06.04.2020 Aufrufe

Orientation & Identity

Portäts internationaler Leitsysteme. 17 internationale Projekte zeigen, wie ein Weg zum Erlebnis wird und nicht zur anonymen Distanzüberwindung verkommt.

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Rollen zuzuschreiben und Identität zu beanspruchen, und andererseits

auf die Forderung nach eigener Rollenfreiheit. Eine Festschreibung

des eigenen Bewegungsspielraums akzeptieren wir nur,

solange damit Vorteile verbunden sind. Trägheit, Angst vor Risiko

und der Wille zu ökonomischer Sparsamkeit bremsen das Ausloten

neuer Optionen.

Unsere eigenen Handlungsspielräume zeigen dort ihre Grenzen,

wo wir das Gefühl haben, unsere Identität zu verlieren. Sollten

wir die Grenzen überschreiten, entsteht ein Gefühl der Isolation,

Auflösung und Neudefinition.

Bei der Verarbeitung sinnlicher Eindrücke stellen wir uns

meist die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Wahrgenommenen

für uns ergeben. Lassen sich Intentionen, absehbare

Veränderungen und Handlungen vorhersehen, die eine Reaktion in

der einen oder anderen Form notwendig machen oder nahe legen?

Wir versuchen demnach, aus den Eindrücken Schlüsse zu ziehen.

Je nachdem, ob wir uns in unseren Erwartungen bestätigt fühlen

oder überrascht werden, können wir darauf unterschiedlich reagieren.

Entweder ändern wir unsere Bedeutungszuschreibungen

und lernen die Welt anders zu sehen, oder wir erklären die Welt für

verrückt oder unterstellen einen Täuschungsversuch.

desto größer und bedrohlicher erscheint die Welt der ausgeschlossenen

Optionen. Wo jedoch die Grenzen sich ins Unfassbare weiten,

verlieren die Phänomene an Schärfe, Brisanz und Faszination.

Immer wieder gelingt jedoch anstatt einer reinen Ausweitung der

Grenzen eine Synthese, ein geschlossen wirkendes Zusammenspiel

zuvor eigenständiger Erscheinungen. Die Musik, der Gesang

und Tanz des Flamenco lässt uns zum Beispiel eine solche Harmonie

der Gegensätze erleben.

Als mit sich identisch werden beobachtbare Phänomene so

lange betrachtet, als sie keine unauflösbaren Widersprüche erkennen

und sich von als gegensätzlich empfundenen Phänomenen

unterscheiden. Auch äußerst komplexe und vielgestaltige Erscheinungsformen

lassen sich auf einheitliche Beweggründe und Charaktereigenschaften

zurückführen. Bezogen auf die Wahrnehmung

städtischer Räume bedeutet dies, dass gerade dadurch, dass bestimmte

Einstellungen in unterschiedlichsten Ausprägungen die

wahrnehmbare Welt formen, diese als verlässliche und vertrauenswürdige

Orientierungszeichen gelesen werden. Nicht die Uniformität

der wahrgenommenen Zeichen, sondern der Verdacht, dass

alle Zeichen einem zusammenhängenden Komplex von Intentionen

folgen, erzeugt das Gefühl eines Raums, in dem wir uns zuhause,

sicher und geborgen fühlen können.

Als Kultur lassen sich aus diesem Blickwinkel in einer Gemeinschaft

von Menschen getroffene Übereinkünfte betrachten,

die jene Grenzen abstecken, innerhalb derer Veränderungen toleriert

werden. Sobald wir uns innerhalb einer Gemeinschaft mit

anderen Menschen befinden, beobachten wir meist nicht nur die

Welt, sondern immer auch die Reaktionen der Anderen auf diese

Welt. Unsere Wahrnehmung wird somit, allerdings mit unterschiedlicher

Intensität, von den erkennbaren Reaktionen anderer mitbestimmt.

In der Bewertung von Zeichen kommen drei Optionen zum

Tragen – wo fühlen wir uns sicher, wo erkennen wir Gefahren und

wo Ziele und Möglichkeiten?

Identität ist ambivalent. Durch das Spiel von Eingrenzung

und Ausgrenzung entwickelt sich Identität. Grenzen bieten Schutz,

schränken aber auch ein. Grenzen sind daher tendenziell immer

instabil. Jedes Phänomen jenseits gesetzter Grenzen wird als Provokation

empfunden, die es zu neutralisieren gilt, durch Ignoranz,

Vernichtung oder Assimilation. Je enger Grenzen gezogen werden,

Grenzenloser Tausch von Geld, Waren und Dienstleistungen

scheint in unserer gegenwärtigen Welt den Antrieb menschlichen

Handelns zunehmend zu dominieren. Diesem Wunsch nach grenzenloser

Handlungsfreiheit stehen immer wieder massive Widerstände

entgegen. Als kulturelle Barrieren werden diese Hemmschwellen

gerne bezeichnet. Ist es vorstellbar, dass wir uns auch

dann noch orientieren können, wenn alles sich ständig grenzenlos

verändert? Märkte fordern bewegliche Menschen, die bereit sind,

sich sowohl in Arbeit als auch Konsum den Angeboten entsprechend

anzupassen. Identität reduziert sich dabei einerseits auf die

Kennzahlen in Zusammenhang mit Ausweispapieren, Kreditkarten,

Konten, Telefonnummern, Computeradressen und andererseits auf

jene Anknüpfungspunkte, die unsere Netzwerke uns bieten.

Zentrales Thema jeder menschlichen Gemeinschaft ist die

Frage nach der Verteilung der vorhandenen Güter. Die Vorstellung,

dass Güter zwischen den Menschen ungleich zu verteilen sind,

scheint heute in weiten Teilen der Welt unwidersprochen. Daraus

[11]

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