06.04.2020 Aufrufe

Orientation & Identity

Portäts internationaler Leitsysteme. 17 internationale Projekte zeigen, wie ein Weg zum Erlebnis wird und nicht zur anonymen Distanzüberwindung verkommt.

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Terra incognita Signaletik | Erwin K. Bauer & Dieter Mayer

Welche Berufsbezeichungen geben sich Gestalter? Wie umfassend

sehen sie ihre Arbeit? Architekten können das einfach erklären, ihr

Profil ist klar umrissen, das Berufsbild ist im Wesentlichen schon

seit der Antike bekannt. Die Aufgaben reichen von der Planung bis

zum Management des Baus eines Gebäudes, alles im Feld der

räumlichen Gestaltung.

Viel schwieriger wird es beim Grafikdesign, einer relativ jungen

Disziplin. Der Begriff selbst wurde erst 1922 vom Typografen

William Addison Dwiggins geprägt. Lange mit dem künstlerischen

Idealbild des Zeichners assoziiert, hat sich das Berufsbild laufend

durch die Werkzeuge, im Speziellen durch die Neuen Medien stark

verändert. Das Feld des zweidimensionalen Gestaltens hat sich

da durch diversifiziert. Typografen, Illustratoren, Editorial- oder

Brand Designer, Web-, Animations- oder Informationsdesigner

kann man am besten unter dem Begriff Kommunikationsdesigner

zusammenfassen. Sie alle formulieren und gestalten Botschaften

in medienadäquater Form, um den Betrachter gezielt zu erreichen.

Hatte man vor etwa 30 Jahren befürchtet, dass sich die Spezialisten

mit zunehmender Fachkenntnis selbst isolieren würden,

entwickelt sich die Arbeitsteilung heute durch neue Kooperationsformen

zum Vorteil. Mit zunehmender Komplexität der Aufgaben

werden nicht nur immer kompetentere Fachleute benötigt, es wird

auch die flexible Zusammenstellung von interdisziplinären Projektteams

vorausgesetzt. Diese Flexibilität schließt mit ein, Arbeitsweisen

und Haltungen anderer Disziplinen mitzudenken, Input aufzunehmen

und so zu einem wesentlich besseren Projektergebnis

zu kommen. Der Signaletiker, an der Schnittstelle zwischen zweiund

dreidimensionaler Gestaltung, arbeitet sehr stark nach diesem

Prinzip und verknüpft die Ziele von Bauherren, Architekten, Facility

Managern und unterschiedlichen Nutzern miteinander. Neben

seiner fachlichen Qualifikation sind von ihm vor allem auch Social

Skills gefordert.

Parallel zur interdisziplinären Arbeit des Signaletikers in verschiedenen

Bereichen verschwimmen die Grenzen der klassischen

Berufsbilder immer mehr. Speziell zwischen zwei- und dreidimensionaler

Gestaltung ist die Distanz kleiner geworden. Architekten

präsentieren ihre Gebäude als digitales 3-D-Modell, das man

scheinbar betreten kann. Webdesigner verstehen ihre Online-

Welten als Räume und machen sie begehbar. Durch die virtuelle

Darstellung von Raum haben sich viele Möglichkeiten eröffnet, ihn

schon vor der physischen Errichtung zu erproben.

Diesen Vorteil nutzt der Signaletiker, der in der Entwurfsphase

ein Bild eines zukünftigen Ortes schaffen will. Er kann den

Charakter des Ortes erkennen und formen, Orientierungspunkte

setzen und ihn so gestalten, dass er als Einheit mit der gebauten

Architektur wahrgenommen wird. Dabei versetzt er sich schon

während der Planung in die Benutzer eines Gebäudes oder Ortes,

durchwandert es geistig und stellt sich auf die verschiedenen

Erwartungshal tungen und Informationsbedürfnisse ein. Was vorerst

nach simplem Beschriften und Anbringen von Schildern klingt,

ist wesentlich weitreichender.

Signaletik verknüpft Fläche und Raum

Eines der ersten überzeugenden Beispiele an synergetischer Ergänzung

von Architektur und visueller Gestaltung ist das finnische

Tuberkolose-Sanatorium Paimio von Alvar Aalto, das 1933 mit dem

Ziel eröffnet wurde, dass das Gebäude selbst zum Heilungsprozess

der Patienten beitragen sollte. Aalto setzte ausgesuchte Farben

auf den Gangböden, in den Patientenzimmern und auf den Flächen

der großzügigen Treppenhäuser ein, die das Gebäude gestalterisch

über die reine Kubatur hinaus erweitern.

Was Aalto gezielt inszenierte, ist die szenografische Wirkung

von Raumabfolgen. Er nutzte Ausblicke, Durchblicke und die Veränderung

beim Betreten und Verlassen von Räumen. Der Weg und

nicht der Raum alleine hat ihn beschäftigt. Hier liegt ein wesentlicher

Unterschied zur zweidimensionalen Gestaltung. Klassische

Grafikdesigner arbeiten mit Medien, die einen statischen Betrachter

in die Kommunikation einbinden. Das Medium, ob Buch, Website

oder Animationsfilm wird aus einer fixen Position heraus wahrgenommen.

In der Signaletik, wie in der Architektur, bewegt sich der

Benutzer, die räumliche Kulisse wird zur szenografischen Inszenierung,

zum gebauten Bewegtbild, das durch das Abschreiten zur

filmischen Montage wird.

Der Signaletiker ist der Architekt des Weges

Allerdings baut er nicht. Vielmehr analysiert er die Möglichkeiten,

einen Raum zu erschliessen. Was interessiert den Benutzer?

Auf welche räumlichen und visuellen Eindrücke reagiert er? Was

spricht ihn intuitiv an? Was mache er, wenn er verloren geht?

Unterschiedlichste architektonische Faktoren wie Blickachsen,

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