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“Kosmogonie” Marius Schneiders - Harmonik und Glasperlenspiel

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können Sie auch die Musen- <strong>und</strong> Lobgesänge der griechischen Antike<br />

interpretieren. Man kann sich ja auch hier fragen, warum immer wieder<br />

Gesänge gefordert werden.<br />

Die Verhältnisse drehen sich gegenüber einem üblichen Verständnis<br />

von Chaos hier also geradezu auf den Kopf: Im nachhinein - so wird<br />

behauptet -, in der bereits materialisierten Welt, vermag nur der mit fließendem<br />

Wasser verglichene rhythmische Klang Ordnung <strong>und</strong> Harmonie<br />

in die zu versteinern drohende Welt zu bringen. Nicht die Festigung<br />

chaotischen Urgewässers macht das ordnende Moment der Schöpfung<br />

aus, sondern umgekehrt: eine Art Verflüssigung im Sinne einer Verbindung<br />

durch den Klang erzeugt den ordnenden Zugriff des Gesetzes.<br />

Als Beispiel <strong>und</strong> Beleg hierzu führt Schneider eine Erzählung aus<br />

China an. Ähnlich dem Orpheus-Mythos verläuft die Geschichte um<br />

Kuei: Kuei wurde vom chinesischen Kaiser Schuan zum Oberhaupt des<br />

Hoforchesters ernannt, um Ordnung in dem vom Chaos bedrohten Kaiserreich<br />

zu schaffen. Von Kuei, der schließlich in die Regierung berufen<br />

wurde, weil nur die Musik <strong>und</strong> insbesondere “seine” Musik alle Wesen in<br />

ein harmonisches Leben zu zwingen vermag, heißt es: “Daß Kuei die<br />

Macht hatte, mit einem Steinspiel die 100 Tiere zum Tanzen zu bewegen,<br />

zeigte seine Größe <strong>und</strong> Heiligkeit, durch die es ihm gelang, in einer sich<br />

immer mehr versteinernden Welt, selbst die toten Steine zu rhythmischem<br />

Aufklingen zu bringen.” (XI, 2. Teil, 93)<br />

Die toten Dinge zum Klingen erwecken - das ist ein weitverbreitetes<br />

Motiv (denken Sie etwa an Orpheus), das wir nun als so etwas wie eine<br />

rückläufige Schöpfungsmaßnahme verstehen können. Denn ein chaotisches<br />

Element tritt mit den festen <strong>und</strong> sichtbaren Körpern in die Welt. In<br />

einer Art phänomenologischer Wörtlichkeit wird die feste Körpergrenze<br />

der Dinge zum Gr<strong>und</strong> ihres ‘Aneckens’ <strong>und</strong> Konkurrierens.<br />

Die These <strong>Schneiders</strong> war: Die Entschiedenheit einer hierarchischen<br />

Unterwerfung (Ordnung als Begrenzung) gegenüber der vormaligen,<br />

ursprünglichen Unentschiedenheit jenes flüssigen Zustands, der hier<br />

auch als ein Differieren charakterisiert wurde, setzt mit der Sichtbarkeit<br />

der Welt ein. Mit der Trennung der differierenden Seiten <strong>und</strong> der damit<br />

bewirkten Auflösung des klanglichen Pulsierens innerhalb dieser Spannung<br />

erscheint - zumindest als Grenzwert - der tote Körper. Rückwirkend<br />

soll er wieder belebt <strong>und</strong> in die Dynamik des Schöpfungsakts bzw.<br />

das Gesetz der Schöpfung integriert werden, was die Schöpfungsklänge<br />

erneut in Kraft treten läßt; was erneut die Klänge <strong>und</strong> Klang-Götter her-<br />

Die <strong>“Kosmogonie”</strong> <strong>Marius</strong> <strong>Schneiders</strong> 212

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