ZAP-2020-08
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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 1033<br />
Unterbringung gem. § 64 StGB<br />
Hinweis:<br />
Allerdings kann das Fehlen von Entzugserscheinungen indizielle Wirkung haben. Gleiches gilt für eine sich<br />
über einen längeren Zeitraum erstreckende Substitutionsbehandlung (vgl. BGH NStZ-RR 2018, 13).<br />
IV. Rechtswidrige Tat<br />
Als Anlasstat für die Unterbringung genügt grds. eine beliebige, i.S.d. § 11 Abs. 5 StGB rechtswidrige, Tat.<br />
Insoweit existiert nach h.M. keine Beschränkung auf erhebliche oder gar besonders schwerwiegende<br />
Delikte; vielmehr kann u.U. im Einzelfall auch ein Fahrlässigkeitsdelikt oder eine Versuchstat die<br />
Anordnung der Maßregel rechtfertigen (S/S/KINZIG, § 64 Rn 8).<br />
Hinweis:<br />
Wie bei allen Maßregeln ist aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, § 62 StGB. Insbesondere<br />
Bagatelltaten scheiden als Grundlage für die Anordnung der Maßregel aus (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2019 –<br />
3 StR 443/18).<br />
Eine Verurteilung wegen einer schuldhaften Begehung der Anlasstat ist nicht erforderlich, es genügt<br />
deren Rechtswidrigkeit. Jedoch kann die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch gegen einen<br />
voll schuldfähigen Angeklagten angeordnet werden; § 64 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter zur<br />
Tatzeit vermindert schuldfähig i.S.d. § 21 StGB oder gar schuldunfähig war (FISCHER, § 64 Rn 14).<br />
V. Symptomatizität<br />
Die Tat (oder zumindest eine von mehreren Taten) muss im Rausch begangen worden sein oder auf<br />
den Hang des Angeklagten zurückgehen, wobei der Hang insoweit den Oberbegriff darstellt; die<br />
Tatbegehung im Rausch ist ein Unterfall (BGH NStZ-RR 2016, 169).<br />
Diese sog. Symptomatizität muss positiv festgestellt werden, für die Anwendung des Zweifelssatzes ist<br />
hier kein Raum (BGH, Beschl. v. 27.6.2019 – 3 StR 443/18). Können entsprechende sichere Feststellungen<br />
nicht getroffen werden, scheidet eine Unterbringung aus.<br />
Hinweis:<br />
Das Gericht hat die Grundlagen, aufgrund derer es die Symptomatizität, also den symptomatischen<br />
Zusammenhang zwischen Hang und Tat, bejaht, in den Urteilsgründen sorgfältig darzulegen. Dem ist<br />
nicht Genüge getan, wenn lediglich festgestellt wird, dass der Angeklagte vor der Tat erhebliche Mengen<br />
Alkohol zu sich genommen habe und es zu deutlich wahrnehmbaren Ausfallerscheinungen gekommen sei<br />
(BGH NStZ 2013, 37). Derartiges kann auch bei einem einmaligen Rausch auftreten.<br />
1. Tatbegehung „im Rausch“<br />
Eine Tat ist „im Rausch“ begangen, wenn sich der Täter während ihrer Begehung in dem für das jeweilige<br />
Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustand<br />
befand (BGH NStZ-RR 2012, 739).<br />
2. Tatbegehung aufgrund des Hangs/Symptomatizität<br />
Die Symptomatizität liegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH vor, wenn der Hang zum Missbrauch<br />
von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln allein oder zusammen mit anderen Umständen<br />
dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies<br />
bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist. Die konkrete Anlasstat muss in dem<br />
Hang ihre Wurzeln finden, also Symptomwert für diesen haben, indem sich in ihr die hangbedingte<br />
Gefährlichkeit des Täters äußert (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2019 – 3 StR 443/18 m.w.N.).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. 8 17.4.<strong>2020</strong> 427