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ZAP-2020-08

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Sozialrecht Fach 18, Seite 1737<br />

Eingetragene Lebenspartnerschaft<br />

GG an die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts. Im Ausgangspunkt zutreffend gehen<br />

die Fachgerichte allerdings davon aus, dass verpartnerte Versicherte in Bezug auf die bei der Berechnung<br />

der Zusatzrente heranzuziehenden Steuerklasse in gleicher Weise zu begünstigen sind, wie<br />

verheiratete Versicherte. Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG (s. insb. BVerfGE 133, 377,<br />

wonach weder der in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte besondere Schutz der Ehe noch die im Steuerrecht<br />

bestehende Typisierungsbefugnis eine Differenzierung zwischen den Instituten der Ehe und der<br />

eingetragenen Lebenspartnerschaft rechtfertigt).<br />

Hinweis:<br />

Mit dem zum 1.1.2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts<br />

vom 15.12.2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch näher dem Eherecht<br />

angeglichen und auf die Normen zur Ehe im weitem Umfang (hinsichtlich Güterrecht, Unterhaltsrecht,<br />

Scheidungsrecht, Stiefkinderadoption, Versorgungsausgleich, Hinterbliebenenversorgung) Bezug genommen.<br />

Zum Teil hat man in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, die Mehrzahl der für die<br />

eheliche Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch konstitutiven Merkmale seien erst mit jenem Gesetz<br />

auf die eingetragene Lebenspartnerschaft ausgedehnt worden, weshalb diese bis zum Inkrafttreten<br />

des Gesetzes zum 1. 1.2005 nicht als eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft ausgestaltet war,<br />

sodass die Privilegierung der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG vor dem Jahre 2005 eine Ungleichbehandlung<br />

rechtfertigte.<br />

So etwa das BAG (Urt. v. 11.12.2012 – 3 AZR 684/10), das in Rn 21 f. ausführt, hinterbliebene eingetragene<br />

Lebenspartner befänden sich jedenfalls seit dem 1.1.2005 hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung in<br />

einer Eheleuten vergleichbaren Situation, nicht aber bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des LPartG<br />

am 1.8.2001; zustimmend offenbar AHRENDT in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl., § 36 Rn 14 und<br />

VOGELSANG a.a.O., § 274, Rn 158. s. ferner das abweichende Votum, BVerfG, Beschl. v. 7.5.2013 – 2 BvR<br />

909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, Rn 116 ff. Die Mehrheit des Senats ist dem jedoch im Jahre 2013 nicht<br />

gefolgt. Sie entschied, dass Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG vermöge allein die Ungleichbehandlung<br />

der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen, da beide<br />

in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen darstellen und in ihren Grundstrukturen<br />

bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahre 2001 nur wenige Unterschiede<br />

aufweisen (s. Rn 90 der Entscheidungsgründe). Das BVerfG geht aktuell auf diese unterschiedliche<br />

Auffassung nicht ein.<br />

Wird die Lebenspartnerschaft wie die Ehe behandelt, gilt damit auch für verpartnerte Versicherte grds.<br />

das Antragserfordernis. Die Zivilgerichte haben jedoch verkannt, dass eine formal gleiche Anwendung<br />

einer Bestimmung auf Lebenssachverhalte, die in diskriminierender Weise ungleich geregelt waren,<br />

diese Diskriminierung fortschreiben kann. Die Anwendung des Antragerfordernisses vor Juli 2009<br />

bewirkt hier eine Ungleichbehandlung. Zwar scheint es formal gleich, sowohl verheiratete als auch<br />

verpartnerte Anspruchsberechtigte an das Antragserfordernis zu binden. Tatsächlich war die Situation<br />

der Betroffenen jedoch in dem hier streitigen Streitraum in einer Weise unterschiedlich, dass die formale<br />

Gleichbehandlung tatsächlich einer Ungleichbehandlung in der Sache bewirkt.<br />

Im Unterschied zu Eheleuten konnten verpartnerte Versicherte im fraglichen Zeitraum nach damals<br />

geltenden Recht nicht erkennen, dass sie ebenso wie Eheleute einen Antrag hätten stellen müssen,um<br />

von der für Eheleute positiven Regelung zu profitieren. Zunächst galt die Regelung zum Antragserfordernis<br />

für sie tatsächlich bereits nach dem Wortlaut nicht, weil – soweit hier von Interesse – eine<br />

Rentenberechnung auf Grundlage der günstigeren Steuerklasse III/0 nur für verheiratete Versorgungsberechtigte<br />

vorgesehen war. Zudem waren die Rechtsprechung und auch die Fachliteratur damals<br />

mehrheitlich der Auffassung, eine Gleichstellung zugunsten des Beschwerdeführers mit der Ehe sei<br />

nicht geboten. Geändert hat sich dies erst mit dem Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom<br />

7.7.2009 (BVerfGE 124, 199, s.o. unter I 3). Erst ab diesem Zeitpunkt war für verpartnerte Versicherte<br />

erkennbar, dass sie ebenso wie Eheleute einen Antrag stellen müssen, um von den daraus folgenden<br />

positiven Berechnungsfolgen zu profitieren.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 8 17.4.<strong>2020</strong> 421

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