Lehrpfad Leben
Biografie. Das Wort klingt nach Rückblick und Abschluss, nach Weisheit und nach Abenteuer. Wer so viel erlebt hat, dass er mit seinen Geschichten ein ganzes Buch füllen kann, ist entweder steinalt. Oder es ist jemand wie Bernd Elsenhans, der schon immer auf der Überholspur unterwegs war. Lehrpfad Leben – Biografie und Impulse“ hat Bernd Elsenhans das Buch genannt, das er gemeinsam mit der Gmünder Autorin Angelika Wesner verfasst hat. Darin erzählt er eindrücklich von Erfolgen, Niederlagen und den Lehren, die er aus Grenzerfahrungen gezogen hat. Chronologisch geht es Schritt für Schritt durch Kindheit und Jugend in Steinheim, in der die Weichen gestellt wurden für die Zukunft.
Biografie. Das Wort klingt nach Rückblick und Abschluss, nach Weisheit und nach Abenteuer. Wer so viel erlebt hat, dass er mit seinen Geschichten ein ganzes Buch füllen kann, ist entweder steinalt. Oder es ist jemand wie Bernd Elsenhans, der schon immer auf der Überholspur unterwegs war.
Lehrpfad Leben – Biografie und Impulse“ hat Bernd Elsenhans das Buch genannt, das er gemeinsam mit der Gmünder Autorin Angelika Wesner verfasst hat. Darin erzählt er eindrücklich von Erfolgen, Niederlagen und den Lehren, die er aus Grenzerfahrungen gezogen hat. Chronologisch geht es Schritt für Schritt durch Kindheit und Jugend in Steinheim, in der die Weichen gestellt wurden für die Zukunft.
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Bernd
Elsenhans
Angelika Wesner
LEHRPFAD
LEBEN
Biografie und Impulse
Bernd Elsenhans
Angelika Wesner
LEHRPFAD LEBEN
Herausgeber und Autor:
Bernd Elsenhans In den Tieräckern 7
fuehl-dich-sicher.com
89520 Heidenheim
info@fuehl-dich-sicher.com Telefon: 07321 94700
www.fuehl-dich-sicher.com Fax: 07321 9470333
Autorin:
Angelika Wesner
www.wesnerswortschmiede.de
Schwäbisch Gmünd
Titelgestaltung und Buchsatz: Wesners Wortschmiede
Lektorat: Mareike Fröhlich, www.mareikefroehlich.de
Fotos: Bernd Elsenhans, Angelika Wesner
Druck und Bindung: Druckerei Bairle, Dischingen
Das vorliegende Buch ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche
Verwertung ist ohne die schriftliche Zustimmung des
Herausgebers unzulässig. Für die Inhalte der veröffentlichten
Webseiten Dritter wird keine Haftung übernommen.
Die im Buch dargestellte spirituelle Lebensberatung ersetzt
in keinem Fall eine ärztliche oder psychotherapeutische
Behandlung.
© 2019 Bernd Elsenhans
1. Auflage
ISBN 978-3-9820757-0-9
Inhalt
Der Sinn dieses Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Kapitel 1981 – 1986
Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gegenwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impuls: Vom Opfer zum Gegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kapitel 1987 – 1992
Judoka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wehrdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impuls: Vision versus Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Kapitel 1993 – 1996
Beruflicher Aufstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Durchbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impuls: Die Macht der Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Höhenflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Messerstecherei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hilfeschrei der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impuls: Die Resonanz der Misstöne . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Kapitel 1996 – 2007
Auf dem hohen Ross . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ohne Bodenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Konkurrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Blatt wendet sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impuls: Klarheit schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Kapitel 2007
Tiefer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schleichende Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
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Drohende Haft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Impuls: Eine Frage der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6. Kapitel 2007 - 2009
Erwachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Im Outback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Meditation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Das Fundament des Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Der Neubau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Grenzerfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Die Vision wird Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Die Kraft der Zuversicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
7. Kapitel 2010 - 2012
Verdächtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Damoklesschwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Die Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Frei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
An der Schwelle des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Machtwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Impuls: Zorn und Versöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
8. Kapitel 2013
Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Lähmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Wendepunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Impuls: Licht und Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Ein Wort zum Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
•
Die Kunst des Lebens
besteht darin, sieben
Mal hinzufallen, und
acht Mal aufzustehen .
•
Japanisches Sprichwort
•
Erst wenn wir
zerschmettert am Boden
liegen, erkennen wir,
dass wir nicht alleine das
Drehbuch unseres
Lebens schreiben .
•
Bernd Elsenhans
Der Sinn dieses Buches
Warum eine Biografie mit nicht einmal 50 Jahren? Ist das
nicht zu früh? Lange Zeit habe ich mich mit dieser Frage
beschäftigt. Weshalb hat dieses Projekt für mich eine solche
Bedeutung? Um zu zeigen, welch ein toller Hecht ich bin? Des
schnöden Mammons wegen? Ich gebe zu, der Gedanke ist reizvoll,
denn ein derartiges Buch wäre wie eine Trophäe.
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Im Laufe meiner Unternehmensgeschichte glaubte ich lange
Zeit, ich könnte ununterbrochen auf der gewohnten Erfolgswelle
weiterschwimmen und niemand würde mich daran
hindern können. Umso stärker traf mich die Tatsache, dass
ich mich getäuscht hatte. Ich stürzte in gähnende Abgründe.
Mir wurde bewusst, dass hinter all meinen Erfahrungen eine
höhere Macht steht, die mich führt und begleitet. Die (göttliche)
Instanz hat Einfluss auf das, was uns widerfährt. Diese
Eingebung rüttelte mich auf und veränderte mich nachhaltig.
Ich möchte von meinem Werdegang erzählen und
Denkanstöße geben, wie wir Hindernisse überwinden und den
Glauben an die in uns wohnende Kraft wecken können. Unsere
Existenz ist keine Laune des Zufalls oder des Schicksals. Nichts
fällt uns in den Schoß. Wir haben mit unseren Gedanken
und dem Glauben an eigene Stärken, zumindest ein Stück
weit, das Steuerrad des Lebens in der Hand. Erfahrungen,
gleichgültig, ob wir sie positiv oder negativ empfinden, bergen
Chancen in sich. Sie sind eine Option zur Selbsterkenntnis. Sie
schenken uns die Möglichkeit, den Weg unseres Lebens – des
persönlichen Lehrpfades – zu reflektieren und gegebenenfalls
den bis dato eingeschlagenen Kurs zu ändern. Vertrauen wir
darauf, dass wir dabei nicht auf uns allein gestellt sind. Ich bin
überzeugt, einen treuen Begleiter zu haben, der mein Handeln
weder bewertet noch darüber urteilt. Andere mögen von
Schicksal oder Fügung, von Buddha oder Allah sprechen. Ich
spreche von Gott. Es spielt keine Rolle, wie man diesen Beistand
bezeichnet. Was zählt, ist die Tatsache, dass es ihn gibt. Ich habe
eine Menge Zeit gebraucht, um dies zu begreifen. Probleme
und Schwierigkeiten sind Teil des Lebens. Sie gehören zu uns,
wie der Tag zur Nacht. Es ist keine Schande, zu scheitern. Sogar
in ausweglos erscheinenden Situationen öffnen sich neue Wege.
Viele Menschen verurteilen andere für deren Tun und Denken.
Wer sich nicht konform verhält und auf die Nase fällt, erntet
hauptsächlich Häme, seltener Verständnis oder Mitgefühl. Ich
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habe erlebt, wie sich das anfühlt. Oft bekam ich von anderen den
Spruch zu hören, sie hätten längst gewusst, dass meine Pläne
nicht funktionierten. Diese Kommentare waren niemals hilfreich
für mich. Schon gar nicht in Krisenzeiten. Anders erlebte
ich Begegnungen mit Menschen, die mir ihre Sicht der Dinge
erklärten. Die Diskussionen mit ihnen empfand ich meistens
als konstruktiv. Sie haben mich zum Nachdenken gebracht und
mir geholfen, schwierige Situationen zu bewältigen.
In diesem Buch erzähle ich von den Höhen und Tiefen,
durch die ich gehen durfte. Sie haben mich zu dem gemacht,
was ich heute bin. Wir alle haben Visionen für unser Leben.
Lassen wir es nicht zu, dass andere diese als verrückte Ideen
abtun. Ich möchte jeden ermutigen, zielstrebig und mit wachen
Sinnen seine Ziele zu verfolgen. Fehler lassen sich nicht
vermeiden. Sie sind keine Katastrophe, im Gegenteil. Ohne
Fehlschläge hätte ich nichts gelernt. Wer strauchelt und fällt,
aber trotz der erlittenen Niederlage wieder aufsteht und den
Neubeginn wagt, beweist Stärke und erkennt früher oder später
das Wunder des Lebens. Bewusst berichte ich in aller Offenheit
von mir, weil ich aufzeigen will, dass jeder den Weg geht,
den er gehen muss. Vielleicht ist meine Biografie ein kleiner
Beitrag für mehr Verständnis und Menschlichkeit in unserer
Gesellschaft. Lassen wir uns leiten von der Kraft der Liebe,
der Hoffnung und dem Glauben, dass alles, was uns im Leben
widerfährt, einen tieferen Sinn hat.
• • •
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•
Demütigungen sind
schlimmer als Schmerzen .
•
Aus dem Talmud
1. Kapitel 1981 – 1986
Opfer
Sie würden sicherlich an der Ecke lauern, in der Gasse hinter der
früheren Molkerei. Mein Magen krampfte sich beim Gedanken
an die grinsenden Gesichter der älteren Jungs zusammen.
Gleich läutete die Schulglocke. Ungeduldig rutschten die Klassenkameraden
auf ihren Stühlen herum. Sie freuten sich darauf,
aus der Schule zu stürmen und nach Hause zu laufen. Ich nicht.
Ich hatte Angst vor dem, was mich auf dem Heimweg erwartete.
Regelmäßig passte mich diese Bande ab, vor der ich mich
fürchtete. Die Kerle traten nach mir, erniedrigten mich. Dabei
gingen sie nie so weit, mir ernsthafte Schmerzen zuzufügen
oder mich körperlich zu verletzen. Sie wussten, dass sie mich
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mich mit ihren Demütigungen effektiver quälen konnten.
Lachend würden sie mich gegen den morschen Holzzaun
drücken, der den schmalen Fußweg zwischen der Molkerei und
dem gegenüberliegenden Gartengrundstück begrenzte. Ich war
ihnen hilflos ausgeliefert. Sie waren zu dritt, manchmal auch
mehr. Der Älteste zwei Köpfe größer und deutlich kräftiger als
ich. Was bei meiner schmächtigen Statur keineswegs verwunderte.
Dieser Kerl war im Vergleich zu mir ein Koloss.
»Hey, Else, du Milchgesicht«, hänselten die Jungs und
schubsten mich über den Weg. »Hast du wieder die Hosen
voll!«
Alles in mir schrie danach, davonzulaufen wie ein verängstigter
Hase, doch das wäre sinnlos. Meine Widersacher hätten
mich nach ein paar Metern eingeholt. Bleischwer lastete der
Schulranzen auf meinem Rücken. Der Turnbeutel war ein
zusätzlicher Ballast, der die Bewegungen einschränkte. Ich kam
mir vor wie eine Schnecke, die ein viel zu großes und wuchtiges
Häuschen tragen musste.
Einer von ihnen packte mich. Wie Schraubstöcke wanden sich
die Hände um meine mageren Oberarme. Sein Kumpel zerrte
an dem Sportbeutel. Die Rangelei dauerte wenige Sekunden,
dann riss der Junge ihn mir von den Schultern und warf ihn
dem Koloss zu.
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»Hol ihn dir, du Bohnenstange«, spottete dieser, bevor er die
Tasche in hohem Bogen in den Garten hinter dem Zaun warf.
Er wusste, dass ich nicht darüber klettern konnte. Die Latten
waren zu hoch für mich. Vergeblich versuchte ich, mich aus
dem Griff des anderen zu befreien. Plötzlich ließ er los. Ich
strauchelte, fiel hart auf den Asphalt. Meine Knie schmerzten,
als ich mich langsam aufsetzte. Die Bengel standen um mich
herum. Ihr hämisches Gelächter hallte über die Gasse, brannte
sich in mein Gedächtnis ein. Die Augen zu Boden gesenkt ließ
ich ihr Gespött über mich ergehen. Hoffentlich fielen ihnen
keine weiteren Gemeinheiten ein. Selbstgefällig grinsten sie auf
mich herab. Nach gefühlt endlos langen Sekunden wanden sie
sich von mir ab und verschwanden. Ich rappelte mich auf. Mit
leerem Blick starrte ich zwischen den Zaunlatten in den Garten,
wo der Beutel am Fuß eines Apfelbaumes lag. Um dorthin zu
gelangen, musste ich am Bauernhaus vorbei schleichen, in
dem dieser grimmige, alte Mann lebte. Die Vorstellung seines
bösen Gesichtes ließ mich innerlich schlottern. Vorsichtig
einen Fuß vor den anderen setzend, passierte ich unbemerkt
die Haustüre. Mein Blick wanderte an der Fassade hinauf zum
Fenster im ersten Stock. Bestimmt lauerte der Alte dort hinter
dem Vorhang. Sekunden später bestätigte sein Geschrei meine
Befürchtung.
»Bürschle, dir helfe ich«, brüllte er herab. Das Treiben auf
dem Weg hatte er beobachtet und gesehen, wie der Turnbeutel
in die Wiese geflogen war. Obwohl er meine missliche Lage
erkannt haben musste, drohte er mit der Faust. »Mach dass du
verschwindest«, zeterte er. »Du hast hier nichts zu suchen!«
Schrie er von der ersten Etage zu mir hinunter, hatte ich
weniger Schiss vor ihm. Bis er die Stiegen in seinem Haus hinab
gestolpert käme, war ich längst auf und davon. Manchmal
wartete er schon an der Haustüre auf mich. Dann musste ich
die Zähne zusammenbeißen, an ihm vorbei flitzen und hoffen,
dass er mir nicht noch mit seinem Stock eins überbriet. Das
1. Kapitel 1981 – 1986
11
war zwar noch nie geschehen – aber wer wusste schon, wozu
der Alte fähig war? Geduckt hastete ich zum Baum, schnappte
den Beutel und rannte aus dem Garten. Es war der Schlussakt
eines Trauerspiels, in dem ich unfreiwillig als Hauptdarsteller
agierte. Ich fühlte mich elend und zutiefst entwürdigt. Die
Kirchturmuhr schlug zweimal. Halb eins! Eilig schulterte ich
den Ranzen und hetzte drauf los. Ich musste mich beeilen, zu
Hause stand das Mittagessen auf dem Tisch. Wenn ich zu spät
kam, gab es Ärger. Atemlos wischte ich mir ein paar Tränen aus
den Augen, bevor ich an der Türe meines Elternhauses auf die
Klingel drückte.
• • •
Wandel
Ein paar Wochen später fuhr ich mit den Nachbarjungs Peter
und Stephan im Bus nach Heidenheim. Es fiel mir schwer,
während der Fahrt still zu sitzen. Aufgewühlt nagte ich an den
Fingernägeln und stierte aus dem Fenster, ohne die vorbeiziehende
Landschaft wahrzunehmen. Im Gegensatz zu mir waren
meine Begleiter entspannt. Sie lachten und redeten. Für sie war
die Busfahrt zum wöchentlichen Judotraining im Jahnhaus
Alltag. Die beiden genossen in der Schule den Heldenstatus.
Sie waren Kampfsportler und jeder wusste das. Niemand käme
auf die Idee, sie anzugreifen.
Nach der letzten Attacke durch den Koloss und seine Bande
hatte ich all meinen Mut zusammengefasst und Peter und
Stephan gefragt, ob ich sie zum nächsten Judotraining begleiten
dürfe. »Na klar«, hatten sie spontan geantwortet. Sie schienen
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sich ehrlich über mein Interesse zu freuen. Nun also wurde
es ernst. Plötzlich hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch.
Was erwartete mich bei den Judoka? Würde ich mich vor den
Kampfsportlern blamieren? Vorsichtshalber vergaß ich die
Sporthose. Man konnte nie wissen. Ich mochte ein schüchterner
Hasenfuß sein, aber doof war ich nicht!
»Verdammt, ich bin mir sicher, dass ich die Hose eingepackt
habe«, ärgerte ich mich lautstark im Umkleideraum. Hektisch
wühlte ich in der Tasche herum. Um der Dramatik dieser Szene
Nachdruck zu verleihen, setzte ich eine zerknirschte Miene auf.
Peter und Stephan, die gerade in ihre weißen Judogi 1 schlüpften,
nahmen mir meine Lügengeschichte ab, ohne nachzuhaken.
Beide betrachteten mich bedauernd.
»Dann wirst du zusehen müssen«, stellte Stephan fest. Eben
dies war Ziel meiner Strategie. Ich konnte mich auf die Bank
am Rande des Dojos setzen und das Geschehen aus sicherer
Entfernung beobachten, ohne Gefahr zu laufen, mich lächerlich
zu machen. »Bärtle«, der Trainer, zwinkerte mir lächelnd zu.
»Nächstes Mal kannst du mittrainieren«, bestärkte er mich.
Ich antwortete mit einem stummen Nicken. An diesem Tag
wollte ich nur zusehen, mich vertraut machen mit den Griffen
und Würfen der Judoka. Ob es mir, dem schmächtigen Spargeltarzan,
gelingen würde, einen Kampfgegner auf die Matte
zu werfen? Ich beobachtete, wie sich Peter, Stephan und die
anderen für das Training aufwärmten. Sie übten Grifftechniken,
packten einander am dicken Segeltuch ihrer Anzüge
und wehrten die Angriffe mit zielsicheren Bewegungen ab.
Nach wenigen Minuten perlte mir der Schweiß von der Stirn.
Gebannt verfolgte ich die ersten Würfe der Jungs. Es faszinierte
mich, mit welchem Tempo die Judoka auf die Matte klatschten,
augenblicklich wieder auf die Füße kamen, auf ihre Gegner
1. Kapitel 1981 – 1986
1 Judogi – Kampfanzug der Judokas
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zustürzten und sie zu Boden schleuderten. Die Kämpfe
zogen mich in einen Bann. Äußerlich wirkte ich gelassen,
doch in mir brodelte ein Vulkan. Das Herz raste, mein Kiefer
schmerzte, weil ich die Zähne so fest aufeinanderpresste. In
diesem Augenblick fasste ich einen Entschluss, der mein Leben
veränderte. Ich wollte Kampfsportler werden. Ab sofort würde
mich niemand mehr angreifen oder erniedrigen.
Obwohl ich bei meiner ersten Trainingsstunde lediglich als
Zuschauer auf der Bank gesessen hatte, fühlte ich mich selbstsicher
wie noch nie zuvor. Als ich später mit Stephan und
Peter im Bus nach Hause fuhr, war mein T-Shirt schweißnass.
Langsam ließ die Anspannung nach und wich purer Freude.
Ab sofort war ich ein Judoka! Ich würde es allen zeigen, die
mich gemobbt und geärgert hatten und keiner brachte mich
von dieser Entscheidung ab. Nicht einmal meine Eltern. Nach
ihrer Auffassung sollte ich lernen, ein Musikinstrument zu
spielen. Das war mir zu langweilig. Ich war für den Kampfsport
geboren, nicht für die Musik.
• • •
Gegenwehr
Zum ersten Mal seit Monaten hatte ich beim Gedanken an
den Heimweg nach der Schule keine Angst. Im Gegenteil, ich
verspürte gespannte Erwartung, obwohl ich mir auch eingestehen
musste, ein wenig Muffensausen zu haben. Ich ging
ins Judo! Wie ein Mantra hatte ich die halbe, schlaflose Nacht
diesen Satz vor mich hin geflüstert. Zwar hatte ich bis jetzt
keinen einzigen Judogriff ausprobiert, aber ich wusste, dass ich
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bald diese Kampfkunst erlernen würde. Allein die Vorstellung
verlieh mir das Empfinden von Unverwundbarkeit. Die Schulglocke
läutete, ich packte meinen Ranzen und machte mich
auf den Weg. Der erwartete Angriff an der alten Molkerei
kam mir wie gerufen. Eine nie gekannte Energie durchdrang
mich von Kopf bis Fuß. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste
und spannte den Körper an. Mein Kampfgeist war geweckt.
Mit betont langsamen Schritten kam der Koloss auf mich zu.
Er feixte überheblich und baute sich breitbeinig vor mir auf.
Selbstgefällig verschränkte er die Arme vor der Brust. In der
Vergangenheit hatte ich in solch einer bedrohlichen Situation
sofort Fracksausen bekommen. An diesem Tag war jedoch alles
anders. Der Kerl ahnte nicht, in welcher Gefahr er sich befand.
Ich ließ ihn keine Sekunde lang aus den Augen.
»Na, du Memme«, griente er mich an. Ich wartete nicht ab,
bis er mich, wie gewöhnlich, am Arm packen und wie einen
nassen Sack durch die Gegend schubsen konnte. Stattdessen
traf ihn meine Hand direkt in sein Gesicht. Der Koloss riss
überrascht die Augen auf, glotzte mich fragend an. Ich setzte
nach. Trommelschlägen gleich prasselten meine Fäuste auf
seinen Oberkörper. Mit jedem Schlag stieg die Genugtuung.
Er bekam von mir endlich die Tracht Prügel, die er schon so
lange verdient hatte. Es war ein Befreiungsschlag, der mich
nachhaltig prägte.
Physisch betrachtet waren die Treffer viel zu schwach, um den
Gegner umzuhauen, doch meine unerwartete Gegenwehr
brachte ihn derartig aus dem Konzept, sodass er überrumpelt
zu Boden ging. Jegliche Farbe wich aus seinem
Gesicht. Einen Moment blieb er auf dem Rücken liegen,
dann raffte er sich blitzschnell auf und rannte davon,
dicht gefolgt von seinen Freunden. Keiner gab einen
Laut von sich. Völlig perplex starrte ich den
Jungs hinterher. Ich konnte nicht glauben, was
geschehen war. Hatte ich den Koloss und dessen
1. Kapitel 1981 – 1986
15
Bande wirklich besiegt? Plötzlich war es still auf der Straße.
Als würde sich die Welt für einen Wimpernschlag nicht mehr
weiterdrehen. Eine diffuse Angst keimte in mir auf, als mir
bewusst wurde, dass ich den Angreifer in die Flucht geschlagen
hatte. War das richtig gewesen? Durfte man einen anderen
verhauen? Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben? Erstaunt
betrachtete ich meine Hände, die ein wenig zitterten. Sie waren
genauso schmal wie vorher. Die Arme und Beine schmächtig
wie immer. Gleichwohl hatte ich die drei Rotznasen bezwungen.
Nicht durch Körperkraft, sondern allein durch Wille. Ich war
völlig von den Socken! Breit grinsend straffte ich die Schultern,
richtete mich auf, sah meine Umgebung plötzlich mit neuen
Augen. Ab sofort konnte ich mir selber helfen! Ich setzte mich
zur Wehr. Es fühlte sich befreiend an. Das Bewusstsein, ein
Judoka zu werden, verlieh mir physische wie mentale Stärke –
obwohl ich noch nie auf der Matte gestanden hatte. Nur die
Gewissheit, diesen Weg einzuschlagen, beflügelte mich. Das
Gefühl der Unbesiegbarkeit ist wie ein Rausch. Ich war überzeugt,
der Koloss und seine Kumpane erhoben nie mehr ihre
Hände gegen mich.
• • •
16
Vom Opfer zum Gegner
Mobbing. In meiner Kindheit kannte niemand die
Bedeutung dieses Wortes. Schikanen dieser Art galten zu
jener Zeit als harmlose Hänseleien. Doch auf meiner Seele
lastete ein schwerer, psychischer Druck. Ich schämte
mich, weil ich mich wie ein Schwächling fühlte, der sich
nicht wehren konnte. Es kam mir nicht in den Sinn, Schulkameraden,
Lehrer, die Eltern oder Großeltern um Hilfe
zu bitten. Letztere hätten mich ohnehin nur belächelt
und meine Probleme als Lausbubensorgen abgetan. Mit
dem Eingeständnis, mich den Übergriffen nicht mannhaft
stellen zu können, hätte ich mich vor allen bloßgestellt.
Ich machte diese Angelegenheit daher mit mir selbst
aus, entwickelte Schutzstrategien, um den stärkeren
Jungs nicht begegnen zu müssen. Wenn es sich einrichten
ließ, gesellte ich mich auf dem Heimweg zu anderen
Schülern. Ich wusste, wann der Koloss mit seinen Kumpels
nachmittags im Dorf unterwegs war. In dieser Zeit blieb
ich zu Hause und beschäftigte mich mit Legosteinen.
Aus meiner Sicht war es schlau, den Weg des geringsten
Widerstands zu gehen.
Dessen ungeachtet geriet ich mit jeder Demütigung
tiefer in die Opferspirale. Über Wochen und Monate fraß
ich den Schmerz schweigend in mich hinein, fühlte mich
allein gelassen. Niemand nahm meine Not zur Kenntnis.
Wie konnte es geschehen, dass ich zum Opfer wurde?
17
Bevor die Pubertät begann, war ich ein schmächtiger
Junge mit lausiger Konstitution. Durch eine Überfunktion
der Schilddrüse stopfte ich Unmengen an Essen in mich
hinein und blieb dennoch ein dünner Hering. Häufig
fesselten mich Erkältungen und fiebrige Infekte ans Bett.
Zwar hatte ich ein paar Freunde, genau genommen war
ich jedoch ein Einzelgänger. Zu Hause fühlte ich mich am
wohlsten, hier war ich geborgen und beschützt.
Bis zum siebten Lebensjahr genoss ich den Status des
einzigen Kindes, das die ungeteilte Liebe der Familie für
sich verbuchte. Meine Eltern mussten hart arbeiten. Im
Alltag hatten sie wenig Zeit für mich. Jeden Morgen zog
mich meine Mutter in aller Frühe aus dem Bett, wickelte
mich in eine Decke und brachte mich im Schlafanzug zu
den Großeltern, die ein paar Häuser weiter wohnten. In
meinem kindlichen Empfinden war das eine schmerzhafte
Zurückweisung. Selbstverständlich liebten mich meine
Eltern ebenso wie die Omas und Opas, die sich
wochentags hingebungsvoll um mich kümmerten, aber
insgeheim sehnte ich mich nach der Nähe von Vater und
Mutter. Ich war glücklich, wenn wir am Wochenende
gemeinsam Wanderungen oder kleinere Ausflüge
unternahmen.
Die Geburt meines Bruders war ein Schock. Bisher galt
die Aufmerksamkeit der Erwachsenen ausschließlich mir.
Mit keinem musste ich die Liebe teilen, bis auf einmal
dieses zuckersüße Baby im Stubenwagen lag und von
allen angehimmelt wurde. Ich freute mich nicht über
den Nachwuchs, der mich gnadenlos vom Thron des
Erstgeborenen stieß. Plötzlich war ich der Große, der viele
Aufgaben übernehmen musste, obwohl er ihnen kaum
gewachsen war. Eines Tages zum Beispiel sollte
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ich den Rasen mähen. Mein
Vater zeigte mir, wie ich am Starterseil
ziehen musste, damit die
Maschine ansprang, klopfte mir auf
die Schulter und verschwand im Haus.
Beherzt nahm ich den Griff des Seils, zog
ihn schwungvoll nach oben. Der Rasenmäher
gab ein leises Röcheln von sich. So oft ich zog und zerrte,
meine Kraft reichte nicht aus, um den Motor zum Laufen
zu bringen. Zu gerne hätte ich meinen Vater um Hilfe
gebeten, aber ich fürchtete seine ungeduldige Reaktion.
Ich musste alleine klarkommen, irgendwie. Endlich,
nach etlichen, immer verbisseneren Versuchen knatterte
der Mäher drauflos. Wütend bearbeitete ich den Rasen,
ungute Gedanken quälten mich. Bärenkräfte wollte ich
besitzen, doch die Realität sah anders aus. Ich blieb ein
dürrer, kränklicher Junge, fühlte mich wehrlos, wertlos und
ausgeliefert. Das nagte am Selbstbewusstsein. Die Rolle
des hilflosen Opfers schien mir auf den Leib geschrieben.
An jenem Nachmittag, als ich Peter und Stephan zum
Judo begleitete, trat eine Wendung in meinem Leben ein.
Die passive Begegnung mit dem Kampfsport veränderte
mich nachhaltig, weil sich mein Bewusstsein wandelte.
Ich wollte lernen, mir selbst zu helfen. Diese Auffassung
vergleiche ich mit dem Arzt, der einen gebrochenen Arm
schient. Der Gips ist ein Hilfsmittel, durch das der Knochen
wieder an der richtigen Stelle zusammenwachsen kann.
Der Heilungsprozess spielt sich im Körper ab. Auf das
Thema mangelndes Selbstwertgefühl und Mobbing
adaptiert bedeutet dies, dass man sich als Betroffener
Hilfe suchen und um Unterstützung bitten sollte (das ist,
wenn ich dieses Symbol verwenden will, der Gips). Noch
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wichtiger ist es aber, sich die eigenen Stärken vor Augen
zu führen, sein Selbstwertgefühl zu verbessern und sicherer
aufzutreten. Dies kann man lernen, womit wir wieder
beim Gips sind. Ein potenzieller Täter sucht sich immer
das Opfer, niemals den Gegner, bei dem er Gegenwehr
fürchten muss.
Damals setzte ich unbewusst auf die Taktik der mentalen
Stärke. Es war der Beginn eines neuen Lebenswegs. Der
Satz »Mir kann keiner was« wurde zu einem Leitspruch, der
mich bis ins Erwachsenenalter begleiten sollte. Ab dem
Moment, in dem ich nicht mehr bereit war, mich in die
Opferrolle drängen zu lassen, trat ich intuitiv als Gegner
auf.
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