Verwaltungsrecht
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DAS ALLGEMEINE VERWALTUNGSVERFAHREN
rechtsstaatlicher
Grundsatz
Um zu verhindern, dass jemand von einem behördlichen Akt überrascht und einem
Nachteil ausgesetzt wird – ohne die Möglichkeit gehabt zu haben – seine Rechte
zu wahren, ist die Anhörung rechtsstaatlich geboten.
Im Ausgangsfall 2 wäre Manfred Muschel vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in
seine Rechte eingreift (Baubeseitigungsanordnung), zum Sachverhalt anzuhören.
kein Eingriff
bei Ablehnung
eines Antrages
Nachholung
In eine Rechtsstellung wird jedoch durch die Ablehnung eines Antrages, zum
Beispiel auf Sozialhilfe, nicht eingegriffen, da der begehrte Verwaltungsakt eine
Rechtsposition erst gewähren sollte. Diese Auslegung des § 28 VwVfG entspricht
der Begründung zu § 24 Abs. 1 EG (Einführungsgesetz) VwVfG, die später von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt
wurde. Sie wird in der Literatur jedoch scharf kritisiert. Danach sind belastende
Verwaltungsakte nicht nur im Bereich der Eingriffsverwaltung zu finden, sondern
es zählen auch solche dazu, die eine Begünstigung versagen. Die Rechtsprechung
konnte dieser Ansicht bisher nicht folgen, deshalb ist bei der Antragsablehnung
eine Anhörung nicht erforderlich.
Die erforderliche Anhörung kann im Vorverfahren nachgeholt werden (§ 45 Abs. 1
Nr. 3 VwVfG). Falls sie dann immer noch nicht erfolgte oder ein Vorverfahren nicht
stattfindet, ist sie bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen
Verfahren nachholbar (§ 45 Abs. 2 VwVfG). Der Rechtsfehler
der unterlassenen Anhörung ist somit heilbar.
Beispiel:
Im Ausgangsfall 2 erlässt die Behörde einen Verwaltungsakt, der die Beseitigung
der Werbeplane anordnet, ohne Herrn Muschel dazu angehört zu haben.
Dieser legt Widerspruch ein und äußert sich im Widerspruchsschreiben zum
Sachverhalt. Die fehlende Anhörung ist somit im Widerspruchsverfahren (Vorverfahren)
nachgeholt worden und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes
nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG wurde dadurch geheilt.
Ausnahmetatbestände
Gefahr im Verzug
zwingendes
öffentliches Interesse
Bei Vorliegen einer der Ausnahmetatbestände des § 28 Abs. 2 VwVfG hat die
Behörde unter Ausübung ihres Ermessens zu entscheiden, ob von einer Anhörung
abgesehen werden kann.
Falls eine sofortige Entscheidung erforderlich wird, beispielsweise wenn Gefahr im
Verzuge ist, kann ebenfalls ohne Anhörung entschieden werden (§ 28 Abs. 2 Nr.
1 VwVfG). Der Begriff der Gefahr im Verzuge unterscheidet sich von dem im Gefahrenabwehrrecht
gebrauchten. Danach ist von einer Anhörung abzusehen, wenn
auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust eintreten würde,
der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt
zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen.
Steht ein zwingendes öffentliches Interesse entgegen, ist von einer Anhörung
ebenfalls abzusehen (§ 28 Abs. 3 VwVfG). Dieses ist jedoch die Ausnahme.
Was das gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht betrifft, ist der Grundsatz
des rechtlichen Gehörs als Grundrecht ausgestaltet (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG).
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