03.04.2020 Aufrufe

NUN, #1 – Die Stunde Null

Ausgabe Nr. 1 Die Stunde Null Release 01. März 2018 Auflage 2.000 Exemplare Print vergriffen Liebe Leserinnen und Leser, Kreuzlingen und Konstanz – zwei kleine Städte am Bodensee, die Schulter an Schulter, Herz an Herz nebeneinander liegen, markiert durch idyllisches Ufer und unscheinbare EU-Grenze und verbunden durch ihre Bewohner und deren Neugier. Sie sind Spielort alltäglicher Geschichten, ungewöhnlicher Menschen, Schauplatz großer Momente und kleiner Augenblicke, die in diesem Heft zusammenfließen. Wie oft haben wir uns und viele andere sagen hören, dass dieser Region ein Bindeglied fehlt, etwas, das neue Menschen zusammenbringt und bestehendes Miteinander belebt. Nun, eines gewöhnlichen Sommertages im Juli 2017 sagten wir uns: Wo eine Lücke ist, die sich nicht füllt, sollten wir eine Brücke bauen. Aus dieser Lücke wurde eine Idee, die Idee formte ein Team, das Team sammelte Geschichten, daraus wurde ein erstes Heft: Das NUN,-Magazin. Zahlreiche Neugierige gehen für das neue Magazinformat auf die Suche nach dem, was Konstanz, Kreuzlingen und das Leben darin und rundum ausmacht. Ein buntes Team forscht, fragt und beobachtet aus der Mitte der Bewohner heraus für alle, deren Herz hier zuhause ist. Die Geschichten entstehen durch offene Augen und Ohren und erzählen mit purer Freude am Zufall, an Vielfalt und Wandel. In NUN, wie Nachbarschaft und Niemandsland, findet die Liebe zum Entdecken einen Raum auf Papier. Es ist die literarische Verschmelzung zweier Städte zu einer. Viel Freude beim Lesen Annbelle und Miriam

Ausgabe Nr. 1
Die Stunde Null
Release 01. März 2018
Auflage 2.000 Exemplare
Print vergriffen

Liebe Leserinnen und Leser,

Kreuzlingen und Konstanz – zwei kleine Städte am Bodensee, die Schulter an Schulter, Herz an Herz nebeneinander liegen, markiert durch idyllisches Ufer und unscheinbare EU-Grenze und verbunden durch ihre Bewohner und deren Neugier. Sie sind Spielort alltäglicher Geschichten, ungewöhnlicher Menschen, Schauplatz großer Momente und kleiner Augenblicke, die in diesem Heft zusammenfließen.

Wie oft haben wir uns und viele andere sagen hören, dass dieser Region ein Bindeglied fehlt, etwas, das neue Menschen zusammenbringt und bestehendes Miteinander belebt. Nun, eines gewöhnlichen Sommertages im Juli 2017 sagten wir uns: Wo eine Lücke ist, die sich nicht füllt, sollten wir eine Brücke bauen. Aus dieser Lücke wurde eine Idee, die Idee formte ein Team, das Team sammelte Geschichten, daraus wurde ein erstes Heft: Das NUN,-Magazin.

Zahlreiche Neugierige gehen für das neue Magazinformat auf die Suche nach dem, was Konstanz, Kreuzlingen und das Leben darin und rundum ausmacht. Ein buntes Team forscht, fragt und beobachtet aus der Mitte der Bewohner heraus für alle, deren Herz hier zuhause ist. Die Geschichten entstehen durch offene Augen und Ohren und erzählen mit purer Freude am Zufall, an Vielfalt und Wandel. In NUN, wie Nachbarschaft und Niemandsland, findet die Liebe zum Entdecken einen Raum auf Papier. Es ist die literarische Verschmelzung zweier Städte zu einer.

Viel Freude beim Lesen
Annbelle und Miriam

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Werde<br />

Gönner Abonnent


<strong>NUN</strong>, WÄCHST MIT EURER MEI<strong>NUN</strong>G<br />

<strong>Die</strong>ses Magazin gibt es nur auf Papier <strong>–</strong> einen Dialog mit<br />

euch auch online. Sagt uns, wenn ihr mögt, wie es euch<br />

gefällt, was euch begeistert und berührt und, ob ihr euch<br />

eine nächste Ausgabe wünscht. Besonders freuen wir<br />

uns über das Teilen, eine Bewertung oder wenn ihr euren<br />

Nachbarn vom <strong>NUN</strong>, erzählt.<br />

→ facebook<br />

<strong>NUN</strong>, MAGAZIN FÜR KONSTANZ & KREUZLINGEN<br />

→ instagram<br />

<strong>NUN</strong>MAGAZIN<br />

#<strong>NUN</strong>DIESTUNDENULL<br />

→ website<br />

<strong>NUN</strong>-MAGAZIN.DE


1 EDITORIAL<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser!<br />

Wie oft haben wir uns und viele andere sagen hören,<br />

dass dieser Region ein Bindeglied fehlt, etwas, das<br />

neue Menschen zusammenbringt und bestehendes<br />

Miteinander belebt. Nun, eines gewöhnlichen Sommertages<br />

im Juli 2017 sagten wir uns: Wo eine Lücke ist,<br />

die sich nicht füllt, sollten wir eine Brücke bauen. Aus<br />

dieser Lücke wurde eine Idee, die Idee formte ein<br />

Team, das Team sammelte Geschichten, daraus wurde<br />

ein erstes Heft: Das <strong>NUN</strong>,-Magazin.<br />

Zahlreiche Neugierige gehen für das neue Magazinformat<br />

auf die Suche nach dem, was Konstanz, Kreuzlingen<br />

und das Leben darin und rundum ausmacht.<br />

Ein buntes Team forscht, fragt und beobachtet aus der<br />

Mitte der Bewohner heraus für alle, deren Herz hier<br />

zuhause ist. <strong>Die</strong> Geschichten entstehen durch offene<br />

Augen und Ohren und erzählen mit purer Freude am<br />

Zufall, an Vielfalt und Wandel.<br />

In <strong>NUN</strong>, wie Nachbarschaft und Niemandsland, findet<br />

die Liebe zum Entdecken einen Raum auf Papier. Es<br />

ist die literarische Verschmelzung zweier Städte zu einer.<br />

Wir danken allen, die zur Entstehung dieser ersten Ausgabe<br />

mit Offenheit und Mut beigetragen haben, denen,<br />

die Geschichten und Worte gefunden oder sie in Bilder<br />

gefasst haben und all denen, deren Herz wie unseres für<br />

diese <strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong> schlägt. Annabelle Höpfer und Miriam Stepper


INHALT<br />

2<br />

6<br />

Im Vorzimmer<br />

des Universums<br />

Ausflug im Bann<br />

der Milchstraße<br />

10<br />

SK8KN<br />

Stadtgeschichten auf<br />

vier Rollen und einem Brett<br />

22<br />

<strong>Die</strong> rote Inge<br />

Geheimrezeptprosa<br />

26<br />

Dab Cupzz<br />

Interview mit den<br />

Gründern einer Partyreihe<br />

für Trap Music<br />

40<br />

Favourite<br />

Pakistani drag<br />

queen broke<br />

her ring when<br />

opening up<br />

borders between<br />

nations and<br />

genders WHILE<br />

being yelled<br />

at by a police<br />

officer<br />

Interview mit Yolandi Stahl<br />

48<br />

Top Speed<br />

Liebeserklärung an<br />

die Stadt und das Velo<br />

18<br />

Komma’ rüber,<br />

krumme Rübe<br />

Interview und Selbstversuch:<br />

Vom Feld in die Tonne <strong>–</strong><br />

vom Müll in den Mund<br />

36<br />

Perspektive<br />

Fotografie<br />

38<br />

blendung<br />

Stadtpoesie<br />

52<br />

Drei Streifen<br />

in der Sendi<br />

Ein Date mit den<br />

eigenen Vorurteilen<br />

Inhalt


3<br />

INHALT<br />

54<br />

Wenn Konstlingen<br />

über Nacht zum<br />

Leben erwacht<br />

Gedankenexperiment rund um<br />

einen gemeinsamen Bahhof<br />

58<br />

<strong>Die</strong> schwimmende<br />

Brücke<br />

Ein schipperndes Portrait<br />

72<br />

Rilkes Hus<br />

Nachtspaziergang auf<br />

lyrischen Spuren<br />

74<br />

Schau und Spiel<br />

Szenen einer Nacht im Casino<br />

78<br />

<strong>Die</strong> Uhr in uns<br />

Vom Mangel, Rhythmus<br />

und Wert unseres Schlafes<br />

88<br />

Tipps ums Eck<br />

Orte und Momente<br />

90<br />

Danke<br />

92<br />

Impressum<br />

82<br />

Wohin du willst<br />

Nachtfahrt mit Hasan<br />

62<br />

Schere, Stein, Beton<br />

Portrait einer Straße<br />

und ihres Friseurs<br />

86<br />

Blut, Schweiß<br />

und Freudentränen<br />

Newcomer<br />

92 Seiten Liebe<br />

zur Stadt und<br />

pures Vergnügen.<br />

Ein saisonales<br />

Produkt mit regionalem<br />

In- und<br />

Output.


DIE STUNDE NULL<br />

4


5<br />

DIE STUNDE NULL<br />

Jede<br />

<strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong><br />

ist ein<br />

Neuanfang.<br />

→<br />

→<br />

→<br />

ZEIT<br />

Alle 24 <strong>Stunde</strong>n begegnen sich zwei<br />

Tage und verschmelzen zur Mitte<br />

der Nacht. Zwei, die sich treffen und<br />

zu einem werden, sind auch Konstanz<br />

und Kreuzlingen.<br />

MENSCHEN<br />

RAUM<br />

In der Dunkelheit fließen Himmel<br />

und See ineinander. Keine Grenze,<br />

kein hier oder dort.<br />

<strong>Die</strong>se erste Ausgabe erzählt vom<br />

Beginn einer Idee, dem Moment,<br />

wenn ein Gedanke zur Tat wird, ein<br />

Traum zum ersten Schritt und aus<br />

Zögern ein Ziel.


IM VORZIMMER DES UNIVERSUMS<br />

6<br />

”<br />

∅ ∂<br />

6<br />

↕<br />

TEXT — Miriam Stepper<br />

ILLUSTRATION — Victoria Jung<br />

∏<br />

„ ”<br />

l <strong>–</strong> ∫ ‹ ∏<br />

⁹ ↙


7<br />

IM VORZIMMER DES UNIVERSUMS<br />

√<br />

→<br />

⅔ ∞<br />

≈<br />

AUSFLUG IM BANN<br />

DER MILCHSTRASSE<br />

Im<br />

Vorzimmer<br />

des<br />

Universums


IM VORZIMMER DES UNIVERSUMS<br />

8<br />

Der Himmel über Kreuzlingen ist derselbe, wie der über<br />

Konstanz. Nicht gewusst? Man mag es kaum für möglich halten,<br />

wo doch beide Städte in unterschiedlichen Ländern liegen, getrennt<br />

von einer Grenze am Boden und vielen in den Köpfen.<br />

Um sich von diesem faszinierenden, verbindenden Element<br />

ein genaueres Bild zu machen, bietet sich kein Ort besser an<br />

als die Sternwarte Kreuzlingen, welche sich seit 1976 auf dem<br />

Seerücken hoch über der Stadt befindet. Eingebettet zwischen<br />

modernen Einfamilienhäusern und umweht von frischem Schokoladenduft<br />

aus dem benachbarten kakaoverarbeitenden Betrieb,<br />

liegt es etwas deplatziert da, das Observatorium des Himmels.<br />

Nähert man sich diesem in der Dunkelheit der voranschreitenden<br />

Nacht, ist es gar schwer, diesen entrückten Ort<br />

zu finden. Zwei von drei Zufahrtswegen sind Sackgassen. Was<br />

für eine Entschädigung, dass dieser Ort die Unendlichkeit für<br />

einen bereithält.<br />

Versteckt hinter zwei Kuppeln <strong>–</strong> 2002 bekam die Sternwarte<br />

eine große Schwester, das Planetarium <strong>–</strong> wird dem Besucher „astronomisches<br />

Wissen und Gedankengut zugänglich gemacht“,<br />

so die eigenen Ansprüche der Astronomischen Vereinigung<br />

Kreuzlingen, des Betreibers der Sternwarte. Was zunächst<br />

nach abstrakter Wissenschaft klingt, entpuppt sich nach kürzester<br />

Zeit als spannende Erweiterung des eigenen Horizonts <strong>–</strong><br />

im wahrsten Sinne des Wortes.<br />

Doch eins nach dem anderen. <strong>Die</strong>ses Vorzimmer des Universums<br />

hat zu viel zu bieten, um es zu übergehen. Wer das Planetarium<br />

bzw. die Sternwarte in Kreuzlingen über das Foyer betritt,<br />

wähnt sich zunächst einmal nicht in einer astronomischen<br />

Einrichtung, in der physikalische Gesetze mehr gelten als die<br />

Schweizer Bundesverfassung. Vielmehr erinnert das Interieur an<br />

den Eingangsbereich einer kleinstädtischen Sporthalle, wären<br />

da nicht die kosmischen Merchandisingartikel, wie die Wandposter<br />

zum Sonnensystem samt zugehöriger Planeten. Quasi<br />

Werbung aus dem All. Wer die obligatorische, aber äußerst faire<br />

Kasse hinter sich lässt, darf hinauf ins Spielzimmer eines jeden<br />

Astrophysikers und all derer, die einer werden möchten. Playstation<br />

heißt hier 20 Zoll Cassegrain Spiegelteleskop und der<br />

Gameboy kommt als apochromatischer Refraktor daher. Das<br />

Okular aufgesetzt und bereit für die interstellare Observation.<br />

Was zeigt sich am nächtlichen Winterhimmel über Kreuzlingen<br />

und Konstanz?<br />

Viel Schwarz. Schier endloses, tiefes Schwarz. Doch bei genauerem<br />

Hinsehen kommen immer mehr helle Punkte ins Blickfeld.<br />

Es sind Sterne, die ähnlich unserer Sonne Energie in Form<br />

von Licht auf die unendliche Reise in die Weite des Alls entsenden.<br />

Der Teil dieser Energie, den wir auf der Erde wahrnehmen,<br />

ist eine Botschaft einer längst vergangenen Zeit, da das Licht je<br />

nach Stern mehrere Tausend oder gar Millionen Jahre unterwegs<br />

ist, bis es in der Breitenrainstraße 21 in Kreuzlingen-Bernrain<br />

eintrifft. Hier findet es in der 19,3 cm großen Öffnung des<br />

Linsenfernrohrs den Ort seiner Bestimmung. Durch die Bündelung<br />

auf einen Brennpunkt hinter der Linse wird die Vergangen-<br />

heit in die Gegenwart übersetzt und für jedermann sichtbar.<br />

Da sind Capella und Sirius, Rigel und Aldebaran. Aldebaran?<br />

War da nicht etwas, Prinzessin Leia und der Todesstern? Aldebaran,<br />

nicht Alderaan! Wohl dem, der Fiktion und Realität noch<br />

auseinanderhalten kann, bei so vielen Hyaden und Plejaden. Da<br />

kann es leicht passieren, das Wintersechseck für naive Schneezeichnerei<br />

zu halten und nicht für ein bedeutendes Sternbild<br />

am Winterhimmel über dem Bodensee. Besonders zur mitternächtlichen<br />

<strong>Stunde</strong> steht diese Sternsammlung hoch oben am<br />

Firmament. Das Laienauge muss zwar mit genügend fiktiver<br />

Vorstellungskraft angereichert werden, um ein Sechseck zu erkennen,<br />

die einzelnen Eck-Sterne sind jedoch gut sichtbar. Oder<br />

waren das die daneben?<br />

Vielleicht geht es hier aber auch gar nicht so sehr um geometrische<br />

Formen in der kalten Jahreszeit, kleine oder große<br />

Wagen oder eine Straße aus Milch, als vielmehr um das Verständnis<br />

für den grenzenlosen Raum. Vor allem für Bewohner<br />

einer Grenzstadt: eine Herkulesaufgabe. Oder eher eine<br />

Perseusaufgabe. Der Blick ins Weltall bietet uns so viel mehr<br />

als dröge Berechnungen von Umlaufbahnen oder abstrakte<br />

Sternenbilder, die allesamt der Mottenkiste der griechischen<br />

Mythologie zu entstammen scheinen. Es hat wahrlich etwas<br />

Erhabenes, das Licht auf seiner Reise durch die Galaxien zu<br />

beobachten. Mag die Vorstellung, nur winzige Nebendarsteller<br />

im intergalaktischen Schauspiel zu sein, zunächst bedrücken<br />

und beengen, so verändert genau diese Einsicht den eigenen<br />

Blick auf das irdisch-alltägliche Theater, in welchem man selbst<br />

die Hauptrolle einnimmt.<br />

Von der Sternwarte hoch oben auf dem Seerücken entzückt<br />

jedoch nicht nur der Blick gen Sternenhimmel, sondern auch<br />

der hinunter auf das urbane, ineinander übergehende Lichtermeer<br />

zweier Städte, einer Doppelstadt, von Kreuzlingen und<br />

Konstanz.<br />

RECHERCHE-<br />

GRUNDLAGE<br />

Besuch der Sternwarte Kreuzlingen<br />

an einem Winterabend.<br />

Hilfsmittel: Rotwein, Cabernet<br />

Sauvignon, 2015, Chile*<br />

* In Chile stellt das „Very Large<br />

Telescope“ (VLT) der Europäischen<br />

Südsternwarte (ESO) das<br />

bislang größte und leistungsfähigste<br />

Teleskop der Welt dar.


9 IM VORZIMMER DES UNIVERSUMS<br />

INFO<br />

Wer wissen möchte, was und<br />

wer gerade über uns zu sehen<br />

ist, findet Informationen unter<br />

"Aktuell am Himmel" auf der<br />

Webseite der Astronomischen<br />

Vereinigung Kreuzlingen<br />

→ planetarium-kreuzlingen.ch<br />

AVK, die Astronomische Vereinigung<br />

Kreuzlingen, ist ein<br />

privater Verein, der sich zu zwei<br />

Dritteln aus schweizer und zu<br />

einem Drittel aus deutschen<br />

Mitgliedern zusammensetzt<br />

und somit eine grenzüberschreitende<br />

Organisation bildet,<br />

welche die Sternwarte<br />

und das Planetarium im Sinne<br />

des Stiftungsvertrages betreibt.<br />

Eigentümerin ist die Stiftung<br />

Planetarium und Sternwarte<br />

Kreuzlingen.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Miriams Lieblingsmoment ist, wenn<br />

das himmlische Blau sekündlich<br />

zu Schwarz wird und die Welt in ihr<br />

Abendkleid schlüpft. Als sie kürzlich<br />

in der Sternwarte Kreuzlingen den<br />

Blick x-fach vergrößert gen Unendlichkeit<br />

richten konnte, ging Miriam<br />

erst wieder so richtig auf, wie erstaunlich<br />

und klein der Krümel ist,<br />

auf dem sich das irdische Auf und<br />

Ab zuträgt.


SK8KN<br />

Florian Haubolds Bruder Götz<br />

und Andy „Bolle“ Tesch auf der<br />

Halfpipe in der Jägerkaserne.<br />

<strong>Die</strong> Konstruktion hat damals gerade<br />

so in die Halle gepasst,<br />

sodass man bei hohen Sprüngen<br />

exakt zwischen die Deckenbalken<br />

springen musste.


11 SK8KN<br />

SK8<br />

KN<br />

TEXT — Mandy Krüger<br />

ILLUSTRATION — Christina Reck<br />

FOTOS — privat<br />

→<br />

STADTGESCHICHTEN<br />

AUF VIER ROLLEN<br />

UND EINEM BRETT<br />

Konstanz verbindet eine lange,<br />

mit Höhen und Tiefen durchsetzte<br />

Beziehung zu Skateboards<br />

und ihren Fahrern. Im letzten<br />

Jahr ging es ziemlich aufwärts,<br />

fast könnte man von einem Neuanfang<br />

sprechen: Gleich zwei<br />

neue Rampen wurden eingeweiht.<br />

In einer davon steckt dabei buchstäblich<br />

die gesamte Konstanzer<br />

Skatehistorie.


SK8KN<br />

12<br />

Zum Brettsport kann man auf unterschiedlichste<br />

Weise kommen:<br />

Vielleicht ist es das Longboard der<br />

neuen Mitbewohnerin oder die<br />

Suche nach einem Ersatz für das<br />

kaputte Fahrrad <strong>–</strong> irgendwie muss<br />

man schließlich an den See kommen.<br />

Vielleicht verliebt man sich auch<br />

beim Erasmus in ein Pintail mit<br />

Bambusoptik <strong>–</strong> qualitativ fragwürdig,<br />

mit einem leichten Drall nach<br />

links, dafür perfekt <strong>–</strong> oder gleich in<br />

den ganzen Kerl auf dem Brett.


13 SK8KN<br />

<strong>Die</strong> Wettkämpfe<br />

<strong>Die</strong> Anfänge<br />

<strong>Die</strong> Geschichte der Konstanzer Skater beginnt 1976. Damals<br />

war der Münsterplatz noch geteert und weitaus rollenfreundlicher<br />

als heute. Skateboards erlebten in den USA gerade ihren<br />

zweiten Höhepunkt und schwappten nun langsam nach<br />

Europa. Dass die Welle auch den Bodensee erreichte, dafür<br />

sorgte unter anderem Florian Haubold. Er machte in dieser<br />

Zeit seine Ausbildung im Sportgeschäft Helle Müller in der<br />

Rosgartenstraße, Ecke Bodanstraße <strong>–</strong> heute befindet sich hier<br />

ein Taschenladen <strong>–</strong> und traf zum ersten Mal auf der Sportmesse<br />

ISPO in München auf die Bretter. „Das sah so aus, als<br />

könnte es Spaß machen und ich überzeugte meine Chefs, ein<br />

paar Bretter mit nach Konstanz zu nehmen“, erzählt er. <strong>Die</strong><br />

Bretter bestanden damals aus Fieberglas und waren „ziemlich<br />

schundig“ <strong>–</strong> aber Skateboards waren in Konstanz angekommen.<br />

Schnell fanden sich Gleichgesinnte, alle etwa im<br />

Alter zwischen 12 und 14 Jahren. „Damals war besonders die<br />

Straße am Wasserwerk angesagt; da gab es die Schranke<br />

noch nicht. Wir heizten dort runter und versuchten möglichst<br />

nicht hinzufallen“, erinnert sich Haubold. Zu diesem<br />

Trupp gehörten neben Florian Haubold, Thomas „Kellogs“<br />

Keller und Ralf „Pogo“ Vogt, dem späteren Gründer der Bowl<br />

Constructions AG, auch der heutige Geschäftsführer von Jester<br />

Sports, Werner Früh, sowie Petra Müssig, Snowboard-Weltmeisterin<br />

in den Jahren 1987, 1989 sowie 1990 und laut Wikipedia<br />

die „Grande Dame des Snowboarding“. Beide Karrieren<br />

nahmen gleichsam auf den Konstanzer Straßen ihren Anfang.<br />

Dass die Konstanzer Skater später so erfolgreich wurden,<br />

verdankten sie vor allem <strong>Die</strong>tmar „Didi“ Gröters und seinem<br />

Tieflader. Didi chauffierte die Kids durch die Gegend, damit<br />

sie an den Wettkämpfen teilnehmen konnten. Das belebte nicht<br />

nur die Konstanzer Rollkultur, sondern förderte gleichzeitig<br />

auch den grenzüberschreitenden Austausch, denn die nächstgelegenen<br />

Contests waren in der Schweiz. <strong>Die</strong> Szene dort<br />

war schon immer sehr aktiv und in Kultur wie Subkultur verankert.<br />

Dank Didi waren die Kids fast jedes zweite Wochenende<br />

unterwegs. Gab es keinen Wettkampf, fuhr er mit dem<br />

Tieflader die ersten selbstgebauten Rampen zum Parkplatz<br />

der Geschwister-Scholl-Schule. Dort fand später auch der erste<br />

Slalom-Wettkampf in Konstanz statt. Weitere Disziplinen<br />

waren Halfpipe, Quarterpipe, Freestyle und <strong>–</strong> ja <strong>–</strong> auch Hochsprung.<br />

„Schließlich rissen wir uns Teile der Jägerkaserne unter<br />

den Nagel“, erinnert sich Haubold. In die damals leer stehende<br />

französische Garnison bauten sie mit Didis Hilfe die ersten,<br />

brandgefährlichen Halfpipes ohne Verts und Flat. Das Material<br />

dafür klauten sie sich aus den umliegenden Gebäuden zusammen.<br />

Als sie sich eine Bowl, einer der amerikanischen<br />

Swimmingpools nachempfundene, betonierte „Schüssel“,<br />

bauen wollten, rissen sie einfach Wände ein, ohne sich über<br />

sowas wie Statik auch nur Gedanken zu machen <strong>–</strong> Anarchie<br />

in Reinkultur. Später, in der heutigen Petershauser Sporthalle,<br />

bauten sie kurz nacheinander mehrere, immer professionellere<br />

Halfpipes und schließlich stand 1979 in Konstanz die<br />

deutschlandweit erste wettkampftaugliche, überdachte<br />

Skateanlage. „Das war eine geniale Zeit, jetzt würden wir alle<br />

dafür eingesperrt werden!“, erzählt Haubold. In dieser Zeit<br />

stieß auch Bernt Jahnel dazu, heute Inhaber des Frontline Skateshops<br />

am Münsterplatz und einer der wenigen deutschen<br />

Skater, die auch in den USA bekannt geworden sind. Mit gerade<br />

einmal zwölf Jahren nahm ihn ein Klassenkamerad <strong>–</strong> dieser<br />

sollte später sein erster Partner im Shop werden <strong>–</strong> zum ersten<br />

Mal mit in die Jägerkaserne. Vorher hatte Jahnel Fußball gespielt,<br />

die Atmosphäre war beim Skaten aber ganz anders als<br />

im Verein, erzählt er: „Man ist gleich in die Szene aufgenommen<br />

worden. Man ist einfach hingegangen und hat immer Leute<br />

getroffen. Es gab keine Trainingszeiten, keinen Trainer,<br />

keinen Zwang.“<br />

1985, mittlerweile an den Konstanzer Roll- und Eissportclub<br />

e.V. angegliedert, begann für die Skater mit dem Nachfolger<br />

am Tannenhof, liebevoll „Wippe“ genannt, schließlich<br />

die intensivste Zeit. <strong>Die</strong>se Halfpipe konnte gut mit den<br />

Rampen in den USA mithalten und zählte zu den größten Europas.<br />

Regelmäßig wurden auf ihr die international besetzten<br />

Konstanz Open ausgetragen. Konstanz war zu diesem<br />

Zeitpunkt neben Zürich, Wien und Münster eine der Skater-<br />

Hochburgen im deutschsprachigen Raum. 1988 gingen drei von<br />

fünf deutschen Meistertiteln an Konstanzer Skater und es<br />

gab immer Leute wie Jahnel, die auch international erfolgreich<br />

waren. →


SK8KN<br />

14<br />

<strong>Die</strong> Karriere<br />

Es dauerte nicht lang, bis Bernt Jahnel klar wurde: „Wenn<br />

man beim Skaten was reißen will, muss man dorthin, wo alles<br />

herkommt“, also in die USA. Denn dort gab es die größten Rampen<br />

und die besten Fahrer. Gerade 18 und frisch mit der Lehre<br />

fertig, flog er schließlich rüber. Ein befreundeter Skater arbeitete<br />

dort als Teammanager. Der kannte ein paar Leute und<br />

„wenn sie sehen, dass du was drauf hast, wird man von einem<br />

zum anderen gereicht,“ ergänzt Jahnel. Ein halbes Jahr verbrachte<br />

er so in den Parks der USA und lebte von seinem Ersparten.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit in Deutschland hatte er zuvor gekündigt,<br />

unbezahlten Urlaub gab es da noch nicht. Das Bewerbungsschreiben<br />

erübrigte sich dann allerdings als Jahnel mit einem<br />

Profivertrag zurück kam. Zwischen 1988 und 1996 fuhr er<br />

erst für Madrid Skateboards, dann für Titus und Zorlac. Heute<br />

noch erkennen ihn manchmal in den amerikanischen Parks<br />

die älteren Skater. Als Deutscher, der ein Pro-Model einer amerikanischen<br />

Firma fuhr, war er damals ein richtiges Unikum.<br />

Schon während seiner Profikarriere eröffnete Jahnel den<br />

Frontline Shop, der inzwischen einer der wenigen noch unabhängigen<br />

Stores in Deutschland ist.<br />

Der Leerlauf<br />

1993 folgte in Konstanz dann das Tief: <strong>Die</strong> Halfpipes in der<br />

Jägerkaserne und am Tannenhof wurden schließlich wegen<br />

andauernden Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft gesperrt.<br />

Probleme aufgrund des Lärms gab es schon seit den<br />

1980er Jahren. Man versuchte diesen mit einer drei Millimeter<br />

dicken Metallplatte beizukommen. Leider am Ende vergeblich.<br />

Viele der guten Leute zogen weg und Konstanz verschwand<br />

von der Skate-Landkarte. 2014 war mit dem Brand der Miniramp<br />

am Schänzle schließlich der Tiefpunkt erreicht. <strong>Die</strong><br />

Stadt bemühte sich zwar über die Jahre hinweg mit verschiedenen<br />

kleineren Anlagen um Ersatz, aber die Qualität von<br />

damals erreichte keine.<br />

man was Gutes will, muss man sich selber drum kümmern“,<br />

lautet Jahnels Fazit. Schon zwei Tage nach der Freigabe durch<br />

den TÜV fand der erste Contest statt: Im Oktober 2017<br />

machte die German Vert Tour im Zuge der Neuauflage der<br />

Konstanz Open Halt am See.<br />

Da es Skateboardrollen gleichgültig ist, in welchem Land<br />

sie sich über den Asphalt bewegen, wird grenzüberschreitend<br />

gebaut und geskatet: <strong>Die</strong> Cherry Bowl am Horst Klub in<br />

Kreuzlingen entstand ebenfalls vollkommen in Eigenleistung.<br />

Seit Februar 2017 gibt es dort wöchentlich kostenfreie Skateworkshops,<br />

bei denen schon diverse Kids ihre ersten Drop-Ins<br />

gemacht haben. <strong>Die</strong> Skater zeigen ihnen nicht nur wie man<br />

fährt, sondern auch, wie man aus einem alten Deck wieder ein<br />

ganz passables Skateboard machen kann. Und auch bei<br />

schlechtem Wetter gibt es im Horst Klub genug Möglichkeiten<br />

für eine kleine Session. Einmal im Jahr kann man beim Cherry<br />

Bowl Bash mit guten Tricks ein paar Bier, T-Shirts oder auch<br />

mal ein neues Brett gewinnen. Zuletzt waren rund 50 Teilnehmer<br />

aus insgesamt vier Ländern am Start.<br />

Der Frontline Skateshop und der Horst Klub sind heute das<br />

gewachsene Herz der Konstanz-Kreuzlinger-Szene. Fragt<br />

man Bernt Jahnel nach seiner besten Zeit als Skater, antwortet<br />

er ohne zu zögern: „Heute. Es gab noch nie so viele Möglichkeiten<br />

zum Skaten wie jetzt.“ Und das Besondere ist: <strong>Die</strong> verschiedenen<br />

Generationen <strong>–</strong> die Ersten vom Anfang bis zu<br />

den Kids von heute <strong>–</strong> stehen dabei gemeinsam auf der Rampe.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong><br />

Bis jetzt. Denn dank der großen Eigeninitiative Bernt<br />

Jahnels und der Konstanzer Skater steht am Schänzle wieder<br />

eine Miniramp, fahrbar für Anfänger sowie Könner, und<br />

an der Uni eine fast vier Meter hohe, wettkampftaugliche Halfpipe.<br />

<strong>Die</strong>se wurde von den Skatern vollständig selbst gebaut.<br />

In ihr stecken Teile der Rampe vom Tannenhof, der<br />

abgebrannten Miniramp sowie von Jahnels eigener Anlage in<br />

Moos. <strong>Die</strong> Patchwork-Pipe steht den Anlagen professioneller<br />

Firmen dabei in Nichts nach. Schließlich kann es nur von Vorteil<br />

sein, wenn diejenigen, die eine Rampe bauen, sie auch<br />

selber fahren wollen. Glücklicherweise gehören zu den Konstanzer<br />

Skatern auch ein paar gelernte Handwerker. „Wenn<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Mandy lauscht des Nachts gerne<br />

der Stille. Der in sich drin und<br />

der in der Stadt. Hin und wieder,<br />

je nach Nachbarschaft, durchdrungen<br />

vom rauschenden Rollen<br />

der Skateboards. Neben ihrer<br />

gar nicht so heimlichen Liebe zum<br />

Brett lauert Mandy stets Geschichten<br />

auf, die der Zufall rundum<br />

erzählt, um sie mit der Welt<br />

zu teilen.


15 SK8KN<br />

c o n c e p t<br />

S t o r e<br />

Jetzt<br />

neu im<br />

Konstanzer<br />

Paradies<br />

VIDEOLINK<br />

<strong>Die</strong> Jungs vom Thrasher, dem<br />

weltweilt ältesten noch bestehenden<br />

Skateboardmagazin<br />

und schon zu Florian Haubolds<br />

und Bernt Jahnels Zeiten die<br />

Bibel der Skater, sind im Juni ’17<br />

die Halfpipe an der Uni schon<br />

Probe gefahren und waren<br />

schwer begeistert. Unter diesem<br />

Link zu sehen ab Minute 14:<br />

→ tinyurl.com/yc9ahjos<br />

SchulthaiSSStraSSe 1a , 78462 KonStanz<br />

+49 7531 6918124 | info@objeKthalle.com<br />

ÖffnungSzeiten: do <strong>–</strong> fr 11 <strong>–</strong> 18 h | Sa 11 <strong>–</strong> 14 h<br />

<strong>Die</strong> Ur-Tannenhof-Rampe,<br />

markiert den Beginn der<br />

heißesten Phase für die<br />

Konstanzer Skater.


SK8KN 16<br />

Ralf Berges beim Handstand, Ende<br />

der Siebziger beim Contest in der<br />

Rosgartenstraße vor dem Sportgeschäft<br />

Helle Müller, wo damals<br />

noch keine Fußgängerzone war, sodass<br />

die Straße an einem Samstag<br />

für Autos gesperrt wurde.<br />

Handplant <strong>–</strong> ein Klassiker in<br />

der Halfpipe.<br />

<strong>Die</strong> Gang: (v. r. nach l.) Issi,<br />

Götz Haubold, Ralf „Pogo“<br />

Vogt, Thomas „Kellogs“ Keller,<br />

Petra Müssig, Harry, Ralf<br />

Berges, Andreas „Bolle“ Tesch<br />

und unbekannt.


17 SK8KN<br />

<strong>Die</strong> „Wippe“ am Tannenhof<br />

war 1985 eine der größten<br />

Rampen Europas. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war Konstanz<br />

eine der Skate-Hochburgen<br />

im deutschsprachigen Raum.<br />

In der Jägerkaserne, entstanden<br />

kurz nacheinander<br />

mehrere und immer professionellere<br />

Halfpipes.


KOMMA’ RÜBER, KRUMME RÜBE<br />

18<br />

Sinnlos: Fast 48 Mio. t.<br />

Treibhausgase werden durch<br />

die Lebensmittelverschwendung<br />

ausgestoßen. 1<br />

Vom Feld in den Müll. Lebensmittelanbau für die Tonne.<br />

→<br />

TEXT — Manuel Stoll<br />

INFOGRAFIKEN — Isabell Schmidt<br />

Komma’<br />

rüber,<br />

krumme<br />

Rübe


19<br />

KOMMA’ RÜBER, KRUMME RÜBE<br />

Folgenschwer: Über<br />

2,6 Mio. ha Agrarrohstoffe werden<br />

für den Müll angebaut. 1<br />

Das entspricht ca. 15 %<br />

der gesamten Fläche,<br />

die für den Anbau<br />

unserer Lebensmittel<br />

verwendet wird. 1<br />

SELBSTVERSUCH UND INTERVIEW:<br />

VOM FELD IN DIE TONNE <strong>–</strong> VOM MÜLL IN DEN MUND<br />

Ich bin möglichst dezent und unauffällig<br />

gekleidet, habe meinen Rucksack<br />

dabei und eine kleine Stirnlampe. Es ist<br />

kalt. Gegen Mitternacht stehe ich in einer<br />

kleinen Gasse in der Konstanzer Altstadt,<br />

von wo aus ich meinen Raubzug<br />

beginnen möchte. Hier gibt es noch die<br />

Möglichkeit, denn an vielen Orten in<br />

Konstanz und Kreuzlingen kommt man<br />

nicht mehr an das <strong>Die</strong>besgut heran. Es ist<br />

meistens sicher verriegelt, in Zwinger eingesperrt<br />

oder überhaupt nicht von außen<br />

erreichbar. Nun stehe ich hier, mit der Gewissheit<br />

mich gleich strafbar zu machen.<br />

In einer tagsüber belebten Gasse, vor einem<br />

kleinen Hinterhof. Straßenlaternen<br />

lassen die Konturen scharf erkennen, aus<br />

einer nahen Kneipe hört man Menschen<br />

auf die Straße treten. Ein mulmiges Gefühl<br />

kommt in der Magengrube auf. Soll<br />

ich es wagen? Der angehende Pädagoge<br />

in mir wägt ab: Tut das Not, sich strafbar<br />

zu machen? Moralisch sehe ich mich jedoch<br />

in meinem Tun bestärkt. Was kann<br />

ich für lächerliche Gesetze? Oder dekadente<br />

Lebensweisen? Entschlossener<br />

schreite ich zur Tat. Was mich von der<br />

Ware trennt, ist nur ein Tor. Von einer<br />

Bekannten weiß ich, dass sie einfach unter<br />

dem Tor durchkriecht. Zu breit für<br />

den engen Spalt bleibe ich zwischen Tor<br />

und Steinboden stecken. Bin leider keine<br />

Katze. Also darüber. Schnell richte ich<br />

mich wieder auf. Noch ein Blick zurück,<br />

ein letztes achtsames Lauschen und los<br />

geht’s. Ich stürme das Tor, springe hoch,<br />

halte mich am oberen Rand fest und<br />

setzte meinen Fuß auf die Torklinke. Begleitet<br />

von hallendem Donnern ziehe ich<br />

mich hoch und sitze schließlich auf dem<br />

Tor. Fuck! Wirklich jeder im Umkreis<br />

muss mich gehört haben. Ich springe runter<br />

und lande. Pam. Ich werde geblendet.<br />

Sofort zieht sich alles in mir zusammen.<br />

Vorbei, erwischt! Doch auf die konfrontierende<br />

Helligkeit folgt zu meiner Freude<br />

nichts. Ich besinne mich, konzentriere<br />

mich wieder auf mein Ziel. Das Licht<br />

des Bewegungsmelders setzt die Tonnen<br />

wahrhaftig in ein Spotlight, bereit von<br />

mir geplündert zu werden. Als ich den<br />

Deckel öffne, strahlt es mir bunt entgegen.<br />

Triumphierend fange ich an, nach noch<br />

genießbarem Essen zu graben.<br />


KOMMA’ RÜBER, KRUMME RÜBE<br />

Es ist irgendwie sonderbar Dinge zu<br />

essen, welche bereits im Müll gelandet<br />

sind. Es schmeckt noch gut, ist sogar bio<br />

und hat mich nichts gekostet. Verrückt,<br />

dass diese Lebensmittel für die Tonne<br />

bestimmt waren. Für manche war es<br />

Abfall, für mich ist es ein Geschenk, welches<br />

ich nur eigenhändig abholen musste.<br />

Was für mich (bis jetzt) eine einmalige<br />

Nachtexpedition war, ist für andere Routine,<br />

denn sie ernähren sich nahezu ausschließlich<br />

vom Containern.<br />

20<br />

Produzent bis<br />

Großverbraucher<br />

(Gastronomie,<br />

Betriebsküchen)<br />

61 %<br />

Lebensmittelverluste<br />

entlang der Wertschöpfungskette<br />

1<br />

Endverbraucher<br />

(Haushalte)<br />

39 %<br />

Ich treffe mich mit einem Bewohner<br />

eines Konstanzer Studentenwohnheims<br />

zum Gespräch. Er und seine WG durchsuchen<br />

emsig die Mülltonnen der Stadt nach<br />

wertvollen, noch genießbaren Lebensmitteln,<br />

die dort aus Überfluss gelandet<br />

sind.<br />

Wie oft gehst du containern?<br />

Unterschiedlich, eine Zeit lang habe ich<br />

ziemlich strikt versucht, nur vom Containern<br />

zu leben und rein gar nichts<br />

einzukaufen. Zu dieser Zeit war ich<br />

mindestens einmal in der Woche. Mit<br />

Glück reicht schon einmal containern<br />

pro Woche für eine Person. Über den gesamten<br />

Sommer hinweg habe ich mich<br />

ausschließlich von containerten Waren<br />

ernährt.<br />

DEUTSCHLAND<br />

<strong>–</strong> <strong>Die</strong>bstahl § 242 StGB: mind. 3 Monate<br />

Freiheitsstrafe; wichtig ob durch<br />

Mitnahme von Müll ein Nachteil<br />

entsteht (Weiterverarbeitung, persönliche<br />

Daten, finanzieller Nachteil)<br />

<strong>–</strong> Hausfriedensbruch § 123 StGB: wurde<br />

ein Hindernis überwunden?<br />

<strong>–</strong> Sachbeschädigung § 303 StGB: bei<br />

Aufbrechen der Container.<br />

<strong>–</strong> § 303 & § 123: Antragsdelikt (Beschädigter<br />

muss Anzeige erstatten).<br />

Frei zugängliche Mülleimer sind<br />

normalerweise vom Strafbestand<br />

ausgeschlossen.<br />

<strong>–</strong> Staatsanwaltschaften und Gerichte<br />

sprechen unterschiedliche Strafandrohungen<br />

aus bzw. stellen Container-Verfahren<br />

generell ein.<br />

Hast du ausschließlich vom<br />

Containern gelebt?<br />

Mit der Zeit war ich immer öfter containern,<br />

es hat mir Spaß gemacht. Ich musste<br />

nur noch Milch und ein paar andere Sachen<br />

kaufen... Und irgendwann habe ich<br />

beschlossen, nicht mehr einkaufen zu gehen.<br />

Es hat ganz gut geklappt.<br />

Inwiefern konntest du dich<br />

gesund dadurch ernähren?<br />

Musstest du Nahrungsergänzungsmittel<br />

nehmen?<br />

Also, ich glaube gesund ist es schon, auch<br />

wenn du dir nicht aussuchen kannst, was<br />

du isst. Ich habe keine Ergänzungsmittel<br />

zu mir genommen. Generell isst man auf<br />

diese Weise viel weniger tierische Produkte.<br />

Vielleicht ist es auch nicht super<br />

gesund, darauf sollte ich besser achten.<br />

Ist es einfach, an die Mülltonnen<br />

ranzukommen oder gab es schon<br />

Probleme?<br />

Bei vielen Läden ist es unmöglich zu<br />

containern. Beim großen Edeka wäre es<br />

fantastisch. Montags kann man ziemlich<br />

gut in Konstanz containern, denn dienstags<br />

wird der Biomüll abgeholt und viele<br />

kleine Läden stellen montags ihre Mülltonnen<br />

auf die Straße. Mittlerweile gibt<br />

es immer mehr Läden, welche ihre Mülltonnen<br />

abschließen.<br />

Manche Läden schließen ihren<br />

Müll ab, andere wiederum<br />

spenden ihre Lebensmittel der<br />

Tafel oder dem Foodsharing.<br />

Insgesamt<br />

1,3 Mio. Tonnen<br />

Lebensmittel<br />

landen pro<br />

Jahr weltweit<br />

im Mülleimer.<br />

Lebensmittel-Abfallmengen<br />

pro Kopf und Jahr 2 ; 3<br />

Schweiz:<br />

300 kg<br />

Deutschland:<br />

82 kg<br />

Europa &<br />

Nordamerika:<br />

95 bis 115 kg<br />

Subsahara-Afrika:<br />

6 bis 11 kg<br />

Südasien &<br />

Südostasien:<br />

6 bis 11 kg


21<br />

KOMMA’ RÜBER, KRUMME RÜBE<br />

Ich bin seit einer Weile beim Foodsharing<br />

Konstanz aktiv. Alnatura zum Beispiel<br />

spendet ziemlich viel, andererseits wird<br />

auch hier sehr viel Essbares in den Müll<br />

geschmissen. Schade. Nach dem vielen<br />

containern habe ich mir gedacht, dass<br />

Foodsharing die sinnvollste Alternative<br />

ist. Es wäre viel einfacher. Dann musste<br />

dich nicht irgendwo reinschleichen oder<br />

nachts losziehen. Das Essen würde sortiert<br />

und bereitgestellt werden und nicht<br />

in einen dreckigen Haufen geworfen. Es<br />

muss nur noch abgeholt werden.<br />

Zu welchen Läden gehst du?<br />

Ich gehe immer zu einer bekannten Bio-<br />

Supermarktkette, die beste Anlaufstelle.<br />

Dort findet man oft sehr gute Sachen.<br />

Dann gehe ich gerne zu einem Supermarkt<br />

im Paradies, da stehen die Tonnen<br />

im Hinterhof. Schreib auf jeden Fall,<br />

dass es montags ganz gut geht!<br />

FRANKREICH<br />

In Frankreich ist es verboten,<br />

unverkaufte Lebensmittel<br />

mithilfe von Chlor ungenießbar<br />

zu machen. Ab 400 m² Verkaufsfläche<br />

müssen Lebensmittel<br />

an gemeinnützige Organisationen<br />

gespendet werden.<br />

Nicht, dass es zu viel<br />

Konkurrenz gibt.<br />

Achwas! Hauptsache das Zeug kommt<br />

weg! Es gibt viel zu wenig Leute, die<br />

containern gehen. Ich treffe fast nie jemanden.<br />

Wie groß ist die Ausbeute?<br />

Hängt immer ganz vom Tag oder der<br />

Jahreszeit ab. Ich habe einen Fahrradanhänger,<br />

der wird ziemlich oft voll.<br />

Bei einem Drogeriemarkt habe ich mal<br />

einen ganzen Sack voll abgelaufener<br />

Müsli gefunden. Bei einem Supermarkt<br />

in Petershausen gibt’s in roten Kisten<br />

Brot sowie süße Stückchen vom Bäcker.<br />

Meistens suche ich aber im Biomüll, der<br />

Restmüll ist mühsam. Von gestern gibt<br />

es verrückt viele Äpfel und Bananen,<br />

kannst du gerne welche mitnehmen. Wir<br />

sind gerade nur zu zweit in der WG.<br />

Was war dein bester Fund?<br />

Zu den besten Funden zählen 20 Gläser<br />

Tahin (Sesammus) und zehn Gläser Kürbiskernmus.<br />

<strong>Die</strong> wurden wegen Salmo-<br />

nellen zurückgerufen. Noch nie zuvor<br />

probiert, jetzt esse ich es sehr gerne. Einmal<br />

habe ich im Winter bei einem Bioladen<br />

eine große Menge an Lupinenschnitzel,<br />

Kefir und Joghurt gefunden.<br />

Da war wahrscheinlich ein Kühlschrank<br />

kaputt und ich hatte drei Wochen lang<br />

gratis Essen.<br />

SCHWEIZ<br />

Containern ist erlaubt, solange<br />

der Inhalt der Tonne nicht in<br />

irgendeiner Form weiterverwendet<br />

wird. Falls beim Containern<br />

ein Hindernis überwunden<br />

wird, ist die Handlung strafbar.<br />

Was war die ekligste<br />

Überraschung?<br />

Weiß nicht, der Biomüll kann häufig eklig<br />

sein, es schimmelt oft so richtig. Aber<br />

ich wurde mit der Zeit ekelresistenter.<br />

Wenn es matschig wird, habe ich auch<br />

keine Lust mehr, weiter zu graben. Im<br />

Winter sind die Müllcontainer allerdings<br />

wie Kühlschränke, da findet man auch<br />

unten viel.<br />

Hattest du schon mal eine durch<br />

containertes Essen verursachte<br />

Lebensmittelvergiftung?<br />

Nein, noch nie. Ich denke, dass ich nach<br />

einiger Zeit eine Keimresistenz aufgebaut<br />

habe. Was ich nicht wusste war,<br />

dass Schimmel Langzeitfolgen haben<br />

kann. Wenn ich heute schimmlige Sachen<br />

habe, bin ich viel vorsichtiger.<br />

Gab es bei dir schon ein sonderbares<br />

Containererlebnis?<br />

Ich wurde in meinem Auslandssemester<br />

in Wales von der Polizei erwischt. <strong>Die</strong><br />

haben zwar meine Personalien aufgenommen,<br />

an sich war aber alles entspannt.<br />

Ich kenne auch sonst niemanden<br />

der wirklich Stress wegen Containern<br />

bekommen hat. Ich finde es immer ein<br />

geiles Gefühl, an der Mülltonne zu essen.<br />

Wenn ich mit meinen Kumpels containern<br />

bin, ist es witzig, es sich an Ort<br />

und Stelle bequem zu machen und erstmal<br />

zu essen.<br />

Wie reagieren Passanten?<br />

Nicht wirklich, und wenn, erkläre ich ihnen,<br />

was ich mache und biete meistens<br />

noch was an. Sie sind oft positiv überrascht.<br />

Kannst du deine Motivation<br />

fürs Containern erläutern?<br />

Am Anfang war es der Reiz und mittlerweile<br />

ist es der Frust, dass vieles wegen einer<br />

braunen Stelle weggeschmissen wird.<br />

Ziemlich dekadent. Darüber hinaus ist<br />

es mega praktisch und ich kann ziemlich<br />

viel Geld sparen. Mich überrascht es<br />

immer wieder, wenn ich beim Einkaufen<br />

erst begreife, wie teuer Gemüse eigentlich<br />

ist. Das bin ich nicht mehr gewohnt.<br />

Da raffe ich mich abends lieber auf und<br />

gehe containern.<br />

Hast du noch Tipps<br />

fürs Containern?<br />

Ich versuche darauf zu achten, dass ich<br />

es nicht krass auslebe. Ich achte darauf,<br />

nicht zu laut zu sein oder die Anwohner<br />

zu stören. Es muss keiner erfahren, dass<br />

ich containern war. Weil es schade ist,<br />

wenn eines Tages dann die Mülltonnen<br />

abgeschlossen werden. Man muss es einfach<br />

ausprobieren, es macht ordentlich<br />

Spaß.<br />

Hast du immer noch<br />

einen Adrenalin-Flash<br />

beim Containern?<br />

Schiss habe ich nicht mehr, aber zu Anfang<br />

war es immer aufregend, irgendwo<br />

reinzugehen. Noch heute ist es ein witziges<br />

Gefühl, mit gutem Gewissen über einen<br />

Zaun zu springen.<br />

QUELLEN<br />

1) WWF Deutschland 2015:<br />

Das große Wegschmeißen.<br />

→ tinyurl.com/gw4fpwb<br />

2) Bundeszentrum für Ernährung:<br />

→ tinyurl.com/yass6wvg<br />

3) Schweizerische Eidgenossenschaft <strong>–</strong><br />

Bundesamt für Umwelt (BAFU):<br />

→ tinyurl.com/yd9fn4sr<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Mysteriös und von schützender Anonymität<br />

ist für Manuel die Nacht,<br />

wenn sich die Erde in Finsternis<br />

hüllt. Während die Welt in der Sonne<br />

badet, flaniert er meist durch die<br />

PH in Kreuzlingen, einem nicht weniger<br />

vielfältigen Kosmos.


DIE ROTE INGE<br />

22<br />

<strong>Die</strong><br />

rote<br />

Inge<br />

→<br />

GEHEIMREZEPTPROSA


23<br />

DIE ROTE INGE<br />

TEXT — Caroline Weigele<br />

ILLUSTRATION — Annabelle Höpfer<br />

<strong>Die</strong> rote Inge wurde nachmittags zubereitet und abends<br />

am Wasser genussvoll gelöffelt. So genussvoll, dass sich alle<br />

mit Löffeln ausgestatteten Beteiligten nach kürzester Zeit<br />

nach hinten fallen ließen, sich die gewölbten Bäuche hielten<br />

und einige Zeit zufrieden vor sich hin stöhnten. Es war noch<br />

massig von der roten Inge übrig, doch da es fast Mitternacht<br />

war, konnte man nicht mehr warten, bis sich die vollgelöffelten<br />

Mägen ein wenig erholt hatten, um von der roten Inge nachzuschaufeln.<br />

Es musste schnell weitergehen, denn man hatte<br />

noch einiges vor. Es war ein wichtiger Abend. Der letzte Abend<br />

vom alten Lebensjahr. Das war der offizielle Grund jedenfalls.<br />

Vor allem war es aber einer der letzten Abende, an denen<br />

man draußen am Wasser sitzen konnte, eine lauwarme Brise<br />

sich um die nackten Beine schmiegte, der Himmel nie ganz<br />

schwarz wurde, die Luft nach Draußenbleiben roch und man<br />

genussvoll die rote Inge löffeln konnte. Das musste angemessen<br />

zelebriert werden. Man durfte nicht versacken, es musste<br />

weitergehen und unvergesslich werden.<br />

<strong>Die</strong> rote Inge wollte trotzdem keiner zurücklassen, so wurde<br />

sie kurzerhand mit ein wenig Frischhaltefolie bedeckt und<br />

anschließend in einem Fahrradkorb verstaut. Man schwang<br />

sich auf die Sattel und fuhr in Richtung Innenstadt. Zuerst in<br />

das Lokal an der Ecke, wo nicht mal Jägermeister schlechter<br />

war als die Laune der Bardame. Ein paar lieblos verteilte Stühle<br />

kurz vor der Schweizer Grenze. An einer der wenigen viel<br />

befahrenen Straßen der Stadt, wo Autos rasant um die Kurve<br />

brettern, vermischten sich Zigarettenrauch und Abgase zu<br />

einem großen grauen Ball und traten in dieser Nacht mit über<br />

die Türschwelle, breiteten sich unter der Decke aus und verfingen<br />

sich zwischen den Zapfhähnen, an denen die Bardame<br />

lustlos hantierte. Verunsichert klemmte die rote Inge unter<br />

irgendeinem Arm und wurde spätestens beim Einläuten der<br />

ersten Runde gedankenlos auf dem Tresen abgestellt, wo sie<br />

den missbilligend schwarz funkelnden Augen der Barfrau<br />

schutzlos ausgeliefert war. Man wollte an ihr vorbei wischen,<br />

doch das ging nicht. Man wollte dort, wo sie stand, ein<br />

Tablett abstellen, doch das ging nicht. Man wollte eigentlich<br />

nur einmal probieren, den Löffel hineingleiten lassen, wenn<br />

keiner hinsah, die rote Inge in den eigenen Mund führen und<br />

die Kehle hinab gleiten lassen, doch auch das ging natürlich,<br />

anstandshalber, nicht. Verärgert pfefferte die Bardame ein<br />

paar geizig befüllte Schnapsgläser in die Runde und forderte<br />

anschließend auf, die rote Inge aus ihrem Arbeitsbereich zu<br />

entfernen, und wenn die Herrschaften schon dabei wären, sich<br />

selbst gleich mit! Irritiert klemmte man die rote Inge wieder<br />

unter irgendeinen Arm und marschierte — einer nach dem<br />

anderen — durch die Tür. In der Verärgerung verabschiedete<br />

man sich nicht, warf nicht mal einen Blick zurück und entging<br />

deshalb dem sehnsüchtigen Blick der kratzbürstigen Bardame,<br />

die der roten Inge noch lange hinterher sah.<br />

Zum nächsten Ort hatte man es nicht weit. Nur ein paar<br />

Schritte, eine kleine Stufe hinab und schon stand man vor<br />

ihm. Der immer gut Gelaunte, der Blauäugige, Schnauzbärtige.<br />

Der, der die Schnapsgläser in der Gefriertruhe lagert und sie<br />

randvoll mit dem heiß geliebten Haselnussschnaps serviert, der,<br />

der auch noch Marille und Zwetschge hat und immer ein<br />

Lächeln auf den Lippen. Auch damals in dieser letzten Sommernacht.<br />

Und er wies auf das Gerät in der Ecke, das, wie die<br />

Gläser, befüllt werden wollte. Man warf hinein, wählte aus,<br />

drehte lauter und fing an zu tanzen. Auch wenn es eng war, dort<br />

war Platz für jeden <strong>–</strong> auch für die rote Inge. <strong>Die</strong> störte keinen.<br />

Also stand sie auf dem Tresen und zerging ein wenig. Allen<br />

anderen stand der Schweiß auf der Stirn und rann den Rücken<br />

hinab. Dunkle Stellen bildeten sich dort, wo kurz zuvor noch<br />

die rote Inge transportiert wurde. Man steckte die Finger hinein,<br />

schleckte sie ab und verdrehte die Augen, man trank aus und<br />

verzog das Gesicht. Man nahm sich in den Arm und stolperte<br />

durch den holzgetäfelten Raum. Köpfe wurden in Nacken<br />

geworfen, es wurde gelacht und gebrüllt und umarmt und laut<br />

gezählt. Fünf, vier, drei, sechs, drei, EGAAAL — und das<br />

letzte Leben, wie es noch bei Sechs oder Drei oder Vier war, nun<br />

vorbei und das neue begann wieder bei null.<br />

Es wurde beschlossen weiterzuziehen. Neues Leben, neue<br />

Bar. Neue hatten sich angeschlossen und wussten genau,<br />

wo es jetzt hingehen sollte. Wankend stolperten sie voraus in<br />

ein Taxi, und der Rest fuhr in Schlangenlinien hinterher.<br />

<strong>Die</strong>smal in neuer Formation. Manche auf Satteln, manche auf<br />

Lenkern, manche auf Gepäckträgern und einer sogar kurz<br />

auf der roten Inge. <strong>Die</strong> Strecke wurde in dieser Nacht in der<br />

doppelten Zeit zurückgelegt, was einerseits mit der erheblichen<br />

Menge zusammenhing, die man zu sich genommen<br />

hatte, aber auch mit der voranschreitenden Veränderung des<br />

Aggregatzustandes der roten Inge. In einem Gepäckträger<br />

schwappt sie von links nach rechts, dem Rand der Schüssel<br />

gefährlich nahekommend. Doch obwohl man wusste, das es mit<br />

ihr schon vorbei war, wollte man sie auch jetzt nicht zurücklassen.<br />

Man kam an, schloss die Fahrräder notdürftig fest und<br />

betrat den letzten Ort. Ein einziger Tisch stand für Gäste<br />

bereit, die nicht wussten, dass man hier nur am Tresen saß. Denn<br />

nur am Tresen war man der Jugoslawin dahinter nah genug,<br />

um ihr bei jedem Schnaps, den man zu sich nahm, zuzuprosten.<br />

Sie schaltete das Radio an, und auf einmal war die dicke<br />

Luft durchzogen von Akkordeon-Klängen, von lauten Trompeten<br />


DIE ROTE INGE<br />

24<br />

und schwermütigen tiefen Männerstimmen, die in einer fremden<br />

Sprache sangen. Auch hier tanzte man, und bot jedem<br />

Passanten, hätte es um diese Uhrzeit in dieser Stadt welche gegeben,<br />

einen kuriosen Anblick durch die gläserne Fassade der<br />

Kneipe. Ein ehemaliger bosnischer Soldat brachte Studenten<br />

Folkstänze bei, eine breitschultrige Türsteherin bot freien<br />

Eintritt in ein fragwürdiges Etablissement, stiege man nur mit<br />

ein ins Taxi, das schon vor der Tür wartete, der Schnaps floss<br />

aus Plastikflaschen direkt in die gierigen Münder, denn da, wo<br />

der Schnaps hergeschmuggelt wurde, macht man das so. <strong>Die</strong><br />

Stimmen wurden lauter, die Worte dafür unverständlich. Doch<br />

nichtsdestotrotz lag man sich in den Armen und schwor Amela,<br />

Bogdan und Stanislav ewige Freundschaft und je mehr man<br />

versprach, desto verschwommener wurde der Blick und dann<br />

stand man auch hier auf einmal auf der Straße.<br />

Es wurde langsam hell und der Abend wurde beendet.<br />

Und bei all der Vorsicht, die man im Laufe der beiden Nächte,<br />

die vor und die nach <strong>Null</strong>, getroffen hatte, irgendwann passierte<br />

es dann doch. <strong>Die</strong> rote Inge war nun vollständig geschmolzen.<br />

In einer Linkskurve vor einer roten Ampel kam<br />

die ganze Schüssel ins Wanken, neigte sich gefährlich nach<br />

rechts und verlor endgültig das Gleichgewicht. <strong>Die</strong> rote Inge<br />

kippte und floss durch die Löcher des schwarzen Fahrradkorbes<br />

hindurch auf das mit Stickern beklebte Schutzblech weiter<br />

in die Speichen des Rades, welche sich bei dieser Geschwindigkeit<br />

so schnell drehten, dass die rote Inge nur so spritzte. Auf<br />

Asphalt, auf Hosenbeine, auf T-Shirts und in Gesichter. Weder<br />

Persil noch Perwoll sollten es jemals schaffen, die malträtierte<br />

Kleidung von den roten Flecken zu befreien. Man fuhr nach<br />

Hause, legte sich ins Bett, gab sich einem komatösen Schlaf hin,<br />

wachte auf, trank literweise Wasser, schlief wieder ein und<br />

wachte erst spät am Tag mit stechenden Kopfschmerzen und<br />

einem überwältigenden Drang, sich den Finger in den Hals zu<br />

stecken, wieder auf.<br />

Noch lange danach sprach man über diese Nacht. So gut<br />

es eben ging. Obwohl man sich damals vorgenommen hatte,<br />

dass sie unvergesslich werden sollte, gab es Stellen, die<br />

verschwommen waren. Manche verdreht und manche sogar<br />

komplett gelöscht. Nach vergeblichen Rekonstruktionsversuchen<br />

gestand man sich eines ein: Dank des Schnapses nahm<br />

die Nacht ihren Lauf, dank der roten Inge blieb sie jedoch<br />

unvergessen.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Caroline futtert zu spätester <strong>Stunde</strong><br />

gerne heimlich Nachtisch, denn heimlich<br />

schmeckt alles besser. Ganz<br />

sicht- und lesbar sind ihre Streifzüge<br />

im Bereich Literatur, Illustration und<br />

Grafikdesign. Am Literaturinstitut<br />

Leipzig schreibt sie derzeit, zwischen<br />

ausgewogen gesunden Schlemmereien,<br />

an ihrem Roman.


25<br />

DIE ROTE INGE


DAB CUPZZ<br />

26<br />

Dab<br />

Cupzz<br />

→<br />

INTERVIEW MIT DEN<br />

GRÜNDERN EINER<br />

PARTYREIHE FÜR<br />

TRAP MUSIC<br />

Trap ist nicht nur Musik,<br />

Trap ist Mode und Lifestyle.


27<br />

DAB CUPZZ<br />

TEXT — Torben Nuding<br />

FOTOS — Victoria Jung<br />

Ich bin mit Marvin und Tommy, den<br />

Machern der Dab Cupzz-Partyreihe, zum<br />

Gespräch bei Kaffee und Limonade verabredet.<br />

Wir treffen uns an einem freundlichen<br />

Januarnachmittag und plaudern<br />

mit Blick auf den Seerhein für eine <strong>Stunde</strong><br />

über Nacht, Musik und Tanz.<br />

Hi Jungs, schön euch zu treffen,<br />

stellt euch doch bitte kurz vor.<br />

Marvin: Mein Name ist Marvin Paulo-<br />

Muhongo, ich bin 24 Jahre alt. In Konstanz<br />

arbeite ich als Choreograf und Tanzlehrer.<br />

Tommy: Ich bin Thomas Bodamer, 27,<br />

und arbeite als Barkeeper und DJ.<br />

Ich hoffe, ihr seid gut ins neue<br />

Jahr gekommen. Irgendwelche<br />

guten Vorsätze oder Wünsche<br />

für 2018?<br />

Marvin: Ohne zu viel verraten zu wollen,<br />

arbeiten wir natürlich daran, die Dab<br />

Cupzz-Reihe weiter voranzubringen und<br />

auszubauen. Da gibt es die ein oder andere<br />

Idee, die Sache noch ein wenig zu pushen.<br />

Ist aber noch nicht ganz spruchreif.<br />

Tommy: Wir wollen die Party frisch halten<br />

und unser Publikum öfters mal mit<br />

etwas Neuem überraschen.<br />

Ihr habt es direkt in den Ring<br />

geworfen, euer Partybaby, um<br />

das es ja hier hauptsächlich gehen<br />

soll. Erzählt doch mal <strong>–</strong> seit wann<br />

gibt es die Dab Cupzz und wie ist<br />

sie entstanden?<br />

Tommy: <strong>Die</strong> Dab Cupzz gibt es seit zwei<br />

Jahren, die Idee dazu kam uns vor etwa<br />

drei Jahren. <strong>Die</strong> Partyszene in Konstanz<br />

war viele Jahre lang sehr auf Oldschool-<br />

Hiphop fokussiert, neuere Spielarten wie<br />

Trap fanden hier so gut wie nicht statt.<br />

Da das aber die Musik ist, die uns am<br />

meisten interessiert, sind wir mit der Dab<br />

Cupzz an den Start gegangen.<br />

Marvin: <strong>Die</strong> ersten fünf Ausgaben fanden<br />

in der Blechnerei statt (heute: Alte Schachtel),<br />

seit Ende 2016 sind wir mit der Veranstaltung<br />

in der Kantine, es gab außerdem<br />

noch Ausflüge nach Karlsruhe und<br />

Reutlingen.<br />

Warum Dab Cupzz?<br />

Was bedeutet der Name?<br />

Marvin: <strong>Die</strong> ursprüngliche Namensidee<br />

war „Red Cups“ und schielte auf die Ästhetik<br />

amerikanischer Collegepartys, wo<br />

Getränke gerne in roten Plastikbechern<br />

gereicht werden. <strong>Die</strong> Becher tauchten auch<br />

auf unseren ersten Plakaten und Flyern<br />

auf. Dann kam es relativ schnell zu einer<br />

Unterlassungsaufforderung, weil der Begriff<br />

im Zusammenhang mit Partys geschützt<br />

ist. Wir haben uns dann spontan<br />

für Dab Cupzz entschieden, der Dab ist<br />

eine Tanzfigur aus dem Hiphop <strong>–</strong> das ist<br />

dieser Move, bei dem man seine Arme zur<br />

Seite streckt und den Kopf zwischen den<br />

angewinkelten rechten Arm. Das sieht<br />

man recht häufig in Hiphop-Videos.<br />

Mittlerweile haben wir uns den Schriftzug<br />

auch tätowiert, wir haben also nicht<br />

vor, den Titel der Partyreihe so bald wieder<br />

zu ändern (lacht).<br />

Was zeichnet die Dab Cupzz<br />

musikalisch aus?<br />

Tommy: Bei uns gibt es hauptsächlich<br />

Trap und aktuellen Rap zu hören, aber<br />

auch ein bisschen Reggae und Dancehall.<br />

Wir versuchen uns an einer guten<br />

Mischung aus neuer Musik und etablierten<br />

Formaten <strong>–</strong> klassischem R'n'B und<br />

ab und an auch ein wenig Oldschool.<br />

Marvin: Wir haben dabei immer auch<br />

unser Publikum im Blick und wollen,<br />

dass unsere Gäste Spaß und einen guten<br />

Abend haben.<br />

Wie alt ist euer Publikum?<br />

Marvin: Ich schätze das Durchschnittsalter<br />

auf unseren Partys auf 22. Wir sind<br />

eine recht junge Veranstaltung.<br />

Tommy: Ich bemerke oft auch sowas wie<br />

einen Generation Gap: <strong>Die</strong> 18- und 19-<br />

Jährigen sind bereits mit Trap aufgewachsen,<br />

die älteren Gäste nicht. Das macht sich<br />

im Umgang mit der Musik bemerkbar.<br />

Das Thema dieser ersten Magazinausgabe<br />

ist ja „<strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong>“.<br />

Was ist denn eure musikalische<br />

<strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong>? Wo kommt ihr her?<br />

Womit seid ihr aufgewachsen?<br />

Marvin: Ich bin mit Roots-Reggae aufgewachsen,<br />

das lief immer bei uns zuhause.<br />

In der Pubertät gings dann mit Deutschrap<br />

weiter, was ich heute gar nicht mehr<br />

höre. Im Moment beschäftige ich mich<br />

am meisten mit Dancehall, Hiphop und<br />

Trap.<br />

Tommy: Meine musikalische Früherziehung<br />

war sehr gemischt. Michael Jackson,<br />

Chartsmusik <strong>–</strong> die letzten zehn Jahre dann<br />

eigentlich fast ausschließlich Hiphop.<br />

Was macht für euch die<br />

Faszination an dieser Art<br />

von neuem Hiphop aus?<br />

Marvin: Ich finde es sehr spannend, wie<br />

schnell sich neue Styles innerhalb von einem<br />

Genre entwickeln. Viele ältere Hiphop-Fans<br />

sagen: Das ist doch alles Autotune,<br />

das kann doch jeder. Aber das kann<br />

eben nicht jeder.<br />

Das ist auch ein sehr alter Vorwurf<br />

an neue Arten von Musik,<br />

das wurde auch mal über Techno<br />

gesagt: Kann ja jeder, an ein paar<br />

Knöpfchen drehen.<br />

Marvin: Eben. Trap ist für mich eine Kunstform.<br />

Da hat sich auch formal einiges verschoben.<br />

Tommy: Trap setzt stärker auf Instrumentierung<br />

und weniger auf ausgefuchste Lyrics.<br />

<strong>Die</strong> gibt es im Hiphop natürlich noch<br />

immer, aber Trap will eher Partymusik<br />

sein und spielt stärker mit Gesangslinien<br />

und Wiederholungen als klassischer Rap.<br />

Auch Produktionsstandards spielen eine<br />

viel geringere Rolle bei Trap als im herkömmlichen<br />

Hiphop. Trap ist eher quick<br />

and dirty, viele Trap-Größen nennen sich<br />

deshalb folgerichtig auch Rockstars. →


DAB CUPZZ<br />

28


29<br />

DAB CUPZZ<br />

Dab Cupzz ist eine Partyreihe für<br />

Trap und Hiphop in Konstanz.<br />

<strong>Die</strong> Fotografien entstanden auf<br />

Dab Cupzz-Partys in Konstanz.


DAB CUPZZ<br />

30<br />

Let’s dance<br />

Marvin, wir haben uns ja tatsächlich<br />

über den Tanz kennengelernt,<br />

war das vor vier Jahren? Oder<br />

vor fünf? Oder gar vor sechs? Ich<br />

kann mich nicht genau erinnern.<br />

Marvin: (lacht) Ich auch nicht.<br />

Beruhigend. Dann ist das keine<br />

Alterserscheinung meinerseits.<br />

Du warst damals jedenfalls im<br />

Tanzclub des Theaters, für den<br />

du mittlerweile ja auch schon<br />

Choreografien entworfen hast.<br />

Wie bist du zum Tanz gekommen?<br />

Marvin: „Streetstyle“ ist ein Tanzfilm, den<br />

ich mit Freunden gesehen habe und der<br />

mich sehr beeindruckt hat. Da war ich<br />

zwölf und wusste sofort: Das will ich auch.<br />

Damit ging alles los. Ich habe stundenlang<br />

YouTube-Tutorials geschaut und geübt<br />

und Sachen ausprobiert. Mit 16 durfte<br />

ich dann zum ersten Mal eine Hiphop-<br />

Tanzstunde geben, weil der eigentliche<br />

Tanzlehrer ausgefallen war.<br />

Was war zuerst da:<br />

Musik oder Tanz?<br />

Marvin: Musik.<br />

Hat dein Zugang zum Tanz<br />

die Musik, die du auflegst,<br />

beeinflusst?<br />

Marvin: <strong>Die</strong> Musik, die ich auflege, hat<br />

eher meinen Tanz verändert.<br />

Inwiefern?<br />

Marvin: Im Hiphop tanzt man oftmals zu<br />

Instrumentals. Seit ich auflege, tanze ich<br />

öfter zu richtigen Songs, mit Text und so.<br />

Hast du Vorbilder, was deinen<br />

Tanzstil betrifft?<br />

Marvin: Klar, eines meiner Vorbilder ist<br />

Mbubu, ein französischer Tänzer aus der<br />

Underground- und Battleszene. Frankie D.<br />

aus Düsseldorf ist auch der Wahnsinn.<br />

Der ist erst 18 und schon so krass gut.<br />

Marvin, ich kenne ja einige deiner<br />

choreografischen Arbeiten.<br />

Was mich an deiner Sichtweise<br />

auf Tanz immer fasziniert hat,<br />

war das mühelose Changieren<br />

zwischen subtilen, sehr eleganten<br />

Arrangements und einem eher<br />

roughen Streetstyle. Schwanensee<br />

trifft Asphalt oder so. Siehst<br />

du deine Arbeit in diesem<br />

Spannungsverhältnis und wenn<br />

ja: Wo kommt das her?<br />

Marvin: Ja, unbedingt, das stimmt schon.<br />

Bei den Projekten, die du gesehen hast,<br />

ging es ja oft um Fusion-Geschichten, z. B.<br />

unsere Philharmonie-Kooperationen (Gemeint<br />

sind die Produktionen anlässlich des<br />

Kulturfestivals Kantinale, für die Marvin<br />

mehrmals Choreografien zu klassischer Musik<br />

entworfen hat). Da war das schon ein<br />

klarer Ansatz: Was kann ich an Neuem in<br />

meinen Style integrieren? Wie schaffen wir<br />

es, einen Bogen zu spannen zwischen<br />

Hoch- und Popkultur? Da kommen einem<br />

dann eben auch mal Balletfiguren in<br />

den Sinn.<br />

Locking, Popping, Vogueing,<br />

Waving, Whacking, Robo-Style <strong>–</strong><br />

der Hiphop ist reich an Subgenres.<br />

Gibt es eines, von dem<br />

du sagen würdest: da bin ich<br />

zuhause?<br />

Marvin: Nein, ich halte das gerne offen.<br />

Ich tanze einfach New Style oder noch<br />

lieber: My Style und bediene mich bei<br />

allen möglichen Formen und Formaten.<br />

Beschränkung hat mich eigentlich nie interessiert.<br />

Übt dieser Ort hier <strong>–</strong> also<br />

Konstanz <strong>–</strong> einen Einfluss<br />

auf deinen Tanz aus?<br />

Wäre dein Tanzstil in einer<br />

Großstadt ein anderer?<br />

Marvin: Das ist schwierig zu beantworten,<br />

aber ich würde den Einfluss des Ortes<br />

nicht überschätzen. Ich glaube, dass mich<br />

die Stadt weniger in meiner Ästhetik beeinflusst<br />

<strong>–</strong> meine Ideen kommen oft aus<br />

Filmen oder dem Netz.<br />

Pic or it didn’t happen <strong>–</strong> die Bilder<br />

Vicky (Victoria Jung) hat beeindruckende<br />

Bilder von euren<br />

Partys aufgenommen.<br />

Wie kam diese Zusammenarbeit<br />

zustande?<br />

Marvin: Ganz einfach. Wir haben gesagt:<br />

Komm zu unserer Party und fotografier’<br />

ein bisschen (lacht).<br />

Ok <strong>–</strong> ich erinnere mich, dass ihr<br />

bereits auf der zweiten Dab<br />

Cupzz eine Fotowand am Start<br />

hattet. Das Thema visuelle<br />

Repräsentation scheint also<br />

schon ein zentraler Punkt<br />

in eurer Idee von Nightlife zu<br />

sein, oder?<br />

Tommy: Es wäre ja auch schade um all die<br />

schönen Outfits.<br />

Spannend <strong>–</strong> das heißt, ihr habt<br />

ein Publikum, das vielleicht gerne<br />

fotografiert werden und in euren<br />

Social Media-Kanälen auftauchen<br />

will?<br />

Marvin: Auf jeden Fall. Große Teile unserer<br />

Gäste kleiden sich auch bewusst rockstarmäßig.


31<br />

DAB CUPZZ<br />

Rockstarmäßig?<br />

Tommy: Ja, Trapper bezeichnen sich selbst<br />

nicht als Rapper, sondern als Rockstars.<br />

Und Trap, das ist ja nicht nur Musik, sondern<br />

auch ein Kleidungsstil, ein Lifestyle.<br />

Und der sieht wie aus?<br />

Marvin: Eher ein bisschen drüber als<br />

drunter (lacht).<br />

Und euer Publikum übernimmt<br />

dann gerne mal diesen Habitus<br />

von Sehen und Gesehen werden?<br />

Tommy: Ja, große Teile auf jeden Fall.<br />

Man sieht relativ viel Markenkleidung<br />

auf den Bildern.<br />

Was ist der Stellenwert davon?<br />

Tommy: Bestimmte Marken und vor allen<br />

Dingen limitierte Auflagen sind ziemlich<br />

wichtig. Der Preis spielt dabei keine so<br />

große Rolle <strong>–</strong> eher die Exklusivität.<br />

An Vickys Bildern hat mir<br />

wahnsinnig gut gefallen, wie sie<br />

einen Raum, den ich schon so oft<br />

gesehen habe (die Kantine)<br />

ganz eigen und neu perspektiviert.<br />

Was reizt euch an diesen Fotos?<br />

Tommy: Ich liebe die Portraits sehr <strong>–</strong> weil<br />

sie so eigenständig sind und nicht der<br />

klassischen Partyfotografie verpflichtet.<br />

Manchmal sieht man ja nur einen Nacken.<br />

Aber der ist dann halt so viel aussagekräftiger<br />

als das hundertste 08/15-Pärchenfoto<br />

mit Duckfaces.<br />

Gut, dass du die Portraits<br />

erwähnst. <strong>Die</strong> find’ ich ja auch<br />

sehr spannend <strong>–</strong> und auf den<br />

Gegensatz, den du andeutest,<br />

lohnt es sich vielleicht, nochmal<br />

genauer zu schauen. Prinzipiell<br />

gibt es da ja meistens zwei Moves:<br />

starke Pose, Gesicht zeigen.<br />

Starke Pose, Gesicht nicht zeigen.<br />

Was machen wir damit?<br />

Marvin: Keine Ahnung, ich würde da nicht<br />

zu viel hineinlesen. Insgesamt scheint es<br />

mir so zu sein, dass die Jungs eher ihr<br />

Gesicht verdecken, das könnte etwas mit<br />

einer gegenwärtigen Idee von Coolness<br />

zu tun haben. Und Jungs sind im Trap<br />

ohnehin posenaffiner.<br />

Nicht nur im Trap (Gelächter).<br />

<strong>Die</strong> Frauen auf Vickys Bildern<br />

sehen <strong>–</strong> im Unterschied vielleicht<br />

zu Hiphop-Partyfotos vor zehn<br />

Jahren <strong>–</strong> sehr selbstbewusst aus.<br />

Marvin: Was vermutlich daran liegt, dass<br />

sie sehr selbstbewusst sind.<br />

Schönes Schlusswort. Danke<br />

für das Interview,<br />

see you on the dancefloor!<br />

INFO<br />

<strong>Die</strong> nächste Dab Cupzz mit<br />

DJ Bavo & DJ TBO findet am<br />

Freitag, den 19. Mai 2018, in<br />

der Kantine Konstanz statt.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Dort, wo die Konturen verschwimmen,<br />

fühlt sich Torben zuhause.<br />

Für diese Ausgabe schreibt er über<br />

Trap und Drag.


DAB CUPZZ 32


33 DAB CUPZZ<br />

Zwei charakteristische Haltungen:<br />

frontal vs. verdeckt.


DAB CUPZZ<br />

34<br />

<strong>Die</strong> Partys zeigen einen Wandel in<br />

der Hiphop-Repräsentation der<br />

vergangenen Jahrzehnte. Sie sind<br />

auch Bühne für viele selbstbewusste<br />

Frauen geworden.


Kunstraum Kreuzlingen<br />

Thurgauische Kunstgesellschaft<br />

Dein Jeansstore in Konstanz<br />

freewilly JEANSWEAR<br />

Fischmarkt 17<br />

78462 Konstanz<br />

Tel. 07531 29780<br />

www.freewilly-jeanswear.de<br />

Kunstraum<br />

Heiko Blankenstein<br />

Who needs gravity anyway?<br />

Gespräch<br />

Sonntag, 18. März um 11.00 Uhr<br />

mit Daniel Morgenthaler, Helmhaus, Zürich<br />

Tiefparterre<br />

Hicham Berrada<br />

Présages<br />

Videoinstallation<br />

Ausstellungen bis 18. März 2018<br />

Weitere Veranstaltungen: www.kunstraum-kreuzlingen.ch<br />

Kunstraum Kreuzlingen, Bodanstrasse 7a<br />

Fr 15<strong>–</strong>20 Uhr, Sa und So 13<strong>–</strong>17 Uhr<br />

CarSharing Südbaden<br />

Konventionelles & Elektro CarSharing<br />

Stadtmobil Südbaden AG<br />

Geschäftsstelle KONSTANZ<br />

07531 - 58 48 725<br />

www.stadtmobil-suedbaden.de<br />

CarSharing PIONIERE seit 1991<br />

Nachtschwärmer<br />

mit Cha<br />

mit Charakter.<br />

1414 Extra und<br />

BODENSEE PILS:<br />

unsere Craft-Biere<br />

in bester handwerk-<br />

licher Konstanzer<br />

Brautradition.<br />

flexibel<br />

KLIMAFREUNDLICH<br />

ÜBERREGIONAL<br />

mit unseren PARTNERN<br />

gemeinwohlorientiert<br />

Das Bier vom See.<br />

www.ruppaner.de


PERSPEKTIVE<br />

36<br />

Verbindendes Element für alle, die von der<br />

einen zur anderen Seite des Seerheins<br />

gelangen möchten. Über die 163,38 m Brücke<br />

rollen bis zu 15 000 Velos und Fahrräder am<br />

Tag und nicht wenige Skateboards. An klaren<br />

Tagen ist sie Aussichtspunkt aufs Alpenpanorama,<br />

bei Nebel ein Schwebebalken im<br />

Nichts, nachts auch mal Bühne für Spontankonzerte,<br />

Rutschbahn im Winter und des<br />

Sommers umstrittenes Sprungbrett ins blaue<br />

Nass. Auf übersichtlichen 8,2 m Breite bietet<br />

die bucklige Brücke im Herzen von Konstanz<br />

seit ihrem Bau im Jahre 1991 einen Ort der<br />

Zufallsbegegnungen zwischen Hier und Dort.


37<br />

PERSPEKTIVE<br />

FOTO — Tom Hegen


STADTPOESIE<br />

38<br />

TEXT — Barbara Marie Hofmann<br />

FOTO — Ines Njers<br />

blendung ein fenster von wärme<br />

entsteht zwischen uns wenn ich deine<br />

schultern berühre<br />

die sprache redet in farben von tagen<br />

und gestern<br />

als noch niemand in dir wohnte<br />

war das land glatt und kahl<br />

ich möchte mich<br />

in deine lichter legen<br />

du bewegst dich<br />

kühl und klar wie der geruch von papier<br />

helles haar helle augen helle hände<br />

die zeigen und aufheben es ist<br />

die spiegelung von etwas unbekanntem<br />

das dich umgibt<br />

das mich blendet<br />

ich schirme meine augen ab<br />

um umrisse aus einer nähe<br />

zu betrachten<br />

[in der stunde null; zwischen uns allen ein neues land]<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Barbara Marie hat ein blaues Auge<br />

für das Schwarz der Nacht und formt<br />

gerne all das kulturelle Theater,<br />

das der Tag inszeniert, zu Papier und<br />

in verbalen Austausch.


39<br />

STADTPOESIE


INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

40<br />

→<br />

INTERVIEW MIT<br />

YOLANDI STAHL<br />

Favourite<br />

Pakistani drag<br />

queen broke<br />

her ring when<br />

opening up<br />

borders between<br />

nations and<br />

genders WHILE<br />

being yelled<br />

at by a police<br />

officer


41<br />

INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

TEXT — Torben Nuding<br />

FOTOS — Ines Njers<br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

Denk’ ich an Konstanz in der Nacht, denke<br />

ich: unter anderem an Yolandi Stahl.<br />

Blonde Perücke, Vollbart und Pailletten.<br />

Yolandi ist Drag Queen, Social Girl und<br />

Nagellack-Anzweiflerin. Als sie das erste<br />

Mal vor mir saß <strong>–</strong> das dürfte vor ungefähr<br />

sechs Jahren gewesen sein <strong>–</strong> verbarg<br />

sie sich noch hinter den Schultern von<br />

Waseem*, einem jungen schüchternen<br />

Mann, der gerade seine pakistanische<br />

Heimat gegen Konstanz eingetauscht<br />

hatte, um ein Studium in Konstanz aufzunehmen.<br />

Für diese Ausgabe treffe ich<br />

Waseem bei EmEukal und Nagellack in<br />

seinem Wohnzimmer in Konstanz. Wir<br />

reden über schlampige Nailjobs, zerbrochene<br />

Ringe, große Träume und die Konstanzer<br />

Nacht. <strong>Die</strong> Unterhaltung wird in<br />

eben jenem Improvisationsenglisch abgedruckt,<br />

in dem sie geführt wurde. No<br />

Glättungen necessary, in den Brüchen<br />

liegt mal wieder der Glanz.<br />

Hi Waseem, I brought some nailpolish<br />

with me. I thought it<br />

would be a good idea to do our<br />

nails while talking about Yolandi.<br />

Let’s see. There’s a deep red one,<br />

a colour called Techno Chrome<br />

and a green one. Which one would<br />

you prefer?<br />

Waseem: Can I try all of them, so I can get<br />

a feeling of the colours?<br />

Yes, of course.<br />

Waseem: You know, every time I go to the<br />

cosmeticstore, it’s like: „Sie dürfen das<br />

nicht probieren.“ That’s so not cool. How<br />

would I know if it looks good? You can’t<br />

trust the samples there, they’re all fake<br />

(laughing).<br />

Fake news and fake nails everywhere!<br />

I never had the idea of<br />

testing nail polish in the shop.<br />

Waseem: No? It’s really fun, you have to<br />

try it (laughs).<br />

Oh, I really don’t want to be<br />

yelled at <strong>–</strong> just recently a woman<br />

at a drugstore was shouting<br />

at me: Can I help you with the<br />

makeup, SIR? I hate it.<br />

Waseem: I feel you. Actually one time I was<br />

also at the local cosmetic-store and there<br />

was this lady doing makeup. It looked<br />

awesome and I really wanted her to do<br />

my makeup. But at that time I was new<br />

in Germany and I was too shy to ask <strong>–</strong><br />

This green is such a nice colour.<br />

Hm, not sure about it, i’ll go for<br />

the classic red. Ah, I really like the<br />

smell of it, it’s like sniffing glue.<br />

Waseem: Did you ever get high by doing<br />

that?<br />

Don’t think so, no. But if so, I<br />

would probably do it all the<br />

time (laughing). Do you have a<br />

favourite colour of nail polish?<br />

Waseem: I really like golden and metallic<br />

tones. Once I met a girl, she was the girl-<br />

friend of the guy I really liked <strong>–</strong> and she<br />

had that really nice golden colour. Quite<br />

dark and a bit greyish. She told me where<br />

she bought it but I never found this special<br />

colour again. Since then I keep trying out<br />

different brands but most of them look<br />

like shit <strong>–</strong> much too light <strong>–</strong> I’ll show you<br />

some of them.<br />

So Waseem <strong>–</strong> would you like<br />

to talk about Yolandi? Or should<br />

I talk to Yolandi?<br />

Waseem: Talk to Yolandi. Just give me a<br />

minute and I’ll bring my hair. (Waseem is<br />

leaving the room and comes back with a<br />

blond wig) It’s totally messy and smells like<br />

an ashtray. I was at Contrast last weekend.<br />

It smells like perfume and cigarettes.<br />

So, you put up your wig and<br />

now you’re Yolandi?<br />

Yolandi: I just feel better with it. Not especially<br />

this wig but any kind of hair. It’s<br />

easier for me to connect to my feminine<br />

side. And it’s not only about the hair, it’s<br />

also about clothes and jewellery. That’s<br />

why I miss my ring so heavily.<br />

Tell me about the ring.<br />

Yolandi: So, at the Konstanz Pride Parade<br />

last summer I was supposed to „open“ the<br />


INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

42<br />

lady in Konstanz. I wanted to go to this<br />

special shop downtown and maybe look<br />

for a second one.<br />

I hope they have better ones<br />

inside, the wigs in the window<br />

look horrible. Like dyed Ramen<br />

noodles.<br />

Yolandi: I see. I’m not confident enough<br />

to go there alone. I still have this very<br />

strong Waseem inside who feels too shy<br />

to go to these places and try on clothes<br />

and hair. It works with makeup now <strong>–</strong> I<br />

made peace with that <strong>–</strong> but buying clothes<br />

and wigs is still an issue.<br />

The „can I help you SIR“ problem<br />

I mentioned before?<br />

Yolandi: Yes. It’s mostly women working<br />

border between Kreuzlingen and Konstanz<br />

for the parade as a symbol of the<br />

claim „Liebe an allen Ufern“. And there<br />

was this policeofficer yelling at me to<br />

put the barrier back where it was <strong>–</strong> and<br />

I was quite afraid because I didn’t have<br />

my passport with me. I tried to remove<br />

this heavy metal barrier, my ring got stuck<br />

and broke.<br />

You broke your favourite jewellery<br />

when opening up the border<br />

WHILE being yelled at by a police<br />

officer? That’s an awesome story.<br />

Hands up for civil rights Yolandi.<br />

Yolandi: Thank you. I really miss the ring.<br />

It was huge! Like literally.<br />

Is this a general thing about<br />

Yolandi? Is her style rather big?<br />

Yolandi: No, it depends. The rings are always<br />

big, but for instance this earring I’m<br />

wearing is neither big nor bold. It’s from a<br />

friend of mine and has sentimental value.<br />

Tell me about your name.<br />

Why Yolandi?<br />

Yolandi: I chose this name because of Anri<br />

du Toit, better known by her stage name<br />

Yolandi Visser. She’s the vocalist of South<br />

African rap-rave group <strong>Die</strong> Antwoord<br />

and I’m a big fan of her. I got to know<br />

them around the same time I started<br />

doing drag in Europe. My drag name in<br />

Pakistan was Semina but as I felt like new<br />

born after arriving in Europe, I needed<br />

a new name.<br />

What do you like about Yolandi<br />

Visser?<br />

Yolandi: She’s so open and out-there. If<br />

you see her interviews, she doesn’t give<br />

a shit about anything. She’s a great performer<br />

also. I went to see her in Luxembourg<br />

and she was as marvelous as she’s<br />

on the screen. I love the weird balance<br />

between aggression and positive energy<br />

she represents.<br />

I think she’s a perfect reference<br />

for becoming a drag persona.<br />

Visually, she’s super fierce. Her<br />

hair is always so on point and I<br />

love the androgynous vibe of her.<br />

Her style is subtle and bold at<br />

the same time without being too<br />

dressed up. One could even say<br />

she’s kind of drag herself. When<br />

she got famous, here style was<br />

so fresh and unique.<br />

Yolandi: True. I love her style and her attitude.<br />

Obviously I didn’t copy her style<br />

but her idea of representing herself really<br />

impressed me. My personal style is less<br />

changeable because I can’t afford all theses<br />

different clothes and accessories. I<br />

only have one wig. I bought it from this


E<br />

in these kind of places <strong>–</strong> but they’re of<br />

course not necessarily queer friendly or<br />

accepting. They can be very harsh and aggressive.<br />

And especially for Waseem, being<br />

Pakistani and dark, it creates a special<br />

and difficult situation. It wasn’t that bad<br />

when I came to Germany. But since the<br />

whole political situation has changed during<br />

the last couple of years, you’re even<br />

more prominent in the the lady’s section<br />

as a dark man and you’re probably under<br />

constant observation as soon as you enter<br />

a shop <strong>–</strong> and if you look after women’s clothes<br />

you are really suspicious. Employees<br />

are really staring at you. The last time I<br />

bought clothes, I took my friend C. with<br />

me and she took me to the female chan-<br />

→<br />

43<br />

I do not connect a<br />

beard to being male<br />

or female. It’s just<br />

something that suits<br />

my personality.<br />

14.04.<br />

QUEERPARTY<br />

KULA KONSTANZ<br />

QUE RGESTREIFT<br />

FILMFESTIVAL 12.-25.04.2018 | ZEBRA KINO<br />

WWW.QUEERGESTREIFT.COM


DOPPELPORTRAIT<br />

44<br />

ging rooms and would yell at the employee<br />

to call the manager if she had any<br />

problem with us trying on clothes and<br />

buying them. So that was really nice.<br />

So we talked about Yolandi.<br />

What about Stahl, your surname?<br />

Yolandi: This story is more fun. When I<br />

came to Germany I was really illiterate<br />

about German culture. So my roommate<br />

back then started introducing me to<br />

friends as Dr. Manfred Stahl <strong>–</strong> which was<br />

funny, because I obviously don’t look like a<br />

doctor and not like a Manfred or a Mister<br />

Stahl. So I really liked the tension between<br />

first name and surname. And I thought<br />

this German name and also the density<br />

of the material would make a good contrast<br />

to the light and creative sphere of<br />

Yolandi. Stahl gives me the strength to<br />

kick all the balls of the bad boys coming<br />

to Contrast and making fun of me.<br />

The first edition of our magazine<br />

deals with the topic of „<strong>Stunde</strong><br />

<strong>Null</strong>“, the starting point from<br />

where things evolve. What is<br />

Yolandi’s <strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong>?<br />

Yolandi: Ok, so I have to go way back to<br />

my childhood. I was born and raised in<br />

Pakistan, most of my family still lives there.<br />

I have two siblings and was the youngest<br />

child. My brother was praying for a boy,<br />

my sister wanted another sister. So sometimes<br />

I think Yolandi was born at the same<br />

time Waseem was born. I connected to<br />

my female side from a very early age. My<br />

sister used to dress me up and I was performing<br />

in girlsʼ clothes on the stage of<br />

the school my mother worked for as a<br />

principal. My uncle who had only sons<br />

would always call me Semina, his daughter.<br />

So this process was always there. As I<br />

got older, I really felt the need to dress<br />

up more and more. And it wasn’t even a<br />

big problem for my family. My mother<br />

always encouraged me to express myself<br />

and not to overthink too much.<br />

Did only your family know about<br />

it or was it a public thing?<br />

Yolandi: I mean, my family is quite big, it’s<br />

more than 500 people. So I guess that’s<br />

public, isn’t it? There is not much of a concept<br />

of privacy in Pakistan.<br />

That sounds like a pretty<br />

supportive environment.<br />

Yolandi: Yes, it was. At least when I was<br />

a child. I think it gets much harder when<br />

you’re grown-up. And being queer is a<br />

very big problem.<br />

I really don’t get that.<br />

Yolandi: Me neither. The third gender has a<br />

history in Indian and Pakistani culture, so<br />

this explains the openness towards cross<br />

dressing I guess.<br />

So can one say that from your<br />

childhood you experienced<br />

gender as something fluid?<br />

Yolandi: Absolutely.<br />

You talked about your mother.<br />

What about your father and your<br />

brother?<br />

Yolandi: My father has a bit of a different<br />

role but he’s okay with it. My brother had<br />

some difficulties as well but he was never<br />

angry with me.<br />

Did you ever do drag outside of<br />

family-related events? Did you<br />

ever walk the streets of Pakistan<br />

in drag?<br />

Yolandi: Yes, I once went to the bazaar. I<br />

had no wig back then so I just took a big<br />

scarf instead and wore some really weird<br />

shoes, a jeans, a bra and a lot of makeup.<br />

I imagine this as a kind of<br />

dangerous situation.<br />

Yolandi: Well, yes and no <strong>–</strong> that’s debatable.<br />

I was really afraid, there were so many<br />

people staring at me. It’s kind of accepted<br />

to be a transgender person in Pakistan <strong>–</strong><br />

though trans people are marginalized and<br />

mostly forced into sex work because they<br />

don’t get regular jobs. In former times they<br />

were very appreciated and asked for advice<br />

in difficult situations. But the thing<br />

is: The rules are very strict. Fluidity is not<br />

allowed. It’s ok to change your gender <strong>–</strong><br />

but it’s not ok to soften the edges or confuse<br />

gender norms.<br />

Is Yolandi capable of doing things<br />

that Waseem can’t do? Is there a<br />

rivalry or tension between them?<br />

Yolandi: As Yolandi is going out more often,<br />

I realize the differences between them<br />

more and more. Yolandi is a very social<br />

person and she’s not as shy as Waseem.<br />

And there’s a kind of a financial tension<br />

between them (laughing) <strong>–</strong> Yolandi wants<br />

to buy a lot of stuff, you know? Yolandi<br />

also gets way more reactions, people really<br />

seem to like her, which makes Waseem<br />

a bit jealous sometimes, because he often<br />

feels isolated as an Ausländer.<br />

You’re in a longterm relationship.<br />

How does your partner feel about<br />

Yolandi? Is he supportive?<br />

Yolandi: When we met, he didn’t know<br />

about Yolandi. When I introduced them,<br />

he liked her, but he was also a bit worried.


45<br />

INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

Back then Yolandi was more out there<br />

than Waseem, because I enjoyed that she<br />

was so accepted and welcomed in nightlife.<br />

But as he realized that Waseem wouldn’t<br />

vanish behind her, he made peace with it<br />

and he’s very supportive now and helps<br />

me with my jewellery and hair and gives<br />

me advice if I wear too much makeup <strong>–</strong> or<br />

too less.<br />

Interesting <strong>–</strong> let’s talk about your<br />

drag routine. How do you get<br />

ready? Are there any no-gos? Does<br />

Yolandi have a signature style?<br />

Yolandi: It always changes. So I only have<br />

one wig, so that’s kind of my signature.<br />

My clothes used to be very glamorous,<br />

shiny and colourful. Nowadays it’s a bit<br />

more down to earth, sometimes I even<br />

Konstanz really<br />

feels like home to<br />

me, which is very<br />

important because<br />

I’m so far away<br />

from my family in<br />

Pakistan.<br />

go out in jeans. I do a lot of second-hand<br />

shopping. So that’s were my inspiration<br />

comes from.<br />

What is your least loved<br />

body part.<br />

Yolandi: Legs. I hate my legs. It’s contradictory,<br />

because I get the most compliments<br />

for my legs. Mostly from girls.<br />

I think there’s something like<br />

an unwritten rule. Most girls<br />

I know adore the legs of dragqueens<br />

even if they are not that<br />

pretty. That’s confusing.<br />

Yolandi: Absolutely.<br />

So what about your beard?<br />

Is that a signature?<br />

Yolandi: Yes, I never shave it off because<br />

I really like it and I feel so comfortable<br />

wearing it. I do not connect a beard to<br />

being male or female. It’s just something<br />

that suits my personality. It’s real, you<br />

know? My drag mother BangBang La-<br />

Desh also wears a really massive beard.<br />

And I love her style.<br />

Does Yolandi want to send a<br />

message? Do you have an agenda?<br />

Yolandi: Of course, yes. Be comfortable<br />

with yourself. Be fluid. Be divers. Be<br />

happy.<br />

Cool, that’so empowering <strong>–</strong><br />

I totally relate to that.<br />

Let’s do some quick questions.<br />

Your favourite colour?<br />

Yolandi: I love some very dark blue.<br />

Is Yolandi a party girl?<br />

Yolandi: She’s a social person <strong>–</strong> so yes.<br />

Is Yolandi a dancer?<br />

Yolandi: Yes.<br />

What kind of music does<br />

she enjoy?<br />

Yolandi: Mostly electronic dance music.<br />

Is Yolandi a strong person?<br />

Yolandi: Depends, but mostly yes.<br />

Besides from Yolandi Visser, are<br />

there idols?<br />

Yolandi: There are a number of Pakistani<br />

Idols, for example Begum Nawazish Ali.<br />

She was one of the first outspoken drag<br />

performers in national TV in Pakistan. She<br />

made a big impression on me as a teenager.<br />

Cool, I have to google her. So<br />

let’s talk about your life in<br />

Konstanz. Do you enjoy living<br />

here?<br />

Yolandi: A lot! I love the divers scene and<br />

all the unexpectedly open people here.<br />

This city has so much to offer in terms of<br />


INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

46


47<br />

INTERVIEW MIT YOLANDI STAHL<br />

culture. I also love the fact that itʼs so tiny<br />

and that you meet people you know accidentally<br />

when walking the streets. Konstanz<br />

really feels like home to me, which<br />

is very important because I’m so far away<br />

from my family in Pakistan.<br />

What are the dark sides of<br />

Konstanz?<br />

Yolandi: The winter. The weather.<br />

What’s your opinion about<br />

the local queer scene?<br />

Yolandi: It’s tiny but very nice. I would<br />

love to see more people participating in<br />

queer culture and engaging in queer formats<br />

and nightlife.<br />

Tell me about the new queer<br />

party you’re working on.<br />

Yolandi: It took place for the first time in<br />

January at Contrast. We did it together<br />

with Zebra Kino and people from the<br />

Queergestreift comittee. Our plan was to<br />

create an open and safe space for everyone<br />

and it worked out fine. There will be a party<br />

every three months. You better watch<br />

out, they’re gonna be awesome.<br />

When’s the next date?<br />

Yolandi: It will be the Queergestreift Opening<br />

Party. Since this one will be a bit bigger,<br />

it’s gonna take place in Kulturladen<br />

at Saturday, April 14th.<br />

Are there a lot of drag people<br />

attending the party?<br />

Yolandi: No, I haven’t seen any.<br />

That’s strange because the topic<br />

is quite big and gets bigger every<br />

year <strong>–</strong> at least in my little filter<br />

bubble. What do you think about<br />

the global rise of drag culture in<br />

the media? Are you a fan of formats<br />

like RuPaul’s Drag Race?<br />

Yolandi: No, I’m not really interested in<br />

this whole media phenomenon and TV<br />

shows. I just enjoy meeting other drag<br />

queens in real life. I remember staying at a<br />

friend’s place in Berlin, seeing all the drag<br />

queens walking the streets of Schöneberg<br />

and talking to them in bars. I really liked<br />

that. I’m not so much into social media<br />

and TV shows. I’m also a very sensitive person.<br />

I watched one season of RuPaul’s Drag<br />

Race and got really emotional when the<br />

queens were eliminated from the show.<br />

That was way too much for me.<br />

I understand the mixed feelings<br />

about it. In the end it’s just<br />

another casting show. But I’m<br />

totally into it. I love the diversity<br />

and weirdness on display <strong>–</strong> that’s<br />

so encouraging. And one has to<br />

say that they always get kicked<br />

out with maximum respect.<br />

Yolandi: That’s true.<br />

So, let’s come to the end.<br />

What are Yolandi’s plans for the<br />

near future?<br />

Yolandi: I really want to push the queer<br />

parties. And I’d love to do drag and awareness<br />

campaigns in Pakistan and Germany.<br />

I’m interested in drag politics and would<br />

love to devote myself even more.<br />

Awesome. Thanks so much for<br />

your time and for being so open<br />

Yolandi: You’re welcome.<br />

MORE<br />

INFORMATION<br />

→ email: yolandisthal@gmail.com<br />

→ web: queergestreift.com<br />

→ facebook.com/queerpartykonstanz


TOP SPEED 48<br />

Wir schreiben den<br />

26.12.2017. Zeischdig.<br />

Es ist 22:49 Uhr<br />

und ich sitze in einem<br />

urigen Häusle im<br />

Konstanzer Paradies...<br />

→<br />

Top Speed


49<br />

TOP SPEED<br />

LIEBESERKLÄRUNG<br />

AN DIE STADT<br />

UND DAS VELO<br />

TEXT — Jörg Straub<br />

ILLUSTRATION — Miriam Stepper<br />

Während der Feiertage, welche sich<br />

zeitnah dem Ende neigen, entschließe<br />

ich mich, einen Anlauf zu wagen. Den<br />

Anlauf etwas zu verfassen <strong>–</strong> einen Bericht,<br />

den ich in Eigenregie via akkumulator-betriebenem<br />

Laptop, auf dessen<br />

liquid crystal display für optische Organe<br />

sichtbar mache: eine Abbildung der<br />

Eindrücke, die ich während einer Fahrradfahrt<br />

durch die Konstanzer und<br />

Kreuzlinger Straßen machen werde.<br />

<strong>Die</strong> zum Ausdruck zu bringende Idee<br />

hat ihre Herkunft in der Drahtesel-<br />

Begeisterung, die mir seit einigen Jahren<br />

innewohnt und deshalb mit multipler<br />

Praktizierung behaftet ist. Sie entsprang<br />

eines Dummschwätzens meinerseits<br />

in Kombination der ad hoc Reaktion einer<br />

sich am selben Ort befindlichen Person.<br />

Zunächst Gelächter und et voilà <strong>–</strong> der Titel<br />

des Textes.<br />

Nach einer ausgedehnten Phase der<br />

mentalen Vorbereitung zwänge ich mich<br />

also in eine zwiebelschichtig aufgebaute<br />

Mehrlagenbekleidung, welche aus einer<br />

weitläufigen Textilvariation besteht, und<br />

mache mich auf den Weg zu meinem<br />

Vehikel-Fuhrpark der Begierde. <strong>Die</strong>ser<br />

befindet sich teils im Häusle und unmittelbar<br />

außerhalb dieses. Auch wenn<br />

die Konstanzer und Kreuzlinger Straßen<br />

zur jetzigen Jahreszeit einen eher ungenügenden<br />

Reibkoeffizienten zwischen<br />

dem kalten, leicht befeuchteten Asphalt<br />

und den mit 8 Bar beaufschlagten Continental<br />

Mänteln vorweisen, greife ich<br />

zum schnellsten Gefährt. <strong>Die</strong>ses Fahrrad<br />

ist einfach gesagt die Crème de la<br />

Crème, von der ich nur mit erheblichem<br />

Aufwand ablassen könnte. Jahreszeitund<br />

temperaturunabhängig.<br />

Was erwartet mich? Was sehe ich?<br />

Wen treffe ich? <strong>–</strong> sind Fragen, die mir<br />

während der Wartung meines Rads<br />

durch die zwei von meiner Mutter bereitgestellten<br />

Hemisphären schwirren.<br />

Jegliche Radkomponente respektive Baugruppe<br />

muss für die mitternächtliche<br />

Radtour funktionsbereit sein und alle<br />

laut Pflichtenheft festgelegten Funktionen<br />

in vollem Umfang erfüllen.<br />

Mit Schnabulazien ausgerüstet wage<br />

ich exakt 23 Minuten nach Mitternacht<br />

den Schritt in die dunkle Kälte. Der Himmel<br />

ist klar. Mein Atem ist zu sehen,<br />

während ich voller Vorfreude aufs Thermometer<br />

glotze: 274,15 Kelvin, wie der<br />

Amerikaner sagen würde. Eine Temperatur,<br />

die sich noch innerhalb des<br />

Rahmens meines selbst festgelegten Toleranzbereichs<br />

befindet. Als Startpunkt<br />

wähle ich das Konstanzer Schänzle,<br />

welches ich vor allem im Sommer, aber<br />

auch zu jeder anderen Jahreszeit als<br />

Aufenthaltsort präferiere <strong>–</strong> nicht zuletzt<br />

weil ich in dieser Gegend zu Hause bin.<br />

Jetzt im Winter ist hier, ob dunkel oder<br />

hell, kaum jemand zu sehen. Auch mal<br />

nett, wenn ich an die heißen Tage im Jahr<br />

denke, an denen sich gefühlt die halbe<br />

Menschheit auf der viel zu kleinen Uferpromenade,<br />

welche ein Stück entlang<br />

des Seerheins führt, ansammelt.<br />

Zuallererst pese ich nun die sehr eng<br />

gestaltete Spirale hinauf, um per Europabrücke<br />

auf der zum Bodensee gewandten<br />

Straßenseite den Rhein zu überqueren.<br />

Wie an allen anderen 364 Tagen im Jahr<br />

ist die Brücke vom Partyvolk durchschnittlich<br />

mit Glasscherben beschmutzt,<br />

weshalb ich während der Überquerung<br />

den Boden stets aufmerksam sondiere.<br />

Hin und wieder ein Blick gen beleuchtete<br />

Stadt. In Petershausen angelangt<br />

führt mich eine weitläufigere Spirale<br />

wieder nach unten, wodurch sich meine<br />

Position unwesentlich um wenige<br />

m.ü.d.M. verändert. Vorbei am Schotterparkplatz<br />

des Bodenseeforums, welcher<br />

bisweilen von einer Reihe Reisender als<br />

eine Art Campingplatz verwendet wird.<br />

Auf Höhe der Stadtwerke unterbreche<br />

ich den Fahrfluss und mache einen Abstecher<br />

zur Kantine. Dort herrscht tote<br />

Hose, wie sich einige Minuten später auch<br />

beim Berry’s herausstellt. Lediglich<br />

das ebenfalls dort angesiedelte „königliche<br />

Burgerrestaurant“ hat seine<br />

Fastfood-Pforten für jegliche mitternächtliche<br />

Hungersnöte geöffnet, die<br />

zumeist durch Konsum alkoholhaltiger<br />

Getränke etc. hervorgerufen werden.<br />

Ich spiele mit dem Gedanken, käuflich<br />

einen Burger zu erwerben und erinnere<br />


TOP SPEED 50<br />

mich an meinen Proviant. Mithilfe eines<br />

Hochgeschwindigkeitsstarts entferne<br />

ich mich aus dieser Ecke.<br />

Auf dem Weg zum Kula entscheide<br />

ich mich aufgrund des schnellen Starts,<br />

die entlang den Bahngleisen führende<br />

Straße bis zum Finanzamt zu nehmen.<br />

Das üblicherweise von Fußgängern und<br />

Radfahrern gut besuchte Sträßchen<br />

ist menschenleer. Am festgelegten Ziel<br />

angelangt fahre ich bis zum großen<br />

Kreisverkehr und wähle die Max-Stromeyer-Straße,<br />

von der ich bis zur Kreuzung<br />

Schneckenburg- und Markgrafenstraße<br />

nicht mehr ablasse. Vorbei am<br />

regionalen Tagesblättle sowie etlichen<br />

anderen Firmen und Etablissements<br />

bewege ich mich mitten auf der Straße<br />

rollend vorwärts, während ich ab und<br />

zu einen Blick auf die unzähligen Gebäude<br />

richte. Der überdurchschnittlich<br />

hohen Fortbewegungsgeschwindigkeit<br />

geschuldet muss ich zugeben, war<br />

mein Fokus bei diesem Tour-Abschnitt<br />

mehr auf mein eigenes Wohl gerichtet.<br />

Fatale Unebenheiten bezüglich der<br />

Asphaltbeschaffenheit sowie zahlreiche,<br />

zu tief eingelassene Kanalisationsschachtdeckel<br />

bedeuten herbe Schläge,<br />

die via Felge und Rahmen schließlich<br />

durch den Sattel direkt an mein Gesäß<br />

weitergeleitet werden.<br />

An der besagten Kreuzung biege ich<br />

Richtung Seerhein ab. Am Mediamarkt<br />

angelangt wähle ich die Hauptstraße, die<br />

mich auf direktem Wege zum Sternenplatz<br />

führt. <strong>Die</strong> leeren Straßen als auch<br />

die Kondition, die ich mir mühselig<br />

erarbeitet habe, treiben mich dazu an,<br />

weiterhin die gesamte Bandbreite der<br />

Straßenverkehrswege zu nutzen. <strong>Die</strong><br />

sich über Jahrhunderte im Wandel befindliche<br />

Rheinbrücke, die mehrmals<br />

in Brand gesetzt und zerstört wurde,<br />

wird von jeglichen Verkehrsmitteln<br />

gleichermaßen genutzt und ermöglicht<br />

mir die erneute Überquerung des Seerheins.<br />

Vorbei am Stadttheater und am<br />

Inselhotel weist mir die Konzilstraße<br />

den Weg zum namensgebenden Konzil,<br />

welches sich im letzten der vier Jubiläumsjahre<br />

anlässlich des vor 600 Jahren<br />

gewählten Papstes Martin IV befindet.<br />

Bei einem kurzen Abstecher zum Hafen<br />

fällt mir auch hier wieder auf, dass sich<br />

die Konstanzer Bürger wohl längst im<br />

Bett verkrochen haben müssen. <strong>Die</strong><br />

Unterführung Richtung Marktstätte<br />

bringt mich in die Altstadt. Aufgrund<br />

der engen, teils gepflasterten Gassen<br />

verweile ich dort nicht besonders lange.<br />

An Bahnhof und Lago vorbei biege ich<br />

in die Bodanstraße ab.<br />

Ganz zum Wohle des Titels erfolgt<br />

hier, wie so oft, eine hochfrequente<br />

Betätigung der 3-fach-Shimano-Kurbel,<br />

die wie beinahe alles andere am Gefährt<br />

aus kohlenstofffaserverstärktem<br />

Kunststoff besteht. <strong>Die</strong>ser Werkstoff<br />

lässt sich nur schlecht rezyklieren, was<br />

mich am Ende des Tages nicht davon<br />

abhält, seine hervorragenden mechanischen<br />

Eigenschaften für mich zu<br />

nutzen. Aufgrund von Geschwindigkeiten<br />

jenseits der 35 km/h fließt mir<br />

eine salzhaltige Flüssigkeit sukzessive<br />

aus den Augen. <strong>Die</strong>se kriecht entlang der<br />

Grenze zwischen Stirn- und Jochbeinregion<br />

bis hin zu meinen Schläfen. Meine<br />

Sicht verschwimmt mit den Lichtern,<br />

die aus ansässigen Geschäften und in<br />

Form von Laternen die Straße mit<br />

einer Wellenlänge im Bereich von 380<br />

bis 750 x 10 ^ (-9) Metern elektromagnetisch<br />

erhellen. Schön, denke ich mir und<br />

erreiche das Schnetztor. Einen Augenblick<br />

bin ich mir nicht sicher, wohin die<br />

weitere Reise gehen soll, und entscheide<br />

mich spontan für einen Abstecher ans<br />

Döbele. Insgeheim erwartete ich dort<br />

unseren Freund und Helfer, welcher<br />

vor allem bei Fernbusankünften häufig<br />

in diesem Territorium anzutreffen ist.<br />

Über den Parkplatz fahrend denke ich<br />

mir, dass die Ausnahme die Regel bestätigt<br />

und schlage den Weg Richtung<br />

Emmishofer Zoll ein. Ein Katzensprung<br />

liegt zwischen Konstanz und Kreuzlingen<br />

und dennoch, glaube ich, ist diese<br />

Stadt vielen Konstanzern fern.<br />

Den unbesetzten Zoll überquerend<br />

fahre ich der Nase nach entlang der<br />

Konstanzerstrasse bis zu einer Unterführung,<br />

die eine direkte Anbindung<br />

zum Gleis des Kreuzlinger Bahnhofs<br />

bietet. Aus den Tiefen des Tunnels<br />

emporkommend biege ich in die Bahnhofstrasse<br />

ab. <strong>Die</strong>se führt mich auf<br />

direktem Wege zum Helvetiaplatz, von<br />

dem aus ich über die Hauptstrasse<br />

zum Bärenplatz fahre. Da Kreuzlingen<br />

keinen historischen Stadtkern besitzt<br />

und generell sehr zerstreut ist, tue ich<br />

mich bezüglich anzufahrender Ziele<br />

etwas schwer. Selbst kenne ich ebenfalls<br />

wenige Ecken und trotzdem mehr als<br />

manch anderer. <strong>Die</strong>s ist primär meiner<br />

Entdeckungslust und sekundär denen<br />

geschuldet, die in der nahen Schweiz<br />

leben und sich über die Jahre zu sehr<br />

guten Freunden entwickelt haben.<br />

Wie auch schon während der Tour<br />

durch Konstanz begegne ich wenigen<br />

bis keinen Menschen. Bei einer kleinen<br />

Pause kommt mir der Horst Klub in<br />

den Kopf geschossen, was mich dazu<br />

bewegt, als nächstes dorthin zu<br />

fahren. Aufgrund der hohen Veranstaltungsdichte<br />

hoffe ich, eine Steigung<br />

herabrollend, auf einige Party People<br />

zu treffen. Fehlanzeige. Aufgrund eines


aufkommenden Schauers entscheide<br />

ich mich für den Heimweg. Nicht weil<br />

ich aus Zucker bestehe und drohe mich<br />

aufzulösen. <strong>Die</strong> Flucht vor dem nassen<br />

Medium erfolgt aus Gründen der Materialschonung<br />

bezüglich der korrosiven<br />

Eigenschaften des verdreckten Salzwassers,<br />

welches sich durch den Niederschlag<br />

ergibt. Wie so oft steht das eigene<br />

Wohlergehen an zweiter Stelle, auch<br />

wenn dies keinen Sinn ergibt und ich mich<br />

deshalb immer wieder aufs Neue<br />

wundere, wie der Mensch ticken kann.<br />

51<br />

geschenke.<br />

besonderes.<br />

nachhaltig.<br />

regional.<br />

fair.<br />

Wieder zurück im urigen Häusle reflektiere<br />

ich die Fahrt und komme zu<br />

dem Schluss, dass es wohl der falsche Tag<br />

war, um sich zu einer unüblichen Uhrzeit<br />

via Drahtesel durch die Straßen zu<br />

manövrieren. Sämtliche Einwohner<br />

und Besucher, die sich dafür entschieden,<br />

über die Feiertage in dieser schönen<br />

Gegend am noch schöneren Bodensee<br />

zu verweilen, waren wohl in ihren<br />

Löchern verschwunden. Da war ich einer<br />

der wenigen oder auch vielen für mich<br />

unsichtbaren Menschen, die sich eventuell<br />

in den Straßen befanden, welche<br />

ich mit meinen „runden Schuhen“ nicht<br />

zu betreten wagte. Nichtsdestotrotz<br />

fahre ich einfach gerne Rad. Mit Freude<br />

so wie an diesem Abend <strong>–</strong> durch eine<br />

menschen- und autoleere Stadt, in der<br />

mich keiner einzugrenzen scheint.<br />

zwischen münster und landgericht.<br />

gerichtsgasse 6 _ 07531 2842930<br />

KONSTANZ<br />

blässhuhn.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Für Jörg ist die Nacht eine Spritztour<br />

unter der Milchstraße. Der Ingenieur<br />

liebt sein Rennrad und pest<br />

damit gerne zu seinen Lieblingsbänken<br />

an den Kreuzlinger Gleisen.<br />

Verbleibende Zeit zwischen dem<br />

Konsum von Hawkings Zeilen über<br />

die Zeit druckt er in 3D, spaziert<br />

auf Händen durch die Felder der<br />

Physik und Technik oder tauscht<br />

das Speed Bike gegen ein Brett auf<br />

der Miniramp am Schänzle.


DREI STREIFEN IN DER SENDI 52<br />

→<br />

EIN DATE MIT DEN<br />

EIGENEN VORURTEILEN<br />

Drei<br />

Streifen<br />

in der<br />

Sendi


53 DREI STREIFEN IN DER SENDI<br />

TEXT — Jehona Miftari<br />

FOTO — Lukas Engel<br />

<strong>Die</strong><br />

Stadt träumt, nur Workaholics<br />

kriechen durch den Nebel nach Hause.<br />

In den Straßen herrscht die Nacht. Zwischendurch Gelächter<br />

aus Kneipentüren, auf ’ne Kippe draußen, ansonsten still.<br />

Dort ein großes Schaufenster, Sendibad. Das Diskutieren wird lauter,<br />

fruchtiger Rauch trägt das lila-blaue Licht auf die Straße. Kanakentreff? Da<br />

geh’n wir rein! Was? Euer Ernst? Ich, zwischen Murats, Kushtrims und Yacines?<br />

Meine Fairkauf-Couture zwischen Adidas-Trainingsanzügen? Drei Streifen dürfen in keiner<br />

Balkangarderobe fehlen. Wir quetschen uns durch die Menschenmenge. Hinterste Ecke.<br />

Lounge für zehn? 14 Leute teilen sich vier Köpfe. Und ich mittendrin. Hey, könnt Ihr Platz für die<br />

Jungs machen? Was? Traube Minze. Habt ihr auch Tee? Ja, aber das ist zu lang. Viel los heute. Dann<br />

Eistee Pfirsich. Mach uns eine Shisha-Spezial. Weiße Sneaker auf dunklem, abgetretenem Boden.<br />

Schwarze Holztische mit eingeritzten Initialen. Rauch, der den Raum füllt, uns umhüllt. Kein Sessel passt<br />

zum anderen. Und schon gar nicht zur Lounge. Mix and Match. <strong>Die</strong> Kissen, marokkanisch rot-schwarz-gold.<br />

Schwarz-Rot-Gold? Brandflecken und Asche überall. <strong>Die</strong> Jungs streamen Musikvideos auf dem Flatscreen.<br />

Kanaken-Rap vom Feinsten. Auf YouTube. Ernsthaft? Warte mal, auf Albanisch? Das hab’ ich seit 2012 nicht<br />

mehr gehört. Back to the roots. Ok, hier ist also the place to be für die Diaspora. Der Kellner ist ursprünglich aus<br />

dem Iran, die Jungs vorne offensichtlich Albaner, die Jungs, die dazugekommen sind, Italiener <strong>–</strong> Juventus-Fans.<br />

Das Mädchen neben mir Deutsche. Identitätenmischung, fruchtig-bunt. Nicht auf Lunge, nur in den Mund.<br />

Aha. Ok, warte, Snapchat den Smoke. Limette-Minze, rauchig-kühl <strong>–</strong> scharfer Kaugummi in der Kälte. Wie<br />

schaffen die anderen so viel Rauch? Was schreit der Typ so? Das ist Kushtrim, der redet mit Yacine. Durch die<br />

ganze Bar?! Ist wie ein großes Wohnzimmer hier, jeder kennt jeden, heute war Champions League. Ok, nicht<br />

viel anders, als zum Fußball auf ein Bier in der Eckkneipe. Das da vorne ist der Chef. Der raucht acht Köpfe am<br />

Tag. Acht Köpfe! Stabil. Mir tut schon nach drei Zügen der Kopf weh und der killt acht Dinger allein. Krass.<br />

Der ganze Rauch hier benebelt voll. Das Babylonposter sieht richtig nice aus. <strong>Die</strong> ganze Wand bemalt.<br />

Im Shishanebel verschwimmt Wüste. Kamele in erdigen Tönen und eine Frau in schwarzem Gewand.<br />

Stimmt eigentlich schon, ist wie ’n großes Wohnzimmer. Sitzecke improvisiert, Tische zerfetzt, der<br />

Kellner spricht kaum Deutsch. Aber das macht das Ganze gerade so gemütlich: Es ist echt <strong>–</strong><br />

die Menschen sind echt. Redbull für mich bitte. Eins, zwei, drei, vier Dosen aufm Tisch. Was<br />

dem Deutschen sein Bier, ist dem Kanaken sein Redbull. Und ob du jetzt mit deiner<br />

hamburgstyle Matrosenmütze hinter deinem Macbook im Café deinen Flat-<br />

White aus der upcycleten Kaffeesatztasse schlürfst, oder ob du mit deiner<br />

goldenen Adlerkette über den drei Streifen in deiner rechten<br />

Hand das iPhone X und in der linken den Shishaschlauch<br />

hältst, während du dein viertes Redbull killst <strong>–</strong><br />

ist das so anders? Same shit, different<br />

location…<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Als Frau von Welt mit albanischen<br />

Wurzeln fühlt sich Jehona auf vielen<br />

Böden zuhause. Beim einstweiligen<br />

Betreten einer Sishabar ertappte<br />

sie sich aber dann doch selbst bei<br />

vorgekauten Vorurteilen. Wenn der<br />

glanzvolle Sternenhimmel der Sonne<br />

weicht, schreibt, trainiert, studiert<br />

und diniert sie mit Feinschmeckerleidenschaft.


WENN KONSTLINGEN ...<br />

54<br />

→<br />

GEDANKEN-<br />

EXPERIMENT<br />

RUND UM EINEN<br />

GEMEINSAMEN<br />

BAHNHOF<br />

Wenn<br />

Konstlingen<br />

über Nacht<br />

zum Leben<br />

erwacht<br />

TEXT — Florian Roth<br />

INFOGRAFIK — Isabell Schmidt<br />

FOTOS — Annabelle Höpfer<br />

Was wäre, wenn es Konstanz und<br />

Kreuzlingen nicht gäbe? Sondern<br />

nur eine große Stadt <strong>–</strong> nennen wir<br />

sie mal „Konstlingen“. Wie würde<br />

das Leben in Konstlingen ablaufen?<br />

Welche Orte würden aufblühen<br />

und welche an Bedeutung verlieren,<br />

lösten sich die Landesgrenzen,<br />

die die größte Agglomeration am<br />

Bodensee heute zerteilen, auf<br />

einmal über Nacht auf?


55<br />

WENN KONSTLINGEN ...<br />

Veränderungen brauchen<br />

Utopien<br />

Auf den ersten Blick mag ein solches<br />

Gedankenexperiment recht realitätsfern<br />

erscheinen. Schließlich sind in der<br />

Politik <strong>–</strong> hüben wie drüben <strong>–</strong> gegenwärtig<br />

doch eher Grenzzäune en vogue,<br />

um unsere kleine, ach so heile Welt<br />

vor all dem Übel da draußen zu schützen.<br />

Ein Blick in die Geschichte der Region<br />

zeigt jedoch, dass auf Phasen der Entfremdung<br />

und Abschottung auch immer<br />

wieder Phasen des Zueinanderfindens<br />

und der Offenheit folgten. Genau betrachtet<br />

war ein reger sozialer, wirtschaftlicher<br />

und kultureller Austausch sogar<br />

eher der Normalfall als die Ausnahme.<br />

So engagierten sich beispielsweise noch<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele<br />

Kreuzlinger in Konstanzer Vereinen und<br />

andersherum. <strong>Die</strong> Narrenzünfte waren<br />

bunt durchmischt und auch grenzüberschreitende<br />

Ehen weitaus häufiger<br />

als heute.<br />

Erst mit dem Ersten Weltkrieg versiegten<br />

viele Verbindungen. Ab 1939<br />

wurden beide Städte zudem durch einen<br />

Zaun getrennt. Wie Arnulf Moser<br />

schreibt, war dessen Wirkung auf die<br />

lokale Bevölkerung in erster Linie psychologischer<br />

Art: „Mit dem unmittelbaren<br />

Nachbarschaftsverhältnis hat der Zaun<br />

schon lange nichts mehr zu tun, vielleicht<br />

nie etwas zu tun gehabt, vielleicht<br />

hat er aber auch umgekehrt durch<br />

seine Existenz das Bewusstsein der<br />

Nachbarschaft negativ beeinflusst und<br />

zur Distanz beigetragen.“ In den folgenden<br />

Jahrzehnten gingen beide Städte<br />

und die in ihnen lebenden Menschen zumeist<br />

getrennte Wege, wenn man<br />

vom eher zweckmäßigen Arbeits- und<br />

Konsumtourismus einmal absieht. Zwar<br />

wurde der letzte Teil des Grenzzauns<br />

im Jahr 2006 abgebaut, doch der „Zaun<br />

im Kopf“ 1 , wie Mosers lesenswerte<br />

Geschichte der Konstanz-Kreuzlinger<br />

Grenze heißt, hält sich weiterhin hartnäckig.<br />

Ob sich dies auch wieder ändern<br />

oder gar ein Konstlingen entstehen<br />

kann, hängt nicht zuletzt von unserer<br />

eigenen Vorstellungskraft ab. Denn am<br />

Anfang von großen Veränderungen<br />

stehen häufig Utopien. →<br />

Florian hat für <strong>NUN</strong>, die Vision<br />

eines gemeinsamen Bahnhofs<br />

schon mal Realität werden lassen,<br />

mit der Modelleisenbahn seines<br />

Großvaters.


WENN KONSTLINGEN ...<br />

56<br />

Orte im Abseits<br />

Versuchen wir uns also einmal vorzustellen,<br />

es gäbe Konstlingen schon. Wo<br />

wäre das kulturelle und soziale Zentrum,<br />

der Dreh- und Angelpunkt der neuen<br />

Stadt am See? <strong>Die</strong> Frage führt uns an<br />

Orte, die heute eher im Abseits liegen.<br />

Es ist übrigens kein Zufall, dass die<br />

meisten unbebauten Flächen direkt auf<br />

Schweizer Seite der Grenze liegen.<br />

Im Mittelalter ließ sich Konstanz vertraglich<br />

zusichern, dass keine Gebäude auf<br />

Schweizer Seite gebaut werden dürfen,<br />

die im Falle eines Angriffs auf die Stadt<br />

das Schussfeld der Konstanzer Kanonen<br />

verstellen könnten. Zugleich scheinen<br />

diese Orte heute nur darauf zu warten,<br />

aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst<br />

zu werden.<br />

Ein solcher Ort im Dornröschenschlaf<br />

ist das Gleisdreieck zwischen den<br />

Bahnhöfen Konstanz, Kreuzlingen<br />

und Kreuzlingen Hafen. Nur einen Steinwurf<br />

entfernt vom schönen Seeufer.<br />

Linksliegen gelassen von den zehn Millionen<br />

Besuchern, die Jahr für Jahr ins<br />

Lago Shopping-Center strömen. Während<br />

ringsherum die Grundstückspreise<br />

verrücktspielen und doch gebaut wird,<br />

als gäbe es kein morgen mehr, macht<br />

es sich das Gleisdreieck im Auge des<br />

Sturms erstmal gemütlich.<br />

Dabei hat es nie an Ideen gemangelt,<br />

wie man diesen Ort aus seinem Schattendasein<br />

herausholen könnte. Einen<br />

tollen Einblick in die unterschiedlichen<br />

Entwicklungsmöglichkeiten für das<br />

Gebiet und deren städtebauliche Bedeutung<br />

bietet der Wettbewerb Europan 2 ,<br />

bei dem sich im Jahr 2013 zahlreiche<br />

junge Architekten aus ganz Europa das<br />

Gebiet um Klein-Venedig vorknöpften.<br />

<strong>Die</strong> Vorschläge reichten von Gemeinschaftsgärten<br />

bis hin zu schwebenden<br />

Promenaden. Umgesetzt wurde davon<br />

(bislang) leider so gut wie nichts.<br />

Das kleine Gleisdreieck<br />

wartet<br />

<strong>Die</strong> vielleicht naheliegendste Idee<br />

für das Gleisdreieck <strong>–</strong> den Irrsinn<br />

von drei Bahnhöfen nebeneinander<br />

durch einen Gemeinschaftsbahnhof an<br />

zentraler Stelle zu beenden <strong>–</strong> wurde<br />

in den letzten Jahrzehnten immer wieder<br />

diskutiert und hatte durchaus auch<br />

politische Unterstützer, sowohl auf Kon-<br />

stanzer als auch auf Kreuzlinger Seite.<br />

Doch alle Anläufe zur Realisierung<br />

der Idee scheiterten, wahrscheinlich<br />

weniger an technischen Problemen<br />

oder Finanzfragen als an nationalen<br />

Egoismen sowie einem Mangel an gemeinsamen<br />

Visionen. So liegt das kleine<br />

Gleisdreieck da und hofft, dass seine<br />

Zeit doch noch kommen wird.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Seit Florian eines sonntagnachts<br />

gegen 0:58 Uhr das Licht der Welt<br />

erblickte, macht er immer mal wieder<br />

gern die Nacht zum Tag. Seine „regulären“<br />

Tage verbringt der gelernte<br />

Politikwissenschaftler zumeist in<br />

Zürich, wo er zu unterschiedlichen<br />

Krisen und Katastrophen in der Welt<br />

forscht. Zu seinen Lieblingsorten<br />

auf dem Weg dorthin zählen die Lichtung<br />

der 100 Rehe, die Badestelle<br />

zwischen Hasli und Hüttlingen - und<br />

natürlich das kleine Gleisdreieck!


57<br />

WENN KONSTLINGEN ...<br />

2<br />

1<br />

4<br />

3<br />

5<br />

Das kleine Gleisdreieck<br />

8<br />

1 <strong>–</strong> Bahnhof Konstanz<br />

2 <strong>–</strong> Hafen/Hafenhalle Konstanz<br />

3 <strong>–</strong> Lago Shopping-Center Konstanz<br />

4 <strong>–</strong> Sea Life<br />

5 <strong>–</strong> Zollamt Konstanz-Kreuzlinger Tor<br />

6 <strong>–</strong> Bahnhof Kreuzlingen<br />

7 <strong>–</strong> Pädagogische Hochschule Thurgau<br />

8 <strong>–</strong> Kreuzlinger Hafen<br />

6<br />

7<br />

ANSTÖSSE ZUM NACH-<br />

UND WEITERDENKEN<br />

1) Moser, Arnulf (2014), „Der Zaun im<br />

Kopf: Zur Geschichte der deutschschweizerischen<br />

Grenze um Konstanz“,<br />

Hartung-Gorre Verlag.<br />

2) Europan (2013), Europan 12 <strong>–</strong> Adaptable<br />

City Ergebnisse des Wettbewerbs:<br />

→ tinyurl.com/y9mvhnd4<br />

Ackermann, Kathrin et al. (2012), „Zusammenleben<br />

in Konstanz und Kreuzlingen“,<br />

Forschungsbericht Universität Konstanz<br />

→ tinyurl.com/ybbon2d3


DIE SCHWIMMENDE BRÜCKE 58<br />

Es ist Nacht. Es ist kalt. Dicker<br />

Nebel umhüllt die „Konstanz“.<br />

Ein eisiger Wind weht über dem<br />

unruhigen schwarzen Bodensee.<br />

Müde Gestalten sitzen im<br />

Fahrgastbereich, von kaltem<br />

Neonlicht beschienen. Immerhin<br />

ist es dort wärmer.<br />

→<br />

<strong>Die</strong><br />

schwimmende<br />

Brücke


59<br />

DIE SCHWIMMENDE BRÜCKE<br />

EIN<br />

SCHIPPERNDES<br />

PORTRAIT<br />

TEXT — Carolin Frömel<br />

ILLUSTRATION — Annabelle Höpfer<br />

Meersburg. Eine Gruppe Jugendlicher betritt verdächtig schwankend<br />

die Fähre. „Jetzt ist die Zeit, in der die Betrunkenen unterwegs<br />

sind“, meint Langenstein. „<strong>Die</strong> sind schon manchmal unangenehm,<br />

da muss man dann energisch sein.“ Mit einem Schmunzeln<br />

erzählt er von einem Alkoholisierten, der im Winter über die<br />

Ladebrücke ging, um die gerade losgefahrene Fähre noch zu<br />

erreichen. Bedauerlicherweise lief er geradezu in den eiskalten<br />

See. In Sommernächten seien alle freizügiger, „da geht es schon<br />

mal im Auto ab.“ Es kam auch schon vor, dass Hochschwangere<br />

eilig auf dem Weg ins Krankenhaus waren. „Ein werdender Vater<br />

wollte sogar sein Kind nach dem Kapitän benennen.“ Mittlerweile<br />

bin ich ziemlich durchgefroren. Dem Personal scheint die<br />

Kälte nichts auszumachen, keiner trägt Mütze oder Handschuhe.<br />

„Heute geht es mit der Temperatur“, erklärt Langenstein. Um 3 Uhr<br />

nachts mache ich mich schließlich auf den Heimweg. Ich blicke<br />

der Fähre nach, die langsam im Nebel verschwindet.<br />

Seit 1975 zieht sie <strong>Stunde</strong> für <strong>Stunde</strong> ihre Bahnen zwischen<br />

Konstanz Staad und Meersburg. So auch heute. Vor Mitternacht<br />

ist viel los an diesem Freitagabend. „Ist das immer so?“,<br />

will ich von <strong>Die</strong>tmar Langenstein wissen. Seine Augen sind von<br />

vielen Lachfalten umringt. Er ist Maschinist auf der Fähre und<br />

sorgt dafür, dass die Technik funktioniert und das Schiff optimal<br />

beladen wird. Gleichzeitig übernimmt er auch die Rolle<br />

des Kassierers. Viel zu tun. „Freitags ist immer recht viel los,<br />

aber zur Zeit sind auch Besucher des Weihnachtsmarktes unterwegs“,<br />

sagt er. Der Kapitän Heinz Scheucher kommt dazu,<br />

um bei der Einweisung der Autos zu helfen. Er macht ein paar<br />

Scherze mit dem Kollegen und geht dann ins Führerhaus. Hier<br />

bietet sich eine beeindruckende Perspektive. Mittlerweile hat<br />

sich der dichte Nebel aufgelöst und nur über der Wasseroberfläche<br />

hängt noch ein dünner Rest. „Seerauch“, sagt der Kapitän.<br />

Allmählich verliere ich durch das ständige Hin und Her die Orientierung.<br />

Wo bin ich? In Konstanz oder Meersburg? Der Kapitän<br />

ist daran gewöhnt. Seit dreißig Jahren arbeitet er schon<br />

als Steuermann auf der Fähre. „Mir macht keiner mehr was vor“,<br />

meint er und schaut konzentriert auf die Armaturen. Scheucher<br />

ist gelernter Automechaniker und wusste schon mit vierzehn<br />

Jahren, dass er einmal aufs Schiff möchte. <strong>Die</strong> Nachtschicht<br />

von 21 Uhr bis 5 Uhr in der Frühe findet Scheucher nicht besonders<br />

anstrengend. Zweimal im Monat muss jeder Mitarbeiter<br />

nachts ran. Schlimmer sei die Frühschicht ab 5 Uhr, da man<br />

da mitten in der Nacht aufstehen müsse. „Vor allem im Alter<br />

schlaucht das“, sagt er. Langenstein ist an Deck beim Kassieren.<br />

„Noch jemand ohne Fahrschein?“, der vertraute Satz der Kontrolleure.<br />

Eine Frau streckt ihm das Ticket entgegen und lässt<br />

es abstempeln. Wir gehen zusammen in den Maschinenraum,<br />

der sich unter dem Deck der Fähre befindet. Herr Langenstein<br />

legt seine Jacke ab und setzt Ohrenschützer auf. Als er die Tür<br />

aufmacht, umhüllt uns der Lärm der wummernden Motoren.<br />

Eine Unterhaltung fällt schwer. Er deutet auf zwei riesige Motorenblöcke<br />

und überprüft ihre Werte am Monitor. Ein Traum<br />

für Technikbegeisterte! Das Schiff legt mit dem typischen Ruckeln<br />

an.<br />

INFO<br />

<strong>Die</strong> Reportage entstand im<br />

Jahr 2014. Mittlerweile<br />

schippern Herr Langenstein<br />

und Herr Scheucher nur noch<br />

privat über den See, waren<br />

aber viele Jahre Teile der Crew.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Carolin liebt das Geheimnisvolle, Mystische<br />

der dunklen Tageshälfte,<br />

wenn Zeit und Raum verschwimmen.<br />

Ansonsten liegt sie gerne am Ufer<br />

im Grünen und betrachtet das Schaukeln<br />

der Wellen.


DIE SCHWIMMENDE BRÜCKE<br />

60<br />

EINE INFOGRAFIK<br />

IN WORTEN<br />

↔ <strong>Die</strong> Strecke wird auch „Schwimmende Brücke“ genannt,<br />

da sie Teilstücke der B33 verbindet ↔ sie erspart 65 km<br />

Weg um den See herum <strong>–</strong> so werden jährlich rund 80 Mio.<br />

Fahrzeugkilometer auf der Straße eingespart ↔ 6 Fährschiffe<br />

pendeln auf dieser Strecke ↔ fährt 365 Tage im<br />

Jahr ↔ 4,2 Mio./p. a. beförderte Fahrgäste ↔ 1,4 Mio./p.<br />

a. beförderte PKW ↔ 0,36 Mio./p. a. Motor- und<br />

Fahrräder ↔ verkehrt non-stop auch in der Nacht<br />

noch mind. einmal pro <strong>Stunde</strong> ↔ Webcams<br />

der Stadtwerke streamen die beiden<br />

Abfahrtshäfen und übertragen die<br />

Warteschlange live ins<br />

Netz.


61<br />

DIE SCHWIMMENDE BRÜCKE<br />

Kunstraum Kreuzlingen<br />

Thurgauische Kunstgesellschaft<br />

Kunstraum<br />

Maya Bringolf<br />

Skulpturen<br />

Tiefparterre<br />

Céline Brunko<br />

Videoinstallation<br />

QUELLEN<br />

Ausstellungen<br />

4. Mai <strong>–</strong> 1. Juli 2018<br />

Doppelvernissage, Freitag, 4. Mai um 19.30 Uhr<br />

Stadtwerke Konstanz (Stand: 17.01.2018):<br />

„Zahlen und Fakten 2016. Stand Juli 2017 (Pdf)“<br />

→ tinyurl.com/ya584x9j<br />

„Stadtwerke Konstanz in Zahlen“<br />

→ tinyurl.com/y9bym5cr<br />

Konzert-Performance, Grill<br />

Samstag, 30. Juni ab 20.00 Uhr mit Antipro, Winterthur<br />

Weitere Veranstaltungen: www.kunstraum-kreuzlingen.ch<br />

Kunstraum Kreuzlingen, Bodanstrasse 7a<br />

Fr 15<strong>–</strong>20 Uhr, Sa und So 13<strong>–</strong>17 Uhr


SCHERE, STEIN, BETON<br />

62<br />

Schere,<br />

Stein,<br />

Beton<br />

→<br />

PORTRAIT EINER STRASSE<br />

UND IHRES FRISEURS


63 SCHERE, STEIN, BETON<br />

TEXT — Hannah Frontzek<br />

FOTOS — Ines Njers<br />

Alles schläft, einer wacht. Während die restliche Steinstraße<br />

in Dunkelheit getaucht ist, bleibt ein Raum hell erleuchtet,<br />

hellwach: Der Friseursalon von <strong>Die</strong>ter Böttcher. Es ist die<br />

Hausnummer 11, gleich zu Beginn der Straße. Der ebenerdige<br />

Laden an der Ecke tritt aus der Hauswand hervor und hebt<br />

sich damit von der sonst so anständigen, rechteckigen Architektur<br />

der Straße ab. Um ihn herum Plattenbauromantik<br />

und Kasernenflair. <strong>Die</strong>ter Böttchers Friseursalon scheint die<br />

Straße in eine vergangene Zeit zu transformieren, immerhin<br />

feiert er dieses Jahr sein 55-jähriges Jubiläum. Doch nicht nur<br />

zeitlich stellt der Salon einen Kontrast zur Steinstraße dar,<br />

auch mit seinem bunten Mix aus verschiedenen Dekorationselementen<br />

bildet er einen Gegensatz zu seinem teils tristen,<br />

grauen Umfeld. Ein paar Häuser weiter findet sich eine ehemalige<br />

französische Militärkaserne aus dem 1. Weltkrieg, die<br />

einen noch früheren Meilenstein der Steinstraße bildet.<br />

Ohne den Laden hätte die Straße keine Bedeutung, erinnert<br />

sich der Besitzer an die Worte eines alten Freundes.<br />

Immerhin ist der Friseursalon unter Wohnhäusern, zwei Schulen<br />

und einem Asylbewerberheim das einzige Geschäft in der<br />

Steinstraße und mit seinen ausgeleuchteten Schaufenstern<br />

zudem ein Raum, der zu später <strong>Stunde</strong> noch Leben und Dynamik<br />

in die Straße bringt und sie in helles, blinkendes Licht<br />

taucht. Schüler, Studenten und Senioren <strong>–</strong> <strong>Die</strong>ter Böttcher<br />

kennt die Bewohner der Straße, und sie kennen ihn. So ist der<br />

Friseursalon nicht nur bekannt in seiner Straße, sondern in<br />

ganz Konstanz, was vor allem an seinem ausgefallenen Äußeren<br />

liegen mag sowie an dem ebenso berühmt-berüchtigten<br />

Besitzer. <strong>Die</strong>ter Böttcher ist gemeinsam mit seinem Salon<br />

gealtert, und dennoch wirken beide, als hätten sie noch nicht<br />

genug getanzt und bewegen sich weiter im Takt der Zeit.<br />

Als Friseur dritter Generation ist der Salon <strong>Die</strong>ter Böttchers<br />

Berufung, und trotzdem steckt hinter seinem Laden sowie<br />

hinter seiner Person weitaus mehr. Als Sohn einer erfolgreichen<br />

und angesehenen Friseurin besuchte er schon immer<br />

gerne große Veranstaltungen und bewegte sich in guten Kreisen.<br />

Er ist ein Mann der Geselligkeit; das lassen das Leuchten in<br />

seinen Augen und das zufriedene Lächeln vermuten, während<br />

er einen Schwank aus seinem Leben erzählt. Kein Kunde<br />

oder Besucher verlässt den Laden ohne ein ausgiebiges Gespräch,<br />

das noch lange in Erinnerung bleibt.<br />

Der aus einem Raum bestehende Salon wirkt klein aber<br />

eindrucksvoll. Mit seiner aufwendig gestalteten Schaufensterdekoration<br />

und Innenausstattung zieht der Laden Tag und<br />

Nacht Blicke auf sich. Doch gerade in den dunklen <strong>Stunde</strong>n<br />

des Tages ist der Salon die Attraktion der Straße mit seinem<br />

Schauspiel aus Lichterketten und einem Arrangement aus<br />

Wohnzimmerlampen in den verschiedensten Größen und<br />

Designs. Ein heimeliger, einladender Ort, der vielmehr an ein<br />

Wohnzimmer erinnert als an einen Friseursalon. Gewissermaßen<br />

ist dieser Raum eine Mischung aus Wohnzimmer und<br />

Geschäft, ein „Ort der Begegnung“, wie <strong>Die</strong>ter Böttcher ihn<br />

nennt. In der Ecke steht ein schwarzer Flügel, daneben eine Kommode<br />

und gegenüber am Fenster ein Sessel, in dem meist<br />

der Herr des Salons zu finden ist <strong>–</strong> mit einem Buch in der Hand<br />

oder die Straße überblickend und gelegentlich bekannten<br />

Gesichtern zuwinkend. Auf dem Boden sind bunte Teppiche<br />

ausgelegt, Bilder von Begegnungen mit Freunden und Berühmtheiten<br />

zieren die Wände. Der Raum strahlt geradezu<br />

in allen Farben, was vor allem an den vielen Blumen und<br />

kleinen Details liegen mag, die im Raum verteilt Leben in den<br />

manchmal so sterilen Ort eines Friseursalons bringen. Dekoriert<br />

und ausgestattet wurde der Laden von dem Besitzer<br />

selbst, dessen Charakterzüge sich im Aussehen des Ladens<br />

widerzuspiegeln scheinen.<br />

Über dem Eckladen prangt ein ebenfalls hell erleuchteter<br />

Schriftzug mit dem Namen des Salons: Coiffeur. Kein zufällig<br />

gewählter Name, denn der Friseursalon befindet sich in<br />

Petershausen, einem ehemals französischen Viertel. Aus<br />

diesem Grund hat sich <strong>Die</strong>ter Böttcher 1963 für den Standort<br />

seines Ladens entschieden und wurde damit zum Friseur<br />

des Vertrauens der ansässigen Französinnen; besonders für die<br />

anstehenden Bälle, die ein paar Häuser weiter in derselben<br />

Straße stattfanden. Jeden Tag war der Salon besucht von Französinnen<br />

und jeden Tag waren es um die 65, erzählt Böttcher.<br />

Mit dem Abzug der französischen Truppen im Jahre 1967<br />

erlebte <strong>Die</strong>ter Böttcher einen unerwarteten Umbruch. Da<br />

die französischen Damen sowohl seine Kundschaft als auch<br />

seine Angestellten ausmachten, stand der Ladenbesitzer<br />

damit vor einem Neuanfang: Keine Mitarbeiter, keine Kunden.<br />

Und keine Kunden bedeutete keine Arbeit. Doch er entschied<br />

sich, alleine weiterzumachen <strong>–</strong> so ist der Friseursalon seitdem<br />

ein Ein-Mann-Betrieb. Vielleicht ist es gerade das, was den<br />

Charme des Geschäfts ausmacht: ein Friseur und sein Hund<br />

in einem skurrilen Salon, in dem Kundschaft, Fremde und<br />

Freunde täglich ein- und ausgehen <strong>–</strong> sei es für einen neuen<br />

Haarschnitt oder einfach nur für ein Gespräch. Denn obwohl<br />

der Friseur offiziell sein Handwerk niedergelegt hat, kann er<br />

es nicht lassen, ab und an wieder Schere und Kamm in die<br />

Hand zu nehmen und ausgewählten Kunden oder Freunden die<br />

Haare zu schneiden. So zeigt der stets nachts beleuchtete<br />

Laden: Wo andere aufgegeben hätten, hat <strong>Die</strong>ter Böttcher eine<br />

Chance gewittert, die er nie bereut hat.<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Hannah ist eine echte Eule. Kaum<br />

senkt sich die Nacht auf den Nebel,<br />

beginnt ihre Hochphase und so blickt<br />

sie im nächtlichen Flow oft auf das<br />

benachbarte leuchtende Auge der<br />

Steinstraße.


SCHERE, STEIN, BETON<br />

64


Mehr als ein halbes Jahrhundert<br />

steht hier schon <strong>Die</strong>ter Böttchers<br />

Salon. Ein lebendiger Ort, an dem<br />

Kundschaft, Fremde und Freunde<br />

ein- und ausgehen.<br />

65 SCHERE, STEIN, BETON


SCHERE, STEIN, BETON<br />

66


67 SCHERE, STEIN, BETON


SCHERE, STEIN, BETON<br />

68


Wo einst französische Soldaten<br />

stationiert waren, leben<br />

heute Studenten Tür an Tür.<br />

69 SCHERE, STEIN, BETON


SCHERE, STEIN, BETON<br />

70<br />

Steinblau und Himmelgrau.<br />

Eine Straße mit Ecken,<br />

Kanten und Geschichte.


»Hozan ist überaus hilfsbereit!<br />

Der beste Mieter den ich je hatte.«<br />

Jutta, Vermieterin<br />

71<br />

»Hamids Kässpätzle sind<br />

mittlerweile besser als meine <strong>–</strong><br />

er schabt, ich press‘.«<br />

Max, Mitbewohner<br />

SIE HABEN EIN ZIMMER FREI?<br />

WIR HABEN DEN PASSENDEN MIETER!<br />

• Wir schlagen Mieter vor, die zu<br />

Ihren Wünschen passen. Sie entscheiden.<br />

• <strong>Die</strong> Miete ist garantiert, der Mietvertrag<br />

ganz normal kündbar.<br />

• Sie geben geflohenen Menschen ein<br />

neues Zuhause.<br />

ZSAMME GOHTS BESSR.<br />

Das Projekt 83 vermittelt Wohnraum für anerkannte geflüchtete<br />

Menschen in und um Konstanz.<br />

Wir freuen uns über Ihren Anruf unter Telefon 0152-28 99 67 41<br />

oder eine E-Mail an info@83integriert.de<br />

WWW.83INTEGRIERT.DE


NACHTSPAZIERGANG<br />

AUF LYRISCHEN SPUREN<br />

72<br />

Rilkes<br />

Hus<br />

Das Herz schlägt schnell, der Atem ist flach, Hitze breitet<br />

sich in meinen Eingeweiden aus. <strong>Die</strong> Stadt erscheint eng, ausweglos,<br />

fast wie ein Käfig. Der Kopf will platzen. So viele Gedanken, die da<br />

in Mikrosekundenschnelle durch meine Synapsen fegen, finden keinen<br />

Platz. Fast wie ich in dieser Stadt. Es ist Nacht. Es ist kalt. Es<br />

regnet. Ich begegne jetzt niemandem mehr. Mir tun die Füße weh,<br />

die Socken sind feucht von Schweiß. Es geht sich nicht gut, und doch<br />

muss diese Wut raus. Sie bewegt meine Füße, treibt mich voran wie<br />

eine Puppe, die an Fäden läuft. Muss rennen, rennen, durch Straßen <strong>–</strong><br />

die Basedow’schen Froschaugen Peter Lorres sehen mich an. Ich bin<br />

‚M’. Gesucht von mir selbst. Verfolgt von niemandem als mir. Ich bin<br />

auch Lohmann. Pilatus und Christus zugleich. Kein Teufel, der mich<br />

treibt. Niemand als ich selbst. Am See laufe ich entlang. Spiegelhalle,<br />

Hafenhalle, Hafenmeisterei, Hafen. Rennen, rennen. <strong>Die</strong> Stadt ist zu<br />

vertraut, alle Wege tausendmal gegangen, nirgendwo ein Offenes, das<br />

mich entlässt. Immer dieser Druck, der von innen an meinen Schädel<br />

pocht. Wo? Wo kann ich ihn zerbrechen? Wo kann ich diesen Schädel<br />

zerbrechen, so dass mein Herz leichter wird? Der Atem wieder fließt?<br />

Über mir schreit eine Möwe. Ein Fetzen Papier fliegt vorbei.<br />

Kein Frittenpapier wie bei Handkes Souvlakispießessern, keine entrückt<br />

tanzende Plastiktüte wie in ‚American Beauty’. Einfach nur<br />

irgendein Papier, das irgendjemand fallen ließ oder nachlässig zusammengeknüllt<br />

in einen übervollen Papierkorb steckte, wo der<br />

Wind, der Wind, das himmlische Kind, es packte und mir vor die<br />

Füße blies.<br />

Der Stadtgarten ist dunkel, die asphaltierten Wege geschottert.<br />

Unter jedem Schritt knirscht es. Ich spüre meinen Herzschlag<br />

im Hals. Hitze läuft über meine Haut. Ich bleibe stehen, ringe<br />

nach Luft, versuche, dieses Gefühl zu entlassen in die Welt, aus der<br />

es kam und mich packte. <strong>Die</strong> Luft ist kalt. Das hilft. Ich beschleunige<br />

meinen Schritt, überquere Bahnübergang und Straße beim Inselhotel,<br />

in dem sich, lang ist’s her, der Mystiker Suso quälte mit Fasten und<br />

TEXT — Albert Kümmel-Schnur


73<br />

NACHTSPAZIERGANG<br />

AUF LYRISCHEN SPUREN<br />

Selbstkasteiung, der sich Zeichen in die Brust ritzte, sodass das<br />

Blut floss. Auch das wahrscheinlich ein Weg, etwas rauszulassen. Wie<br />

Aderlass. Gegenüber ist das Theater. <strong>Die</strong> Stücke von Jakob Ruf, dem<br />

in Konstanz geborenen Züricher Stadtschneider und Verfasser des<br />

ersten deutschsprachigen Geburtshilfehandbuchs, sind hier nie aufgeführt<br />

worden. Zu protestantisch. Im Kreuzgang des Inselhotels ist<br />

Jan Hus, Rektor der Karlsuniversität Prag, zu sehen, eingekerkert<br />

auf seinen Prozess wartend. Vier Denkmale gibt es für den 1415 in<br />

Konstanz Ermordeten. Und keines schert sich um sein Anliegen. Allen<br />

geht es um das grausame Theater des Todes im Feuer. Auch ein<br />

posthumer Verrat. „Wir haben hier mal einen Prager verbrannt“ ...<br />

Konstanz, Deine Träume...<br />

Ich stolpere voran. Übern Rheinsteig. Ginge heut nicht<br />

mehr. Baustelle. An Konrad mit der Spinne und dem enthandeten<br />

Leopold von Baden. Der hielt die Verfassungsurkunde gar zu keck<br />

auf Schritthöhe ins Freie, dass ein anständiger Wutbürger (oder war<br />

es eine Dame?) vor Jahr und Tag eben diese, an einsame und deshalb<br />

der Öffentlichkeit nicht genehme Freuden erinnernde Hand abhackte.<br />

Wut, denke ich, ist Kopfwichsen. Man steckt in sich fest und ist<br />

nur noch zu simpelsten Bewegungen fähig. Raufrunter. Wenige Meter<br />

weiter hatten sie dem Herrn Jesus die ohnehin am Kreuze geschlossenen<br />

Augen verbunden, als die<br />

Lenk’schen Nackerten enthüllt wurden<br />

in all ihrer grotest-barocken Pracht.<br />

Fahrradbrücke, HTWG, bloß<br />

nicht nach drüben gucken über den Rhein.<br />

Dann steigt die Wut wieder. Nachverdichtung.<br />

Wieder so eine Enge … „etwas<br />

wohnt in den dumpfen Gassen“ …<br />

Ich bleibe stehen. Weggerannt. Mir selbst.<br />

Meiner Wut. Meiner Enge. Langsam gehe<br />

ich nach Haus.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Für Albert hält die Nacht den Tag im<br />

stillschweigenden Gleichgewicht,<br />

wenn sie nicht gerade die Geister<br />

aus den Poren der dünnen Seelenwand<br />

hervorlockt, die ihm ab und an<br />

die Luft zum Schlafen rauben. Bei<br />

Tageslicht sammelt der Transferkoordinator,<br />

Kultur-, Medien- und<br />

Literaturwissenschaftler die Fäden,<br />

die Menschen in den Wind hängen,<br />

und versucht bunte Teppiche daraus<br />

zu weben.


SCHAU UND SPIEL 74<br />

Seit 1951 bespielt das Casino<br />

Konstanz die ehemalige<br />

Villa der jüdischen Familie<br />

Rothschild. Direkt an der<br />

Seestraße mit der Hausnummer<br />

21 gelegen ist es ein<br />

Herzstück der blauen Flaniermeile<br />

am Bodenseeufer.


75<br />

SCHAU UND SPIEL<br />

Schau<br />

und<br />

Spiel<br />

→<br />

SZENEN EINER<br />

NACHT IM CASINO<br />

doch kaum einer sieht auf. <strong>Die</strong> konzentrierten<br />

Augen kleben am Tisch, suchen<br />

das Glück, blicken Jetons nach und<br />

berechnen im Stillen das Risiko. Pokerface,<br />

Einsatz und Output. Wer diese<br />

Räume betritt, kommt in Erwartung:<br />

eine Portion Abenteuer, ein Stück Sehnsucht,<br />

guter Hoffnung, sichtlich erwartungsschwanger,<br />

alles ist möglich,<br />

vielleicht ist heute DIE Nacht. Ein<br />

Raum voller Menschen und jeder in seiner<br />

eigenen Blase, denn wer hier sitzt, ist<br />

nicht zum Plaudern gekommen, wer hier<br />

sitzt, sitzt lange. Und am Tisch sitzt<br />

nur, wer etwas ins Spiel wirft. Wir stehen.<br />

Und spielen unseren Einsatz zum Training<br />

mental.<br />

TEXT — Miriam Stepper<br />

ILLUSTRATION — Caroline Weigele<br />

Das lauteste Geräusch des Raumes<br />

ist Stille. Knapp 100 Menschen in Dresscode<br />

Black säumen die neun Tische.<br />

Zwei in sich selbst versunkene Herren<br />

und ein junges Paar flankieren die Bar.<br />

Servicekräfte füllen PET-Cola in stilvolle<br />

Gläser. Das Mädchen zu unserer Rechten<br />

wählt Tee, die Herren Kristallwasser<br />

und -weizen und jemand in meinem<br />

Rücken eine Fanta. „Eine Fanta?“ „Ach,<br />

machen Sie mir einen Martini.“ „Auf<br />

Eis?“ „Nein mit Eis.“ Wir trinken Sekt.<br />

Auf Himbeere. Drei Barkeeper, drei<br />

Körpergrößen: Small, Medium und Large.<br />

Large trägt Konschdanzer Mundart zu<br />

Krawatte.<br />

Es ist mein erstes Mal im Casino. Ich<br />

lese die ausliegende Bedienungsanleitung<br />

teils zwecks Verhütung und nicht<br />

minder aus purer Ahnungslosigkeit.<br />

Ein Paar um die Fünfzig schleicht währenddessen<br />

vorbei zur Garderobe. „Es<br />

ist erledigt“, lautet die fröhlich-sarkastische<br />

Antwort auf das fragende Lächeln<br />

der Empfangsdamen in Richtung der<br />

Gehenden. „Das Weihnachtsgeld ist ausgegeben“.<br />

Wir betreten das Spielfeld. Ernst und<br />

Ehrfurcht hängen in der wohltemperierten<br />

Luft während studentische Croupiers<br />

den Blackjack zählen: 19, 20, 18,<br />

Bust*. Es geht rasch, flüssig, jede Hand-<br />

bewegung sitzt, fast wie ein Tanz<br />

zwischen Karten und Talern. Mir schwindelt<br />

nach zehn Minuten der Kopf.<br />

Heterogen verteilt stehen Menschen von<br />

dezent bis dekorativ im Raum und betrachten<br />

das Spektakel auf den Tischen.<br />

Meine roten Locken leuchten zwischen<br />

grauen Kränzen. Hier ist jeder willkommen,<br />

auch wer nur ein Bier trinken und<br />

die Spannung der Luft in sich aufsaugen<br />

möchte. In der Lounge läuft Rasenballsport.<br />

Drei Screens: zweimal Wiese, einer<br />

gibt die Glückszahlen der Tische wieder.<br />

Jemand tippt Zahlen in sein 90er Nokia<br />

<strong>–</strong> die ganze Welt des Glücksspiels auf<br />

zehn Tasten. Rundum bewegt sich ein<br />

Publikum wie auf Noahs Arche, jegliche<br />

Couleur Schulter an Schulter, Große und<br />

Kleine in Maßanzug oder Durchschnittsrobe.<br />

<strong>Die</strong> Kleiderordnung <strong>–</strong> Sakkopflicht<br />

für die Herren <strong>–</strong> gilt bis zur Gürtellinie<br />

und so besteht der Anblick aus Jackets<br />

aller Art, ganz gleich, ob sie passen.<br />

Wäre es eine gewöhnliche Bar, wäre<br />

ich gewiss morgen heiser, doch hier<br />

strapaziert eher diskretes Flüstern die<br />

Stimmbänder. Stoff dämpft jeden Ton<br />

für das Ohr, Teppich unter den Sohlen<br />

und auf den Oberflächen schluckt<br />

jedes Geräusch. Ich lausche und lausche<br />

und höre. Nichts. Über Geld spricht<br />

man nicht, mit Geld in den Händen schon<br />

gar nicht. Ich versuche Blicke zu fangen,<br />

Mit einer Geste wie ein himmlischer<br />

Donnerschlag schiebt der Dealer im<br />

Minutentakt wortlos die verlorenen Einsätze<br />

in ein nimmersattes Loch im<br />

Tisch, das sie verschluckt. Soll, Haben<br />

und Verluste. Neue Chance, neues Glück<br />

oder ein Kampf gegen Windmühlen?<br />

Es heißt, es sei ein Wettstreit gegen jede<br />

Logik, und doch türmen sich beachtliche<br />

Stapel auf der Spielerseite. <strong>Die</strong>ser Ort<br />

hat das Geschäft mit der Hoffnung perfektioniert<br />

<strong>–</strong> ich bin aufrichtig beeindruckt.<br />

Kühn, klar und mit Distanz<br />

analysieren wir das Vorgehen um uns<br />

herum während sich die Menschenmenge<br />

fast unmerklich vom Roulette<br />

langsam in Richtung Black Jack im Zentrum<br />

des Glücksnirwanas schlängelt. →<br />

*BUST<br />

Spielsituation, bei der<br />

der Croupier als „Spieler<br />

für das Casino“ beim<br />

Ziehen der Karten den<br />

Wert 21 übersteigt. In<br />

diesem Falle haben die<br />

noch aktiven Spieler<br />

gewonnen.


SCHAU UND SPIEL<br />

76<br />

Über eine Wendeltreppe betreten wir<br />

das kreisrunde Automatenspiel. Nikotindunst<br />

schwebt zwischen Augenpaaren.<br />

Eine Handvoll Menschen hängen an<br />

Maschinen wie am Tropf, regungslos zwischen<br />

rasenden Leuchtbildern und<br />

rhythmischem Piepen <strong>–</strong> der Pulsschlag<br />

der Spielautomaten, ein EKG des Glücks.<br />

Müdigkeit legt sich mit dem Rauch auf<br />

meine Augen. „Jetzt NEU“ den Kaffee direkt<br />

am Screen des Automaten mittels<br />

Knopfdruck bestellen. Koffein per Touch<br />

liefert die Lösung. Der Tabaknebel zieht<br />

langsam nach oben, wir ziehen weiter, verlassen<br />

den Maschinenpark und gleiten<br />

zurück zu Hochglanz-Roulette, Bube,<br />

Dame und König. Hier rüsten wir uns mit<br />

Jetons für unser mitternächtliches Spiel.<br />

Noch ein Glas Wein, damit die nervösen<br />

Hände etwas halten dürfen. Dann Black<br />

Jack <strong>–</strong> ein Tisch und vier weitere Glücksritter<br />

gegen die Bank. Zwei junge Menschen<br />

mit asiatischen Zügen, vielleicht ein<br />

frisches Ehepaar, bespielen die linken<br />

Felder. Stumm und jeder für sich. Hier<br />

wird mit Händen kommuniziert: Zwei<br />

kurze Tipper auf den Tisch oder eine<br />

wischende Bewegung der Hand vom<br />

Herzen weg nennen dem Croupier, ob<br />

man eine weitere Karte wagt oder die<br />

Runde beendet.<br />

Gewinnen und verlieren, die Jetonsstapel<br />

sinken und wachsen wie Wellen<br />

bei Wind. Eine Dame um die 65 drängt<br />

sich mit Fleiß hervor, bespielt parallel<br />

mehrere Boxen beim Kartenziehen und<br />

bestückt unermüdlich die Felder des<br />

Roulettes am Nebentisch. Schwarze<br />

Jetons mit dreistelliger Bezifferung<br />

drehen sich erwartungsvoll in ihren Fingern<br />

um die eigene Achse, bleiben<br />

dem Spiel aber doch fern. Ein freier Platz<br />

in der Runde bietet Spielraum für<br />

Spontane und mit uns bezieht nun ein<br />

Durchschnittstyp in den Dreißigern<br />

Stellung am Tisch. Freunde in zweiter<br />

Reihe stärken ihm den Rücken. Aufregung<br />

glüht in ihren Gesichtern. Wir<br />

platzieren unseren Einsatz und zeitgleich<br />

liefert jemand die erste sichtbare<br />

Emotion der Nacht. Hände schlagen gegen<br />

die eigene Stirn, am Nebentisch<br />

kreisen Arme in die Höhe.<br />

Der Abend scheint im Gleichgewicht<br />

und die Nacht schenkt uns eine Glückssträhne,<br />

schießt uns von risikoarmen<br />

10 Scheibchen Einsatz auf glänzende 35,<br />

die im Übermut auf solide 20 sinken.<br />

Wir ziehen reich an Eindrücken und glücklich<br />

von dannen.<br />

INFO<br />

Betreiber ist die Baden-Württembergische<br />

Spielbank GmbH & Co KG.<br />

Einnahmen aus dem Spielbetrieb<br />

teilen sich das Land Baden-Württemberg<br />

und die Stadt Konstanz.


Und jedem Anfang<br />

77 SCHAU UND SPIEL<br />

wohnt ein Zauber inne<br />

Hermann Hesse<br />

rice@<br />

Wir suchen<br />

Mitarbeiter.<br />

Wir suchen Mitarbeiter.<br />

Das Theater an der Grenze<br />

wünscht <strong>NUN</strong>, eine fulminante<br />

Premiere <strong>–</strong> toi, toi, toi!<br />

Theaterkabarett Sa. 17. März 2018 20 Uhr<br />

Strohmann-Kauz* (CH) «Milchbüechlirächnig»<br />

Kindertheater Mi. 25. April 2018 15.15 Uhr<br />

Figurentheater Margrit Gysin* (CH)<br />

«Das bucklige Männlein» ab 4 Jahren<br />

Theater/Tragikomödie Sa. 28. April 2018 20 Uhr<br />

Susanne Odermatt (CH)<br />

«Countdown oder Das Ticken der Eieruhr»<br />

*in Mundart<br />

Hauptstrasse 55a . Kreuzlingen . www.theaterandergrenze.ch<br />

VK: Kreuzlingen Tourismus, Tel +41(0)71 672 38 40 / www.starticket.ch<br />

ladengeschäft glückseeligkeit<br />

kreuzlinger straße 9<br />

d <strong>–</strong>78462 konstanz<br />

fon: +49 75 31 9 9113 66<br />

mo bis sa 10.00 — 18.00


DIE UHR IN UNS<br />

78<br />

<strong>Die</strong> Uhr<br />

in uns<br />

→<br />

VOM MANGEL,<br />

RHYTHMUS UND<br />

WERT UNSERES<br />

SCHLAFES<br />

TEXT — Cornelia Ludwig<br />

ILLUSTRATION — Lorena Addotto<br />

„Des Abends wenn ich früh aufsteh’<strong>–</strong><br />

Des Morgens wenn ich zu Bette geh’... da<br />

krähen die Hühner, da gackert der Hahn,<br />

da fängt das Korn zu dreschen an. <strong>Die</strong><br />

Magd, die steckt den Ofen ins Feuer, die<br />

Frau, die schlägt drei Suppen in d’Eier.<br />

Der Knecht, der kehrt mit der Stube den<br />

Besen, da sitzen die Erbsen, die Kinder<br />

zu lesen.“<br />

<strong>Die</strong>sen alten Scherzreim, in dem eine<br />

verkehrte Welt beschrieben wird, fand<br />

ich als Kind urkomisch und tatsächlich<br />

so eindrücklich, dass ich mich heute noch<br />

oft daran erinnere. Vor allem dann, wenn<br />

ich selbst nachts mal wieder beschäftigt<br />

bin. Zum Beispiel mit meinen Gedanken,<br />

die mir helfen lange Listen zu schreiben.<br />

Für den nächsten Tag, die nächsten Wochen,<br />

die nächsten Monate oder einfach<br />

für das andere Leben, das man gerade<br />

verpasst. Drei Uhr morgens ist immer zu<br />

früh und immer zu spät für das, was man<br />

noch vorhat.<br />

Tatsache ist allerdings, dass es in<br />

unserer technisch fortschrittlichen Gesellschaft<br />

wirklich Menschen gibt, die<br />

nachts im wahrsten Sinne des Wortes<br />

„geschäftig“ sind. Das sind Menschen,<br />

die Fußböden putzen und Müll in Plastikbeutel<br />

werfen, Gebäude bewachen oder<br />

Brot backen. Andere verkaufen nachts<br />

Digitalabonnements und TV-Anschlüsse,<br />

mit Geld-zurück-Garantie und ohne<br />

versteckte Kosten. Schließen mündliche<br />

Verträge, prüfen Internetanschlüsse, damit<br />

der Porno doch noch richtig lädt.<br />

Das sind Menschen, die arbeiten, weil<br />

der Hilfesuchende am anderen Ende der<br />

Leitung ohne den allabendlichen Belömmelungskrimi<br />

nicht einschlafen kann.<br />

Einer von diesen Menschen ist Thomas*.<br />

Er arbeitet abends, bis Mitternacht,<br />

im Callcenter in Kreuzlingen. Hört zu,<br />

versteht, erklärt und entschuldigt sich.<br />

Bei Leuten, die anrufen, wenn der Durchschnittsbürger<br />

bereits im Bett liegt. Das<br />

sind Anrufer, die wollen, dass Thomas<br />

das Fernsehprogramm ändert, weil gerade<br />

nicht die Sendung läuft, die laut<br />

Fernsehzeitung laufen sollte. Was er natürlich<br />

nicht kann. Das ist die Gesellschaft,<br />

Schlaf zu<br />

finden und<br />

einfach<br />

zur Ruhe zu<br />

kommen,<br />

scheint vielen<br />

schwer zu<br />

fallen<br />

die sich daran gewöhnt hat, dass alles rund<br />

um die Uhr verfügbar ist. Thomas’ Arbeitgeber<br />

nennt das dann Service. Eigentlich,<br />

meint Thomas, wäre es gar nicht so wichtig,<br />

dass nachts das Telefon besetzt ist,<br />

weil sowieso niemand mehr mit richtigen<br />

Problemen anruft. Doch wenn man<br />

Thomas zuhört, entsteht eigentlich genau<br />

der gegenteilige Eindruck. Dass gerade<br />

die mit Problemen anrufen. <strong>Die</strong>, die es<br />

einfach nicht schaffen abzuschalten. Netflix<br />

statt Nachlese.<br />

Einfach zur Ruhe zu kommen und zu<br />

schlafen scheint vielen schwerzufallen.<br />

Dabei müssten wir es eigentlich besser<br />

wissen. Zumal das Internet für den modernen<br />

Educated Decicion Maker zahlreiche<br />

Lösungen zum Thema Schlaf bereit<br />

hält. Nicht zuletzt weil die Thematik in<br />

den Life Sciences selbst gerade sehr up<br />

to date ist. 2017 gab es für die Forschung<br />

am menschlichen Biorhythmus<br />

sogar den Nobelpreis für Medizin.<br />

Drei Chronobiologen, flapsig übersetzt:<br />

Schlafforscher, erhielten die Auszeichnung<br />

für die Entschlüsselung des genetischen<br />

Mechanismus, der im menschlichen<br />

Körper das Wachen und Schlafen<br />

steuert. Im Grunde ist die Regulierung<br />

des Schlafens, oberflächlich betrachtet,<br />

relativ simpel. Jeder Mensch besitzt einen<br />

zentralen inneren Taktgeber. <strong>Die</strong>ser<br />

sitzt im Gehirn, im sogenannten Hypothalamus.<br />

Ausgehend von dieser Schalt-<br />


79<br />

DIE UHR IN UNS<br />

Zirbeldrüse<br />

Pineal glad<br />

<strong>Die</strong> Master-Clock gibt den<br />

Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

für den gesamten Körper vor<br />

und fungiert als Taktgeber<br />

für alle weiteren „Mini-Uhren“<br />

im Körper.<br />

Master Clock<br />

Suprachiasmatic<br />

nucleus<br />

Melatonin<br />

Melatonin<br />

Melatonin<br />

Netzhaut<br />

Retina<br />

nervale Erregung<br />

durch verminderte<br />

Hemmung (oder erhöhte<br />

Aktivität) des<br />

Suprachiasmatischen<br />

Kerns<br />

Augennerv<br />

Retino-hypothalamic<br />

tract


DIE UHR IN UNS 80<br />

<strong>Die</strong> Folgen<br />

einer dauerhaft<br />

verkürzten<br />

Nachtruhe sind<br />

vielfältig<br />

zentrale werden mit Hilfe von Hormonen<br />

alle unbewussten, aber überlebensnotwendigen<br />

Vorgänge, wie die Fortpflanzung,<br />

die Nahrungsaufnahme und<br />

eben auch das Schlafen gesteuert. Ein<br />

Teil dieser Hirnregion, von Wissenschaftlern<br />

schlicht „Master-Clock“ genannt, gibt<br />

den Schlaf-Wach-Rhythmus für den gesamten<br />

Körper vor und fungiert als Taktgeber<br />

für alle weiteren „Mini-Uhren“<br />

im Körper. Denn Organe wie die Leber,<br />

der Darm, das Herz, aber auch jede einzelne<br />

Zelle, sind Teil eines großen inneren<br />

Uhrwerks, das ohne äußere Einflüsse im<br />

24-<strong>Stunde</strong>n-Rhythmus schwingt. Um gesund<br />

zu bleiben, muss sich der Takt unserer<br />

inneren Uhr allerdings mit dem<br />

äußeren Tag-Nacht-Rhythmus synchronisieren.<br />

Das funktioniert so, dass die<br />

Nervenzellen in der „Master-Clock“ direkt<br />

Signale von der Netzhaut des Auges<br />

empfangen. <strong>Die</strong> Informationen über Hell<br />

und Dunkel werden dann an das restliche<br />

Uhrwerk weitergleitet. Eine wichtige Rolle<br />

spielen hier Botenstoffe, wie das Schlafhormon<br />

Melatonin. Melatonin wird überwiegend<br />

nachts produziert und läutet<br />

damit im Körper die Nacht ein. Gelingt<br />

es nicht, den Gleichtakt zwischen dem inneren<br />

24-<strong>Stunde</strong>n-Rhythmus und dem<br />

natürlichen Tag-Nacht-Wechsel herzustellen,<br />

kann das Auswirkungen auf unsere<br />

Gesundheit haben. Der Prozess dieser<br />

Synchronisierung ist dabei von Mensch<br />

zu Mensch sehr unterschiedlich und<br />

wird vor allem durch drei Faktoren beeinflusst:<br />

Gene, Alter und Umwelt. Je<br />

nach Synchronisationsmuster unterscheidet<br />

man diverse Chronotypen. Zwei Extreme<br />

am Ende der Skala bilden dabei<br />

die bekannten Eulen und Lerchen. Also<br />

Menschen, die sich ohne Probleme die<br />

Nacht um die Ohren schlagen können<br />

und Menschen, die mit viel Elan das Bett<br />

bereits um 5 Uhr morgens verlassen.<br />

Jana* hätte über fünf Jahre hinweg das<br />

Bett eigentlich gerne gar nicht mehr verlassen.<br />

Weder tagsüber, noch nachts.<br />

Trotzdem tat Sie es eben doch jeden Tag,<br />

wenn der Wecker klingelte. Um zwölf Uhr<br />

Mittags, um drei Uhr Nachts, um 18 Uhr<br />

Abends. Und das alles für den Traumberuf.<br />

Arbeiten am Flughafen. In Friedrichshafen.<br />

Im Schichtdienst. Sitzpläne<br />

erstellen, Koffer einchecken, Menschen<br />

einchecken, Flüge abwickeln, Hotels buchen,<br />

sich entschuldigen, Kollegen unterstützen.<br />

Das manchmal über 12 <strong>Stunde</strong>n<br />

ohne Pause. Was blieb von solchen Tagen,<br />

Wochen und Jahren ist ein erschöpfter<br />

Körper, eine erschöpfte Seele. Müdigkeit,<br />

Unlust, ein Kopf wie aus Watte, der keine<br />

Musik mehr erträgt und nur noch Ruhe<br />

will. Eigentlich war ihr schnell klar, dass<br />

ihr die Nachtarbeit nicht gut tut, weil<br />

sie eigentlich ein Mensch ist, der viel und<br />

regelmäßig Schlaf braucht. Der Ausstieg<br />

hat aber leider noch mehrere Jahre auf<br />

sich warten lassen, trotz zahlreicher Bewerbungen.<br />

Als letzter Schritt blieb nur<br />

noch die Kündigung. Danach standen<br />

dann alle Uhren auf Neuanfang. Der neue<br />

Traum war jetzt ein Nine-to-five-Job.<br />

Warum sie das solange durchgehalten<br />

hat? Der Mensch erträgt mehr als er<br />

denkt, meint Jana über diese quälende<br />

Phase ihres Lebens. Außerdem gehört<br />

sie nicht zu den Menschen, die leicht<br />

aufgeben. Heute geht es ihr wieder gut.<br />

Im neuen Job.<br />

<strong>Die</strong> grundlegende Funktion von Schlaf<br />

besteht in der Regeneration vieler wichtiger<br />

Körperfunktionen. <strong>Die</strong> Folgen einer<br />

dauerhaft verkürzten Nachtruhe sind daher<br />

vielfältig. Von Konzentrationsabfall,<br />

Tagesmüdigkeit über Kopfschmerzen,<br />

Gewichtszunahme und Bluthochdruck<br />

bis zu einer höheren Anfälligkeit für Infekte.<br />

Bei Schichtarbeitern wie bei Jana<br />

sind diese Phänomene klar zu beobachten.<br />

Aber auch der Normalo, Nine-to-five-<br />

Büromensch, kann unbewusst unter chronischem<br />

Schlafentzug leiden, wie Wissenschaftler<br />

herausfanden. <strong>Die</strong>ses Phänomen<br />

wird als Social-Jetlag bezeichnet. Ein sozialer<br />

Jetlag entsteht immer dann, wenn<br />

der äußere Rahmen, in der Regel feste<br />

Arbeitszeiten, einfach nicht zum eigenen<br />

Chronotyp passen. Der Wecker wird dann<br />

zum morgendlichen Übeltäter, der den<br />

noch schlummernden Körper aus dem<br />

Schlaf reißt. Messen lässt sich dieses Phänomen<br />

gut, wenn man die Schlafzeiten<br />

und Schlafdauer an Werktagen mit den<br />

Schlaf-Wachzeiten an freien Tagen, also<br />

am Wochenende oder im Urlaub vergleicht.<br />

Wer hier anders tickt, lebt ziemlich<br />

sicher gegen seine innere Uhr.<br />

Lukas beispielsweise könnte morgens,<br />

wenn er mal wieder früh in der Berufsschule<br />

antanzen muss, eigentlich fast<br />

weiterschlafen. Denn richtig wach ist er<br />

noch nicht geworden, seitdem er aus dem<br />

Bett, in die Dusche und aufs Fahrrad gewandelt<br />

ist, um auf seinem unbequemen<br />

Stuhl zu sitzen. Lukas ist das, was man<br />

allgemeinhin als Nachteule bezeichnen<br />

würde. Entsprechend gestaltet sich auch<br />

Lukas Freizeit. Er legt gerne mal als DJ in<br />

den hiesigen Clubs auf und übernimmt<br />

auch die eine oder andere Barschicht im<br />

Jugendkultur e.V. Contrast. Lukas macht<br />

es einfach Spaß nachts zusammen mit<br />

Menschen eine gute Zeit zu verbringen.<br />

Ganz getreu dem Motto des alten Gassenhauers<br />

„<strong>Die</strong> Nacht ist nicht allein zum<br />

schlafen da <strong>–</strong> Berauscht euch, Freunde,<br />

trinkt und liebt und lacht und lebt den<br />

schönsten Augenblick“. Das, in jedem<br />

Fall ist ein Gefühl, das hoffentlich jeder<br />

nachvollziehen kann. So manche durchwachte<br />

Nacht kann durchaus glücklich<br />

machen, wie man in Konstanz jedes Jahr<br />

zur Fasnacht eindrücklich beobachten<br />

kann.<br />

So manche<br />

durchwachte<br />

Nacht kann<br />

durchaus glücklich<br />

machen


81<br />

DIE UHR IN UNS<br />

Lukas hat nachts aber auch schon<br />

„richtig“ gearbeitet. Als Aushilfe in der<br />

Druckerei des Südkuriers. Stressig fand<br />

er hier vor allem die Akkordarbeit. Prospekte<br />

einsortieren von 0 Uhr bis 8 Uhr<br />

morgens. Zwischendrin immer wieder<br />

Wartepausen, weil mal wieder eine der<br />

Maschinen streikte. Zu wenig Zeit um<br />

noch kurz eine Zigarette mit den Kollegen<br />

zu rauchen. Aber grade soviel Zeit,<br />

sich zu langweilen. Schlafprobleme hatte<br />

er zu dieser Zeit keine. Er gehört zu den<br />

beneidenswerten Menschen, die immer<br />

und überall ohne Probleme einfach schlafen<br />

können. Auch wenn er heute nach<br />

einer nächtlichen Barschicht um acht am<br />

nächsten Morgen aufstehen muss, ist das<br />

kein Problem für ihn. Lukas kommt auch<br />

mit nur sechs <strong>Stunde</strong>n Schlaf gut aus.<br />

Mit seinem Schlafverhalten ist Lukas<br />

definitiv eine Ausnahme. <strong>Die</strong> meisten<br />

Menschen benötigen in der Regel mindestens<br />

sieben bis neun <strong>Stunde</strong>n Nachtruhe.<br />

Wird diese künstlich verkürzt, droht ein<br />

minimaler Schlafentzug, der unbeachtet<br />

chronisch werden kann. Aber nicht nur<br />

feste Arbeitszeiten können unser Schlafverhalten<br />

beeinflussen. Es ist auch schon<br />

kritisch, wenn sich der moderne Homo<br />

digitalis abends in seiner natürlichen Umgebung<br />

aufhält. Vor dem Laptop, dem<br />

Smartphone. Surfend, streamend, online.<br />

Dabei gibt es vor dem Schlafengehen wenig<br />

belastenderes für einen müden Körper,<br />

als das blaue Bildschirmlicht. Es signali-<br />

siert dem Körper schlicht, dass es Morgen<br />

wird. Also Neustart statt runterfahren.<br />

Verkehrte Welt. Tatsächlich zeigen die Erkenntnisse<br />

der Schlafforscher, wie sehr die<br />

moderne Lebenswelt unserem natürlichen<br />

Schlaf-Rythmus entgegenstehen<br />

kann, mit all ihren Folgen. <strong>Die</strong> Lösungsvorschläge<br />

der Wissenschaftler scheinen<br />

dabei noch in weiter Ferne. Weg von einer<br />

24-<strong>Stunde</strong>n-Gesellschaft, in der alles<br />

und jeder verfügbar sein soll, hin zu einer<br />

Gesellschaft mit menschfreundlicher Architektur,<br />

die viel Tageslicht zulässt,<br />

noch individuellere Arbeitszeiten. Smarte<br />

Städteplanung und ökologisches Lichtdesign,<br />

die Platz für „Lichtruhezonen“<br />

gerade in den Innenstädten schaffen, wo<br />

viele Denkmäler oft schonungslos beleuchtet<br />

werden. Praktischerweise hieße<br />

das zunächst einmal das eigene Verhalten<br />

zu überdenken. Stecker raus, vor allem<br />

kurz vor dem Schlafen gehen. Digital-<br />

Detoxing. Gute Vorhänge und nicht zu<br />

spät essen. So viel Zeit wie möglich draußen<br />

im natürlichen Tageslicht verbringen.<br />

Einfach mal auf den Körper achten. Ganz<br />

sicher aber nicht abends nach den Ursachen<br />

für die eigenen Schlafprobleme<br />

googeln.<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

LINKS ZUM THEMA<br />

Der Text ist inspiriert von einem Kurzfilm,<br />

den die Autorin sich ansah, als sie nachts<br />

nicht schlafen konnte. Ein Tiermusical zur<br />

Nachtarbeit im Niedriglohnsektor: „<strong>Die</strong><br />

Last auf mir“. Noch zu sehen auf ARTE bis<br />

zum 06.10.2018:<br />

→ arte.tv/de/videos/075714-000-A/dielast-auf-mir/<br />

Test: Zur Ermittlung des eigenen Chronotyps<br />

vom Leibniz- Institut für Arbeitsforschung<br />

an der TU Dortmund:<br />

→ ifado.de/fragebogen-zum-chronotypd-meq/<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Cornelia, die ihre Wachzeit umfangreich<br />

und gerne mit dem<br />

Vorantreiben nachhaltiger Entwicklungen<br />

im ökologischen Landbau<br />

verbringt, gehört eindeutig nicht zu<br />

den Lerchen. Sie selbst würde<br />

sich eher bei den Haubentauchern<br />

ansiedeln, die gerne mit dem Kopf<br />

auf dem Gefieder in der Sonne am<br />

See dösen, die nächtliche Stille<br />

zelebrieren und mit einer nassen<br />

Priese den Schlaf vertreiben um<br />

danach das Köpfchen in ein Buch zu<br />

stecken.<br />

ANZEIGENSEITE 1/3 PARADIESBÄCKEREI<br />

Gottlieber Str. 42 | 78462 Konstanz<br />

Mo.- Fr. 6:00 - 18:00 | Sa. 6:00 - 12:30<br />

NEU! So. 8:00 - 11:00<br />

Brauneggerstr. 14 | 78462 Konstanz<br />

Mo.- Fr. 6:30 - 18:00 | Sa. 6:30 - 12:30<br />

NEU! So. 8:00 - 11:00<br />

www.paradies-baeckerei.de


WOHIN DU WILLST<br />

82<br />

→<br />

NACHTFAHRT MIT HASAN


83 WOHIN DU WILLST<br />

TEXT — Kerstin Stepper<br />

FOTOS — Sven Weber<br />

Wohin du<br />

willst<br />

Seit zehn Jahren bringt Hasan nun<br />

schon Menschen an jeden Ort,<br />

den sie sich wünschen. Er ist als<br />

Sohn türkischer Eltern 1970 in<br />

Reutlingen geboren, gelernt hat<br />

er KFZ-Sprengler, später hat er<br />

jahrelang bei einem hochpreisigen<br />

Friseur gearbeitet. Trotzdem<br />

fährt Hasan heute lieber Taxi.<br />

In dieser Nacht fährt Hasan sein Taxi anders. Das Wasser aus<br />

den Pfützen spritzt hoch, als er es bestimmt in einer Konstanzer<br />

Seitenstraße zum Stehen bringt. Draußen platscht es noch immer<br />

in Strömen. Zahlreiche Fahrgäste suchen das Trockene, und<br />

Hasan bringt einen nach dem anderen ins warme Heim. Lässig<br />

lenkt Hasan seine Kutsche durch den Regen. Er schenkt jedem ein<br />

Lächeln und ein langes „Hallooo!“, wenn sie in seinen Mercedes-<br />

Neunsitzer steigen. Er braust los, noch bevor er das Ziel kennt,<br />

findet den schnellsten Weg und passiert gelbe Ampeln.<br />

Er hält am Restaurant Löwen, steigt aus und betritt das Lokal.<br />

Mit vier älteren Damen in Begleitung erscheint er wieder in<br />

der Doppeltür. Geduldig hilft er ihnen, die Stufe ins Fahrzeug zu<br />

meistern. Aufgeregt erklären sie uns: „Das Schnitzel hier kostet<br />

nur 13,60 €. Und das Fleisch ist sehr zart.“ Im Fünfminutentakt<br />

hängt sein Taxiunternehmen in der Leitung: „Maybachstraße 16?<br />

In sieben Minuten sind wir bei Ihnen!“ <strong>Die</strong> GPS-Karte verrät: Wagen<br />

13 steht unweit des Ziels und Hasan schickt ihn zur Adresse.<br />

Von fünf Uhr nachmittags bis vier Uhr morgens ist Hasan<br />

unterwegs. In manchen Nächten ist er Taxizentrale und Fahrer<br />

in einem. Am Wochenende und an Feiertagen brummt der Motor<br />

und damit das Geschäft. Besonders in der Neujahrsnacht spielen<br />

Jahr für Jahr alle verrückt. In seiner Verzweiflung bot ein Fahrgast<br />

einst ein Vielfaches des normalen Fahrpreises für eine Fahrt<br />

nach Zürich, erzählt er. <strong>Die</strong> Nachfrage regiert über den Betrag.<br />

Trotzdem erlebt er den Jahreswechsel lieber mit seiner Frau, seinen<br />

vier Kindern, zwei Schwiegersöhnen und drei Enkelkindern.<br />

„<strong>Die</strong>ses Jahr ist Silvester frei“, sagt er, „das ist für einen Taxifahrer<br />

wie ein Sechser im Lotto.“ →


WOHIN DU WILLST<br />

84<br />

Ein älterer Herr mit Brille und Zigarette im Mundwinkel<br />

schlendert jetzt auf das ruhende Taxi zu. Auf den fragenden Blick<br />

des Fremden hin winkt Hasan ihm zu: „Ja, ich bin frei.“ Der Gast<br />

setzt sich auf den Beifahrersitz und beginnt zu reden. Hasan hört<br />

geduldig zu, während der Fahrgast sein Herz ausschüttet. Er ist<br />

heute schon der dritte redselige Fahrgast. Hasans unsichtbares<br />

Gepäck wird schon manchmal schwer mit den <strong>Stunde</strong>n im Taxi.<br />

Viele starren nur stumm aus dem Fenster. Manche behandeln<br />

Hasan von oben herab, aber die meisten sind freundlich.<br />

Seine schlimmste Fahrt hatte er vor ein paar Jahren: Ein junger<br />

Mann stieg damals ins Taxi, setzte sich auf die Rückbank und<br />

plauderte munter daher. Irgendwann fielen Sätze wie „ ... so viele<br />

Ausländer in unserem Land ...“ Dass sein Fahrer türkischer Abstammung<br />

ist, hatte der Gast nicht bemerkt. Hasans Gesicht<br />

zeugt von einem weichen Herz, aber rechtsradikale Gedanken<br />

und Worte möchte Hasan auch gegen Geld nicht in seinem Wagen<br />

spazieren fahren.<br />

Dass Hasan seine türkischen Wurzeln sowohl im Herzen als<br />

auch auf der Zunge trägt, offenbart sich, wenn einer seiner türkischen<br />

Kollegen anruft. Etwa um zu melden, dass dieser jetzt<br />

zehn Minuten Pause einlegt und das stillstehende GPS-Symbol<br />

auf Hasans Bildschirm ihn nicht zu beunruhigen braucht. Hier<br />

auf der kleinen leuchtenden Karte achten sie alle aufeinander.


PREMIEREN<br />

85 WOHIN DU WILLST<br />

ab 23.02.18<br />

Stadttheater<br />

<strong>Die</strong><br />

unsichtbare<br />

Hand<br />

Von Ayad Akhtar<br />

Regie Mark Zurmühle<br />

In manchen Nächten<br />

ist Hasan Taxizentrale<br />

und Fahrer in einem.<br />

ab 10.03.18<br />

Spiegelhalle<br />

JTK 14+<br />

Ich rufe<br />

meine Brüder<br />

Von Jonas Hassen Khemiri<br />

Regie Stefan Eberle<br />

ab 17.03.18<br />

Spiegelhalle<br />

Der Hahn<br />

ist tot<br />

JTK 7+<br />

Stückentwicklung<br />

von Reihaneh Youzbashi Dizaji<br />

Regie Sascha Flocken<br />

ab 23.03.18<br />

Stadttheater<br />

Salome<br />

Von Einar Schleef nach Oscar Wilde<br />

Regie Vera Nemirova<br />

ÜBER DIE AUTORIN<br />

Kerstin hat Hasan im Zuge der Arbeit<br />

an diesem Artikel gleich<br />

mehrfach zu Tageslichtzeiten aus<br />

seinem wohlverdienten Schlaf<br />

nach der Nachtschicht geklingelt.<br />

Sie pendelt außerdem regelmäßig<br />

zwischen Berlin und Bodensee<br />

und liebt die beiden Nachtwelten<br />

dieser Orte, die unterschiedlicher<br />

kaum sein könnten.<br />

ab 20.04.18<br />

Stadttheater<br />

Mein Kampf<br />

Farce von George Tabori<br />

Regie Serdar Somuncu


NEWCOMER 86<br />

TEXT — Miriam Stepper und Daniel Etspüler<br />

FOTOS — Benedikt Schnur<br />

Tätowieren ist immer<br />

etwas Neues. Jeder<br />

Mensch, jede Idee und<br />

jedes Konzept sind<br />

einzigartig.<br />

<strong>NUN</strong>, ist neu und neugierig.<br />

Und macht sich deshalb auf<br />

zu denen, die das Gleiche antreibt.<br />

Zu Menschen, die ungewöhnliche<br />

Seitenwege ihrer<br />

Profession eingeschlagen<br />

oder die ihre eigenen Stärken<br />

gerade erst entdeckt haben,<br />

zu allen, die unsere Region auf<br />

ihre Art bespielen.


87 NEWCOMER<br />

Blut,<br />

Schweiß<br />

und<br />

Freudentränen<br />

... gehören zu diesem Ort wie Rasen zum Fußball. Auf dem-<br />

Spielfeld wie hier gilt: Ein Team gibt alles. In letzterem<br />

Fall gleich in zwei Disziplinen: Team Fullgas, das junge<br />

Konstanzer Atelier für Tätowierungen und Grafikdesign.<br />

2016 von Felix Kienzle und Nina Munz gegründet, bringt<br />

das Studio Farbe auf Haut, Papier und in die Stadt.<br />

Betritt man das Atelier, steht man in hellen, freundlichen<br />

Räumen zwischen unzähligen Bildern, die aufgeräumt,<br />

aber inspirierend die Wände zieren. Bodenständig und nahbar,<br />

das sind nicht nur die Tätowierer selbst, sondern auch das<br />

Umfeld, in dem sie arbeiten. Denn lange haftete, und für<br />

manchen tut es das noch, dem Tätowieren ein „vermeintlich<br />

krimineller Ruf an <strong>–</strong> etwas von ewig verbotener Hinterhofszenerie“,<br />

erklärt das Team sein Gegenkonzept.<br />

Mit der Nadel in der Hand und Leidenschaft im Auge<br />

schaffen sie lebendige Kunstwerke. Das Spannende liegt<br />

dabei in der Zusammenarbeit und dem Einlassen auf jeden<br />

Kunden. Für Nina ist „das Schöne am Auftrag das Vertrauen<br />

am Anfang und die Kommunikation während des Prozesses.“<br />

Und am Ende des Tages, wenn literweise Herzblut durch die<br />

Venen gepumpt wurde, geht jemand mit neuem Tattoo<br />

durch die Tür, mit einer frischen grafischen Antwort und<br />

freundschaftlichen Tresengesprächen im Gepäck.<br />

Fünf Tage die Woche sind sie in ihrem „Vereinsheim“, wie<br />

sie ihr Atelier nennen, anzutreffen. Für Neugierige, für Neulinge,<br />

Wiederholungstätowierte und für einen Plausch an der<br />

gemütlichen Holztheke. Ein Ort mit offener Tür, ein Konzept,<br />

welches Ideen und Menschen zusammenbringt.<br />

Nina, Julian und Felix (linke<br />

Seite) bilden das Team Fullgas<br />

in Konstanz Wollmatingen.<br />

Kaum ein Jahr nach der Gründung wuchs Team Fullgas<br />

bereits um ein weiteres Mitglied an: Julian Sautter ist seit<br />

2017 fest dabei. „Es ist nie dasselbe, denn alles ist ‚custom‘.<br />

Jeder Mensch. Jede Idee. Jedes Konzept. Jede Tätowierung.<br />

Jeder Tag: <strong>Stunde</strong> <strong>Null</strong>“, sagt das Trio über seine Arbeit für<br />

und auf Menschen.<br />

Nina, Felix und Julian haben nicht nur ihre eigene Leidenschaft,<br />

sondern auch zwei „künstlerische Handwerksberufe“<br />

verschmolzen. Präzise und markant sind die Bildwelten, die<br />

in ihren Händen entstehen. <strong>Die</strong> Bildsprache, also der visuelle<br />

Transport einer Aussage oder Emotion, hat eine lange<br />

Tradition in der Menschheitsgeschichte. Etwas, das das<br />

Studio mit eigenen Ideen, einem klaren Konzept und persönlicher<br />

Note neu interpretiert. „Eine künstlerische Umgebung<br />

interdisziplinär zu gestalten erweitert den eigenen Horizont,<br />

lädt zum Perspektivenwechsel ein und nährt den grünen Rasen<br />

der Inspiration“, erläutern die drei.


TIPPS UMS ECK 88<br />

Tipps ums Eck<br />

1. Im Kolbenfresser gibt es Programm<br />

für die frühen Vögel und die Nachteulen<br />

unter euch: Jeden Sonntag ab 14 Uhr<br />

gibt es Katerfrühstück: Wurstsalat und<br />

Getränk für keine acht Euro. Das nächste<br />

Programm für die Nacht liefern am<br />

8. März 2018 von 20 bis 23 Uhr Analog<br />

Spin mit kreativen Interpretationen aus<br />

60s Mod Garage, Motown, Funk, Reggae<br />

uvm.<br />

Kolbenfresser<br />

Fürstenbergstr. 127, Konstanz<br />

Eintritt frei<br />

2. Das mit dem Kulturfonds ausgezeichnete<br />

Theaterstück „i never meant to heart<br />

you, babe / anticrescendo“ wird im März<br />

uraufgeführt. Lyrik trifft auf Theatertext.<br />

Wo liebt die Liebe, wo die Angst? Zwei<br />

Personen sprechen über den Ursprung<br />

ihrer emotionalen Schuld aneinander.<br />

Kulturzentrum K9<br />

Hieronymusgasse 3, Konstanz<br />

8., 9. und 12. März 2018, 20 Uhr<br />

Annexe Kunstraum <strong>–</strong><br />

Kult-X Kreuzlingen<br />

Hafenstrasse 8, Kreuzlingen<br />

22. und 23. März 2018, 20 Uhr<br />

3. Theater neben Palmen und Kakteen:<br />

„The world we leave our grandchildren“<br />

ist eine Audio-Tanz-Musik-Performance von<br />

Cecilia Amann zum Text von Chris Rapley<br />

und Duncan Macmillan. Das Stück<br />

handelt vom Klima unseres Planeten,<br />

gestern, heute und morgen und davon,<br />

wie wir ihn unseren Nachkommen hinterlassen<br />

wollen.<br />

Palmenhaus<br />

Zum Hussenstein 12, Konstanz<br />

24. März 2018<br />

4. Pünktlich zum Frühlingserwachen präsentiert<br />

das Paradieshofhaus handgestaltete<br />

Unikate von Schmuck über Papeterie<br />

bis hin zu kleinen Überraschungen. Beim<br />

Frühlingszimmer Multimarkt lässt es sich<br />

gemütlich Schlemmen, Bummeln oder<br />

einfach die Atmosphäre genießen.<br />

Paradieshofhaus<br />

Brauneggerstr. 34a, Konstanz<br />

Eintritt frei<br />

14. April 2018, 14 <strong>–</strong> 20 Uhr<br />

5. Ein Hut, ein Stock, kein Regenschirm,<br />

denn hoffentlich können wir auf Letzteren<br />

verzichten, wenn auf den Wiesen rund<br />

um das ehemalige Kloster St. Katharina<br />

der Beginn des Wonne-Monats Mai mit<br />

Musik und Tanz gefeiert wird. Und sollte<br />

es doch regnen: Mairegen bringt Segen.<br />

Biergarten St. Katharina<br />

Erlebniswald Mainau<br />

St.-Katharina 1, Konstanz<br />

Di, 1. Mai, 12 <strong>–</strong> 19 Uhr<br />

6. Ein ungewöhnlicher und geheimer Ort<br />

befindet sich im ehemaligen Telekom-<br />

Hochhaus: die größte private Telefonsammlung<br />

Deutschlands. Analoge Endgeräte,<br />

Übertragungs- und Schalttechnik hat<br />

der ehemalige stellvertretende Leiter der<br />

Telekom-Niederlassung Konstanz, Hans-<br />

<strong>Die</strong>ter Schmidt, in ca. 10.000 Objekten<br />

systematisch vollständig zusammengetragen.<br />

Ehemaliges Telekom-Hochhaus<br />

Moltkestr. 4, Konstanz<br />

Termine nach Vereinbarung:<br />

schmidt-telefon@t-online.de<br />

+49 170 523 36 93<br />

bis März 2019<br />

7. Das neue Begegnungszentrum in<br />

Kreuzlingen hat eine sagenhafte Dachterrasse.<br />

Sie ist frei zugänglich und man<br />

hat einen weiten Blick über die Dächer der<br />

Stadt, sowie ein Plätzchen zum Verweilen,<br />

Menschen kennenlernen oder einfach für<br />

ein Picknick.<br />

Das Trösch<br />

Hauptstrasse 42, Kreuzlingen<br />

wochentags 9 <strong>–</strong> 19 Uhr<br />

8. Schon der Weg dorthin ist ein kleines<br />

Abenteuer und führt nur zu Fuß über<br />

einen Waldweg zur denkmalgeschützten<br />

Burgruine Wallhausen samt Restaurant mit<br />

besonderem Charme. Im Garten brennt<br />

meist ein gemütliches Lagerfeuer, auf<br />

dem man grillen kann. In diesem Frühjahr<br />

wird es unter anderem akustischen<br />

Jazz zu hören geben. Wer im Dunklen<br />

zurück zum Parkplatz spaziert, kann vor<br />

Ort Fackeln erwerben.<br />

Burgschänke<br />

Burghofweg 50, KN-Wallhausen<br />

9. Live und umsonst sind die Wohnzimmer-Konzerte<br />

mit viel Gitarre und Stimme<br />

im Rahmen der Kreuzlinger MusicNights,<br />

die in warmen Nächten unter freiem<br />

Himmel spielen.<br />

Hotel SIX<br />

Hauptstrasse 6, Kreuzlingen<br />

jeden Donnerstag 20.30 <strong>–</strong> 22.30 Uhr<br />

10. Stets am ersten Freitag nach Vollmond<br />

öffnet sich die schwere Holztür<br />

zur Vollmondbar in der gemütlichen Turmstube.<br />

Gastgeber der einst im Kreuzlinger<br />

Gewächshaus beheimateten Bar ist inzwischen<br />

die im Schnetztor angesiedelte<br />

Blätzlebuebe-Zunft. Euch erwarten Live-<br />

Musik, Viertele, Gesang und neue Bekanntschaften<br />

durch alle Altersklassen.<br />

Vollmondbar<br />

Schnetztor, Konstanz<br />

Eintritt frei


Kreuzlinger Str.<br />

Tägerwilerstrasse<br />

89<br />

TIPPS UMS ECK<br />

8<br />

1<br />

5<br />

Konstanz<br />

Wollmatinger Straße<br />

Oberlohnstraße<br />

Reichenaustraße<br />

6<br />

Schänzlebrücke<br />

Rhein<br />

Reichenaustraße<br />

Theodor-Heuss-Straße<br />

Mainaustraße<br />

Seerhein<br />

Fahrradbrücke<br />

Europastraße<br />

3<br />

4<br />

Obere Laube Untere Laube<br />

Rheinbrücke<br />

Grenzbachstraße<br />

2<br />

10<br />

Bodensee<br />

9<br />

TIPPS — Gesamte Redaktion<br />

LANDKARTE — Isabell Schmidt<br />

Unterseestrasse<br />

Kreuzlingen<br />

Konstanzertrasse<br />

Bahnhofstrasse<br />

7<br />

Hauptstrasse<br />

2<br />

Egelseestrasse<br />

Hauptstrasse<br />

Hafenstrasse<br />

Seetalstrasse


TOLLE MENSCHEN<br />

90<br />

D a n k e<br />

Lorena Addotto Infografik. Mark Bohle Cover<br />

Illustration. Lukas Engel Praktikum. Daniel<br />

Etspüler Interview. Adrian Flaig Naming. Carolin<br />

Frömel Text. Hannah Frontzek Text. Franz<br />

Glutsche Akquise. Tom Hegen Fotografie. Barbara<br />

Marie Hofmann Text. Tanja Hofmann Akquise.<br />

Annabelle Höpfer Redaktion, Konzept, Layout,<br />

Fotografie und Illustration. Victoria Jung Fotografie<br />

und Illustration. Mandy Krüger Text und PR.<br />

Albert Kümmel-Schnur Text. Isabelle Caroline<br />

Lips Korrektorat. Cornelia Ludwig Text. Jehona<br />

Miftari Text. Ines Njers Fotografie. Torben Nuding<br />

Text. Aylin Öngün PR und Korrektorat. Jeannine<br />

Pfaffe Akquise und Projektplanung. Alexander Reb<br />

Fahrradkurier. Christina Reck Illustration. Florian<br />

Roth Text. Isabell Schmidt Layout und Infografik.<br />

Benedikt Schnur Fotografie. Franziska Schramm<br />

Korrektorat. Kerstin Stepper Text. Miriam<br />

Stepper Redaktion, Konzept, Text, Illustration und PR.<br />

Manuel Stoll Text. Jörg Straub Text. Simone<br />

Warta Korrektorat. Sven Weber Fotografie.<br />

Caroline Weigele Text und Illustration.


91<br />

TOLLE STADT<br />

S t a d t l i e b e<br />

Unser Dank gilt außerdem den Zahlreichen,<br />

die uns mit wertvollem Rat und wilder Inspiration,<br />

mit starkem Netzwerk und unermüdlichem<br />

Zuspruch unterstützt und zur Entstehung des <strong>NUN</strong>,<br />

beigetragen haben.<br />

Wir danken allen Anzeigenkunden,<br />

die mutig an das ungesehene Projekt geglaubt<br />

und es dank ihrer Finanzierung<br />

erst möglich gemacht haben.


IMPRESSUM<br />

92<br />

<strong>NUN</strong>, Magazin<br />

Ausgabe 1/Frühling 2018<br />

Druck:<br />

Druckhaus Müller, Langenargen<br />

Herausgeber & Redaktion:<br />

Annabelle Höpfer, Miriam Stepper<br />

Art Direktion & Layout:<br />

Annabelle Höpfer, Isabell Schmidt<br />

Autoren:<br />

Hannah Frontzek, Carolin Frömel, Barbara Marie<br />

Hofmann, Mandy Krüger, Albert Kümmel-Schnur,<br />

Cornelia Ludwig, Jehona Miftari, Torben Nuding,<br />

Florian Roth, Kerstin Stepper, Miriam Stepper,<br />

Manuel Stoll, Jörg Straub, Caroline Weigele<br />

Fotografen & Illustratoren:<br />

Lorena Addotto, Lukas Engel, Tom Hegen,<br />

Annabelle Höpfer, Victoria Jung, Ines Njers,<br />

Christina Reck, Benedikt Schnur, Isabell Schmidt,<br />

Miriam Stepper, Sven Weber, Caroline Weigele<br />

Titelmotiv & Cakeclock<br />

Mark Bohle<br />

Foto Editorial & Dank:<br />

Ines Njers<br />

Korrektorat:<br />

Isabelle Caroline Lips, Aylin Öngün,<br />

Franziska Schramm, Simone Warta<br />

Papier:<br />

Papier Inhalt: 100 g/m² h`frei weiß Maxi Offset<br />

Papier Umschlag: 250 g/m² h`frei weiß Maxi Offset<br />

Schriften:<br />

Practice (Optimo), Moderat (Tighttype)<br />

Auflage:<br />

2.000 Stück<br />

Copyright:<br />

Alle enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Ein Nachdruck der Texte und Fotos<br />

des <strong>NUN</strong>, Magazins <strong>–</strong> auch im Internet <strong>–</strong> ist nur mit<br />

schriftlicher Genehmigung des Herausgebers<br />

gestattet. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />

Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung der<br />

Herausgeber strafbar.<br />

Spendenkonto:<br />

Paypal-Konto: mail@nun-magazin.de<br />

Kontakt:<br />

Grafikstudio Annabelle Höpfer<br />

Brauneggerstr. 34a<br />

D<strong>–</strong>78462 Konstanz<br />

www.nun-magazin.de<br />

→ mail@nun-magazin.de<br />

Anzeigenakquise:<br />

Franz Glutsche, Tanja Hofmann,<br />

Jeannine Pfaffe

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!