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ZAP-2020-08

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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 1037<br />

Unterbringung gem. § 64 StGB<br />

2. Erhebliche Zeit<br />

Was unter einer erheblichen Zeit i.S.d. § 64 StGB zu verstehen ist, kann nicht allgemein, sondern nur in<br />

Bezug auf den jeweiligen Einzelfall bestimmt werden (FISCHER, § 64 Rn 19). Jedenfalls in Fällen, in denen<br />

fast unmittelbar nach der Entlassung im Abstand von wenigen Tagen oder Wochen mit einem Rückfall<br />

gerechnet werden müsste, wird es aber an einer hinreichenden Erfolgsaussicht fehlen.<br />

VIII. (Eingeschränktes) Ermessen<br />

Nach dem Wortlaut des § 64 StGB soll das Gericht die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen<br />

hierfür vorliegen. Hiernach bleibt im Einzelfall die Möglichkeit, trotz des Vorliegens der Anordnungsvoraussetzungen<br />

von einer Unterbringung abzusehen.<br />

Hinweis:<br />

Die Vorschrift verschafft dem Gericht indes kein freies Ermessen. Vielmehr kommt ein Absehen von der<br />

Anordnung der Maßregel nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht (statt aller S/S/KINZIG, § 64 Rn 18<br />

m.z.N.).<br />

Mit der Regelung sollte die Möglichkeit geschaffen werden, in Fällen, in denen die Ausgangsbedingungen<br />

sehr ungünstig sind, von der Unterbringung des Angeklagten abzusehen und den Maßregelvollzug von<br />

einem faktisch nicht zu leistenden Therapieaufwand zu entlasten.<br />

Zuvor ist jedoch sorgfältig zu prüfen, ob überhaupt eine hinreichende Erfolgsaussicht bejaht werden kann.<br />

Hieran wird es in vielen Fällen bereits fehlen (FISCHER, § 64 Rn 23a, zieht deshalb einen eigenständigen<br />

Regelungsgehalt der „Soll“-Formulierung in Zweifel). Dies gilt insb. im Falle nicht überwindbarer Sprachprobleme<br />

(s.o. VII 1 b bb).<br />

Erkennt man dagegen einen eigenständigen Regelungsgehalt an, wird etwa in Fällen, in denen bei dem<br />

Täter eine Disposition für die Begehung von Straftaten nicht wesentlich durch den Hang zu übermäßigem<br />

Drogenkonsum, sondern überwiegend durch weitere Persönlichkeitsmängel begründet wird und deshalb<br />

Erprobungen unter Lockerungsbedingungen nicht möglich sind, von einer Unterbringung abgesehen<br />

werden können (vgl. S/S/KINZIG, § 64 Rn 18). Auch eine baldige Ausweisung (BGH NStZ 2009, 204)<br />

oder eine bereits bewilligte Auslieferung können einer Unterbringung entgegenstehen (BGH, Beschl.<br />

v. 21.6.2017 – 1 StR 193/17).<br />

IX. Aussetzung zur Bewährung<br />

Sofern dem nicht eine neben der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe ohne Bewährung (§ 67b Abs. 2<br />

StGB) entgegensteht, ist zu prüfen, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt<br />

werden kann. Dies ist gem. § 67b StGB möglich, wenn besondere Umstände die Erwartung<br />

rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann.<br />

Besondere Umstände i.S.d. § 67b StGB sind solche Umstände in der Tat oder in der Person des<br />

Angeklagten, die erwarten lassen, dass die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Taten abgewendet<br />

oder so abgeschwächt wird, dass zunächst ein Verzicht auf den Vollzug der Maßregel gewagt werden<br />

kann (FISCHER, § 67b Rn 3 m.w.N.).<br />

Bei der Feststellung derartiger Umstände steht dem Tatrichter ein weiter Beurteilungsspielraum zu<br />

(BGH, Urt. v. 28.8.20<strong>08</strong> – 2 StR 140/<strong>08</strong>). Allerdings sind der Eintritt von Führungsaufsicht gem. § 67b Abs. 2<br />

sowie die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen, noch keine besonderen Umstände (BGH NStZ 2007, 465).<br />

Dagegen können beispielsweise der freiwillige Eintritt in eine Therapieeinrichtung, eine erfolgversprechende<br />

ambulante Therapie, die Aufnahme in einer betreuten Wohngruppe oder die Betreuung und<br />

Aufsicht durch einen Berufsbetreuer eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung rechtfertigen.<br />

Allerdings darf sich das Gericht insb. bei im Raum stehenden freiwilligen Behandlungsmaßnahmen nicht<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 8 17.4.<strong>2020</strong> 431

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