österreich?<br />

Wie viele<br />

Millionen Euro<br />

beträgt das<br />

Budget <strong>20</strong><strong>20</strong><br />

für Frauenförderprojekte?<br />

Wie viele<br />

geflüchtete<br />

Frauen und<br />

Kinder von<br />

Lesbos sollte<br />

Österreich<br />

aufnehmen?<br />

Wie viele<br />

feministische<br />

Bücher haben<br />

Sie in Ihrem<br />

Leben gelesen?<br />

0<br />

Ca.<br />

8.<strong>20</strong>0<br />

12<br />

0<br />

4<br />

/ POLITIKA / 19


„Meine Eltern<br />

stören mich<br />

beim Lernen“<br />

<strong>20</strong> / POLITIKA /


Kleine Wohnungen, viele Menschen auf engem Raum, wenig Unterstützung<br />

von den Eltern – die Nachteile, mit denen Kinder aus sozial<br />

schwächeren Familien leben, werden durch die Corona-Pandemie<br />

sichtbarer denn je. Vor allem im Bildungsbereich.<br />

Von Aleksandra Tulej, Illustration Christof Stanits<br />

Normalerweise lerne ich<br />

immer in der Bibliothek,<br />

weil ich zuhause nicht<br />

genug Platz habe. Jetzt<br />

geht das nicht und das erschwert<br />

einiges. Ich habe zuhause kein eigenes<br />

Zimmer, sondern schlafe im Wohnzimmer“,<br />

erzählt die 17-jährige Alla. Alla ist<br />

mit drei Jahren aus Tschetschenien nach<br />

Österreich gekommen und lebt heute<br />

mit ihren Eltern und fünf Geschwistern in<br />

einer 56qm Gemeindewohnung in Wien<br />

Favoriten. Sie wollte sich dieses Jahr<br />

eigentlich auf die Matura vorbereiten, um<br />

ab Herbst dann Physik zu studieren. Allas<br />

Mama ist Hausfrau, ihr Vater war Taxifahrer<br />

und hat aufgrund der Corona-Krise<br />

seinen Job verloren.<br />

KEIN KONTAKT<br />

ZU SCHÜLERN AN<br />

BRENNPUNKTSCHULEN<br />

Seitdem die Maßnahmen zur Eindämmung<br />

des COVID-19 in Österreich in<br />

Kraft getreten sind, herrscht in fast allen<br />

Lebensbereichen Ausnahmezustand. So<br />

auch im Bildungsbereich.<br />

Während privilegierte Kinder und<br />

Jugendliche ihr eigenes Zimmer, ihren<br />

eigenen Computer und Eltern, die sie<br />

beim Lernen zuhause unterstützen,<br />

haben, gestaltet sich all das bei sozial<br />

schwächeren Familien nicht so einfach.<br />

58 Prozent der Kinder, die auf Sozialhilfe<br />

angewiesen sind, leben in überbelegten<br />

Wohnungen, heißt es seitens der Diakonie<br />

Österreich. Dazu kommen noch die<br />

oft schwachen Deutschkenntnisse der<br />

Eltern und keine Möglichkeit, die Kinder<br />

zu unterstützen. Eine Umfrage der Bildungsinitiative<br />

Teach for Austria ergibt,<br />

„<br />

Ich habe zuhause kein eigenes<br />

Zimmer, sondern schlafe<br />

im Wohnzimmer.<br />

“<br />

dass rund <strong>20</strong> Prozent der Schüler und<br />

Schülerinnen sogenannter „Brennpunktschulen“<br />

für ihre Lehrerinnen und Lehrer<br />

momentan nicht erreichbar sind. Das<br />

liege an schlechter Internetverbindung<br />

oder fehlender Hardware.<br />

SIEBEN GESCHWISTER<br />

UND KEIN EIGENER<br />

LAPTOP<br />

„Ich habe sieben Geschwister und keinen<br />

eigenen Laptop, ich darf aber den von<br />

meinem Bruder benutzen, wenn ich was<br />

für die Schule machen muss“, erzählt<br />

der 14-jährige Mohammed, der ägyptischen<br />

Migrationshintergrund hat und<br />

gemeinsam mit seinen Geschwistern und<br />

Eltern in einer Wohnung im zweiten Wiener<br />

Gemeindebezirk lebt. Seine Eltern<br />

arbeiten nicht. Wie alle Schülerinnen und<br />

Schüler in Österreich hat Mohammed<br />

seit Wochen Online-Unterricht. Wie das<br />

in einer Großfamilie auf engem Raum<br />

klappt? „Wir helfen uns gegenseitig bei<br />

den Hausaufgaben, aber wir streiten<br />

uns schon manchmal – ich vermisse die<br />

Schule und vor allem meine Freunde<br />

dort. Aber zumindest habe ich jetzt keine<br />

unnötigen Fächer wie Musik oder Soziales<br />

Lernen.“<br />

Die 14-jährige Luna befindet sich in<br />

einer ähnlichen Lage. Sie ist vor drei<br />

Jahren mit ihrer Familie aus Serbien<br />

nach Österreich gekommen. Ihre Eltern<br />

arbeiten als Reinigungskräfte. Jetzt sind<br />

alle zuhause, Luna teilt sich mit ihrer<br />

Schwester in Zimmer. „Das ist aber kein<br />

Problem für mich, wir machen einfach<br />

beide was für die Schule. Es ist nur so,<br />

dass meine Eltern uns manchmal beim<br />

Lernen stören, wenn sie den Fernseher<br />

laut aufdrehen oder ständig durch die<br />

Wohnung gehen und mit der Familie aus<br />

Serbien telefonieren“, so die Schülerin.<br />

Während die 17-jährige Alla sich der<br />

Lage vollkommen bewusst ist, ist dieses<br />

Bewusstsein bei jüngeren Schulkindern<br />

/ POLITIKA / 21


klarerweise noch nicht so ausgeprägt.<br />

Die Auswirkungen werden aber auch<br />

diese leider zu spüren bekommen, wie<br />

es seitens Bildungsexpertinnen und<br />

Bildungsexperten heißt.<br />

„ES WIRD DIESE KINDER<br />

NOCHMAL MEILENWEIT<br />

ZURÜCKWERFEN“<br />

„Das wird genau diese Kinder, die<br />

sowieso schon hinten nach sind, noch<br />

mal meilenweit zurückwerfen“, erklärt<br />

Bildungsexpertin und ehemalige AHS-<br />

Lehrerin Melisa Erkurt. „Es wird einfach<br />

ein großer Gap entstehen. Ich sehe auf<br />

Twitter Eltern aufstöhnen, dass sie mit<br />

ihren Kindern Arbeitsblätter ausfüllen<br />

müssen.“ Aber was ist mit jenen, deren<br />

Eltern ihnen nicht helfen können? „Wenn<br />

ich allein an die Deutschförderklassen<br />

denke – wer übt mit diesen Kindern jetzt<br />

Deutsch? Allein nach zwei Monaten Sommerferien<br />

gibt es schon große Lücken.“<br />

Wenn die Leistung der Kinder momentan<br />

genau so bewertet werde wie im<br />

Normalbetrieb, sei das laut Erkurt einfach<br />

ungerecht. „Die Eltern dieser Kinder sind<br />

teilweise Systemerhalter und Systemerhalterinnen,<br />

wenn sie zum Beispiel im<br />

Supermarkt arbeiten. Sie gefährden ihre<br />

Gesundheit für Österreich und haben<br />

dazu noch die Kinder zuhause.“ Schulen<br />

bieten einen Journaldienst an, in dem<br />

Kinder in der derzeitigen Lage nach<br />

„<br />

Ich habe sieben Geschwister und<br />

keinen eigenen Laptop, ich darf<br />

aber den von meinem Bruder<br />

benutzen, wenn ich was für die<br />

Schule machen muss.<br />

“<br />

„<br />

Es ist nur so, dass meine Eltern<br />

uns manchmal beim Lernen<br />

stören, wenn sie den Fernseher<br />

laut aufdrehen.<br />

“<br />

wie vor von der Schule betreut werden<br />

können. „Viele schicken ihre Kinder aber<br />

auch aus Scham nicht hin, weil sie nicht<br />

die Einzigen sein wollen“, so Erkurt. Laut<br />

ihr gehört die Digitalisierung einfach besser<br />

ausgestattet, indem jedes Kind einen<br />

Laptop von der Schule zur Verfügung<br />

gestellt bekommt. Es brauche auch eine<br />

bessere Kommunikation zwischen den<br />

Lehrkräften, damit der Arbeitsaufwand<br />

nicht enorm hoch ist, wie es momentan<br />

in vielen Schulen der Fall ist. „Eine Ganztagsschule<br />

wäre langfristig die Lösung<br />

für Chancengleichheit“, schließt Erkurt<br />

ab.<br />

Ehemalige AHS-Direktorin und Bildungsexpertin<br />

Heidi Schrodt hat ähnliche<br />

Ansichten zu dieser Problematik.<br />

„Den Kindern fehlen Ansprechpersonen,<br />

Sozialarbeiter, ein Unterstützungssystem.<br />

Es darf die momentane Leistung einfach<br />

nicht in die Note miteinbezogen werden,<br />

das Sitzenbleiben ab der zweiten Klasse<br />

Volksschule sollte wieder abgeschafft<br />

werden. Verbale Beurteilung muss<br />

wieder bis zur vierten Klasse Volksschule<br />

möglich sein.“<br />

Diese Maßnahmen könnten Kindern<br />

wie Mohammed oder Luna dabei helfen,<br />

in ihrer schulischen Laufbahn nicht noch<br />

mehr zurückgeworfen zu werden, und<br />

motivierten Jugendlichen wie Alla nicht<br />

ihren zukünftigen Bildungsweg erschweren.<br />

Auch ohne Pandemie sind viele<br />

Schüler und Schülerinnen durch ihren<br />

sozialen Status im Nachteil, durch die<br />

momentane Lage wird dies sichtbarer.<br />

Das ist das Positive daran. Denn wenn<br />

endlich der Appell der Lehrpersonen<br />

und Bildungsexpertinnen und Bildungsexperten<br />

wahrgenommen wird, können<br />

und müssen auch Maßnahmen gesetzt<br />

werden, um die Chancengleichheit zu<br />

verbessern. ●<br />

Was sagt das Bildungsministerium?<br />

„DIESE KINDER SOLLEN NICHT<br />

VERGESSEN WERDEN“<br />

„Die Corona-Krise ist nicht die Zeit, schulischen Leistungsdruck zu Hause zu<br />

entfalten“, verkündete Bildungsminister Heinz Faßmann bei einer Pressekonferenz<br />

Ende März. Was Schülerinnen und Schüler aus einem schwächeren sozioökonomischem<br />

Umfeld anbelangt, sollen diese laut Faßmann „nicht vergessen<br />

werden.“ So sollen alle Schülerinnen und Schüler, die sich keinen eigenen<br />

Endgeräte zum Lernen leisten können, solche gratis von der Schule erhalten.<br />

Das Bildungsministerium ist im Gespräch mit verschiedenen Institutionen, die<br />

gebrauchte Geräte zur Verfügung stellen sollen. Auch sollen für Schulveranstaltungen,<br />

die nun wegen Covid19 nicht stattfinden, keine Kosten für die Eltern<br />

anfallen. Es gibt einen Härtefallfonds, der für die Stornierung von Reisen wie<br />

Skikursen und Sprachreisen verwendet werden soll. An den Bundesschulen<br />

werden die Kosten für Horte, Internate und ganztägige Schulangebote wegfallen,<br />

wenn diese nicht genutzt werden, so Faßmann. Diese Regelung gilt bis zum<br />

Ende des Semesters. Genauere Informationen dazu soll es nach Ostern geben.<br />

22 / POLITIKA /


Bezahlte Anzeige<br />

Polina, Studentin<br />

Bleib daheim.<br />

Es könnte Leben retten.<br />

Polina hat sich schon immer gegen Ausgrenzung und für Zusammenhalt eingesetzt. Deshalb unterstützt<br />

sie besonders jetzt auch ihre älteren Nachbarinnen und Nachbarn dabei, ihren Alltag zu meistern<br />

und erledigt Besorgungen für sie. Bekannten, die zur Risikogruppe gehören, hat sie die Hotline der<br />

Stadt Wien 01/4000-4001 empfohlen, die ältere Personen bei der Organisation ihres Alltags unterstützt.<br />

#BleibDaheim<br />

wien.gv.at/coronavirus


Premiere: Sein erstes<br />

Skype-Interview hatte der<br />

ÖIF-Direktor mit biber.<br />

DEUTSCH BRAUCHT ES AUCH<br />

FÜR KRISENSITUATIONEN!<br />

Normalerweise gehören Wertekurse,<br />

Frauenberatungen<br />

oder Deutschkurse zum Tagesgeschäft<br />

des ÖIF, dem Österreichischen<br />

Integrationsfonds.<br />

Doch wie funktionieren diese<br />

Integrationsmaß nahmen für<br />

Flüchtlinge und Migranten in<br />

Zeiten von Corona? Darüber<br />

spricht biber mit dem Direktor<br />

Franz Wolf im Skype-Interview.<br />

Von Delna Antia-Tatic, Mitarbeit Hannah Jutz<br />

und Jara Majerus<br />

<strong>BIBER</strong>: Herr Wolf, wie gelingt Integration<br />

in Zeiten von Corona – können zum<br />

Beispiel Kurse stattfinden?<br />

FRANZ WOLF: Es wurde natürlich alles<br />

abgesagt, was den persönlichen Kontakt<br />

von Menschen betrifft: alle Seminarangebote,<br />

Beratungen, Workshops. Wir<br />

verlagern nun vieles ins Digitale.<br />

Zum Beispiel?<br />

Da gibt es beim ÖIF zwei Stränge: Einerseits<br />

informieren wir unsere Zielgruppe,<br />

das sind Flüchtlinge und Migranten. So<br />

wurde zum Beispiel mit über 100.000<br />

SMS auf die richtigen Verhaltensweisen<br />

aufmerksam gemacht und auch auf<br />

Strafen hingewiesen. Wir unterstützen<br />

zudem die Regierung bei der Übersetzung<br />

von Dokumenten und betreuen mit<br />

mehrsprachigem Personal die Hotlines<br />

mit, wie etwa zu Gewalt gegen Frauen.<br />

An wen verschicken Sie die SMS genau?<br />

An jene Menschen, die mit dem ÖIF<br />

in Kontakt stehen. Personen, die in<br />

der Beratung sind, die Deutsch- oder<br />

Wertekurse machen oder Teil unserer<br />

Programme sind.<br />

Wie funktioniert die Integrationsarbeit<br />

derzeit abseits solcher Corona-Infos?<br />

Die aktuelle Situation erfordert, dass<br />

schnell vieles auf die Beine gestellt wird.<br />

Wir gehen davon aus, dass wir in den<br />

nächsten Wochen mit den Online-Angeboten<br />

voll starten können. Aber man<br />

sollte sich keine Illusionen machen. Denn<br />

für einige in unserer Zielgruppe, etwa<br />

Flüchtlinge wie somalische oder afghanische<br />

Frauen, kann dieses Online-Programm<br />

nur eine Notfallalternative sein.<br />

Es kann nicht den persönlichen Kontakt<br />

im Deutschkurs ersetzen.<br />

Besitzen diese Frauen überhaupt die<br />

Infrastruktur, um an einem Online-Kurs<br />

teilzunehmen?<br />

Natürlich, bei jemandem, der noch<br />

nie einen Computer bedient hat, oder<br />

womöglich nicht alphabetisiert ist, bei<br />

dem wird es schwierig in dieser Zeit<br />

zu lernen. Das muss man zur Kenntnis<br />

nehmen. Aber wir versuchen, so viel wie<br />

möglich zu tun.<br />

Die Corona-Krise zeigt die sozialen<br />

Ungleichheiten. Kinder und Jugendliche,<br />

24 / POLITIKA /


die aus sozial benachteiligten und kleinen,<br />

engen Haushalten kommen, stehen<br />

jetzt noch mehr vor Herausforderungen.<br />

Welche Aufgaben übernimmt hier der<br />

ÖIF?<br />

Das ist sicher ein großes Thema: wenig<br />

Wohnraum bzw. mehrere Kinder auf<br />

wenig Wohnraum; das ist eine Situation,<br />

die Zuwanderergruppen stärker betrifft.<br />

Der ÖIF unterstützt auch mehrsprachig<br />

hinsichtlich der häuslichen Gewalt,<br />

obwohl das nicht nur ein Thema ist, welches<br />

Zuwanderer betrifft.<br />

Zuletzt wurde eine zusätzliche Corona-<br />

Initiative zur Bekämpfung von Fake-News<br />

in den Communities gestartet. Warum?<br />

Fake-News und Gerüchte machen die<br />

Runde und verunsichern Menschen in<br />

dieser schwierigen Zeit zusätzlich. Uns<br />

ist es einfach ein Anliegen, dass wir bei<br />

der Aufklärung darüber auch Menschen<br />

in Österreich erreichen, die noch nicht<br />

gut genug Deutsch sprechen. Aber es<br />

zeigt auch, dass Deutsch nicht nur für<br />

die Arbeit und die Kommunikation im<br />

Alltag wichtig ist, sondern gerade in Krisensituationen:<br />

um sein eigenes Leben<br />

und das anderer zu schützen. Daher ist<br />

es das Ziel, dass Menschen Deutsch<br />

können.<br />

Nimmt Ihre Zielgruppe die Situation nicht<br />

ernst genug?<br />

Man kann zum Teil eine gewisse kulturelle<br />

Gelassenheit beobachten, von der<br />

Österreich sicherlich in vielen anderen<br />

Situationen auch profitieren mag, die<br />

aber derzeit nicht angebracht ist. In<br />

Gebieten mit hohem Migrationsanteil<br />

wird zum Beispiel weniger auf die vorgeschriebenen<br />

Abstände geachtet.<br />

Ist der Grund für weniger Regelkonformität<br />

mangelndes Deutsch?<br />

Es ist ein Thema der Sprache, wohl auch<br />

ein Thema des kulturellen Umgangs mit<br />

solchen Situationen. Asiatische Kulturen<br />

sind etwa sehr sensibel bei solchen<br />

Thematiken. In Wien hat man schon vor<br />

Monaten Touristen mit Mundschutzmasken<br />

gesehen.<br />

Wie geht es denn Ihrer Zielgruppe, wie<br />

Sie sagen, in dieser Krise?<br />

Es gibt Menschen, die haben viel zu<br />

tun und werden auch als sogenannte<br />

Helden des Alltags bezeichnet. Darunter<br />

sind natürlich viele Zuwanderer, weil sie<br />

oftmals auch niedrig bezahlten Berufen<br />

nachgehen: Jene, die an der Supermarktkasse<br />

sitzen, für Amazon arbeiten<br />

oder eine Pizza liefern.<br />

Durch die Corona-Krise hat sich der<br />

Arbeitskräftemangel in Österreich<br />

dennoch zusätzlich verstärkt – Bereiche<br />

wie Pflege oder Agrarwirtschaft, aber<br />

auch Supermarktketten oder die Post<br />

brauchen mehr Personal, um die Krise<br />

zu stemmen. Ist jetzt die Zeit gekommen,<br />

um Asylwerbende in den Arbeitsmarkt zu<br />

integrieren?<br />

Nein. Es werden in bestimmten Branchen<br />

zwar Arbeitskräfte gesucht, aber es gibt<br />

auch sehr viele arbeitslose Asylberechtigte<br />

in Österreich. Insgesamt gibt es<br />

derzeit eine massiv steigende Arbeitslosigkeit<br />

in Österreich und es gibt genügend<br />

verfügbare Arbeitskräfte. ●<br />

Wir fahren weiter,<br />

damit der<br />

Kühlschrank<br />

voll bleibt.<br />

#wienbleibtmobil


Immun, was nun? Werden Menschen,<br />

die sich schon mit Corona angesteckt<br />

haben, zu Superhelden unserer<br />

Gesellschaft aufsteigen?<br />

26 / POLITIKA /


ZUKUNFTSSZENARIO<br />

LIZENZ MIT SUPERKRAFT:<br />

KOMMT DER CORONA-PASS?<br />

Ihre Antikörper geben ihnen „Superkraft“:<br />

Die Vision vom „Corona-Pass“ für Immune beschäftigt<br />

Chefredakteurin Delna Antia-Tatic, aber nicht nur sie. Aus<br />

Expertenkreisen klingen Überlegungen an, wonach Genesene<br />

die neuen „Superhelden“ der Gesellschaft sein könnten.<br />

Von Delna Antia-Tatić, Illustrationen: Zoe Opratko<br />

Das Testergebnis meines<br />

Mannes ist negativ: Kein<br />

Corona. Weder er, noch<br />

wir also. Ich bin erleichtert,<br />

natürlich. Aber auch ein bisschen<br />

enttäuscht. Mein Mann ist ein bisschen<br />

entsetzt: „Das glaubt mir keiner!“,<br />

schüttelt er über meinen Gesichtsausdruck<br />

den Kopf. Aber meine Sekunde der<br />

Enttäuschung bezieht sich nicht auf die<br />

Krankheit. Um nicht missverstanden zu<br />

werden, dieses tödliche Virus, das so viel<br />

schlimmes Leid auf der ganzen Welt verursacht<br />

und an dem so viele Menschen<br />

bereits starben, das will ich so wenig<br />

wie jeder andere. Mir geht es um etwas<br />

anderes: um eine Perspektive in diesem<br />

Schreckenszustand.<br />

Denn während man wartet, dass<br />

jemand zum Testen kommt (2 Tage) und<br />

weiter wartet, dass jemand das Testergebnis<br />

übermittelt (bei uns 5 Tage),<br />

währenddessen hat man viel Zeit für<br />

„Was wäre eigentlich wenn?“-Szenarien<br />

im Kopf. Meines geht so:<br />

Was, wenn wir tatsächlich Corona-<br />

Infizierte sind? Erstens hätten wir das<br />

Virus dann gehabt. Glücklicherweise mild<br />

verlaufend wie eine stinknormal lästige<br />

Erkältung. Wir müssten nicht mehr mit<br />

dieser ständigen Angst vor einer Ansteckung<br />

leben. Zweitens hieße das doch,<br />

dass wir nach der Genesung immun sind.<br />

Wir könnten nicht angesteckt werden<br />

und noch viel wichtiger, wir könnten<br />

niemanden infizieren. Was drittens<br />

bedeuten würde: Für uns wären die<br />

strengen Regeln der Selbstisolation nach<br />

Überwindung der Krankheit auch nicht<br />

notwendig, richtig? Wäre daher, viertens,<br />

ein „Corona-Ausweis“ nicht die Lösung?<br />

Eine Art Zertifikat oder Pass für alle wie<br />

uns, die das Virus hatten und nun immun<br />

sind. Eine Art Lizenz zur Freiheit.<br />

„SOCIAL-EMBRACING<br />

STATT<br />

SOCIAL DISTANCING“<br />

Damit wäre nicht nur uns geholfen,<br />

letztlich auch der Gesellschaft. Wir könnten<br />

arbeiten, ob systemrelevant und/<br />

oder existenzrelevant, wir könnten die<br />

Wirtschaft ankurbeln, wir könnten ohne<br />

Sorge Freunde besuchen und im Grunde<br />

müssten wir sogar reisen dürfen. Wir<br />

wären frei, das Schönste auf der Welt zu<br />

tun: anderen Menschen nah zu sein. Die<br />

Oma könnte wieder babysitten und das<br />

Kind wieder mit dem Nachbarsjungen<br />

spielen. Social-Embracing statt Social-<br />

Distancing. Wir bräuchten weder Masken<br />

noch Handschuhe. Daher könnten wir in<br />

den verschiedensten Bereichen helfen<br />

und zum Einsatz kommen, wir wären so<br />

etwas wie die unverwundbaren Superhelden<br />

in Corona-World. Gut, meine<br />

Fantasie war schon immer sehr lebhaft.<br />

Aber ernsthaft, an der Sache ist<br />

etwas dran. So sucht etwa das Universitätsklinikum<br />

Münster aktiv nach<br />

gesundeten Corona-Infizierten für eine<br />

Blutspende. „Denn Patienten, die derzeit<br />

gegen Sars-CoV-2 kämpfen, könnten<br />

vom Blut derjenigen profitieren, die das<br />

schon erfolgreich hinter sich gebracht<br />

haben - vor allem, solange es noch<br />

keine anderen wirksamen Medikamente<br />

gegen die neuen Viren gibt“, berichtet<br />

die Süddeutsche Zeitung. Superkraft im<br />

Blut also. Aber was ist mit dem wirtschaftlichen<br />

und sozialen Mehrwert<br />

der Genesenen? Ich beginne noch am<br />

Tag der Testung, Mitte März, zu recherchieren:<br />

Ist ein Ausnahmeszenario für<br />

genesene Corona-Patienten denkbar? In<br />

einem Hintergrundtelefonat mit einem<br />

Arzt der Virologie der MedUni Wien wird<br />

mir auf meine Frage zu solch Szenarien<br />

bestätigt, dass ich zwar sehr weit denke,<br />

aber dass es im Hintergrund durchaus<br />

Diskussionen in diese Richtung gäbe.<br />

Aktuell gelten natürlich die Selbstisolationsregeln<br />

für alle gleich in Österreich.<br />

Für die Gesunden wie für die Genesenen.<br />

Doch wie lange noch?<br />

Entscheidend ist natürlich, die Frage<br />

/ POLITIKA / 27


Jeder Immune, der<br />

wieder arbeiten<br />

geht, hilft der ganzen<br />

Gesellschaft.<br />

der Immunität geklärt zu wissen. Was ich<br />

in diesem Hintergrundtelefonat erfahre,<br />

deckt sich mit dem, was zuletzt Experten<br />

und Virologen, wie etwa Christian<br />

Drosten, Deutschlands Chef-Virologe<br />

und Institutsinhaber der Charité Berlin,<br />

sagen: Man geht von einem ersten<br />

Immunschutz aus. Sollte es zu einer<br />

erneuten Ansteckung kommen, würde<br />

diese erst viel später erfolgen – nicht<br />

während der aktuellen Pandemie – und<br />

höchstens mild verlaufend.<br />

So ist es auch Drosten, der in einem<br />

Interview mit dieZeit, diesen Zukunftsszenario-Schritt<br />

weitergeht. Er betont<br />

das Potenzial der Immunen in der Krise<br />

und stellt mögliche Freiheiten in den<br />

Raum. „Wenn wir davon ausgehen,<br />

dass sich während der jetzigen Infektionswelle<br />

bis zum Herbst vielleicht zehn<br />

oder 15 Millionen Menschen in Deutschland<br />

anstecken, dann haben wir auch<br />

bald sehr viele Leute mit Antikörpern.<br />

Personen, die immun sind. Da wird es<br />

dann Pflegekräfte und Ärzte geben, die<br />

ohne Maske arbeiten. Auch in anderen<br />

Berufsgruppen wird es Leute geben, die<br />

sagen: Ich bin da durch. Und davon wird<br />

es immer mehr geben.“<br />

Auch in Österreich. Schon jetzt steigen<br />

die Zahlen der Genesenen merklich.<br />

Und wenngleich es derzeit „nur“ tausende<br />

sein mögen, es werden täglich mehr.<br />

Denn die meisten aller Infizierten werden<br />

das Virus überstehen. All sie besäßen<br />

diese Superkraft: Sie wären sowohl<br />

unverwundbar als auch uninfektiös. Sie<br />

könnten "Systementlastung" bringen,<br />

nämlich für all jene, die derzeit permanent<br />

für unser aller Wohl im Einsatz sind<br />

– die echten Heldinnen und Helden von<br />

heute im Krankenhaus und im Supermarkt<br />

zum Beispiel. Die Genesenen<br />

könnten in der Pflege bei alten Menschen<br />

eingesetzt werden, gerade da, wo<br />

das Risiko ja so hoch ist, und in ähnlich<br />

sensiblen Bereichen. Aber auch im Privaten<br />

könnte das Wissen und die offizielle<br />

Bestätigung von Immunität eine große<br />

Erleichterung bedeuten. Denn schon in<br />

den ersten Wochen des Ausnahmezustands<br />

gestaltet sich diese Situation für<br />

viele zur Extrembelastung. Für Alleinerziehende<br />

zum Beispiel: alleingestellt und<br />

„eingesperrt“ mit Betreuungs- als auch<br />

Existenzsorgen. Wenn da wieder Hilfe,<br />

ob durch die Nachbarin oder die Großeltern<br />

möglich ist, verschafft das mehr als<br />

Erleichterung.<br />

Vor allem aber brächte eine Ausnahmeregelung<br />

im Ausnahmezustand<br />

der Wirtschaft etwas. Über der Corona-<br />

Krise schwebt bekanntlich das Damoklesschwert<br />

der Wirtschaftskrise. Jeder<br />

Immune also, der wieder normal arbeiten<br />

geht und sein Geld selbst verdient, tut<br />

damit einen Dienst an der Nation. Die<br />

Masseurin und der Tätowierer etwa, die<br />

wieder arbeiten können, weil weder sie<br />

angesteckt noch sie anstecken könnten.<br />

Nicht verwunderlich ist daher auch,<br />

dass es drei Ökonomen sind, die genau<br />

dazu ein Paper veröffentlichten, wie die<br />

Wiener Zeitung berichtete. „Corona-<br />

Immunität als entscheidende Ressource:<br />

Der Weg zurück in die Normalität“ ist<br />

der Titel ihrer Arbeit und schlägt, und<br />

da staune ich wirklich, einen Corona-<br />

Passagierschein vor, um eine gelähmte<br />

Volkswirtschaft wieder in die Gänge zu<br />

bekommen. So schreiben die Universitätsprofessoren<br />

David Stadelmann<br />

(Professor für Volkswirtschaftslehre<br />

an der Universität Bayreuth), Reiner<br />

Eichenberger (Professor für Theorie der<br />

Finanz- und Wirtschaftspolitik an der<br />

Universität Freiburg) und Rainer Hegselmann<br />

(Professor für Philosophie an der<br />

Frankfurt School of Finance & Management):<br />

„Immune Menschen können<br />

wieder für alle Tätigkeiten eingesetzt<br />

werden und können allen sozialen Kontakten<br />

wie gewohnt nachgehen. Insbesondere<br />

können sie in der Alten- und<br />

Krankenpflege eingesetzt werden, ohne<br />

dort die besonders anfälligen Menschen<br />

zu gefährden. Der möglichst schnelle<br />

und umfassende Einsatz der Immunen<br />

ist deshalb aus volksgesundheitlicher,<br />

volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher<br />

Perspektive sinnvoll. Ihr<br />

Einsatz ist für eine Rückkehr unserer<br />

Gesellschaft in die Normalität unabdingbar.<br />

Dafür müssen sie zum einen selbst<br />

sicher wissen, dass sie immun sind, und<br />

die anderen Menschen müssen sie von<br />

Nicht-Immunen unterscheiden können.<br />

Deshalb brauchen sie ein verlässliches<br />

Immunitätszertifikat über nachgewiesene<br />

Antikörper. Dieses Immunitätszertifikat<br />

dient ihnen als eine Art „Passierschein in<br />

die Normalität“ und zertifiziert den Wert<br />

der Ressource.“<br />

WIE VIEL<br />

„SUPERKRAFT“<br />

SCHLUMMERT IN<br />

ÖSTERREICH?<br />

Ein Corona-Pass scheint also tatsächlich<br />

nicht nur ein Hirngespinst zu sein.<br />

Leider erhalte ich auf wiederholte Nachfrage<br />

keine Antwort dazu aus dem österreichischen<br />

Gesundheitsministerium.<br />

Doch laut Sekretariatsauskunft wurden<br />

meine diesbezüglichen Fragen an „die<br />

Staatskommunikation“ weitergeleitet.<br />

Das lässt vermuten? Ad absurdum vom<br />

Tisch wischen könnte jedenfalls auch die<br />

28 / POLITIKA /


Presseabteilung. Zudem setzt der österreichische<br />

Gesundheitsminister zuletzt<br />

große Hoffnung in die neuen Möglichkeiten<br />

der Antikörpertestung. Mit dieser, so<br />

Rudi Anschober in einer Pressekonferenz<br />

am 27. März, könnten Corona-Immune<br />

viel leichter festgestellt werden als allein<br />

mit den derzeitigen „Krankheitstest“, den<br />

sogenannten PCR-Tests. Durch großflächiger<br />

angesetzte Antikörpertestungen<br />

in der österreichischen Gesellschaft<br />

erwischt man nämlich eben jene, die<br />

sich nie krank gefühlt haben und daher<br />

nie als Verdachtsfall getestet wurden:<br />

die Dunkelziffer. Festzustellen, wie viele<br />

Menschen in Österreich bereits Kontakt<br />

mit Covid19 hatten, ist nicht nur interessant,<br />

um das Level einer sogenannten<br />

„Herdenimmunität“ in der Bevölkerung<br />

zu errechnen. Es zeigt eben auch die<br />

Ressourcen. Zwar beschreibt Anschober<br />

keine Freiheitsszenarien für die Immunen,<br />

aber doch, dass diese Tests in<br />

bestimmten Berufsgruppen zum Einsatz<br />

kommen könnten.<br />

Auch der deutsche Virologe Alexander<br />

Kekulé geht in einem Interview<br />

mit Die Presse auf das Potenzial solcher<br />

Möglichkeiten ein, gerade was die Risikogruppen<br />

betrifft – die Älteren: „Wir haben<br />

ja jetzt auch Tests, die den Immunstatus<br />

feststellen können. Nehmen wir mal an,<br />

es handle sich um meine Mutter. Dann<br />

würde ich nicht heute, aber in zwei<br />

Monaten die ganze Familie durchtesten<br />

lassen und feststellen, dass einige schon<br />

immun sind und zur Mama und Oma<br />

können.“<br />

So sind diese Tests wohl wirklich eine<br />

Chance. Denn schon jetzt könnte eine<br />

sehr große Anzahl an „Superkraft“ in<br />

Österreich schlummern. Menschen, die<br />

sich frei in den aktuellen Gefahrenzonen<br />

bewegen können – medizinisch gesehen.<br />

Daher wäre es wohl auch vergeudetes<br />

Potenzial und unnötiges Leid, wirtschaftlich<br />

und sozial gesehen, sie weiter in<br />

der Selbstisolation zu halten. Mit einem<br />

Corona-Pass hätten sie die Lizenz zur<br />

Hilfe und zur Normalität – und diese<br />

Gruppe würde stetig wachsen.<br />

Ist es also denkbar, dass die österreichische<br />

Bundesregierung in naher oder<br />

auch ferner Zukunft einen solchen Pass<br />

einführt? Oder gar die EU? Obwohl, das<br />

ist Fantasterei! Aber Eltern und Familie<br />

in Deutschland lassen mich grenzübergreifend<br />

hoffen, denn ich weiß nicht,<br />

wann ich sie wiedersehen kann. Zudem<br />

muss man in puncto Passeinführung<br />

berücksichtigen, dass besonders freiheitsliebende<br />

Bürgerinnen und Bürger<br />

sich dafür absichtlich dem Risiko einer<br />

Ansteckung aussetzen könnten – und<br />

das wäre kontraproduktiv. Klar ist auch,<br />

dass eine Einteilung der Bevölkerung,<br />

wo manche mehr "dürfen" als andere,<br />

für Spannungen sorgen wird. Trotzdem.<br />

Ich bin keine Expertin, aber die Chance<br />

dahinter scheint gegeben zu sein. Wir<br />

sollten darüber sprechen. Denn wann<br />

brauchten wir je dringender Superhelden<br />

auf der Welt als jetzt?<br />

Meine Familie und ich werden jedenfalls<br />

erst einmal keine sein. Wir haben<br />

so etwas ungewohnt Normales wie eine<br />

lästige Erkältung. Und ganz ehrlich: Gott<br />

sei Dank! Statt der Lizenz zur Ausnahme<br />

im Ausnahmezustand, befolgen wir die<br />

Regeln der Selbstisolation. Doch permanent<br />

zuhause zu bleiben, ist, wie wir alle<br />

inzwischen wissen, auch heldenhaft. Ein<br />

bisschen. ●<br />

BILD © BMLRT/iSTOCK<br />

Wir suchen Sie.<br />

Österreich braucht Sie!<br />

www.dielebensmittelhelfer.at<br />

EnTgELTLIChE EInSChALTung DES BMLRT<br />

Die Versorgung unseres Landes mit Lebensmitteln zählt gerade in einer Krise<br />

zu den wichtigsten Aufgaben. In vielen landwirt<br />

der Lebensmittelverarbeitung werden derzeit dringend schaftlichen Arbeitskräfte Betrieben für und einige<br />

Wochen und Monate gesucht. Das Bundesministerium für Landwirtschaft,<br />

Regionen und Tourismus (BMLRT) stellt gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer<br />

Österreich, der Wirtschaftskammer Österreich und dem Maschinenring<br />

eine Online-Plattform bereit, um verfügbare Arbeitskräfte an Betriebe mit Bedarf<br />

zu vermitteln. Interessierte Betriebe und Arbeitskräfte können sich hier melden:<br />

www.dielebensmittelhelfer.at


KLIMA GERECHTIGKEIT<br />

IN ZEITEN EINER PANDEMIE<br />

Die Berliner Klimaaktivistin Imeh Ituen<br />

kritisiert die „Fridays For Future“-Bewegung,<br />

Klimawandelleugner Trump und Orban und<br />

Milliardenschwere Wirtschaftpakete, die die<br />

Industrie nach Corona stärken soll.<br />

Von Elena Bavandpoori<br />

<strong>BIBER</strong>: Was macht BPoC Environmental<br />

and Climate Justice Collective Berlin?<br />

IMEH ITUEN: Das Klimakollektiv wurde<br />

im Februar <strong>20</strong>19 gegründet und organisiert<br />

verschiedene Vorträge, Workshops<br />

und Live Screenings. Wir veranstalten<br />

gemeinsame Events, um ein größeres<br />

Netzwerk für schwarze Menschen und<br />

People of Color im Klimaaktivismus<br />

aufzubauen. Zum Beispiel hatten wir eine<br />

Baumpflanzaktion in Brandenburg.<br />

Klimaaktivistin Imeh Ituen<br />

kritisiert die mangelnde<br />

Wertschätzung Afrikas.<br />

Wie können sich Klimainteressierte in<br />

Zeiten einer Pandemie organisieren?<br />

In Wien findet Ende Mai die Online-<br />

Konferenz „Degrowth Vienna <strong>20</strong><strong>20</strong>“<br />

statt. Unser Kollektiv macht jetzt auch<br />

viel online, in Webinaren und Proteste<br />

in Kleingruppen. Dabei muss Protest<br />

nicht mit Menschenmassen verbunden<br />

werden. Die Nachwehen von Corona<br />

bleiben noch lange und da lohnen sich<br />

neue Aktionsformen und Bündnisse,<br />

um Gerechtigkeit zu fördern. Ich denke<br />

da auch an Anträge für den Mietendeckel,<br />

Petitionen für die Evakuierung von<br />

Menschen in Flüchtlingslagern oder die<br />

Debatte um das Grundeinkommen.<br />

Glaubst du, dass durch Corona mehr<br />

globaler Zusammenhalt entsteht?<br />

Die Coronakrise kann eine Chance sein,<br />

um einen Sprung in Richtung globale<br />

Klimagerechtigkeit und Solidarität zu<br />

machen, wie wir es noch Anfang <strong>20</strong><strong>20</strong><br />

nicht erwartet hätten. Aber es kann in<br />

privat<br />

30 / POLITIKA /


mehrere Richtungen gehen. Ungarn hat<br />

die demokratische Gewaltenteilung unter<br />

dem Deckmantel der Coronakrise ausgesetzt.<br />

Trump gewinnt an Wahlstimmen.<br />

Rechte Kräfte werden in Krisenzeiten<br />

mächtiger. Das ist bedenklich.<br />

Können wir eine Lektion aus der Corona-<br />

Pandemie lernen?<br />

Schätzungen zufolge sind die CO2-<br />

Emissionen in China um 25% niedriger<br />

als im Vorjahr. Aber es steht nicht auf<br />

dem Plan, sich weltweit von fossilen<br />

Brennstoffen zu entfernen. Im Gegenteil:<br />

Wirtschaftspakete in Millionenhöhe werden<br />

Industrien zur Verfügung gestellt.<br />

Die Politik unterstützt Verbraucher*innen<br />

nicht, sondern steht auf der Seite der<br />

großen Produktionen. Öl und Flugverkehr<br />

werden subventioniert, der Green New<br />

Deal in den USA ist gekippt. Ich hoffe,<br />

wir besinnen uns darauf, Fördergelder in<br />

klimafreundliche Maßnahmen fließen zu<br />

lassen.<br />

Was würde auf dem afrikanischen Kontinent<br />

bei einem exponentiellen Ausbruch<br />

von Corona passieren?<br />

Es wäre verheerend. Ich verfolge die<br />

Situation in Nigeria, wo ich Familie habe.<br />

Es zeigt den Mangel an Wertschätzung<br />

für den afrikanischen Kontinent und<br />

seine Menschen, wenn wir glauben, es<br />

würde uns in Europa nicht betreffen. Da<br />

sind die Folgen von Umweltrassismus.<br />

Spätestens dann würde sich zeigen, dass<br />

wir in einer globalisierten Welt leben.<br />

Der afrikanische Kontinent ist Teil des<br />

Weltmarkts. Es wird den Rest der Welt<br />

betreffen.<br />

Inwiefern zeigt die Coronakrise soziale<br />

und klimatische Ungerechtigkeit auf?<br />

Die Krise zeigt die ganzen Bruchstellen in<br />

der Gesellschaft. Wer kann es sich leisten<br />

zuhause zu sein? Für Menschen an<br />

der Kasse, auf dem Bau und in der Pflege<br />

geht es draußen weiter. Das ist auch global<br />

sichtbar: In den USA haben schwarze<br />

Menschen, Indigene und People of Color<br />

schlechtere Zugänge zum Gesundheitssystem<br />

und sind viel benachteiligter. Die<br />

deutliche Mehrheit aller Todesfälle durch<br />

Luftverschmutzung sind in Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern auf dem<br />

asiatischen und afrikanischen Kontinent<br />

zu verzeichnen. In Deutschland sind<br />

migrantische Viertel wie Berlin-Neukölln<br />

betroffen. Corona ist ein Virus, das die<br />

Lunge angreift. Da ist saubere Luft ein<br />

großer Faktor für Gesundheit.<br />

Ist Corona ein wichtiges Thema für Klimagruppen?<br />

Absolut. Die Pandemie findet ihre<br />

Ursachen in der Vernichtung von<br />

Biodiversität, in Fleischkonsum und in<br />

schrumpfenden Lebensräumen. Wir<br />

machen darauf aufmerksam, dass Menschen<br />

des Globalen Südens besonders<br />

betroffen sind. Menschen, die vor Klimawandelfolgen<br />

geflohen sind, hängen nun<br />

an den Grenzen fest und sind in Lagern<br />

gefangen, die Ballungspunkte für Krankheitsausbrüche<br />

sind. Da können wir dann<br />

auch nicht erfreut hervorheben, dass<br />

CO2-Emissionen in China sinken.<br />

Du bist Teil von BPoC Environmental and<br />

Climate Justice Collective Berlin, weil du<br />

dich in anderen Klimagruppen einsam<br />

gefühlt hast. Warum?<br />

Rassismus und eine eurozentrische<br />

Perspektive. Ich bin durch mein Studium<br />

„Integriertes Naturressourcenmanagement“<br />

zum Klimaaktivismus gekommen.<br />

Schon lange vor der Fridays for<br />

Future-Bewegung war ich auf meinem<br />

ersten Klimacamp. Aber da waren kaum<br />

schwarze Menschen und PoCs. Ein<br />

„Ende Gelände“-Camp wurde mal von<br />

Nazis angegriffen und es wurden keine<br />

Schutzmaßnahmen getroffen. Außerdem<br />

gibt es Bedrohungen aus den Gruppen<br />

selbst. Migrantische Mitglieder von Fridays<br />

for Future haben in einem offenen<br />

Beschwerdebrief rassistische Kommentare<br />

nach dem Terroranschlag in Hanau<br />

veröffentlicht, die sie zu hören bekamen.<br />

Sie wollten ein Statement zu Hanau<br />

geben und haben Antworten bekommen<br />

wie „Kriege ich dann auch noch ein<br />

Statement dazu, dass ein Junge gestern<br />

ein Legoteilchen verschluckt hat?“ Da<br />

wird also ein Terroranschlag auf marginalisierte<br />

Menschen damit verglichen,<br />

dass ein Kind Bauklötze verschluckt.<br />

Genügend schwarze Personen und PoCs<br />

haben Klimathemen studiert und kennen<br />

sich aus. Dann wird ihnen aber durch<br />

Rassismus die Sicherheit genommen.<br />

Kein Wunder, wenn die Leute keine Energie<br />

mehr da reinstecken wollen. Communities<br />

haben ein Gedächtnis.<br />

Fridays for Future sieht sich selbst als<br />

eine Klimagerechtigkeitsbewegung?<br />

Werden sie deiner Meinung nach diesem<br />

Namen gerecht?<br />

Nein. Nicht als globale Klimagerechtigkeitsbewegung.<br />

Schon im Namen Fridays<br />

for Future steckt Eurozentrismus. „Wir<br />

sind hier, wir sind laut, wenn man uns<br />

die Zukunft klaut!“ ist der Leitspruch.<br />

Wenn von Zukunft gesprochen wird,<br />

verkennt das die Erfahrung von Millionen<br />

von Menschen im Globalen Süden, die<br />

seit Jahrzehnten von Klimawandelfolgen<br />

bedroht sind und fliehen müssen.<br />

Nirgendwo sind Menschen von Klimawandelfolgen<br />

so betroffen wie auf dem<br />

afrikanischen Kontinent. Das BPoc Environmental<br />

and Climate Justice Collective<br />

spricht von Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft.<br />

Interessieren sich weiße Menschen für<br />

euer Kollektiv?<br />

Wir haben vergangenes Jahr schon mehr<br />

Anfragen bekommen, als wir annehmen<br />

konnten. Aber wir hatten auch öfter das<br />

Gefühl aus kosmetischen Gründen eingeladen<br />

zu werden und das müssen wir<br />

hinterfragen. Wir wollen nicht die Fehler<br />

der Klimagruppen richten, die müssen<br />

sich schon selbst mit dem Thema auseinandersetzen.<br />

Was wünschst du dir von den großen,<br />

mehrheitlich weißen Klimagruppen?<br />

Ich war schon sehr getroffen vom offenen<br />

Brief zu Hanau. Da habe ich große<br />

Enttäuschung gespürt. Klimawandel lässt<br />

sich nicht von Kolonialismus und Kapitalismus<br />

trennen. Ich wünsche mir eine<br />

Auseinandersetzung der Klimagruppen<br />

mit Rassismus in ihren eigenen Strukturen.<br />

Wenn das nicht passiert, führt das<br />

zum gewaltvollen Ausschluss von marginalisierten<br />

Menschen. Auch als schwarze<br />

Personen, die in Europa leben, reflektieren<br />

wir unsere eigene Verwicklung und<br />

Schuldfrage bei den Klimawandelfolgen.<br />

Unser bequemes Leben wird auf dem<br />

Rücken unserer Geschwister im Globalen<br />

Süden ausgetragen. Die Menschen müssen<br />

sich ihrer eigenen Verantwortung<br />

bewusst werden. Ihr aktuelles Leben<br />

beruht auf der Ausbeutung von Ökosystemen,<br />

Tieren und Menschen. ●<br />

/ POLITIKA / 31


„Meine Hebamme<br />

und der Arzt<br />

werden Masken<br />

tragen.“<br />

Kleid: Bébé Umstandsmoden<br />

32 / RAMBAZAMBA /


Sajeh Tavasolie ist Organisatorin<br />

des Wiener Hip<br />

Hop Balls, Captain bei<br />

den adidas Runners Vienna<br />

und erwartet noch im<br />

April ihr erstes Kind. Ein<br />

Gespräch über Online-<br />

Geburtsvorbereitung, die<br />

Wege zur Selbstbestimmung,<br />

und das Influencer-<br />

Dasein.<br />

Interview: Nada El-Azar, Fotos: Sophie Kirchner<br />

/ RAMBAZAMBA / 33


„Da bin ich ein Mal<br />

schwanger, und dann<br />

sowas!“ Sajeh macht ihre<br />

Geburtsvorbereitung<br />

über Skype.<br />

Wie bereitet man sich in der Quarantäne<br />

auf die Geburt seines ersten Kindes vor?<br />

Bewegung gehört für mich so sehr zu<br />

meinem Leben, derzeit ist diese leider<br />

sehr eingeschränkt. Glücklicherweise<br />

habe ich – natürlich kostenpflichtig –<br />

eine Hebamme gefunden, die mit mir<br />

einen Onlinekurs zu Geburtspositionen,<br />

Atmung, Kaiserschnitt und Nabelschnur<br />

gemacht hat. Die Hebamme hat mir<br />

genau erklärt, wie die Wehen auszusehen<br />

haben, damit ich nicht durch einem<br />

Fehlalarm ins Krankenhaus gehe. Es gibt<br />

zwar viele Videos auf YouTube, aber<br />

natürlich nicht in dieser Intensität. Außerdem<br />

soll ich nicht mit dem Krankenwagen<br />

fahren, sondern möglichst ein Taxi<br />

nehmen.<br />

Du konntest dich also doch einigermaßen<br />

auf die Geburt vorbereiten. Welche<br />

anderen Sorgen hast du noch?<br />

Die Geburt ist eine Sache, aber die andere<br />

ist die ärztliche Nachkontrolle meines<br />

Sohnes nach dem Mutter-Kind-Pass.<br />

Versuche einmal einen Kinderarzt heute<br />

zu erreichen - man kommt nirgendwo<br />

durch! Keine Ordination interessierte<br />

sich für eine Geburt, die erst in ein paar<br />

Wochen stattfindet. Jeglicher Kontakt zu<br />

anderen Menschen soll auf ein Minimum<br />

reduziert werden. Da bin ich einmal<br />

schwanger, und dann sowas. (lacht) Es<br />

ist echt nicht einfach. Wir versuchen es<br />

uns so lustig wie möglich zu machen,<br />

TikTok hilft uns sehr dabei!<br />

<strong>BIBER</strong>: Sei ehrlich: Wie ist es, in der Zeit<br />

der Corona-Pandemie schwanger zu<br />

sein?<br />

SAJEH TAVASOLIE: Ich bin wirklich ein<br />

starker Mensch, weiß, was ich meinem<br />

Körper zutrauen kann und habe keine<br />

Angst vor Schmerzen bei der Geburt.<br />

Aber dieser Umstand ist jeden Tag aufs<br />

Neue überwältigend. Mir wurden alle<br />

möglichen Geburtsvorbereitungskurse<br />

und Untersuchungen abgesagt. Ich war<br />

so panisch, dass ich sogar über eine Einleitung<br />

nachgedacht habe, von der mir<br />

meine Gynäkologin aber abriet.<br />

Wie wird deine Geburt in wenigen<br />

Wochen ablaufen?<br />

Der derzeitige Stand ist, dass meine<br />

Schwester Nasim bei der Geburt dabei<br />

sein darf, aber kein Besuchsrecht am<br />

Wochenbett haben wird. Meine Hebamme<br />

und der Arzt werden Masken tragen.<br />

Ich hoffe, dass ich keine während der<br />

Wehen tragen muss. Derzeit wird auch<br />

zu einer ambulanten Geburt geraten,<br />

was bedeutet, dass man nach der Geburt<br />

einige Stunden ruhen kann und dann<br />

wieder nach Hause geht. Normalerweise<br />

dürfte man drei Tage im Krankenhaus<br />

bleiben und Besuch empfangen. Momentan<br />

ist alles ein Ausnahmezustand,<br />

meine Angst ist, dass der angekündigte<br />

Peak der Infektionen Mitte April alles<br />

nochmals beeinflusst.<br />

Die Corona-Krise hat dafür gesorgt, dass<br />

der dritte Wiener Hip Hop Ball nicht wie<br />

geplant im Mai stattfindet, sondern erst<br />

im Jänner <strong>20</strong>21. Warum hast du dich<br />

dazu entschlossen, Wien einen Hip Hop<br />

Ball zu geben?<br />

Seit ich klein war, faszinierten mich Veranstaltungen<br />

wie die MTV Music Awards<br />

und die Oscar-Verleihung. Mit Anfang <strong>20</strong><br />

hatte ich begonnen, in der Säulenhalle<br />

Events zu organisieren – also waren<br />

Konzeption und Veranstalten schon Teil<br />

meines Berufslebens. Als ich später bei<br />

Radio Energy gearbeitet habe, hat mich<br />

mein damaliger Chef auf alle möglichen<br />

Bälle geschickt. Für mich war das so toll,<br />

an solche Orte zu gehen und zu sehen,<br />

wie verschiedenste Konzepte von den<br />

Räumlichkeiten bis zur Tischdeko umgesetzt<br />

wurden! Andererseits fand ich es<br />

so schade, dass ich mich mit klassischer<br />

Musik und der Kultur nie identifizieren<br />

konnte. Heute gibt es für alle möglichen<br />

Zielgruppen Bälle – auch etwa einen<br />

Techno Ball. Eines Tages kam mir beim<br />

Trainieren auf dem Laufband die Idee: Es<br />

muss einen Hip Hop Ball geben!<br />

Wie kann man sich einen Hip Hop Ball<br />

vorstellen? Ist die Musik nicht eher was<br />

für Randgruppen, statt der high society?<br />

Hip Hop war für mich immer schon<br />

revolutionär und versuchte, vorgegebene<br />

Barrieren zu sprengen. Er ist schon lange<br />

weg von der „Straße“ und im Mainstream<br />

34 / RAMBAZAMBA /


angekommen. Kaum eine Musikrichtung<br />

gibt so viel Kultur her wie der Hip Hop.<br />

Man kann so viel aus den Elementen<br />

Rap, Graffiti, DJing und Breakdance<br />

machen, und sie mit den klassischen<br />

Balltraditionen wie Eröffnungstanz und<br />

Tombola verbinden. Der Dresscode spiegelt<br />

das wider: Ballkleid und Sneakers für<br />

die Damen, Smoking und Sneakers für<br />

die Herren.<br />

Stieß das Konzept auch auf Kritik?<br />

Kritik kam eher vom Wiener Hip Hop<br />

Untergrund, der ein bisschen konservativer<br />

ist und wo häufig Leute dabei<br />

sind, die zehn Jahre älter sind als ich<br />

und einen anderen Hip Hop kennen. Das<br />

waren die Herausforderungen des ersten<br />

Balls im Jahr <strong>20</strong>16, wo ich einige Urgesteine<br />

des österreichischen Hip Hops<br />

nicht kannte. Es gab aus verschiedenen<br />

ausländischen Communities Kritik am<br />

Preis von 70 Euro für die Balltickets. Da<br />

fehlte es an Aufklärung, was es bedeutet,<br />

ein <strong>20</strong>0.000 Euro teures Event zu organisieren,<br />

mit 150 Künstlern am Start. Das<br />

muss den Leuten die Kultur wert sein.<br />

Deine Eltern flüchteten Mitte der Neunziger<br />

Jahre aus dem Iran nach Österreich.<br />

Wie war es für dich, sich an das Leben in<br />

Europa anzupassen?<br />

Eine sehr lange Zeit habe ich nicht<br />

zugegeben, dass meine Eltern Flüchtlinge<br />

waren und wir in Traiskirchen<br />

gelebt haben. Ich schämte mich. Wenn<br />

ich heute Kinder mit Schultüten sehe,<br />

bekomme ich Tränen in den Augen, weil<br />

ich monatelang mit dem Billasackerl in<br />

die Schule gegangen bin und das nie<br />

hatte. Mein Vater war im Iran im Militär<br />

und ein großer Patriarch. Der Culture<br />

Clash zwischen dem Iran und Europa war<br />

sehr schwierig für ihn und er hat mir und<br />

meiner Schwester von A bis Z einfach<br />

alles verboten. Wir durften immer nur zur<br />

Schule, und dann wieder nach Hause.<br />

Sogar Fernsehen war verboten. Es gibt<br />

ein Sprichwort auf Farsi, dass wir es als<br />

Mädchen nicht mal wert wären, unter<br />

der Erde zu liegen. Mein Vater hätte<br />

sich lieber zwei Steine als zwei Töchter<br />

gewünscht. Als ich 13 war, bin ich zu<br />

einer Freundin gezogen und habe von<br />

der Kinderbeihilfe gelebt. Mit 16 begann<br />

ich zu arbeiten, suchte mir eine eigene<br />

Wohnung, und habe die Schule weitergemacht.<br />

Wie schafft man es, mit gerade einmal<br />

16 Jahren arbeiten zu gehen und nebenher<br />

den Schulabschluss zu machen?<br />

Eigentlich war das ein Wahnsinn und<br />

rückblickend denke ich mir, dass das<br />

doch gar nicht mein Leben gewesen sein<br />

kann. Ich weiß nicht, wo ich heute wäre,<br />

wenn mein damaliger Schuldirektor mich<br />

nicht vom Unterricht freigestellt hätte.<br />

Ich musste nicht anwesend sein, konnte<br />

aber Prüfungen ablegen. Der Direktor<br />

wollte nicht, dass ich auf die Abendschule<br />

wechsle, weil er überzeugt war, dass<br />

ich dort nie meinen Abschluss machen<br />

würde. Tagsüber habe ich im Verkauf<br />

gearbeitet, später auch nachts im Coffee<br />

Shop in der Millennium City.<br />

Was hast du aus diesen Erfahrungen<br />

gelernt?<br />

Man kann sich zu 100 Prozent nur auf<br />

sich selbst verlassen. Ich denke, dass<br />

mich das auch sehr hart gemacht hat.<br />

Ich lasse wenig Ausreden bei mir durchgehen.<br />

Mag. Josef Taucher<br />

Klubvorsitzender SPÖ Wien<br />

Dr. Michael Ludwig<br />

Bürgermeister<br />

GANZ WIEN HÄLT<br />

ZUSAMMEN<br />

WIEN, WIR SCHAU‘N AUFEINANDER.<br />

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Was hat dir in der Pubertät am meisten<br />

gefehlt?<br />

Mit 16 hatte ich ja angefangen, bei<br />

adidas zu arbeiten und je älter ich wurde,<br />

desto mehr tat sich der Wunsch auf, zu<br />

reisen. Aber das konnte ich ewig nicht,<br />

weil ich keine Dokumente hatte. Meinen<br />

Reisepass habe ich erst mit 27 Jahren<br />

bekommen! Es war schwierig zu sehen,<br />

was andere mit Unterstützung von ihren<br />

Eltern tun konnten. Aber ich hatte das<br />

große Glück, dass meine Schwester zu<br />

mir gezogen ist, als sie 16 Jahre alt war,<br />

und wir von zwei Gehältern besser leben<br />

konnten.<br />

Wie kommt man so jung an eine Wohnung?<br />

Es gibt sicherlich viele Mädchen<br />

mit ähnlichen Hintergründen, die mit<br />

den Vorstellungen der Eltern nicht klarkommen<br />

und sich das sehr wünschen<br />

würden.<br />

Ich habe neben der Schule bis zu 60<br />

Stunden in der Woche gearbeitet und<br />

konnte eine Maklerprovision bezahlen –<br />

zusammen mit meiner Aufenthaltsgenehmigungskarte<br />

war es dann relativ egal,<br />

dass ich keinen Pass hatte. Das Lernen<br />

füllte dann mein Wochenende und auch<br />

meinen Urlaub plante ich so, dass ich<br />

mich auf Tests vorbereiten konnte. So<br />

war es dann auch während meines Studiums<br />

der Internationalen Entwicklung.<br />

Ich weiß nicht, wie ich das geschafft<br />

habe.<br />

Wie kam es zu der Entscheidung, Single-<br />

Mutter zu werden?<br />

Als klar wurde, dass ich schwanger<br />

war, ist mein Freund drei Monate in die<br />

Dominikanische Republik abgehauen.<br />

Er hat nichts dazu beigetragen, eine<br />

gesunde und positive Schwangerschaft<br />

zu haben und sich der Verantwortung<br />

entzogen. Alle meine Freunde sagen,<br />

dass das Kind alleine zu bekommen die<br />

richtige Entscheidung ist. Vor Kurzem hat<br />

sich mein Ex doch gemeldet, ob er nicht<br />

bei der Geburt dabei sein dürfe – nein,<br />

ganz sicher nicht! Ich stehe die ganze<br />

Schwangerschaft mit meiner Schwester<br />

durch.<br />

Deinem Instagramaccount @sajehtava<br />

folgen an die 40.000 Menschen. Auf<br />

welche Themen konzentrierst du dich am<br />

meisten?<br />

Ein großer Hauptpunkt auf meinem<br />

Account, den ich vor allem Frauen<br />

vermitteln will, ist: Bleibt aktiv und treibt<br />

Sport! Sei es Kraftsport oder das Laufen.<br />

Auch gesunde Ernährung und Motivation<br />

spielen eine große Rolle. Und jetzt eben<br />

auch mein Leben als frischgebackene<br />

Mama.<br />

Viele junge Mädchen wären gerne Profi-<br />

Influencer wie du. Was wissen sie nicht<br />

über die Schattenseiten dieses Berufs?<br />

Influencer zu sein bedeutet, von Social<br />

Media unter Druck gesetzt zu werden,<br />

auch wenn man manchmal keine Lust<br />

hat zu posten. Tut man nichts, drohen<br />

Reichweite und Impressionen flöten<br />

zu gehen. Der Wettkampf gegen den<br />

Algorithmus auf Instagram ist brutal. Als<br />

ich meine Schwangerschaft bekanntgab,<br />

habe ich so viele Follower verloren.<br />

Ich habe mich für sie damit als Person<br />

verändert. In meiner Welt habe ich schon<br />

viele Communities gehabt, aber die<br />

Mama-Community ist wirklich die tollste.<br />

Der Druck, auf Social Media zu performen,<br />

ist immens hoch, aber der Support<br />

bei den Mamis ist wirklich ehrlich und ich<br />

bin sehr glücklich darüber.<br />

Sport gehört zu deinem Beruf als Influencerin.<br />

Eine Schwangerschaft bringt große<br />

körperliche Veränderungen mit sich.<br />

Machst du dir Sorgen, nicht zu deiner<br />

alten Figur zu kommen?<br />

Ich weiß, dass ich extrem diszipliniert bin<br />

und habe keine Angst, dass ich nie wieder<br />

meinen Körper von vor der Schwangerschaft<br />

zurückbekommen könnte.<br />

Sport gibt einem so viel Selbstvertrauen,<br />

und ich werde auch versuchen, meinem<br />

Sohn das mitzugeben. Ich habe schon<br />

einen Kinderwagen, der zum Joggen<br />

geeignet ist und bemühe mich, meinen<br />

Sport um das Kind herum zu organisieren.<br />

●<br />

Hat sich das Verhältnis zu deinem Vater<br />

verändert, seit du dir dein Leben aufgebaut<br />

hast?<br />

Über die Jahre habe ich aufrichtig<br />

versucht, immer wieder Kontakt zu<br />

meinem Vater zu suchen, obwohl er<br />

doch auch eine große Last auf meinen<br />

Schultern gelassen hat. Er hat mich sehr<br />

stark geprägt, was Beziehungen mit<br />

Männern angeht, aber auch zu Gutem<br />

beigetragen, wie meiner Einstellung zu<br />

Arbeitsmoral und zu Sport. Ich glaube, er<br />

wusste nicht, wie er Liebe und Wertschätzung<br />

kommunizieren kann. Mit der<br />

Schwangerschaft habe ich aber realisiert,<br />

dass ich mich von Menschen trennen<br />

muss, die Negativität in mein Leben bringen<br />

– vor allem Männern. Deshalb trennte<br />

ich mich auch von meinem Freund, als<br />

ich schwanger wurde.<br />

Sajeh Tavasolie<br />

Alter: 31<br />

Geboren: Im Iran<br />

Karriere: Projektleiterin bei den<br />

adidas Runners Austria, Profi-Influencerin,<br />

Organisatorin des<br />

Wiener Hip Hop Balls, der am 30.<br />

Jänner <strong>20</strong>21 im Kursalon Hübner<br />

stattfinden wird.<br />

36 / RAMBAZAMBA /


Info-Update<br />

Österreich<br />

#glaubandich<br />

Liebe Kundinnen<br />

und Kunden!<br />

Sie können sich auf uns verlassen.<br />

In herausfordernden Zeiten ist eines besonders wichtig: Zusammenhalt und gegenseitige<br />

Hilfe. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind natürlich für Sie da und<br />

beraten Sie gern. Momentan am liebsten per Telefon und über George.<br />

Egal, ob Sie Ihre Bankgeschäfte erledigen wollen oder Informationen benötigen.<br />

Oder ob Sie als Unternehmen Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch nehmen müssen.<br />

Wir sind für Sie da. Auch in schwierigen Zeiten.<br />

Telefonisch:<br />

unter 05 0100<br />

Online:<br />

in George<br />

unter s Kontakt<br />

Persönlich:<br />

in dringenden<br />

Fällen<br />

Corona-Helpline<br />

für Unternehmen<br />

und Freie Berufe:<br />

05 0100 - 51510<br />

erstebank.at<br />

sparkasse.at


HEY BABY<br />

Aus dem Bauch heraus<br />

Jelena Pantić-Panić<br />

MEINUNG<br />

Mit Baby<br />

hinter Gittern<br />

Es ist nicht so, als ob ich mit Baby wahnsinnig<br />

viel unterwegs gewesen wäre – aber<br />

ganz zuhause sitzen war dann doch eine<br />

Umstellung. Sonst sehen unsere Tage so<br />

aus: Meine Familie kommt zur Verstärkung<br />

und zum Knuddeln, wir gehen so oft wie<br />

möglich spazieren und ich habe Pausen für<br />

mich. Mit einem Schlag war mein Mann im<br />

Homeoffice (wo man ja dennoch arbeiten<br />

muss), meine Familie nicht da, mein Baby<br />

quengelig, ich überfordert und Spazierengehen<br />

fühlte sich plötzlich riskant an. Ich<br />

muss zugeben, die ersten Tage waren hart.<br />

Aber mittlerweile läuft es toll. Babylein<br />

und ich haben nochmal eine stärkere<br />

Bindung und ich bin zur Expertin in Sachen<br />

„Babybeschäftigung in Zeiten von Corona“<br />

geworden. So viel Zeit haben wir noch nie<br />

zu dritt verbracht und konnten noch mal so<br />

richtig zusammenwachsen. Und zur neuen<br />

Routine gehören nun WhatsApp-Kaffeedates<br />

mit Papa, Mama und Oma. Einzig<br />

meine imaginären Beschränkungen zur<br />

Mediennutzung sind so wie das normale<br />

Leben in Österreich vorübergehend außer<br />

Kraft gesetzt. Denn irgendwann gehen<br />

die Ideen aus und dann läuft auch mal der<br />

Fernseher. Und nach Favoriten und Serbien<br />

wird auch videotelefoniert. Aber hey, es ist<br />

ja quasi Ausnahmezustand!<br />

pantic@dasbiber.at<br />

BABY-SAFARI<br />

Wir haben ja mittlerweile das<br />

halbe Sortiment von Fisher-<br />

Price geschenkt bekommen,<br />

aber von diesem Teilchen<br />

ist unser Sohn besonders<br />

angetan. Diese Lauflernhilfe,<br />

in der Familie bekannt als<br />

„zebrica“, hat unser Baby<br />

dazu motiviert zu sitzen,<br />

aufzustehen und zu laufen<br />

– voller Erfolg! Lauflernhilfe<br />

von Fisher-Price um ca. 30<br />

Euro<br />

HERE COMES THE SUN<br />

Mit den ersten Sonnenstrahlen<br />

sind wir schon<br />

am Balkon – da mein Baby<br />

ungern geblendet wird, aber<br />

nie zulassen würde, dass<br />

man ihm eine Sonnenbrille<br />

aufsetzt, musste ich umdisponieren.<br />

Wie ich finde ein<br />

gelungener Kompromiss:<br />

ein Käppi mit Sonnenschutz<br />

und Nackenschutz mit Dinos<br />

drauf.<br />

Cap mit Dino-Print von<br />

Carter‘s bei Zalando um<br />

13,95 Euro.<br />

RENNSTRECKE WOHNZIMMER<br />

Der Wäschekorb ist bei uns am wenigsten für Wäsche in Gebrauch.<br />

Dafür wird aber darin gespielt und Formel 1 gefahren. Oder Baby drin am<br />

Balkon zum Spielen platziert, damit Mama sich daneben sonnt. Oder das<br />

Baby zur Hausarbeit durch die Wohnung gezogen. Einfach einen Gürtel<br />

an einer Seite montieren und Baby ziehen et voilà – günstigstes Babymobil<br />

ever! Wäschekorb von keeeper um 10 Euro<br />

Elsa Okazaki, Carter’s/Zalando, Fisher-Price<br />

38 / BABYSTYLE /


„Bei uns fährt<br />

niemand mit dem<br />

Fahrrad.“<br />

/ RAMBAZAMBA / MIT SCHARF / 39


Öko-Themen sind spätestens seit Greta Thunberg<br />

in aller Munde. Wirklich? In migrantischen Familien<br />

spielen Klima- und Umweltschutz oftmals keine große<br />

Rolle. Warum eigentlich? Ein Erklärungsversuch.<br />

Von Nada El-Azar, Collagen: Zoe Opratko<br />

Heidelbeeren aus Peru oder<br />

Erdbeeren aus Spanien?<br />

Augen auf beim Obstkauf<br />

lautet die Devise, aber wer<br />

kann sich wirklich leisten,<br />

darauf zu achten?<br />

40 / RAMBAZAMBA /


Es war Tag drei in der Selbstquarantäne, ich<br />

nahm einen Whatsapp Video-Anruf meiner<br />

kleinen Schwester entgegen. „Hast du schon<br />

gesehen? Beim Lidl gibt’s jetzt Erdbeeren im<br />

Angebot!“, erzählte sie mir ganz aufgeregt und hielt eine<br />

Frucht in die Kamera, bevor sie in ihrem Mund verschwand.<br />

„Aber die haben doch noch gar nicht Saison.<br />

Woher kommen die denn?“, fragte ich und fühlte mich<br />

dabei schon wie eine richtige Öko-Tante. „Weiß ich nicht,<br />

Moment, ich habe die Verpackung weggeschmissen. Aus<br />

Spanien“, sagte sie und zuckte weiternaschend mit den<br />

Schultern. Zwischen meiner Schwester und mir liegen<br />

gerade einmal anderthalb Jahre Altersunterschied und<br />

obwohl wir als Kinder immer alles gemeinsam gemacht<br />

haben, könnten wir heute kaum unterschiedlicher sein.<br />

Das merke ich auch bei unseren Kaufgewohnheiten.<br />

Versteht mich nicht falsch – ich war nie auf einer Fridays-<br />

For-Future-Demo, aber indem ich beispielsweise mit dem<br />

Fahrrad in der Stadt unterwegs bin, keine Heidelbeeren<br />

aus Peru kaufe und meinen Fleischkonsum reduziert<br />

habe, merke ich, dass sich auch bei mir ein ökologisches<br />

Bewusstsein eingeschlichen hat.<br />

BIO-FLEISCH? FEHLANZEIGE.<br />

Bei meinen Eltern sieht es anders aus. Heute wird mir<br />

etwas mulmig, wenn ich sehe, dass sie immer noch das<br />

billigste Sodawasser in 0,5L Plastikflaschen kaufen – das<br />

wahrscheinlich nicht mal so gut ist wie das Hochquellwasser<br />

aus unseren Wasserhähnen. Ich kann mich gut<br />

daran erinnern, wie sehr Freunde meiner Eltern über mich<br />

gelacht haben, weil ich als Kind immer nur Leitungswasser<br />

trank, statt Cola oder Säften. Leitungswasser war nämlich<br />

kein „richtiges Getränk“. Geputzt wird mit den aggressivsten<br />

Reinigern wie Scheuermilch und Chlor. Und Fleisch<br />

kam und kommt so gut wie täglich auf den Tisch. In<br />

Unmengen, wenn man bedenkt, dass meine Mutter stets<br />

für sieben Personen kochte, und zwar so viel, dass sich<br />

jeder noch einen Nachschlag nehmen konnte. Bio-Fleisch?<br />

Fehlanzeige. Das wäre auch zu teuer gewesen.<br />

MIT ÖFFIS FAHREN IST ASOZIAL<br />

Ich sprach mit meiner Bekannten Dijana, deren Eltern<br />

ursprünglich aus Mazedonien stammen, darüber und<br />

entdeckte erstaunlich viele Parallelen. „Ich merkte schon<br />

in meiner Schulzeit, dass meine Eltern ein viel geringeres<br />

Bewusstsein für das Thema Umwelt hatten, als beispielsweise<br />

jene meiner österreichischen Klassenkameraden“,<br />

Zu früh gefreut! In der Eispackung wartet<br />

nämlich leckeres Fleisch auf seinen Verzehr.<br />

erinnert sie sich. „Wir Migranten haben immer Plastikflaschen<br />

benutzt und sind mit Billa-Plastiksackerln rumgelaufen.<br />

Im Englischunterricht sprachen wir einmal über<br />

Ernährung und als die Lehrerin sagte, zweimal pro Woche<br />

Fleisch zu essen sei gesund, da lachte meine albanische<br />

Sitznachbarin laut los und meinte, bei ihnen gäbe es zweimal<br />

täglich Fleisch. Wir haben uns auch viel ungesünder<br />

ernährt, hatten Chips statt Äpfeln mit für die Pause. Ich<br />

denke, dass das auch mit der Kostenfrage zusammenhängt.<br />

Viele aus meiner Klasse waren aus der Arbeiterschicht,<br />

wie ich.“ Die 22-Jährige wuchs in Ottakring auf<br />

und hat einen Cousin, der buchstäblich zehn Minuten mit<br />

dem Auto ins Fitnessstudio fährt. „Bei uns Jugos fährt<br />

niemand, erst recht nicht die Männer, mit dem Fahrrad. Mit<br />

den Öffis fahren finden manche sogar asozial. Ich denke,<br />

dass bei vielen das Auto noch ein großes Statussymbol<br />

ist. Gerade bei Familien, die sozioökonomisch schwächer<br />

sind“, erklärt sie.<br />

ÖKOSORGEN MUSS MAN SICH LEISTEN<br />

KÖNNEN<br />

Umweltbewusstsein ist nicht zuletzt etwas, was man sich<br />

leisten können muss. Das Interesse daran hält sich für die<br />

meisten Menschen aus Arbeiter- und Dienstleistungsverhältnissen,<br />

die häufig eben auch Migrationshintergrund<br />

haben, in Grenzen. Was die Menschen in ihrer Lebensre-<br />

/ RAMBAZAMBA / 41


Zero-Waste geht auch ohne<br />

große ästhetische Ansprüche.<br />

alität nicht direkt betrifft, spielt auch für ihr Handeln keine<br />

Rolle. Wenn also meine Mutter zuhause die Familie satt<br />

bekommen muss und nur ein knappes Budget zur Verfügung<br />

steht, ist das ihre konkrete Realität und Priorität.<br />

Die Ozonschicht oder schmelzende Polkappen sind dann<br />

meistens sehr weit weg.<br />

Andererseits ist auch fehlendes Wissen um ökologische<br />

Zusammenhänge ein Grund für klimaschädliches<br />

Konsumverhalten in sozial schwächeren Familien, von<br />

denen eben besonders viele Migrationshintergrund haben.<br />

Zuletzt habe ich meine Gewohnheiten geändert, weil ich in<br />

einer anderen Informationsblase bin als meine Eltern. Auf<br />

der Universität lernte ich viele junge Menschen kennen,<br />

die zuhause mit Bio-Produkten gekocht haben, Stoffbeutel<br />

für ihren Einkauf benutzten und Öko-Reinigungsmittel<br />

im Haus verwendeten. Anfangs war das fast wie ein<br />

Kulturschock für mich, wie eine meiner Freundinnen<br />

selber Bienenwachs-Tücher bastelte, die sie anstelle von<br />

Frischhaltefolie verwendet. Als ich zuhause meiner Mutter<br />

erzählte, was die Fürze aller Kühe, die für die Fleischproduktion<br />

auf der ganzen Welt gehalten werden, mit unserer<br />

Atmosphäre machen, versetzte sie das in ungläubiges<br />

Staunen. Aufklärung ist also ein wichtiger Punkt – die<br />

kommt aber nicht von alleine.<br />

VEGANE HÜHNERSUPPE<br />

Unsere ehemalige Praktikantin Elena, deren Eltern<br />

ursprünglich aus dem Iran kommen, erzählte: „Zum Thema<br />

Nachhaltigkeit habe ich schon so viel auf meine Eltern<br />

eingeredet. Meine Mutter glaubte lang, weil ich seit sechs<br />

Jahren Vegetarierin bin, ist das der Grund dafür, wenn ich<br />

krank werde. Ich versuchte es mal mit Veganismus, sie<br />

wusste nicht was das bedeutet. Ich erklärte ihr, dass man<br />

da zusätzlich noch keine tierischen Produkte wie Honig<br />

oder Käse isst. Eines Tages tauchte sie mit einer Hühnersuppe<br />

vor meiner Tür auf und sagte, sie habe vegan<br />

für mich gekocht – weil da kein Käse und kein Honig drin<br />

waren!“, lachte sie. Sie beschrieb ihre Mutter als wissbegierigen<br />

Menschen, der seine Gewohnheiten aber niemals<br />

ändern wird. Wahrscheinlich wird das Dijanas Cousin, der<br />

selbst kleinste Wege mit dem Mercedes zurücklegt, auch<br />

nicht tun. Bei ihrem Vater hingegen erzielte Elena schon<br />

Erfolge. Er entschloss sich gemeinsam mit Elenas Stiefmutter<br />

ebenfalls vegetarisch zu leben. Sie haben Alternativen<br />

gefunden, persische Gerichte fleischlos zu machen.<br />

„Sie haben mir erzählt, dass sie Fleisch gar nicht vermissen“,<br />

so Elena.<br />

UNBEWUSSTE NACHHALTIGKEIT<br />

Aber: Es gibt es auch etwas, dass Dijanas, meine, oder<br />

Elenas Familien gut draufhaben. Und das ist kreativ sein,<br />

wenn es um nachhaltiges Wiederverwenden von Dingen<br />

geht. Wer kennt nicht die berüchtigte Keksdose mit dem<br />

Nähzeug drin? Für Generationen von Kindern und Jugendlichen<br />

mit Wurzeln aus aller Welt ist das der Inbegriff<br />

von Enttäuschung. Es gibt in vielen Haushalten auch das<br />

riesige Sackerl mit allen Plastiksackerln darin. Elena findet<br />

im Gefrierfach riesige Eiscremepackungen – die sich als<br />

Behälter für die besten persischen Gerichte ihrer Mutter<br />

herausstellen. Mein Vater verwendet Kübel von Persil<br />

Waschmittel oder Maggi Pulver als Blumentöpfe. Außerdem<br />

hat er aus einem alten Kühlschrank ein Mini-Treibhaus<br />

gebaut, um darin Molokheya-Pflanzen zu kultivieren. „Ich<br />

denke, dass dieses Wiederverwenden von Plastiksäcken,<br />

Dosen, und Verpackungen irgendwo unbewusst nachhaltig<br />

ist. Wenn auch aus finanziellen Gründen, und nicht aus<br />

Umweltschutz“, so Elena. Diesen DIY-Erfindergeist könne<br />

man sich locker abschauen! Sonst ist es auf jeden Fall<br />

einen Versuch wert, auf Alternativen zu Fleisch oder anderen<br />

Haushaltsprodukten aufmerksam zu machen. Umweltbewusstsein<br />

lernen unsere Eltern nämlich am besten von<br />

uns Kindern. ●<br />

42 / RAMBAZAMBA /


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ÜBER TOTE KINDER<br />

SPRICHT MAN<br />

NICHT<br />

Schuld, Scham und das Gefühl, versagt<br />

zu haben. Jede dritte Schwangerschaft<br />

endet mit einer Fehlgeburt, aber die<br />

Betroffenen fühlen sich allein. Denn<br />

über Fehlgeburten spricht man nicht<br />

am Esstisch. Drei Frauen erzählen von<br />

ihren verlorenen Kindern und brechen<br />

damit ein Tabu, das eigentlich schon<br />

längst keines mehr sein sollte.<br />

Von Jara Majerus, Fotos: Zoe Opratko<br />

44 / RAMBAZAMBA /


Als Amila * im Krankenhaus ankommt, ist es schon<br />

spät, fast acht Uhr abends. Sie sitzt in der Notaufnahme,<br />

neben ihr ihre Mutter und ihr Mann. Die<br />

anderen Frauen, die mit ihr im Wartezimmer sitzen,<br />

werden eine nach der anderen aufgerufen. Amila wartet.<br />

Die Krankenschwestern bieten ihr immer wieder Schmerzmittel<br />

an, aber sie möchte keine. Sie will nichts nehmen, trotz der<br />

unerträglichen Schmerzen. Als Amila vor einigen Stunden mit<br />

ihrer Freundin durch die Einkaufsstraßen Wiens schlenderte,<br />

war noch alles in Ordnung. Lediglich ein kleines bisschen Blut<br />

hatte sich in ihrer Unterhose gesammelt. Ihre Frauenärztin hatte<br />

Amila am Telefon erklärt, dass es sich dabei wahrscheinlich<br />

nur um eine Schmierblutung handle. Das sei normal während<br />

einer Schwangerschaft. Wenn Amila so darüber nachdenkt,<br />

war in den letzten acht Wochen jedoch nichts wirklich normal<br />

abgelaufen. Diese Schwangerschaft fühlte sich ganz anders an<br />

als ihre erste. Selbst jetzt, im dritten Schwangerschaftsmonat,<br />

verspürt sie keine klassischen Schwangerschaftsanzeichen.<br />

Ihr war all die Wochen lang nicht schlecht, sie musste sich<br />

morgens nicht übergeben. Ihre Ärztin riet ihr, sich keine Sorgen<br />

zu machen und diesen Rat hatte Amila auch acht Wochen lang<br />

befolgt. Aber jetzt, hier in dieser Notaufnahme und mit all dem<br />

Blut, das ihre Unterhose rot färbt, macht sie sich doch Sorgen.<br />

Als die damals 23-Jährige in der Notaufnahme sitzt, weiß<br />

sie noch nicht, dass sie ihr Kind bereits verloren hat. Amila<br />

hatte eine Fehlgeburt. Damit ist sie nicht eine von wenigen,<br />

sondern eine von vielen Frauen. „Jede zweite bis dritte Frau<br />

erleidet in ihrem Leben eine Fehlgeburt“, sagt Claudia Weinert.<br />

Sie ist die Obfrau des Vereins Regenbogen Wien, einer Selbsthilfegruppe<br />

für Eltern, die ihr Kind während oder kurz nach der<br />

Schwangerschaft verloren haben. Wie häufig Fehlgeburten<br />

sind, zeigt auch eine im Juli <strong>20</strong>18 veröffentlichte US-Studie:<br />

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Frauen in ihrem Leben mehr<br />

Aborte erleben, als sie Kinder lebend gebären. So habe in<br />

Dänemark beispielsweise jede Frau durchschnittlich 1,7 Kinder,<br />

erleide im Laufe ihres Lebens jedoch auch 2,1 Aborte.<br />

„ICH DACHTE EINFACH NICHT,<br />

DASS ES MIR PASSIEREN WÜRDE“<br />

Endlich, nach zwei Stunden Wartezeit, wird Amila ins Zimmer<br />

der Frauenärztin gerufen. Ihr Mann bleibt im Wartezimmer, ihre<br />

Mutter begleitet sie. Amila nimmt auf der Liege Platz. Ihre Blutungen<br />

haben zugenommen und sind mittlerweile sehr stark.<br />

Sie spürt, wie die Ärztin den Ultraschallstab einführt. „Dann<br />

ging alles unglaublich schnell“, sagt Amila. „Die Ärztin hat nach<br />

„Das nächste, was ich sah,<br />

war, wie die Ärztin den Fötus<br />

in der Hand gehalten hat.“<br />

einer Zange gegriffen, ich verspürte starke Schmerzen und<br />

das nächste, was ich sah, war, wie die Ärztin den Fötus in der<br />

Hand gehalten hat. Ich wusste gar nicht was da passiert.“ Dass<br />

ihr Kind nicht mehr in ihrem Bauch war, realisierte die junge<br />

Mutter erst später. Trotz des unguten Gefühls während der<br />

gesamten Schwangerschaft, hatte sie nicht mit einer Fehlgeburt<br />

gerechnet. Ähnlich wie Amila ging es auch Anna-Lena, als<br />

ihre Ärztin sie am 06. März <strong>20</strong><strong>20</strong> bittet, die Beine von den Fußablagerungen<br />

des Frauenarztstuhls zu nehmen und sich richtig<br />

hinzusetzen. Sie könne den Herzschlag des Babys nicht mehr<br />

feststellen, meinte die Ärztin. Anna-Lena war in der neunten<br />

Woche schwanger. Es war ihre erste Schwangerschaft. „Ich<br />

wusste schon, dass Fehlgeburten passieren“, sagt sie, „aber<br />

ich dachte einfach nicht, dass mir das selbst passieren würde.“<br />

Beide Frauen, Amila und Anna-Lena, waren unter 30, als<br />

sie die Fehlgeburten erlitten. Zwar steigt das Risiko für Fehlgeburten<br />

mit dem Alter der Frauen, Aborte sind jedoch auch bei<br />

jungen Frauen keine Seltenheit. So ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass eine Frau Mitte <strong>20</strong> eine Fehlgeburt erleidet, fast genauso<br />

hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein lebendes Kind<br />

zur Welt bringt. Bei den Berechnungen dieser Zahlen wurden<br />

in der US-Studie auch jene Fehlgeburten miteingerechnet, die<br />

von den Frauen unbemerkt bleiben. 50 Prozent der Fehlgeburten<br />

finden zwischen der vierten und der fünften Schwangerschaftswoche<br />

statt. „Die Frauen denken dann oft, dass<br />

es sich lediglich um eine verspätete Monatsblutung handelt“,<br />

/ RAMBAZAMBA / 45


„Ich war alleine im<br />

Zimmer und hab die<br />

ganze Nacht geweint“<br />

sagt Claudia Weinert. Wenn die Frauen zwischen der sechsten<br />

und der achten Schwangerschaftswoche sind, reduziert sich<br />

das Risiko für einen Abort auf ungefähr 18 Prozent. Ab der<br />

17. Woche, also ungefähr ab dem sechsten Monat, beträgt<br />

die Wahrscheinlichkeit eine Fehlgeburt zu erleiden noch knapp<br />

3 Prozent. Laut der US-Studie aus dem Jahr <strong>20</strong>18 kann eine<br />

Frau, die eine große Familie haben möchte, Aborte nicht vermeiden.<br />

NACH DER NARKOSE<br />

KOMMT DIE TRAUER<br />

Gabriele wollte immer eine große Familie. Vier Kinder, das<br />

war der Traum, da waren sie und ihr Partner sich einig. Als<br />

die Tirolerin 34 Jahre alt ist, ist sie bereits zweifache Mutter.<br />

Ein Mädchen und einen kleinen Jungen hat Gabriele zur Welt<br />

gebracht. Im April <strong>20</strong>02 ist sie erneut schwanger und erleidet<br />

eine Fehlgeburt. Sie war damals im fünften Monat. „Ich musste<br />

für die Ausschabung im Krankenhaus übernachten. Ich war<br />

alleine im Zimmer und hab die ganze Nacht geweint. Das ist so<br />

ein komisches Gefühl. Du bist schwanger, aber eigentlich bist<br />

du nicht mehr schwanger“, erinnert sich Gabriele. Heute ist sie<br />

51 Jahre alt und ihre Fehlgeburt ist knapp zwanzig Jahre her.<br />

Trotzdem erinnert sie sich an fast alles. „Das ist ein Erlebnis,<br />

das sich einfach einbrennt“, sagt sie. Nach der Operation am<br />

nächsten Morgen fühlt sie sich leer. Nicht nur das Kind war<br />

weg, sondern auch alles andere. Die Vorfreude, die Pläne.<br />

„Ich habe mir gewünscht, nichts zu spüren“, sagt Gabriele.<br />

Sie fühlte sich wie eine Versagerin. „Jeden Tag werden Kinder<br />

geboren, das ist so etwas Alltägliches und ich habe das nicht<br />

hinbekommen“.<br />

Auch im Krankenhauszimmer von Amila und Anna-Lena<br />

schlichen sich Schuldgefühle ein: „Ich habe mich ständig<br />

gefragt, ob ich etwas falsch gemacht habe. Ob ich vielleicht<br />

irgendwo angestoßen bin und das Kind deshalb verloren habe“,<br />

sagt Amila. „So etwas passiert ja nicht einfach so. Nichts<br />

passiert einfach so, habe ich mir gedacht“. So wie Gabriele,<br />

Amila und Anna-Lena geht es vielen Frauen. Sie suchen<br />

die Fehler bei sich und haben das Gefühl, dass Fehlgeburten<br />

Einzelschicksale sind. „Man fühlt sich alleine. In dem Moment,<br />

wo dir das passiert, denkst du, dass du eine von ganz wenigen<br />

bist“, sagt Gabriele. Zu dem Gefühl, alleine zu sein, kommt die<br />

Angst vor der Zukunft: „Was, wenn ich nie mehr schwanger<br />

werden kann? Was, wenn ich noch eine Fehlgeburt habe?“.<br />

Diese Fragen stellte sich jede der drei Frauen. Als Gabriele und<br />

Amila über diese Angst sprechen, kommen beide zum gleichen<br />

Schluss: Sie sind froh, dass es nicht ihre erste Schwangerschaft<br />

war, die mit einer Fehlgeburt endete. „Trotz all der<br />

Fragen und der Unsicherheit hatte ich Hoffnung, denn ich hatte<br />

ja schon ein gesundes Kind“, sagt Amila. Wenn sie ihr erstes<br />

Kind verloren hätte, sagt sie, hätte sie sich vielleicht Hilfe<br />

gesucht. So, wie es Anna-Lena tat. Anna-Lena suchte nach<br />

ihrer Fehlgeburt Kontakt zu einer Sterbeamme, die sie und<br />

ihren Partner in ihrer Trauer begleitet. Außerdem trat sie einer<br />

Facebook-Gruppe bei. „Man liest, dass es anderen auch so<br />

geht wie einem selbst. Man kann Fragen stellen und bekommt<br />

Mut zugesprochen. Das hilft“, sagt sie.<br />

DAS TABU DER TOTEN KINDER<br />

Dass die Frauen Schuldgefühle haben und sich mit ihrem<br />

Schicksalsschlag alleine fühlen, liegt auch daran, dass über<br />

Fehlgeburten unter vorgehobener Hand gesprochen wird.<br />

„Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass sie eine Fehlgeburt<br />

hatte und das hat sich angefühlt wie ein Geheimnis. Wie<br />

etwas, das außer uns niemand wissen muss. Das ist schon<br />

lange her, damals konnte man wirklich nicht offen darüber<br />

sprechen“, sagt Gabriele.<br />

Zwischen Gabrieles Fehlgeburt und denen von Amila und<br />

Anna-Lena liegen knapp zwei Jahrzehnte. In den letzten Jahren<br />

habe sich im Umgang mit Fehlgeburten viel getan, sagt<br />

Claudia Weinert vom Verein Regenbogen. „Einerseits sprechen<br />

wir heutzutage offener über Probleme und andererseits haben<br />

sich mittlerweile ja auch einige Prominente geoutet – wie zum<br />

Beispiel Mark Zuckerberg.“ Trotzdem seien Fehlgeburten nach<br />

wie vor ein Tabuthema.<br />

Während ihres Aufenthalts im Krankenhaus sei das Wort<br />

‚Fehlgeburt‘ nie gefallen, sagt Amila. Weder bevor die Ärztin<br />

den Fötus entfernt hat noch während des anschließenden<br />

Gesprächs. Erst auf dem Entlassungsbrief des Krankenhauses<br />

habe Amila das Wort dann gelesen. In diesem Augenblick wurde<br />

ihr bewusst, dass sie eine Fehlgeburt erlitten hatte. Ihr hätte<br />

es geholfen, wenn ihre Fehlgeburt von Anfang an beim Namen<br />

genannt geworden wäre, sagt die Wienerin. „Natürlich ist es<br />

schlimm und keine einfache Sache, aber für mich wäre das<br />

46 / RAMBAZAMBA /


esser gewesen. Dann hätte ich auch besser darüber reden<br />

können.“ Und Amila musste über ihre Fehlgeburt sprechen,<br />

ob sie wollte oder nicht. „Meine Eltern stammen beide aus Bosnien<br />

und bei uns in der Community ist das so, dass dich nach<br />

jedem Krankenhausbesuch sogar der Großcousin anruft. Alle<br />

wollten wissen, was passiert ist und wieso es passiert ist. Ich<br />

konnte diese blöden Fragen ja selbst nicht beantworten“, sagt<br />

sie. „Ich wusste selbst nicht, was passiert war.“ Amila sprach<br />

nur mit ihrer engen Familie und ihren Freundinnen offen über<br />

ihren Abort. Viele von ihnen erzählten ihr, dass auch sie eine<br />

Fehlgeburt hatten, sagt Amila. Trotzdem ist sie der Meinung,<br />

dass es kein Thema ist, über das man einfach reden kann:<br />

„Wenn ich meine Fehlgeburt nicht angesprochen hätte, dann<br />

hätte mir auch keine andere Frau von ihrer Fehlgeburt erzählt.<br />

Und ich würde es auch nicht einfach so in die Welt hinausposaunen.“<br />

Auch Gabriele wollte ihren Abort nicht an die große<br />

Glocke hängen: „Wenn ich mit anderen über meine Fehlgeburt<br />

gesprochen habe, war da auch immer sofort das Gefühl des<br />

Versagens. Es war so, als ob ich ein tolles Bild malen wollte<br />

und das Bild dann einfach scheiße geworden ist“, erinnert sie<br />

sich.<br />

Anna-Lena wollte ihr Erlebnis aber mit der Welt teilen. Die<br />

28-jährige Deutsche schrieb auf ihren Social Media Kanälen<br />

von ihrer Fehlgeburt. Sie postete ein Bild auf Instagram, zu<br />

dem sie schrieb, dass sie ihr Kind in der neunten Schwangerschaftswoche<br />

verloren habe. Schnell spürte sie, dass<br />

Fehlgeburten auch heute noch tabuisiert sind: „Einer hat mir<br />

geschrieben, dass ich sowas doch nicht öffentlich machen<br />

könne und man sowas einfach nicht mache und ein anderer<br />

Bekannter meinte, dass ich mein Sternenkind ** ausnutzen würde,<br />

um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das hat mich wirklich<br />

sehr verletzt“, sagt sie. Den Beitrag hat Anna-Lena anschließend<br />

gelöscht.<br />

„Wenn eine Frau das Bedürfnis hat, darüber zu sprechen,<br />

dann sollte sie das auch tun“, sagt Gabriele. „Es gibt keinen<br />

Grund dafür, dass Fehlgeburten ein Tabu sind. Es ist nichts,<br />

was man verstecken müsste und nichts wofür man sich selbst<br />

verstecken müsste.“ Dass nicht genug über Fehlgeburten<br />

gesprochen wird, erklären sich sowohl Anna-Lena als auch<br />

Gabriele damit, dass es sich bei Fehlgeburten um ein schmerzhaftes<br />

und unangenehmes Thema handelt. „Ich erwische mich<br />

noch manchmal dabei, wie ich gerne über meinen Bauch streicheln<br />

würde“, sagt Anna-Lena. „Aber da ist nichts mehr. Natürlich<br />

macht mich das sehr traurig, aber der Tod gehört ja auch<br />

zum Leben und das wird einfach alles totgeschwiegen. Das<br />

finde ich nicht richtig.“ Auch Claudia Weinert ist der Meinung,<br />

dass Fehlgeburten präsenter in der Öffentlichkeit sein müssten:<br />

„Es muss klar gezeigt werden: Ja, das gibt es.“<br />

Amina ist heute 26 Jahre alt und hat zwei gesunde Kinder.<br />

Einen Sohn und eine kleine Tochter. Als sie im Februar <strong>20</strong>18<br />

ihre Fehlgeburt erlitt, habe sie viel Unterstützung von ihrer<br />

Familie und ihrem Mann bekommen. „Es gibt aber auch Frauen,<br />

die kein so unterstützendes Umfeld haben“, sagt sie. Diese<br />

Frauen müsse man schon bei der Entlassung im Krankenhaus<br />

auffangen und ihnen beispielsweise Flyer für Selbsthilfegruppen<br />

in die Hand drücken, meint Amila. Damit alle Frauen, die<br />

über ihre Erlebnisse sprechen wollen, dies auch tun können<br />

und Fehlgeburten kein Tabuthema bleiben.<br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

** Als Sternenkinder werden jene Kinder bezeichnet, die während, bei oder<br />

nach der Geburt verstorben sind.<br />

„Meine Mutter hat mir mal erzählt,<br />

dass sie eine Fehlgeburt hatte und das<br />

hat sich angefühlt wie ein Geheimnis.“<br />

Jede zweite bis dritte Frau erleidet in ihrem<br />

Leben eine Fehlgeburt. Dieses Erlebnis müssen<br />

die Frauen und ihre Partner jedoch nicht allein<br />

verarbeiten. So gibt es in Wien beispielsweise den<br />

Verein Regenbogen. Die Organisatoren des Vereins<br />

wollen den betroffenen Eltern unter anderem<br />

durch Gruppentreffen Halt bieten. Genauere<br />

Informationen zum Verein und den Gruppentreffen<br />

sind unter www.wien.gv.at/sozialinfo


LIFE & STYLE<br />

Mache mir die Welt,<br />

wie sie mir gefällt<br />

Aleksandra Tulej<br />

MEINUNG<br />

Ich bin nicht so eine.<br />

„Wenn sie mir mit ‚ich bin nicht so eine’<br />

kommt, ist das der größte Abturn“, dröhnt es<br />

seitens meiner männlichen Freunde. „Wieso<br />

wollen sich Frauen immer rechtfertigen,<br />

wenn sie mit einem Typ was hatten?“, fragen<br />

sie mich. Ich kann nur mit den Schultern<br />

zucken. Ich bin scheinbar eben genau so<br />

eine. Ich hab‘ mich nie gerechtfertigt. Weil<br />

ich das in meiner privilegierten Bubble nie<br />

musste. Aber wenn man in Kreisen oder<br />

Communities aufwächst, in denen gewisse<br />

Taten verpönt oder verschwiegen werden,<br />

gestaltet sich das alles schwieriger. Es wird<br />

getratscht und geurteilt – vor allem über die<br />

Frauen. Aus dieser Situation heraus beginnen<br />

diese dann, sich rausreden zu wollen – um<br />

eben nicht als „billig“ dazustehen. Diese<br />

Bezeichnung sehe ich selbst als ultraproblematisch<br />

an – wir drehen uns wieder im Kreis<br />

der Konstrukte, in die wir hineingeboren sind.<br />

Diese Mädchen können nichts dafür – das<br />

ist ihre Art, aus diesen Konstrukten langsam<br />

aber sicher auszubrechen. Und ja, Jungs, ihr<br />

habt es leichter. Auch wenn es schwerfällt,<br />

ich habe es selbst lange nicht verstanden:<br />

Anstatt darüber zu diskutieren, was ein<br />

Abturn ist, seht es positiv. Es geht schon<br />

in die richtige Richtung. Aber dann müsst<br />

ihr halt auch mitmachen und Verständnis<br />

aufbringen. Schön wird es erst, wenn man<br />

ehrlich zueinander wird. Dann werdet ihr<br />

schon sehen, was sie für eine ist.<br />

tulej@dasbiber.at<br />

ZERO<br />

WASTE<br />

MASKE<br />

Fiona Pulda aka Zerowastelady beschäftigt sich schon seit längerem mit<br />

Nachhaltigkeit und zero-waste-Alternativen zu herkömmlichen Produkten.<br />

Ihr neuestes Projekt: Eigens hergestellte Atemschutzmasken.<br />

Die können wir ja momentan alle ganz gut gebrauchen. Die Masken<br />

produziert Fiona aus Reststoffen, die sie auf der Nähmaschine zusammennäht.<br />

Sie sind aus 100 % Baumwolle, zweilagig, und können bei 60<br />

Grad gewaschen werden. Fiona empfiehlt, sich gleich zwei zuzulegen,<br />

damit man eine immer auskochen kann, während man die andere verwendet.<br />

Eine Maske kostet 6 € ekxlusive Versand. Bestellen könnt ihr<br />

sie auf instagram: wastelady, Facebook: Zerowastelady oder auf Etsy:<br />

Zerowastelady<br />

Schön Daheim.<br />

Dass Not erfinderisch macht, haben wir in den letzten Wochen in allen Lebensbereichen<br />

gelernt. Es gibt unzählig viele Home-Beauty-Tipps – das wussten wir<br />

auch schon vor der Quarantäne. Aber behalten wir diese DIY-Schönheitserfindungen<br />

doch auch für bessere Zeiten im Auge :<br />

EIGELB-<br />

GESICHTSMASKE<br />

Was du brauchst: Ein Eigelb, Mandelöl<br />

und ein paar Tropfen Zitronensaft. All<br />

das miteinander vermengen, auf das<br />

Gesicht auftragen und 15 Minuten einwirken<br />

lassen. Ich hab‘s ausprobiert und<br />

habe mich während dem Prozess zwar<br />

wie ein Stück Kuchenteig gefühlt, aber<br />

das Ergebnis kann sich sehen lassen:<br />

Die Haut ist danach wirklich irgendwie<br />

entspannter und das Mandelöl riecht<br />

auch noch Stunden später leiwand.<br />

HAND-PEELING<br />

Durch das ständige Händewaschen,<br />

das momentan unser aller<br />

täglich Brot ist, wird die Haut extrem<br />

strapaziert. Ein Peeling aus<br />

Produkten, die fast jeder zuhause<br />

hat, ohne Hamstereinkäufe<br />

getätigt zu haben, leistet<br />

Abhilfe. Was du brauchst:<br />

etwas Salz, Olivenöl<br />

und Honig. Einfach<br />

alles vermischen und<br />

auftragen – bis zum<br />

nächsten Händewaschen!<br />

Marko Mestrovic, Fiona Pulda, Caroline Attwood/unsplash.com, Danika Perkinson/unsplash.com<br />

48 / MIT SCHARF /


HÄUSLICHE GEWALT<br />

Du bist nicht allein<br />

Für Opfer häuslicher Gewalt ist die Zeit gerade besonders<br />

gefährlich. Während der Isolation und Quarantäne<br />

sind viele Frauen, Männer, und Kinder, für die<br />

sonst das Hinausgehen und der Alltag außerhalb der Wohnung<br />

eine Zuflucht war, mit ihren gewalttätigen Ehepartnern<br />

oder Eltern zuhause quasi gefangen. „Leider ist zu befürchten,<br />

dass durch die belastende Situation, die Bewegungseinschränkung,<br />

die Existenzangst, die Unsicherheit – auch das<br />

Risiko steigt, dass Frauen und Kinder verstärkt von Gewalt<br />

im familiären Bereich betroffen sind“, so Sonja Mille von der<br />

Frauenberatung Mostviertel. „Keine Frau, kein Mensch muss<br />

häusliche Gewalt erdulden“ teilte Justizministerin Alma Zadic<br />

mit.<br />

Es gibt trotz des Notbetriebs der Gerichte eine gesicherte<br />

Hilfe für Betroffene. Hier kommen vor allem Frauen- und<br />

Mädchenberatungsstellen ins Spiel. Wenn du selbst betroffen<br />

bist, oder jemanden kennst, der sich in dieser äußerst<br />

schwierigen Lage befindet, kontaktiere eine der unten aufgelisteten<br />

Telefonnummern. Wegen der Covid19-Pandemie<br />

haben die meisten Helplines aufgestockt, um für alle da zu<br />

sein. Viele davon sind auch per Chat oder Mail zu erreichen.<br />

Gut zu wissen: Einige der Hilfsangebote haben auf der Website<br />

eine Art „Nofall-Button“ – wenn du schnell von der Seite<br />

weg musst, weil niemand sehen darf, dass du nach diesen<br />

Informationen suchst, wirst du per Klick auf eine Kochrezeptseite<br />

weitergeleitet.<br />

ONLINE DEUTSCH<br />

LERNEN ZU HAUSE<br />

UND UNTERWEGS<br />

Das Online-Portal www.sprachportal.at bietet<br />

zahlreiche Angebote zum Deutschlernen rund<br />

um die Uhr: Übungen, Materialien und Beispieltests<br />

zur Prüfungsvorbereitung, Videos und Lernpodcasts<br />

sind 24 Stunden täglich kostenlos und überall<br />

abrufbar, auch vom Handy.<br />

Ab sofort bietet das Sprachportal auch Online-<br />

Lerneinheiten in Echtzeit mit zertifizierten Trainer/<br />

innen. Mit Computer oder Smartphone bist du<br />

live dabei. Ihr habt die Möglichkeit live beim Kurs<br />

mitzumachen oder einfach nur Zuzuhören. Zu den<br />

Online-Lehreinheiten gibt es zusätzlich kostenlose<br />

Übungen zum Herunterladen. So kann jederzeit und<br />

überall Deutsch gelernt werden!<br />

AN WEN KANN ICH<br />

MICH WENDEN?<br />

133 – Polizei Wien<br />

01/595 37 60 –Netzwerk Frauenberatung<br />

147 – Rat auf Draht – Hilfe für<br />

Kinder&Jugendliche<br />

NEU:<br />

KOSTENLOS DEUTSCH LERNEN<br />

MIT LIVE-ONLINEKURSEN<br />

01/603 28 28 – Männerberatung Wien<br />

0800 222 555 – Frauenhelpline gegen<br />

Gewalt (Die Beratung wird auch auf Arabisch,<br />

Englisch, Ungarisch, BKS, Rumänisch und<br />

Türkisch angeboten)<br />

haltdergewalt.at – Online-Beratung auf Deutsch,<br />

Englisch, Türkisch, Farsi/Dari (Persisch),<br />

Russisch, Bulgarisch und Arabisch.<br />

WWW.SPRACHPORTAL.AT<br />

HOTLINE: +43 (1) 715 10 51–250


KARRIERE & KOHLE<br />

Para gut, alles gut<br />

Von Anna Jandrisevits<br />

Support your locals!<br />

MEINUNG<br />

Schlecht bezahlte<br />

HeldInnen<br />

Es sind die LagerarbeiterInnen, die Reinigungskräfte,<br />

die KassiererInnen, das Pflegepersonal,<br />

die ErntehelferInnen und viele andere Berufstätige,<br />

die gerade unser System erhalten und<br />

das Land vor dem Zusammenbruch bewahren.<br />

Sie schlichten Regale, stellen Pakete zu, lenken<br />

den Bus, versorgen die Kranken – und setzen<br />

sich dabei tagtäglich jener Gefahr aus, vor der<br />

wir uns so dringend schützen müssen. Es sind<br />

die sogenannten „Corona-HeldInnen“, die sich<br />

zumeist in den am schlechtesten bezahlten<br />

Jobs befinden, während die Einkommensstarken<br />

im Homeoffice sitzen. Und deshalb reicht<br />

ein „Danke“ nicht aus – nicht jetzt und auch<br />

nicht, wenn wir Corona überstanden haben.<br />

Obwohl Applaus und Lobwellen wertschätzende<br />

Gesten sind, bräuchten systemrelevante<br />

Berufsgruppen tatsächlich höhere Gehälter für<br />

ihre Tätigkeit. Die Wichtigkeit dieser Berufe<br />

muss wirtschaftlich und politisch anerkannt<br />

werden, die finanzielle Geringschätzung ein<br />

Ende nehmen. Daran müssen wir uns erinnern,<br />

auch nach dieser Krise. Übrigens: Ein großer<br />

Teil der „Corona-HeldInnen“ sind Menschen mit<br />

Migrationshintergrund. Ihre schwerwiegende<br />

Relevanz für dieses Land wird komischerweise<br />

in keiner politischen Ansprache erwähnt. Es<br />

könnte jedenfalls der Grund dafür sein, warum<br />

sich rechte Parteien in letzter Zeit so selten<br />

zu Wort melden. Die Schuld an der Krise lässt<br />

sich nicht „den anderen“ zuweisen. Und so<br />

findet ihre Weltanschauung keinen Platz in der<br />

Pandemie.<br />

jandrisevits@dasbiber.at<br />

Selbstständige<br />

und KleinunternehmerInnen<br />

stehen vor großen<br />

Herausforderungen.<br />

Wer die nötigen<br />

Mittel hat, kann sie in Zeiten<br />

der Krise unterstützen:<br />

Gutscheine: Viele Unternehmen<br />

bieten auf Online-Plattformen Gutscheine<br />

für Geld an. Sobald Gastronomie<br />

und Handel wieder öffnen,<br />

können die Gutscheine für die<br />

jeweilige Dienstleistung oder Ware<br />

eingelöst werden. www.vorfreude.<br />

kaufen oder www.zusammenleiwand.at<br />

Lieferservice: Die Vorstellung, jetzt<br />

jeden Tag neue Rezepte auszuprobieren,<br />

sollte nach der ersten<br />

Plötzlich<br />

arbeitslos?<br />

Was Betroffene jetzt wissen<br />

müssen:<br />

● Arbeitslos melden: Schon am<br />

1. Tag der Arbeitslosigkeit sollte<br />

man sich beim AMS des jeweiligen<br />

Wohnsitzes arbeitslos melden, um<br />

Arbeitslosengeld zu erhalten. Dies<br />

kann man über das eAMS-Konto,<br />

telefonisch oder per E-Mail, sowie<br />

mittels Formular per Post oder Fax<br />

machen. Weitere Infos:<br />

www.ams.at<br />

● Arbeitslosengeld erhalten:<br />

Die Höhe des Arbeitslosengeldes<br />

(„Nettoersatzrate“) liegt bei 55%<br />

des letzten Jahres-Nettoeinkommens,<br />

mit Familienzuschlag bei<br />

60-65%. Das Geld kann je nach<br />

Woche Quarantäne<br />

beendet<br />

sein. Die gute<br />

alte Essenszustellung<br />

braucht<br />

uns sowieso mehr<br />

denn je. Viele Restaurants liefern<br />

ihre Spezialitäten bis vor die Haustür.<br />

Einfach mal die Webseite vom<br />

Balkan-Grill oder Heurigen eures<br />

Vertrauens abchecken.<br />

Online-Handel: Zahlreiche<br />

Geschäfte verkaufen ihre Dienstleistungen<br />

auch online. Um die<br />

heimische Szene zu unterstützen,<br />

hat die Autorin Nunu Kaller auf ihrer<br />

Webseite die Kontakte von Online-<br />

Shops in Österreich aufgelistet. Das<br />

Angebot ist unendlich und auch viel<br />

attraktiver als Amazon.<br />

www.nunukaller.com<br />

Anwartschaft für bis zu 52 Wochen<br />

ausbezahlt werden. Danach kann<br />

die Notstandshilfe gewährt werden.<br />

● Geringfügig arbeiten: Wer die<br />

Möglichkeit hat, kann neben dem<br />

Bezug von Arbeitslosengeld einer<br />

geringfügigen Beschäftigung nachgehen<br />

und monatlich bis zu 460€<br />

zusätzlich verdienen. Auf dieser<br />

Plattform finden Arbeitssuchende<br />

Jobs, um in der Krise auszuhelfen:<br />

sofort.jobs.at<br />

Marko Mestrovic, AMS/Fotostudio B&G, Mohamed Hassan/Pixabay<br />

50 / KARRIERE /


AUS DER ISOLATION:<br />

„ICH VERMISSE<br />

MEIN BETT“<br />

Von Jelena Colić<br />

53 Mitarbeiter von Wien Energie wohnen vier<br />

Wochen lang in drei Müllverbrennungsanlagen<br />

und einem Kraftwerk . So wird die Energieversorgung<br />

der Stadt Wien auch während der<br />

Krise gewährleistet. Sie rücken dann an, wenn<br />

keiner mehr kann. Steven Schacher ist einer<br />

dieser Mitarbeiter und erzählt von seinem neuen<br />

temporären Zuhause, Egopushs und Zusammenhalt.<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie lange bist du schon in Isolation?<br />

STEVEN SCHACHER: Am 2. April sind es dann schon<br />

zwei Wochen, in denen wir hier sind. Angesetzt sind<br />

einmal vier Wochen. Aber wir wissen nicht, wie lange<br />

es insgesamt gehen wird. Das ist für das Erste aber<br />

noch nicht wichtig. Hauptsache, wir überstehen die<br />

Krise gemeinsam und bringen es gut über die Bühne.<br />

Warum hast du dich freiwillig gemeldet in Isolation zu<br />

gehen?<br />

Ich wollte einfach auch einen Beitrag leisten. Es<br />

fühlt sich gut an, wenn man anderen Leuten etwas<br />

zurückgeben kann. Man bekommt sehr viel Zuspruch<br />

und das pusht das Ego enorm. Es ist auch in einmaliges<br />

Erlebnis mit den Kollegen. Das schweißt uns noch<br />

mehr zusammen. Besonders, weil das Werk Flötzersteig<br />

ein kleines Werk ist und jeder jeden kennt.<br />

Wurdet ihr vor der Isolation alle medizinisch untersucht?<br />

Es wurde ein ärztliches Fachgespräch mit Untersuchung<br />

durchgeführt. Die Ansteckungsgefahr ist hier<br />

drinnen sehr gering. Wien Energie hat schon sehr<br />

früh mit korrekten Maßnahmen gegen das Coronavirus<br />

reagiert. Alle Schichtübergaben sind kontaktlos<br />

und bevor wir einen Raum betreten, wird er komplett<br />

gereinigt.<br />

Ist dein Arbeitstag jetzt anders als im normalen<br />

Betrieb?<br />

Nein, eigentlich nicht. Ich bin mit denselben Kollegen<br />

wie immer zusammen. Bei uns am Flötzersteig ist es<br />

sehr familiär und wir sind ein eingespieltes Team. Wir<br />

müssen immer gewährleisten, dass Wärme erzeugt<br />

wird. Da macht die Krise auch keinen Unterschied.<br />

Besonders, weil wir auch zwei Krankenhäuser mit<br />

Energie versorgen.<br />

privat/Schacher<br />

Steven Schacher ist 24<br />

Jahre alt und in freiwilliger<br />

Isolation in der Müllverbrennungsanlage<br />

Flötzersteig.<br />

Was vermisst du am meisten von zuhause?<br />

Mein Bett. Auf das Bett hier im Wohncontainer passe<br />

ich kaum drauf (lacht). Und auch das Gefühl einmal<br />

richtig abschalten zu können. Wir sind hier nur<br />

diese 6 Leute. Wenn wer Nachtschicht hat, biete ich<br />

immer an, dass sie mich anrufen, wenn irgendwas ist,<br />

damit wir sie unterstützen können. Man ist immer auf<br />

Bereitschaft.<br />

/ KARRIERE / 51


Selbermacherin<br />

Im O’Terra bekommt<br />

man fair produzierte<br />

Naturprodukte rund um<br />

den Olivenbaum, sowie<br />

traditionelle mediterrane<br />

Spezialitäten. Handgemacht<br />

und nachhaltig.<br />

Text: Nada El-Azar, Fotos: Zoe Opratko<br />

„Oliven<br />

waren ein<br />

wichtiger<br />

Teil meiner<br />

Kindheit.“<br />

Das O’Terra (italien. für „aus der<br />

Erde“) hat sich auf den Verkauf<br />

von Olivenöl und anderen Naturprodukten<br />

spezialisiert. Der Shop in Wieden<br />

unterstützt damit nicht nur Kleinbetriebe aus<br />

Griechenland, Kroatien und der Türkei, sondern<br />

lädt mit seinem mediterranen Ambiente<br />

zum Verweilen bei hausgemachten Vorspeisen<br />

ein. Der Name der Geschäftsführerin, Özlem<br />

Bulut, wird so manch einem in unserer heimischen<br />

Musikszene geläufig sein. Die 37-Jährige<br />

ist nämlich Sängerin und ist mit ihrer Band<br />

schon auf dem Donauinselfest, im Porgy&Bess<br />

und dem ORF Radiokulturhaus aufgetreten.<br />

Geboren ist die türkisch-kurdische Koloratursopranistin<br />

in der Türkei. Seit 13 Jahren<br />

lebt sie in Wien, wo sie im Rahmen eines<br />

Erasmus-Stipendiums Gesang an der MUK Privatuniversität<br />

studierte. „Ich liebe Wien, weil<br />

ich meine Ruhe brauche. Ich habe bereits in<br />

Istanbul und Paris gelebt – solche Großstädte<br />

waren nichts für mich. Für mich ist Wien mein<br />

Zuhause, meine Familie und meine Freunde<br />

sind hier“, so Bulut. Das Geschäft mit dem<br />

Olivenöl entstand als Herzensprojekt. „Oliven<br />

waren immer schon ein wichtiger Teil meiner<br />

Kindheit und meines Haushalts und in vielen<br />

Kulturen wird Olivenöl als Medizin verwendet.<br />

Es ist erwiesen, dass es die Lebenserwartung<br />

steigert.“ Ihre Karriere als Sängerin verfolgt<br />

sie weiter. „Viele denken, wegen des Ladens<br />

mache ich keine Musik mehr. Aber im Gegenteil,<br />

ich arbeite gerade an meinem dritten<br />

Album und habe genauso viele Auftritte wie<br />

vor der Ladeneröffnung!“.<br />

KLEINE FAMILIENBETRIEBE<br />

UNTERSTÜTZEN<br />

Özlem Bulut möchte mit O’Terra kleine<br />

Betriebe zu fairen Konditionen unterstützen<br />

und holte einige ihrer Freundinnen ins Boot.<br />

52 / KARRIERE MIT SCHARF / /


„Wir arbeiten mit Betrieben zusammen,<br />

die in vierter oder sogar fünfter Generation<br />

Olivenbäume anbauen und sozusagen<br />

jede einzelne Olive handverlesen statt<br />

großer Maschinen zur Ernte zu verwenden<br />

wie die Großkonzerne. Gleichzeitig bieten<br />

wir unserer Kundschaft die Produkte zu<br />

guten Preisen an.“ Im Geschäft sorgen<br />

gute Musik und traditionelle vegetarische<br />

und vegane Vorspeisen nach Rezepten<br />

von Özlems Großmutter für mediterranes<br />

Urlaubsgefühl. Gefüllte Weintraubenblätter<br />

und Paprika, Hummus und türkischer<br />

Kaffee und Tee können im Laden genossen<br />

werden.<br />

PRODUKTE IM ONLINESHOP<br />

UND LIEFERBAR<br />

„Während der Corona-Verkaufssperre ist<br />

es besonders wichtig, dass wir alle regional<br />

einkaufen und damit kleinere österreichische<br />

Unternehmen unterstützen,<br />

statt Amazon und andere Megakonzerne.<br />

Unser Sortiment ist in unserem Onlineshop<br />

verfügbar und kommt mit Mjam zu unserer<br />

Kundschaft nach Hause“, so die Musikerin.<br />

Im Shop kann man handgemachte, traditionelle<br />

Vorspeisen nach Rezept von<br />

Özlems Großmutter probieren.<br />

O’Terra<br />

Margaretenstraße 50<br />

1<strong>04</strong>0 Wien<br />

www.o-terra.com<br />

WKO-WIEN HILFT<br />

Im Gründerservice der WKO-<br />

Wien kann man bei einem<br />

Beratungsgespräch alle Fragen<br />

stellen, die die Gründung eines<br />

Unternehmens betreffen. Im<br />

Vorhinein kann man sich auch<br />

schon eigenständig online<br />

informieren. Ob generelle Tipps<br />

zur Selbstständigkeit, rechtliche<br />

Voraussetzungen, Amtswege<br />

oder Finanzierungs- und<br />

Förderungsmöglichkeiten: Auf<br />

der Website kommt man mit<br />

wenigen Klicks zu allen wichtigen<br />

Informationen.<br />

wko.at/wien<br />

www.gruenderservice.at<br />

Die Selbermacher-Serie ist eine<br />

redaktionelle Kooperation von das<br />

biber mit der Wirtschaftskammer<br />

Wien.<br />

Foto: Rawpixel.com - Shutterstock<br />

Hier findest Du was du suchst!<br />

Regional einkaufen<br />

Jetzt in meinem Grätzel online shoppen, in 17 Kategorien von Bücher bis Tierbedarf.<br />

wko.at/wien/regionaleinkaufen<br />

/ MIT SCHARF / 53


Du willst<br />

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„mit scharf“<br />

?<br />

Dann<br />

abonniere biber –<br />

Und Zahl soviel<br />

Du willst!<br />

MIT SCHARF<br />

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<strong>20</strong>19<br />

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NICOLE, BIN ICH<br />

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OLIGARCHEN-STYLE<br />

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JUNG BRUTAL<br />

KRIMINELL<br />

INSIDE<br />

WIENER<br />

JUGENDGANGS<br />

GEMMA FKK<br />

JUNG & NACKERT AUF DER INSEL<br />

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RADIKALE CHRISTEN<br />

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DROGENPARTY<br />

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AUF EINEN SPRITZER<br />

MIT HÄUPL<br />

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ARMIN NADJAFKHANI<br />

Deutschrap-hörender Biber-Praktikant<br />

NICOLE SCHÖNDORFER<br />

linksradikale Feministin<br />

+ PETER FILZMAIER IN ZAHLEN + DIE TERROR-WG + WAHLSPEZIAL +<br />

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uns weder deine Seele verkaufen, noch wollen wir dir dein letztes<br />

Hemd rauben. Das Beste an der ganzen Sache ist nämlich:<br />

DU entscheidest, wie viel das kosten soll.<br />

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Für noch mehr scharfen Content folge biber auf Instagram: dasbiber


TECHNIK & MOBIL<br />

Alt+F4 und der Tag gehört dir.<br />

Von Adam Bezeczky<br />

Marko Mestrovic, Apple, Northrop-Grumman, TriLite Technologies GmbH, Maker Mask / Jocelyn Songer<br />

MEINUNG<br />

Ich hasse<br />

Emojis<br />

Ständig werden sie mehr. Die<br />

Emojis. In den Anfangsjahren<br />

waren sie noch nett, inzwischen<br />

gibt es so viele, dass sich selbst<br />

die ägyptischen Hieroglyphen<br />

verstecken müssen. Nun, meine<br />

Kollegin Ola nennt mich immer<br />

einen alten Mann, aber ganz<br />

ehrlich: brauchen wir wirklich<br />

jedes Jahr einen Satz neuer<br />

Einkaufswägen-, Büroklammerund<br />

Speise-Emojis? Nein, ich bin<br />

nicht *so* alt, dass ich nur textbasiert<br />

chatten will, aber kommt<br />

schon Leute ... unsere Sprache<br />

ist so schön, nutzt sie mehr!<br />

Wie ihr seht, konnte ich meine<br />

ganze Abneigung gegen den<br />

Emoji-Wahn hier ausdrücken<br />

– ganz ohne dafür den schimpfenden<br />

Smiley zu verwenden.<br />

Toll, oder?<br />

bezeczky@dasbiber.at<br />

Pannenhilfe<br />

im Weltall<br />

Bisher war die Lebensdauer von<br />

Satelliten eher kurz. Nach dem<br />

Start verrichteten sie ein paar<br />

Jahre ihre Aufgabe und verbrauchten<br />

dabei allen Treibstoff an Bord.<br />

Den Sprit brauchten sie, um ihre<br />

Laufbahn zu korrigieren und anderem<br />

Weltraummüll auszuweichen.<br />

Danach geisterten sie als Weltraumschrott<br />

in der Umlaufbahn<br />

herum. Mit MEV-1, das für Missionsverlängerungsfahrzeug -1 steht,<br />

wurde nun erstmals ein „trockener“ Satellit abgeschleppt und die<br />

Lebensdauer für mindestens fünf weitere Jahre verlängert. Falls sich<br />

diese Art der Pannenhilfe bewährt, könnten Satelliten länger leben<br />

und weniger Müll im Weltall erzeugen. Die Menschheit wird auch im<br />

Weltraum immer grüner!<br />

DIY-Maske für<br />

3D-Drucker<br />

Im Kampf gegen das Coronavirus<br />

kann jeder zum Maskenproduzenten<br />

werden. Ein Entwicklerteam aus<br />

Seattle hat mit dem 3D-Drucker eine<br />

Maske gebaut, und die Baupläne dazu<br />

stehen gratis zum Download. Der Filter<br />

besteht aus einem HEPA-Staubsaugerbeutel,<br />

also durchaus etwas, was<br />

man daheim hat oder einfach bestellen<br />

kann. So können Spitäler unterstützt<br />

werden, die sonst mit einen Ausrüstungsengpass<br />

zu kämpfen hätten.<br />

IPAD MIT … MOUSE-<br />

TRACKPAD?<br />

Seit neustem gibts von Apple ein<br />

iPad mit einem Trackpad. Das ist für<br />

Menschen, die bei der erstmaligen<br />

Enthüllung des iPads dabei waren,<br />

eine Art Gotteslästerung. Steve<br />

Jobs, seineszeichens Mitbegründer<br />

von Apple, sprach immer davon, das<br />

Gerät immer direkt durch Wischbewegungen<br />

am Bildschirm zu steuern.<br />

Die Zeit hat sich offenbar verändert<br />

– mal sehen, ob damit das iPad dem<br />

restlichen Macbook-Line-Up das<br />

Wasser abgräbt.<br />

/ TECHNIK / 55


HUAWEI P40 lite<br />

Ultra-Weitwinkel, Bokeh, Makro oder Langzeitbelichtung waren früher Begriffe die<br />

nur Profi-Fotografen kannten. Huawei vereint diese Möglichkeiten in einem Smartphone:<br />

Das Huawei P40 lite bietet mit einem Quad-Kamera-Setup alle Möglichkeiten<br />

der Fotografie. Die Vierfach-Kamera mit 48MP, der leistungsstarke Kirin 810 Chip und<br />

die integrierte AI-Unterstützung liefern eine optimale Kombination, die in jeder Situation<br />

für das perfekte Bild sorgen.<br />

VIER GEWINNT!<br />

Das außergewöhnliche Design des Kamera-Setups des Huawei<br />

P40 lite ist ein wahrer Blickfang. Die 48MP-Hauptkamera ist mit<br />

einem 1/2-Zoll-Sensor und einer großen Blende von f/1.8 ausgestattet<br />

und kann, dank Pixel-Binning, wesentlich genauere<br />

und gestochen scharfe Bilder bei jeglichen Lichtverhältnissen<br />

aufnehmen. Ein völlig neuer Nacht-Modus wird dem Nutzer<br />

durch die Multi-Frame-Komposition geboten. Die hochauflösende<br />

Hauptkamera nimmt mit Hilfe von innovativen AI-Algorithmen<br />

mehrere Fotos hintereinander auf, die dann kombiniert<br />

und zu einem optimalen Bild zusammengefügt werden.<br />

4<strong>20</strong>0MAH-AKKU FÜR EINE<br />

STARKE PERFORMANCE<br />

Ob beim Fotografieren oder einfach im Alltag, das Huawei P40<br />

lite ist mit seiner langen Akkulaufzeit der perfekte Begleiter<br />

für alle Lebenslagen. Mit 4<strong>20</strong>0mAh-Akku gepaart mit dem<br />

energiesparenden Kirin 810 Chip und dem stromsparenden<br />

EMUI10 OS ermöglicht das Smartphone ein längeres Foto-,<br />

Unterhaltungs- und Spielerlebnis. Die neue 40W SuperCharge-<br />

Technologie kann das Huawei P40 lite in lediglich einer halben<br />

Stunde bis zu 70% aufladen.


BEZAHLTE ANZEIGE<br />

Top Features<br />

Super Night Mode Macro Lens Bokeh Effect<br />

Ultra Wide Angle<br />

Super High Resolution<br />

Super Night Selfie<br />

ZUKUNFTSSICHER MIT DER HUAWEI APPGALLERY<br />

UND MULTIPATH-STRATEGIE<br />

Die Huawei AppGallery ist der offizielle AppStore für Huawei Smartphones und Tablets<br />

und bereits der drittgrößte App-Marktplatz der Welt. Hier laden weltweit über 400<br />

Millionen monatlich aktive Nutzer einfach und sicher Tausende von Apps herunter.<br />

→ PHONE CLONE: Die auf Huawei<br />

Smartphones vorinstallierte App überträgt<br />

Kontakte, Anruflisten, Daten,<br />

Nachrichten, Anwendungen, Videos,<br />

Fotos und Einstellungen, einfach und<br />

sicher vom alten Smartphone auf die<br />

neue Huawei P40-Serie.<br />

→ DIREKTER DOWNLOAD<br />

EXTERNER APPS: Auf beliebte<br />

Apps wie Facebook und WhatsApp<br />

sollen Kunden von Huawei nicht<br />

verzichten. Über die Huawei AppGallery<br />

gelangt man direkt zu den offiziellen<br />

Websiten um den Download und die Installation<br />

der beliebten Apps zu starten.<br />

→ MORE APPS: Auch über<br />

Drittanbieter-Apps wie zum Beispiel<br />

„MoreApps“ werden Nutzer direkt auf<br />

die offizielle Webseite externer Anbieter<br />

geführt. Dort lässt sich die aktuelle<br />

Installationsdatei im gewohnten<br />

APK-Format kostenfrei herunterladen,<br />

installieren und die App wie gewohnt<br />

nutzen. Auf Wunsch können Anwender<br />

auch über alternative AppStores<br />

von Drittherstellern weitere Apps<br />

beziehen.<br />

Beauty Effect<br />

Huawei P40 lite<br />

● Unverbindlicher Richtpreis: EUR 299,00<br />

● Speicherkonfiguration: 6GB+128GB<br />

● Verfügbare Farben: Crush Green, Midnight<br />

Dark, Sakura Pink<br />

● Verfügbar im Fachhandel sowie bei Mobilfunkanbietern


KULTURA NEWS<br />

Klappe zu und Vorhang auf!<br />

Von Nada El-Azar<br />

KULTUR IN ZEITEN DER<br />

CORONA-KRISE<br />

Geschlossene Museen, Theater, und Kinos verlangen einen neuen<br />

Zugang zu Kultur – und das aus den eigenen vier Wänden. Hier einige<br />

Tipps, damit die Corona-Krise nicht zur kulturellen Durststrecke wird.<br />

MEINUNG<br />

Gabriel Delgado-López<br />

ist tot.<br />

Ich habe geahnt, dass ich mich aufgrund<br />

meines Musikgeschmacks schon sehr<br />

bald mit einigen Todesfällen meiner<br />

größten Helden konfrontiert sehen würde.<br />

Aber die Nachricht über Gabriel Delgados<br />

überraschenden Tod am 22. März traf<br />

mich zugegeben sehr hart. Ich entdeckte<br />

die Band D.A.F. mit 15 Jahren und war<br />

sofort ein Riesenfan, nachdem ich den<br />

Track „Kebabträume“ gehört hatte. Gabi<br />

Delgados Umgang mit der deutschen<br />

Sprache war spannend: reduziert und<br />

hochenergetisch zugleich. In Kombination<br />

mit der Musik von Robert Görl unschlagbar.<br />

In meinem Wohnzimmer hängt ein<br />

Porträt der beiden, die ich <strong>20</strong>17 in Wien<br />

noch live erleben durfte und ich hatte<br />

einen richtigen Fangirl-Moment, als Gabi<br />

meine Hand drückte. D.A.F. war sogar<br />

mein erster richtiger Konzertbesuch – da<br />

viele der Bands, die ich<br />

höre, kaum noch touren,<br />

war das ein richtiges<br />

Highlight. Jetzt weiß ich,<br />

wie Fans von Michael<br />

Jackson oder David<br />

Bowie getrauert haben.<br />

Danke für alles, Gabi!<br />

Ruhe in Frieden.<br />

el-azar@dasbiber.at<br />

Doku-Tipp:<br />

Beltracci –<br />

die Kunst der<br />

Fälschung<br />

(<strong>20</strong>14)<br />

Wie konnte sich das Ehepaar<br />

Beltracci Millionen durch<br />

gefälschte Kunstwerke, die den<br />

Originalen erstaunlich ähneln,<br />

ergaunern? Diese spannende<br />

Doku von Arne Birkenstock,<br />

der der Sohn des Anwalts der<br />

Beltraccis war, gibt spannende<br />

Einblicke in den größten Streich<br />

der modernen Kunstgeschichte.<br />

DIE WIENER STAATS-<br />

OPER ZUHAUSE ERLEBEN<br />

Staatsoperndirektor<br />

Dominique<br />

Meyer: „Diese<br />

schwierige Zeit,<br />

die – für die an<br />

oberster Stelle<br />

stehende Gesundheit<br />

und Sicherheit<br />

aller – große<br />

Einschränkungen<br />

im privaten und<br />

öffentlichen Leben mit sich bringt, hat<br />

auch große Auswirkungen auf den Kulturbetrieb.<br />

Deshalb greifen wir auf unsere<br />

umfangreichen Livestream-Archive zurück<br />

und öffnen diese, um allen interessierten<br />

Musikfreund*innen weltweit und kostenlos<br />

täglich eine hochkarätige Opern- oder<br />

Ballettvorstellung nach Hause bringen zu<br />

können!“.<br />

Unter www.staatsoperlive.com kann man<br />

die Aufführungen sehen. Seit Veröffentlichung<br />

des Online-Spielplans gab es fast<br />

80.000 Neuregistrierungen!<br />

DIGITALES BELVEDERE<br />

Via Facebook, Youtube, Instagram und Twitter<br />

bietet das Belvedere Kurzführungen an,<br />

in denen täglich um 15 Uhr ein Kunstwerk<br />

vorgestellt wird. Unter www.belvedere.at/<br />

digital kann man alle Führungen nachsehen!<br />

Christoph Liebentritt, Highview, Michael Poehn, Tilman Brebs, bereitgestellt<br />

58 / KULTURA /


: <strong>20</strong>0 x127 mm<br />

Podcast Tipp<br />

THE LONELY<br />

PALETTE<br />

Für alle, die gut Englisch können,<br />

empfehle ich den Kunstpodcast<br />

„The Lonely Palette“.<br />

In jeder Episode sucht Host<br />

Tamar Avishai ein Werk aus der<br />

Kunstgeschichte aus, befragt<br />

ahnungsloses Publikum dazu,<br />

und erklärt dann die genauen<br />

Hintergründe, die Epoche und<br />

vieles mehr. So wird Kunstgeschichte<br />

alles andere als fad.<br />

www.thelonelypalette.com/<br />

episodes<br />

Yves Jambo ist Schauspieler<br />

und Moderator bei<br />

Feng Sushi – der neuen<br />

Daily Show über Musik und<br />

Lifestyle von A1now.TV,<br />

die in die Fußstapfen von<br />

MTV tritt. Der 23-Jährige<br />

im Schnellinterview.<br />

Schon bevor du Moderator<br />

bei Feng Sushi wurdest, hast<br />

du YouTube-Videos gemacht.<br />

Wann hast du gemerkt, dass<br />

du vor der Kamera stehen<br />

willst?<br />

Ich habe das über Umwege<br />

gemerkt. Ein Freund und<br />

ich haben begonnen, uns<br />

mit 15 oder 16 dabei zu<br />

filmen, wie wir auf der Straße<br />

oder in der Lugner City Leute verarscht<br />

haben. Später haben wir auch Fake-Filme<br />

wie „Alienman vs. Räuber“ gemacht, alles<br />

mit Windows Movie Maker selber geschnitten<br />

und produziert und dann kam eben<br />

Youtube.<br />

Kommst du dir jemals dumm vor, wenn du so<br />

alleine zuhause Videos machst?<br />

Ich finde es manchmal lustig, wenn man<br />

in die Kamera lacht, und dann umso mehr<br />

3<br />

FRAGEN AN:<br />

Yves Jambo<br />

über sich selbst lacht, weil<br />

man alleine lacht. Aber ich<br />

bin ganz gerne allein und<br />

schaffe es mich zu beschäftigen,<br />

deshalb komme ich<br />

mir nicht so blöd vor.<br />

Feng Sushi ist dein erster<br />

Moderationsjob? Wo siehst<br />

du die Unterschiede<br />

zwischen Schauspiel und<br />

Moderation?<br />

Das ist tatsächlich mein<br />

erster Job als Moderator.<br />

Ich habe mich einfach<br />

dafür beworben, weil ich<br />

auch sehr interessiert an<br />

Musik bin. Im Schauspiel<br />

gehe ich sehr empathisch<br />

an die Charaktere heran<br />

und versuche, einen Teil<br />

von mir darin abzugeben. Als Moderator<br />

bin ich hauptsächlich ich, aber muss mich<br />

für das Format ein wenig überspielen, da<br />

alles ein wenig aufgedreht ist. Manchmal<br />

fühlt sich Feng Sushi an wie eine verrückte<br />

Webshow.<br />

Feng Sushi läuft von Mo bis Fr um 15 Uhr bei A1<br />

NOW.<br />

Mehr Infos unter: https://www.a1now.tv/de-int/<br />

page/feng-sushi<br />

Services rund<br />

um Ihre<br />

Krankenversicherung –<br />

einfach, sicher und<br />

bequem!<br />

Nutzen Sie die Online-Services der Österreichischen<br />

Gesundheitskasse unter www.meinesv.at oder über<br />

die MeineSV-App.<br />

AUCH ONLINE IMMER FÜR MICH DA!


KOLUMNE<br />

„Dem Virus ist deine Hautfarbe egal“<br />

Unser Autor hat den Kriegsausbruch in Syrien <strong>20</strong>11 miterlebt und schreibt<br />

seine Gedanken und Parallelen zu der heutigen Situation in Wien nieder. Er<br />

sieht in dieser Krise aber auch eine Lektion und großes Potenzial.<br />

Die aktuelle Situation und Stimmung ist<br />

mir keineswegs fremd. Als <strong>20</strong>11 der Krieg<br />

in Syrien ausbrach, wurden alle Menschen<br />

immer besorgter und gestresster. Der Alltag<br />

hat sich drastisch verändert. Wir mussten<br />

zunehmed auf Dinge verzichten. Es war ein<br />

Jad Turjman<br />

ernüchternder Moment. Wir haben festgestellt,<br />

dass vieles, was wir hatten, nicht mehr<br />

ist Poetry-Slammer,<br />

Buch-Autor und<br />

selbstverständlich ist. Menschen begannen,<br />

sich Gedanken darüber zu machen, wie Flüchtling aus Syrien.<br />

sie den Krieg überleben können.<br />

In seiner Kolumne<br />

Natürlich war Einkaufengehen keine<br />

schreibt er über sein<br />

Option, um ein Gefühl von Sicherheit zu<br />

Leben in Österreich.<br />

bekommen. Die Probleme waren ganz andere.<br />

Trotzdem sehe ich heute in Wien viele Parallelen<br />

mit der vergangenen Zeit und kann behaupten,<br />

dass es eine lehrreiche Situation und große Lektion ist.<br />

Es steckt in dieser Krise ein großes Potenzial. Um<br />

einmal innezuhalten und über uns und unseren Lebensstil<br />

nachzudenken.<br />

Besonders für diejenigen, die kein Verständnis für<br />

Geflüchtete aufbringen konnten und jetzt ihre Speisekammer<br />

mit Unnötigem und Klopapier für ein Jahr<br />

vollgestopft haben.<br />

Jetzt können wir vielleicht mehr Verständnis für<br />

Menschen haben, die vor Krieg, Verfolgung und Armut<br />

fliehen. Und auch nachvollziehen, was dieser Überlebensinstinkt<br />

in uns in solchen Situationen auslösen<br />

kann. Nachvollziehen, dass man bereit ist, mit dem<br />

Schlauchboot das Mittelmeer zu überqueren. Diese<br />

Situation zeigt uns auch die Doppelmoral unserer Politik:<br />

Wenn die Gefahr uns selbst betrifft, dann können<br />

turjman@dasbiber.at<br />

wir Schulen schließen, das System herunterfahren<br />

und unseren Alltag stoppen.<br />

Aber wenn Menschen an unseren Grenzen<br />

ertrinken, erfrieren und menschenunwürdig<br />

behandelt werden, dann können wir sie ihrem<br />

Schicksal überlassen und schauen weg.<br />

DEM VIRUS SIND DEINE HAUTFARBE<br />

UND RELIGION EGAL.<br />

Vielleicht ist es eine Lektion für jene Überheblichkeit,<br />

wenn alles vorbei ist. Ich sehe in<br />

dieser Krise auch insofern eine Lektion, weil<br />

sie alle betrifft und uns auf eine schräge Art<br />

und Weise vereint. Länder, die sich gestern<br />

bekriegt haben, sitzen gerade im selben Boot.<br />

Politiker, die einander gestern mit dem hässlichsten<br />

Umgang begegneten, arbeiten jetzt zusammen.<br />

Dieses Virus will uns auch etwas über Rassismus<br />

lehren. Es ist nicht rassistisch. Es macht keinen Unterschied<br />

zwischen Muslim und Christ, schwarz oder weiß,<br />

links oder rechts. Irgendwann es ist alles vorbei und<br />

wir werden unseren gewöhnlichen Alltag wieder haben.<br />

Aber ich hoffe, dass wir dann im Nachhinein mehr<br />

Zusammenhalt und Solidarität füreinander auf dieser<br />

Erde zeigen werden. Und nicht nur einander – sondern<br />

unserer Erde selbst gegenüber. Krisen und harte Schicksalsschläge<br />

führen dazu, dass man größer als in seinen<br />

gewöhnlichen Kreisen denkt.<br />

Und apropos Klopapier. Von Klopapier war in Syrien<br />

sowieso nicht die Rede. Wir haben keins. In Syrien gibt<br />

es neben jeder Toilette einen Wasserschlauch. Und Leute,<br />

glaubt mir: Es ist viel sauberer.<br />

Robert Herbe<br />

60 / MIT SCHARF /


Dan Perjovschis Arbeiten sind Teil der Ausstellung<br />

… von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden in der kunsthalle wien.<br />

Mehr Informationen unter www.kunsthallewien.at


„Die Leiden des jungen Todor“<br />

Von Todor Ovtcharov<br />

Die Corona-Generation<br />

Die Geschichte kennt viele unterschiedliche<br />

„Generationen“.<br />

Am Anfang des <strong>20</strong>. Jahrhunderts gab<br />

es „die goldene Generation“. Die Generation, die<br />

keinen Krieg kannte und das Gefühl hatte, dass die<br />

Welt immer in Frieden leben würde. Der Wohlstand<br />

war überall – alle Männer hatten goldene Taschenuhren<br />

und alle Frauen Kämme aus Elfenbein in<br />

ihren wunderschönen Haaren.<br />

Danach kam die „verlorene Generation“ – Menschen,<br />

die zur Zeit des ersten Weltkrieges ihre Volljährigkeit<br />

erreichten und deren Jugend verdorben<br />

wurde. Sie lernten, dass man, wenn man leben will,<br />

töten muss. Die Männer hatten Armbanduhren,<br />

da sie im Krieg nützlicher waren und die Frauen<br />

schnitten ihre Haare.<br />

Es folgten die „angry young men“, die gegen<br />

die heuchlerische, bürgerliche Gesellschaft ihrer<br />

Eltern der 1950er rebellierten. Sie meinten, dass<br />

die Uhren der Älteren stehen geblieben sind und<br />

man sie wegwerfen muss.<br />

Danach kam die „Hippie Generation“, die weg<br />

von allen sozialen Problemen unter dem Einfluss<br />

von LSD sein wollte. Männer und Frauen hatten<br />

lange Haare und niemand ging gern duschen.<br />

Es kam die „Punk Generation“, die gegen alle<br />

und alles war. Die Haare der Menschen wurden<br />

bunt und niemand sprach über Uhren, denn würde<br />

man einen Punker fragen, wie spät es ist, würde er<br />

nur sagen, dass man sich verpissen soll.<br />

Es gab eine „Generation der Hoffnung“, als<br />

die Mauer zwischen Ost und Westeuropa fiel. Die<br />

Menschen glaubten, dass alle Brüder und Schwestern<br />

sind und sich für immer lieben würden. Bis<br />

das World Trade Center fiel und seine Asche die<br />

Hoffnung auf Weltfrieden verbrannte. Die Uhren<br />

stoppten am 11. September <strong>20</strong>01.<br />

Es kam die „Generation der Migration“– Millionen<br />

von Menschen reisten um die Welt, um ein<br />

besseres Leben zu finden. Geliebt oder verhasst,<br />

hat jeder versucht seinen Platz unter der Sonne zu<br />

finden. Man brauchte wasserdichte Uhren, um über<br />

das Meer zu kommen.<br />

Ich befürchte, es folgt die „Generation Corona“,<br />

die die Welt mit geschlossenen Grenzen und Angst<br />

um den nächsten Tag kennenlernen wird. Sie wird<br />

Angst haben auf die Uhr zu schauen, denn die<br />

Quarantäne wird Monat für Monat verlängert.<br />

Vielleicht irre ich mich. Die Uhr an meiner Wand<br />

tickt weiter. ●<br />

62 / MIT SCHARF /


Euer Trainingsvideo im ORF – schickt uns Videos von eurer<br />

Bewegungseinheit zuhause. Bleiben wir gemeinsam sportlich!<br />

video.ORF.at


WIR SIND<br />

FÜR EUCH DA.<br />

AUCH IN ZEITEN<br />

WIE DIESEN.<br />

Die Energieversorgung Wiens ist gesichert.<br />

Heute, morgen und in Zukunft.<br />

wienenergie.at/<br />

sicherversorgt<br />

www.wienenergie.at<br />

Wien Energie, ein Partner der EnergieAllianz Austria.

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