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ZAP-2020-08

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Fach 18, Seite 1738<br />

Eingetragene Lebenspartnerschaft<br />

Sozialrecht<br />

c) Verpflichtung, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß umzugestalten<br />

Es entspricht st. Rspr. des BVerfG, dass aus der Feststellung des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot<br />

grds. die Verpflichtung folgt, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß umzugestalten<br />

(Nachweise s. BVerfG, Urt. v. 11.12.2019 – 1 BvR 3<strong>08</strong>7/14, Rn 17).<br />

Von diesem Grundsatz kann nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn dies etwa im Interesse<br />

verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung haushaltswirtschaftlich bedeutsame Normen betrifft<br />

sowie für den Fall, in dem die Verfassungsrechtslage nicht hinreichend geklärt war und dem<br />

Gesetzgeber deshalb eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung zu gewähren ist.<br />

Solche oder andere Gründe, die dem vorgenannten Grundsatz entgegenstehen, bestehen hier nicht.<br />

Eine auf den Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zurückwirkende<br />

Gleichbehandlung verpartnerter und verheirateter Personen im Zeitraum vor dem 7.7.2009<br />

lässt sich nur erreichen, indem auf einen entsprechenden Antrag hin, der entweder – wie hier – bereits<br />

vor dem 7.7.2009 oder zeitnah danach gestellt wurde, eine Rentenanpassung auch rückwirkend<br />

erfolgt. Deshalb kann der Beschwerdeführer hier nach Auffassung des Gerichts eine Neuberechnung<br />

seiner Versorgungsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 beginnend mit dem<br />

Zeitpunkt der Begründung seiner eingetragenen Lebenspartnerschaft verlangen.<br />

Verstoßen allgemeine Versicherungsbedingungen – wie hier in Form der Satzung der VBL – gegen Art. 3<br />

Abs. 3 GG, so bewirkt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der<br />

Zivilgerichte die (teilweise) Unwirksamkeit der betroffenen Klausel. Hierdurch entstehende Regelungslücken<br />

können im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Dies führt hier<br />

zur Nichtanwendung des Antragerfordernisses auf verpartnerte Versicherte vor dem 7.7.2009. Der<br />

Gleichheitsverstoß lässt sich nachträglich nur auf diese Weise beheben.<br />

II. Fazit der Entscheidung des BVerfG<br />

Der Beschwerdeführer hat deshalb einen Anspruch auf Neuberechnung seiner Versorgungsrente<br />

rückwirkend auf den Zeitpunkt der Begründung seiner eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahre<br />

2001. Er hat mit Schreiben vom 8.10.2006 und somit bereits deutlich vor dem 7.7.2009 der VBL<br />

mitgeteilt, er habe eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Sowohl die VBL als auch die von<br />

dem Beschwerdeführer angerufen Fachgerichte haben diese Mitteilung zutreffend als Antrag i.S.v.<br />

§ 56 Abs. 1 S. 4 VBLS a.F. verstanden.<br />

Schließlich weist das Gericht darauf hin, die zeitlich uneingeschränkte Nichtanwendung des Antragerfordernisses<br />

auf verpartnerte Versicherte habe keine ungerechtfertigte Begünstigung dieses Personenkreises<br />

zur Folge. Finde die Bestimmung auf sie keine Anwendung, erhalten sie zwar – anders als<br />

verheiratete Versicherte – auch rückwirkend für einen Zeitraum vor Antragstellung eine Rentennachzahlung.<br />

Verheiratete Versicherte konnten jedoch zur gleichen Zeit ohne Weiteres erkennen, dass ein<br />

solcher Anspruch auf Rentenneuberechnung bestand und ihnen war ebenso zuzumuten, zur Rechtswahrung<br />

einen solchen Antrag zu stellen.<br />

422 <strong>ZAP</strong> Nr. 8 17.4.<strong>2020</strong>

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