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ZAP-2020-08

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<strong>ZAP</strong><br />

Kolumne<br />

Kolumne<br />

Art. 240 § 1 EGBGB: Niemand zahlt mehr an niemanden<br />

COVID-19 ist zweifellos eine ernsthafte Bedrohung.<br />

Jeder tut gut daran, eigenverantwortlich<br />

dafür zu sorgen, sich und seine Mitmenschen<br />

zu schützen und die Hygienevorschriften einzuhalten.<br />

An die Vernunft des Einzelnen und seine Eigenverantwortung<br />

glaubt der Staat wie immer nicht<br />

und zeigt sich paternalistisch: Gesetze und Vorschriften<br />

sollen es richten, u.a. das Gesetz zur<br />

Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie<br />

im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht<br />

(BGBl I <strong>2020</strong>, S. 569), das mit nur zwei<br />

Enthaltungen (aus der AfD-Fraktion) vom Bundestag<br />

am 25.3.<strong>2020</strong> einhellig verabschiedet<br />

wurde (Plenarprotokoll [Plen.Prot] 19/154, TOP 5).<br />

Der Abgeordnete THOMAE (FDP) hat immerhin<br />

angemerkt, seine Fraktion stehe den Änderungen,<br />

auch der hier zu besprechenden („reicht das<br />

Problem nur eine Reihe weiter“, Plen.Prot 19/152 C),<br />

teilweise kritisch und ablehnend gegenüber. Der<br />

Abgeordnete LUCZAK (CDU/CSU) will zwar „den<br />

Wirtschaftskreislauf am Laufen halten, sodass das<br />

Vertrauen in den Fortbestand von Verträgen erhalten<br />

bleibt“ (Plen.Prot 19/151 C), das Gegenteil wird<br />

aber eintreten.<br />

Art. 240 § 1 EGBGB (Art. 5 des COVID-19-<br />

Gesetzes, BGBl I <strong>2020</strong>, S. 572) könnte einen<br />

verhängnisvollen Prozess in Gang setzen: Niemand<br />

zahlt mehr an niemanden. Oder wie es der<br />

Abgeordnete LUCZAK formuliert: „Es geht … darum,<br />

Verbraucher bei Dauerschuldverhältnissen zu schützen,<br />

sodass ihnen nicht der Strom, das Internet, das<br />

Wasser abgestellt wird. Sie können für drei Monate<br />

etwas Luft schnappen und die Zahlungen einstellen“<br />

(Plen.Prot 19/151 D). Steht das wirklich im Gesetz?<br />

Oder ist es in Wahrheit ein zahnloser Tiger und<br />

Ausdruck gesetzgeberischer Schnappatmung?<br />

Beides ist richtig: Der rechtlich gut informierte<br />

Gläubiger wird seine Forderungsbeitreibung fortsetzen,<br />

tunlichst sogar forcieren. Gleichwohl<br />

werden die Zahlungsströme ins Stocken geraten,<br />

denn viele Schlauberger (eher grüne Lehrer als<br />

wirklich Bedürftige) werden sich auf das Gesetz<br />

berufen und ihre laufenden Verpflichtungen<br />

gegenüber Energieversorgern, Telekommunikationsunternehmen,<br />

Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen<br />

usw. nicht erfüllen. Jedenfalls die beiden<br />

ersten sind „systemrelevant“, wie man heute zu<br />

sagen pflegt.<br />

Was aber ist nun der genaue Inhalt von Art. 240<br />

§ 1 EGBGB? Jedenfalls nicht, dass Strom, Internet<br />

und Wasser nicht abgestellt werden dürfen, wenn<br />

die Voraussetzungen hierfür vorliegen; ein dahingehender<br />

Entschließungsantrag der LINKEN (19/<br />

18142) wurde ausdrücklich abgelehnt. Vielmehr<br />

haben Verbraucher und Kleinstunternehmer (das<br />

sind ausweislich Empfehlung 2003/361/EG Unternehmen,<br />

die weniger als zehn Personen beschäftigen<br />

und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz<br />

zwei Mio. Euro nicht überschreitet) das Recht,<br />

Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der<br />

im Zusammenhang mit einem Dauerschuldverhältnis<br />

steht, das vor dem 8.3.<strong>2020</strong> geschlossen<br />

wurde, bis zum 30.6.<strong>2020</strong> zu verweigern. Nach<br />

Art. 240 § 4 EGBGB kann die Regelung von<br />

der Bundesregierung durch Rechtsverordnung<br />

bis zum 30.9.<strong>2020</strong> verlängert werden.<br />

Es gibt aber noch weitere, in der Praxis kaum<br />

überprüfbare Voraussetzungen für die Ausübung<br />

dieses Rechts: Die Leistungshinderung muss aus<br />

„Umständen“ folgen, „die auf die Ausbreitung der<br />

Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-<br />

Pandemie) zurückzuführen sind“ und (kumulativ) die<br />

Erbringung der Leistung müsste den „angemesse-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 8 17.4.<strong>2020</strong> 371

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