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4. Symphoniekonzert Saison 2011|2012 - Staatskapelle Dresden

4. Symphoniekonzert Saison 2011|2012 - Staatskapelle Dresden

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<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />

<strong>Saison</strong> 2011 | 2012<br />

Georges Prêtre Dirigent


ortswechsel.<br />

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einer perfekten Komposition wird: die Gläserne<br />

Manufaktur von Volkswagen in <strong>Dresden</strong>.<br />

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PARTNER DER<br />

STAATSKAPELLE DRESDEN<br />

<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />

<strong>Saison</strong> 2011 | 2012<br />

Christian Thielemann<br />

ChefdiriGenT ab 2012<br />

Sir Colin davis<br />

ehrendiriGenT


so 18.12.11 11 uhr | Mo 19.12.11 20 uhr | Di 20.12.11 2 0.0 5 u h r<br />

seMPeroPer DresDen<br />

<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />

Dirigent<br />

Georges Prêtre<br />

Späte Liebe eines Grandseigneurs<br />

Seit zehn Jahren musiziert der franzose Georges Prêtre als immer hoch<br />

willkommener Gastdirigent mit der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> dresden und<br />

begeistert das Kapellpublikum in der Semperoper und in den europäischen<br />

Musikmetropolen. Zum runden Jubiläum kehrt der inzwischen 87-Jährige<br />

nun ans Pult der <strong>Staatskapelle</strong> zurück und dirigiert neben franz Schuberts<br />

»Unvollendeter« auch das Werk, mit dem seine späte Liebe zu den dresdner<br />

Musikern im Januar 2002 begann: die erste Symphonie von Gustav Mahler.<br />

Mit diesem Werk bringt die <strong>Staatskapelle</strong> zudem das Mahler-Jahr 2011 zu<br />

einem würdigen abschluss.<br />

Kostenlose einführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn<br />

iM oPernKeller Der seMPeroPer<br />

aM 20. DezeMBer live-üBertragung auf MDr figaro<br />

Programm<br />

Franz Schubert<br />

(1797-1828)<br />

Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 »Unvollendete«<br />

1. allegro moderato<br />

2. andante con moto<br />

2 3 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />

Pa u s e<br />

Gustav Mahler<br />

( 1 8 6 0 -1 9 11 )<br />

Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«<br />

1. Langsam. Schleppend. Wie ein naturlaut – immer sehr gemächlich<br />

2. Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell – Trio. recht gemächlich<br />

3. feierlich und gemessen, ohne zu schleppen<br />

<strong>4.</strong> Stürmisch bewegt<br />

zuM 100. toDestag Des KoMPonisten


Georges Prêtre Dirigent<br />

Georges Prêtre wurde im nordfranzösischen douai geboren und<br />

absolvierte sein Musikstudium am Pariser Konservatorium. 1946<br />

debütierte er mit 22 Jahren an der Oper in Marseille. Von dort<br />

aus führte ihn sein Werdegang über die Opéra Comique in Paris<br />

zur Pariser Oper, zur Metropolitan Opera new York und zur<br />

Mailänder Scala. 1970 wurde er Musikdirektor der Pariser Oper.<br />

im Konzertbereich dirigierte er die Wiener und die berliner Philharmoniker,<br />

die großen amerikanischen sowie die Londoner Orchester. 1986<br />

wurde er für eine fünfjahresperiode zum ersten Gastdirigenten der Wiener<br />

Symphoniker gewählt, mit denen er auch internationale Konzert reisen (euro-<br />

pa, Japan, USa) unternahm. im Juli 1989 stand Georges Prêtre der eröffnung<br />

der Opéra bastille in Paris vor. Seit 1995 ist er ehrendirigent des radio-Sinfo-<br />

nieorchesters Stuttgart des SWr. 2001 erlebte er mit einer neuproduktion von<br />

Puccinis »Turandot« eine triumphale rückkehr an die Mailänder Scala.<br />

2004, im Jahr seines 80. Geburtstages, kehrte Georges Prêtre zu<br />

seinen bevorzugten europäischen Orchestern zurück: Santa Cecilia di<br />

roma, Maggio Musicale fiorentino, Orchestra del Teatro alla Scala di Milano,<br />

Orchestra del Teatro La fenice di Venezia, Wiener Symphoniker, Wiener<br />

Philharmoniker, radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWr, ndr Sinfonieorchester,<br />

Sächsische <strong>Staatskapelle</strong> dresden sowie in frankreich zum<br />

Orchestre national de france, Orchestre de l’Opéra national de Paris sowie<br />

Orchestre national du Capitole de Toulouse.<br />

im Januar 2008 dirigierte Georges Prêtre erstmals und mit großem<br />

erfolg das neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Wiener Musikverein.<br />

es folgte eine rasche Wiedereinladung für das neujahrskonzert 2010.<br />

Georges Prêtre wurde in seiner französischen heimat wie auch im<br />

ausland mit höchsten ehrungen ausgezeichnet. So ist er Kommandeur der<br />

französischen ehrenlegion, ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde<br />

in Wien sowie der Wiener Philharmoniker. anlässlich seines 80. Geburtstages<br />

wurde ihm das Österreichische ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst<br />

1. Klasse verliehen; erst vor kurzem erhielt er die höchste auszeichnung, die<br />

in frankreich an einen Zivilisten vergeben werden kann: den Titel »Grand<br />

Officier de la Légion d’honneur«.<br />

4 5 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Späte Liebe eines<br />

Grandseigneurs<br />

Seit 10 Jahren dirigiert<br />

Georges Prêtre die Sächsische<br />

<strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

Ein Rückblick in Bildern<br />

1<br />

6 7 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />

2<br />

3<br />

4


5<br />

6<br />

7<br />

1) Mit der <strong>Staatskapelle</strong> (und Kapellmütze) auf Tournee (September 2006)<br />

2) das erste gemeinsame Konzert: Mahlers erste Symphonie<br />

in der Semperoper (Januar 2002)<br />

3) Mit den Konzertmeistern Kai Vogler und Thomas Meining (februar 2004)<br />

4) nach der aufführung von ravels »boléro« in der Semperoper (februar 2004)<br />

5) beim Schlussapplaus in der Semperoper (März 2006)<br />

6) Mit der <strong>Staatskapelle</strong> in der Mailänder Scala (März 2006)<br />

7) ankündigung im Wiener Musikverein (September 2006)<br />

8) bei der Probe im athener Megaron (Mai 2010)<br />

9) Schlussapplaus im Wiener Musikverein (Mai 2010)<br />

8 9 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />

8<br />

9


Konzerte der<br />

Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

mit Georges Prêtre<br />

9., 10. unD 11. januar 2002, seMPeroPer DresDen<br />

Georges Bizet<br />

Symphonie nr. 1 C-dur<br />

Gustav Mahler<br />

Symphonie nr. 1 d-dur »Titan«<br />

1<strong>4.</strong> – 21. januar 2002<br />

Gastkonzerte in Kassel, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Köln<br />

Programm wie in dresden<br />

2. unD 3. juni 2002, seMPeroPer DresDen<br />

Johannes Brahms<br />

Klavierquartett g-Moll op. 25 in der Orchesterfassung von arnold Schönberg<br />

Claude Debussy<br />

»La mer«<br />

Maurice Ravel<br />

»La valse«<br />

1., 2. unD 3. feBruar 2004, seMPeroPer DresDen<br />

Claude Debussy<br />

»Prélude à l’après-midi d’un faune«<br />

Richard Wagner<br />

Ouvertüre und bacchanale aus »Tannhäuser«<br />

Albert Roussel<br />

»bacchus et ariane«, Orchestersuite nr. 2<br />

Maurice Ravel<br />

»boléro«<br />

5., 6. unD 7. März 2006, seMPeroPer DresDen<br />

Wolfram Große Klarinette<br />

Joachim Hans fagott<br />

Richard Strauss<br />

»don Juan« op. 20<br />

duett-Concertino für Klarinette und fagott mit Streichorchester und harfe aV 147<br />

Hector Berlioz<br />

»Symphonie fantastique« op. 14<br />

20. unD 21. März 2006<br />

Gastkonzerte in Mailand und Turin<br />

Programm wie in dresden<br />

außerdem:<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel »egmont« op. 84<br />

Richard Strauss<br />

»don Juan« op. 20<br />

Hector Berlioz<br />

»Symphonie fantastique« op. 14<br />

17., 18. unD 19. sePteMBer 2006, seMPeroPer DresDen<br />

Béla Bartók<br />

Konzert für Orchester Sz 116<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />

20. – 2<strong>4.</strong> sePteMBer 2006<br />

Gastkonzerte in Rimini, Wien (2 Konzerte) und Paris<br />

Programm wie in dresden<br />

außerdem:<br />

Richard Strauss<br />

»don Juan« op. 20<br />

duett-Concertino für Klarinette und fagott mit Streichorchester und harfe aV 147<br />

(Solisten: Wolfram Große, Joachim hans)<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />

1<strong>4.</strong> – 20. Mai 2010<br />

Gastkonzerte in Athen (2 Konzerte), Paris und Wien<br />

Genia Kühmeier Sophie<br />

Bernarda Fink Octavian<br />

Anne Schwanewilms Marschallin<br />

Richard Strauss<br />

»Tanz der sieben Schleier« aus »Salome« op. 54<br />

erste Walzerfolge (1. und 2. akt) aus »der rosenkavalier« op. 59<br />

Schlussterzett und -duett aus »der rosenkavalier« op. 59<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />

zugaBen auf tournee:<br />

Jacques Offenbach<br />

barcarole aus »hoffmanns erzählungen«<br />

Johannes Brahms<br />

Ungarischer Tanz nr. 1 g-Moll<br />

10 11 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Franz Schubert<br />

* 31. januar 1797 in liechtenthal Bei wien<br />

† 19. noveMBer 1828 in wien<br />

Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 »Unvollendete«<br />

1. Allegro moderato<br />

2. Andante con moto<br />

entstanDen<br />

im herbst 1822 in Wien<br />

uraufgeführt<br />

posthum am 17. dezember 1865<br />

im redoutensaal der Wiener hofburg<br />

(dirigent: Johann herbeck)<br />

Be se t z u ng<br />

2 flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten,<br />

2 fagotte, 2 hörner, 2 Trompeten,<br />

3 Posaunen, Pauken, Streicher<br />

v e r l ag<br />

breitkopf & härtel,<br />

Wiesbaden/Leipzig<br />

Dau e r<br />

ca. 27 Minuten<br />

Fragment oder große Symphonie?<br />

Zu Franz Schuberts »Unvollendeter«<br />

als franz Schubert am 31. März 1824 in einem brief an den Maler Leopold<br />

Kupelwieser äußerte, er wolle sich »den Weg zur großen Symphonie bah-<br />

nen«, hatte er bereits einige anläufe hinter sich: nach sechs »Jugendsympho-<br />

nien«, in denen er sich vor allem mit der symphonischen Tradition Mozarts<br />

und haydns auseinandergesetzt hatte, war er in eine schwere Schaffenskrise<br />

geraten; zwischen 1818 und 1823 hatte er in mehreren fragment gebliebenen<br />

Werken versucht, den zum Maß aller dinge avancierten Symphonien<br />

beethovens eine gleichwertige alternative gegenüber zu stellen. als dritter<br />

Versuch waren im herbst 1822 zwei vollständige Symphoniesätze entstanden,<br />

einen dritten Satz – das Scherzo – hatte Schubert nur noch skizziert. die<br />

beiden abgeschlossenen Sätze zählen heute zu den populärsten Werken der<br />

Musik des 19. Jahrhunderts. Wir kennen sie als Schuberts siebte Symphonie<br />

d 759, die so genannte »Unvollendete«.<br />

Vieles an diesem Werk ist rätselhaft, ein Mythos schon die entstehung:<br />

Sicher ist eigentlich nur, dass Schubert am 30. Oktober 1822 mit der<br />

Partiturreinschrift begann. ansonsten gibt es keine hinweise auf entstehungshintergründe<br />

oder eine aufführung zu seinen Lebzeiten. erst lange<br />

nach Schuberts Tod wurde die Symphonie entdeckt: anselm hüttenbrenner,<br />

ein Schubert-freund aus Graz, in dessen besitz sich das Manuskript mehrere<br />

Jahre befand, überließ es 1865 (!) dem Wiener hofkapellmeister Johann<br />

herbeck zur Uraufführung. diese fand am 17. dezember des Jahres, also vor<br />

ziemlich genau 146 Jahren, in der Wiener hofburg statt – wobei das fragment<br />

um den finalsatz aus Schuberts dritter Symphonie »vervollständigt«<br />

wurde. der Wiener Kritikerpapst eduard hanslick schrieb eine hymnische<br />

rezension. Später war man sich lange über die Zählung im Unklaren: Stellte<br />

man sie als nummer acht hinter die »vollendeten« Symphonien, oder reihte<br />

man sie als nummer Sieben ein? diese frage wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

durch das Werkverzeichnis von erich Otto deutsch (1951/1978)<br />

geklärt, der sich für die zweite Variante entschied.<br />

12 13 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Musikalisch schlug Schubert mit diesem Werk einen ganz neuen Weg ein.<br />

der qualitative Sprung von der sechsten zur siebten Symphonie ist unüberhörbar.<br />

die Proportionen der beiden abgeschlossenen Sätze sind extrem<br />

erweitert; hinter der expansiven Melodik und zukunftsweisenden harmonik<br />

tun sich mitunter abgründe auf – ausdruck eines »Weltschmerzes«, der erst<br />

Jahrzehnte später von Gustav Mahler in ähnlicher Weise zum ausdruck gebracht<br />

werden sollte. Ungewöhnlich und neu war auch die besetzung: Zum<br />

ersten Mal in der Symphonik des 19. Jahrhunderts verwendet ein Komponist<br />

hier durchgängig drei Posaunen (beethoven hatte die Posaunen in seiner<br />

»Pastorale« nur im »Gewitter«-Satz eingesetzt); der Gesamtklang ist dunkel<br />

und feierlich. entscheidenden anteil daran hat auch die Grundtonart h-Moll,<br />

die bereits beethoven als eine »schwarze Tonart« bezeichnet hatte.<br />

Erstaunlich geschlossenes Satzpaar<br />

berühmt wurde der beginn des Kopfsatzes: die Musik hebt mit einem rätselhaften<br />

Unisono-Thema in den bässen an, das als »Motto« des ganzen<br />

Satzes gelten kann. es kehrt in der exposition nicht wieder, tritt dafür aber<br />

in durchführung und Coda umso dominierender in erscheinung. Über<br />

einem nervös-flirrenden Streicherteppich intonieren Oboe und Klarinette<br />

das h-Moll-hauptthema; seine lyrische Melodik erinnert an Schuberts<br />

Liedkompositionen. ein Signalton in hörnern und fagotten unterbricht die<br />

sich steigernde Klage – und leitet zum verträumten Seitensatz über. hier<br />

»singen« die Celli eine wiegende Ländlermelodie, deutlich inspiriert von<br />

der österreichischen Volksmusik. aus dieser idylle gibt es kein einfaches<br />

entkommen: in der Schlussgruppe wird das Seitenthema bereits durchführungsartig<br />

verarbeitet. die eigentliche durchführung ist dann durch<br />

vielfältige abwandlungen und Zerlegungen des Mottos gekennzeichnet,<br />

das nun heroische Züge annimmt. in der abschließenden Coda wird dieser<br />

duktus noch einmal bestätigt.<br />

das andante con moto erfüllt darauf die funktion eines langsamen<br />

Satzes. formal handelt es sich um einen Sonatensatz ohne durchführung.<br />

das anfängliche erste Thema trägt mit einer absteigenden Pizzicato-Linie der<br />

bässe und schwebender Streichermelodik einen friedlichen, abgeklärten Charakter.<br />

im anschließenden Kontrastteil offenbart es – mit mächtigem Streicher-<br />

Unisono und choralartigen bläserlinien – jedoch überraschende energien.<br />

Zart und zurückhaltend gibt sich das Cis-Moll-Seitenthema in Klarinette und<br />

Oboe; die synkopische Streicherbegleitung erinnert an die des hauptthemas<br />

aus dem ersten Satz. doch auch hier gibt es eine Kehrseite: Wenig später dient<br />

der Seitengedanke als bassfundament einer dramatischen Steigerung. Sanfte<br />

bläserrufe leiten in die reprise zurück. in der Coda verklingt die Musik mit<br />

kadenziellen Wendungen allmählich im Pianissimo.<br />

»schuBert aM Klavier«.<br />

ÖlgeMälDe von gustav KliMt (1899, ausschnitt)<br />

14 15 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Das autograPh Des unvollenDet geBlieBenen<br />

Dritten satzes (scherzo) Der h-Moll-syMPhonie<br />

bis heute ist nicht geklärt, weshalb Schubert die Symphonie nicht zu ende<br />

komponiert hat. empfand er die beiden Sätze – bei allen Unterschieden – als<br />

zu ähnlich, als dass sie Konfliktpotenzial für einen dritten und vierten Satz<br />

geboten hätten? immerhin gibt es zahlreiche bezüge zwischen den beiden<br />

Sätzen, beispielsweise stehen beide im dreiertakt und haben ein annähernd<br />

gleiches Tempo. Und mit dem Scherzo hätte traditionell ein weiterer Satz im<br />

dreiermetrum folgen müssen … Schubert brach die arbeit ab, experimentierte<br />

weiter – und schloss 1826 seine viersätzige C-dur-Symphonie ab, mit<br />

der er das Ziel einer »großen Symphonie« erstmals erreicht glaubte. War die<br />

»Unvollendete« also nur ein vorübergehendes experiment? Schubert scheint<br />

anderer ansicht gewesen zu sein: im September 1823 schickte er das Satzpaar<br />

als »eine meiner Symphonien in Partitur« an den Steiermärkischen<br />

Musikverein in Graz, der ihn zuvor zum Mitglied ernannt hatte. Vielleicht<br />

hat er innerlich gespürt, dass ihm mit den beiden – in doppelter hinsicht –<br />

»vollendeten« Sätzen ein überwältigender neuansatz gelungen war.<br />

toBias nieDerschlag<br />

Brahms Klavierkonzert Nr.1 Strawinsky, Nono u. a.<br />

Chopin<br />

Beethoven, Liszt u. a.<br />

16 17 DG CD 477 9882<br />

DG CD 477 9918<br />

DG CD 477 <strong>4.</strong> 9908 SYMPHONIEKONZERT<br />

DG CD 477 9529<br />

© Harald Hoffmann / DG BUON<br />

COMPLEANNO<br />

MAESTRO!<br />

ZUM 70. GEBURTSTAG<br />

VON MAURIZIO POLLINI<br />

EINE KLASSIK FÜR SICH<br />

Ab 06.01.<br />

im Handel


Gustav Mahler<br />

* 7. juli 1860 in Kalischt (BÖhMen)<br />

† 18. Mai 1911 in wien<br />

Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«<br />

1. Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut –<br />

Immer sehr gemächlich<br />

2. Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell –<br />

Trio. Recht gemächlich<br />

3. Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen<br />

<strong>4.</strong> Stürmisch bewegt<br />

entstanDen<br />

zwischen 1884 und 1888 in Kassel<br />

und Leipzig (zunächst fünfsätzig);<br />

bis 1906 mehrfach revidiert<br />

uraufgeführt<br />

am 20. november 1889 in budapest<br />

(Orchester der Philharmonischen<br />

Gesellschaft, dirigent: Gustav<br />

Mahler)<br />

Be se t z u ng<br />

4 flöten (3. und <strong>4.</strong> auch Piccolo),<br />

4 Oboen (3. auch englischhorn),<br />

4 Klarinetten (3. auch bassklarinette,<br />

<strong>4.</strong> auch es-Klarinette),<br />

3 fagotte (3. auch Kontrafagott),<br />

7 hörner, 5 Trompeten,<br />

4 Posaunen, basstuba, Pauken<br />

(2 Spieler), Schlagzeug (3 Spieler),<br />

harfe, Streicher<br />

v e r l ag<br />

Universal edition, Wien<br />

Dau e r<br />

ca. 55 Minuten<br />

Aufbegehren eines<br />

Sendungsbewussten<br />

Zu Gustav Mahlers erster<br />

Symphonie<br />

als Zweiter Kapellmeister am Stadttheater in Leipzig erregte Gustav Mahler<br />

im Januar 1888 erste größere aufmerksamkeit, als er Carl Maria von Webers<br />

Opernfragment »die drei Pintos«, das er selber vervollständigt hatte,<br />

zum ersten Mal zur diskussion stellte. beflügelt von diesem erfolg setzte<br />

er unmittelbar danach die arbeit an seiner ersten Symphonie fort, die er<br />

bereits 1884 in Kassel begonnen hatte. »Wie ein bergstrom« fuhr es aus ihm<br />

heraus, schrieb er an seinen freund fritz Löhr, und bereits im März 1888 –<br />

nur sechs Wochen später – lag das Werk vollständig vor. es scheint als habe<br />

er nach dem »durchbruch« als dirigent mit der Symphonie auch seinen<br />

anspruch als ein Komponist von rang demonstrieren wollen.<br />

Lange war er sich allerdings unklar, ob das Werk nun eine Symphonie<br />

oder eine Symphonische dichtung sein sollte. bei der Uraufführung,<br />

die im november 1889 in budapest stattfand, wohin Mahler inzwischen<br />

als direktor der Königlichen Oper gewechselt war, kündigte er es als eine<br />

»Symphonische dichtung in zwei abtheilungen« an; bei den folgenden aufführungen<br />

in hamburg (1892) und Weimar (1894) fügte er sogar ein ausführliches<br />

Programm bei und gab der Symphonie den beinamen »Titan« –<br />

in anlehnung an den gleichnamigen roman von Jean Paul, dessen Gedankengut,<br />

wenn auch nur assoziativ, in das Werk eingegangen ist. dann kam<br />

die ästhetische Kehrtwende: für die aufführung 1896 in berlin zog Mahler<br />

Programm und Titel zurück und nannte das Werk schlicht »Symphonie<br />

nr. 1«. 1899 wurde es gedruckt, wobei Mahler einen letzten entscheidenden<br />

eingriff vornahm: er eliminierte den ursprünglichen zweiten Satz, der zuvor<br />

den Titel »blumine« trug, und gab dem Werk damit seine endgültige viersätzige<br />

Gestalt.<br />

Programm hin oder her – originell ist diese erste Symphonie in jedem<br />

falle, und dies zeigen auch die zumeist irritierten Publikumsreaktionen<br />

18 19 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


gustav Mahler als junger KaPellMeister in Kassel (1884)<br />

der ersten aufführungen. alle Charakteristika der Mahlerschen Tonsprache<br />

sind hier bereits vollgültig ausgeprägt: der sprechende Tonfall seiner Musik,<br />

das hin- und hergerissensein zwischen emotionalen extremen, das collagehafte<br />

nebeneinander verschiedenster elemente, vom einfachen Volkslied<br />

und Choral bis zur komplexen Polyphonie, außerdem die ausrichtung auf<br />

ein finale, in dem es zum endgültigen »durchbruch« kommt – so wie ihn<br />

Mahler mit dem Werk auch für sich als Komponist beanspruchte.<br />

Kontrast zwischen Statik und Dynamik<br />

Originell ist in dieser Symphonie schon der anfang: die hohen Streicher<br />

breiten eine sphärische Klangfläche aus, ein flageolett, das »wie ein naturlaut«<br />

klingen soll. dazu treten nach und nach verschiedenste elemente,<br />

die zunächst zusammenhanglos wirken: eine fallende Quarte in den holzbläsern,<br />

aus der sich eine Quartenfolge entwickelt (die Quarte spielt in der<br />

ganzen Symphonie eine zentrale rolle), fanfaren in Klarinetten und Trompeten,<br />

Vogelrufe (Kuckuck), eine hornmelodie und eine düstere chromatische<br />

figur in den bässen. Was will uns Mahler mit diesem Stimmungsbild<br />

sagen? erst mit dem einsatz des liedhaften hauptthemas, das den lichten<br />

allegro-hauptteil eröffnet und das ebenfalls mit einer fallenden Quarte<br />

anhebt, gewinnt man »boden unter den füßen«. Mahler entnahm dieses<br />

Thema einem seiner »Lieder eines fahrenden Gesellen« (»Ging heut’ Morgen<br />

übers feld«), und er verzichtete, erstaunlicherweise, ganz auf ein zweites<br />

Thema. aber es ging ihm auch nicht um den klassischen Gegensatz zwischen<br />

Themen oder deren Verarbeitung. das neuartige dieser Musik besteht<br />

vielmehr darin, dass sie ihre dynamik aus dem Kontrast zwischen Statik<br />

und dynamik bezieht. nach der bewegung der exposition kehrt zu beginn<br />

der durchführung noch einmal die Statik der einleitung wieder; und hier<br />

kommt es dann – mit der düsteren basslinie aus der einleitung – zu einer<br />

gewaltigen Steigerung, die in einem strahlenden ausbruch nach d-dur gipfelt.<br />

damit ist die reprise erreicht, die in verkürzter form ihrem sorglosen<br />

ende entgegenstürmt.<br />

Mit einem stampfenden Quartmotiv der bässe hebt der zweite Satz<br />

an (Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell), dessen hauptthema mit seinem<br />

»Jodelcharakter« der österreichischen folklore entlehnt scheint. Zurückgenommen<br />

ist dagegen das Trio (recht gemächlich), das mit zarten Streicherund<br />

Oboenklängen schubertische Züge aufweist.<br />

der neue Stil der Symphonie kommt vor allem im langsamen<br />

dritten Satz zum Tragen: Mahler komponierte hier einen Trauermarsch,<br />

der mit Mitteln der Parodie und Groteske eine spukhafte Stimmung heraufbeschwört,<br />

die ihren Ursprung in der »schwarzen« romantik e. T. a.<br />

hoffmanns hat (»Todtenmarsch in Callot’s Manier«). der Solokontrabass (!)<br />

20 21 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


»wie Die thiere Den jäger BegraBen«.<br />

holzschnitt von Moritz von schwinD (München, 1850)<br />

Der Holzschnitt diente Mahler als Anregung für den dritten Satz der Sym-<br />

phonie. Der Maler Moritz von Schwind (1804-1871) war in jungen Jahren mit<br />

Franz Schubert befreundet.<br />

stimmt eine Mollvariante des Kanons »frère Jacques« an, die schon wenig<br />

später von einem spöttischen Motiv der Oboe konterkariert wird. ein sla-<br />

wisches Volkslied klingt an, das in eine triviale Zirkusmusik übergeht – ins-<br />

gesamt eine »Collage von beklemmender negativität« (bernd Sponheuer).<br />

den einzigen Lichtblick bietet eine berückende Streicherepisode in G-dur,<br />

die ein weiteres von Mahlers »Gesellenliedern« zitiert (»auf der Straße<br />

stand ein Lindenbaum«).<br />

»Ein schlechter Jasager«<br />

Kaum ist der letzte, spukhafte Ton verklungen, da hebt mit einem plötz-<br />

lichen beckenschlag das finale an (Stürmisch bewegt) – der längste und<br />

gewichtigste Satz der Symphonie. »dall’inferno all Paradiso« (Von der<br />

hölle ins Paradies) hat Mahler ihn in seinem Programm überschrieben,<br />

und er griff für diese entwicklung auf Material aus dem ersten Satz zurück,<br />

dessen eigentliche bedeutung sich damit erst erschließt. So ist das ener-<br />

gische f-Moll-hauptthema nichts anderes als die fortführung eines Motivs<br />

aus der durchführung des Kopfsatzes. diesem hauptthema ist im finale<br />

ein breit ausströmendes Seitenthema in des-dur gegenübergestellt. in der<br />

durchführung kommt es – nach einer ersten, kleinen Vision – unter großer<br />

Kraftanstrengung zu einem durchbruch nach d-dur, der aber förmlich »er-<br />

starrt« und in eine rückblende des sphärischen Symphoniebeginns mün-<br />

det. erst in der reprise, in der die Themen vertauscht sind, setzt dann auch<br />

eine Wiederholung der großen Steigerungswelle aus dem ersten Satz ein,<br />

»gustav Mahlers KaKoPhonie«.<br />

KariKatur von theo zasche Mit notenzitaten<br />

aus Der ersten syMPhonie (1906)<br />

die hier zum endgültigen durchbruch führt: im blechbläserchor erstrahlt<br />

das quartengeprägte Choralthema, das in apotheotischer Steigerung hymnisch<br />

bestätigt wird.<br />

So selbstbewusst wie in diesem finale hat sich Mahler später<br />

selten gezeigt, auch nicht in den affirmativen finalsätzen seiner nachfolgenden<br />

Symphonien. dennoch hatte Theodor W. adorno auch bereits in<br />

diesem Satz seine Zweifel am uneingeschränkten Optimismus des Komponisten:<br />

»Mahler war ein schlechter Jasager«, konstatierte er 1960 in seinem<br />

epochalen Mahler-buch zum 100. Geburtstag des Komponisten und<br />

hatte damit wohl nicht ganz unrecht, wie die weitere entwicklung zeigt:<br />

Schon die Trauermarschklänge des Kopfsatzes der zweiten Symphonie, in<br />

der der held der ersten Symphonie zu Grabe getragen wird, rücken den<br />

Triumph in ein anderes Licht …<br />

toBias nieDerschlag<br />

22 23 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


»Titan«, eine Tondichtung<br />

in Symphonieform<br />

1. Theil<br />

»aus den Tagen der Jugend«, blumen-, frucht- und dornstücke.<br />

i. »frühling und kein ende« (einleitung und allegro comodo). die einleitung<br />

stellt das erwachen der natur aus langem Winterschlafe dar.<br />

ii. »blumine« (andante).<br />

iii. »Mit vollen Segeln« (Scherzo).<br />

2. Theil<br />

»Commedia humana«<br />

iV. »Gestrandet!«. (ein Todtenmarsch in »Callot’s Manier«).<br />

Zur erklärung dieses Satzes diene folgendes: die äußere anregung zu<br />

diesem Musikstück erhielt der autor durch das in Österreich allen Kindern<br />

wohlbekannte, parodistische bild: »des Jägers Leichenbegräbniß«, aus<br />

einem alten Kindermärchenbuch: die Thiere des Waldes geleiten den Sarg<br />

des gestorbenen Jägers zu Grabe; hasen tragen das fähnlein, voran eine<br />

Capelle von böhmischen Musikanten, begleitet von musicierenden Katzen,<br />

Unken, Krähen etc., und hirsche, rehe, füchse und andere vierbeinige und<br />

gefiederte Thiere des Waldes geleiten in possirlichen Stellungen den Zug.<br />

an dieser Stelle ist dieses Stück als ausdruck einer bald ironisch lustigen,<br />

bald unheimlich brütenden Stimmung gedacht, auf welche dann sogleich<br />

V. »dall’inferno« (allegro furioso)<br />

folgt, als der plötzliche ausbruch der Verzweiflung eines im Tiefsten verwundeten<br />

herzens.<br />

Mahlers Erläuterung zum Programm der ersten Symphonie<br />

im Programmheft der Hamburger Erstaufführung (27. Oktober 1893)<br />

rechts: »titan Mit fels« (stuDie zuM alBertinuM).<br />

ÖlgeMälDe von herMann Prell (1901)<br />

staatliche KunstsaMMlungen DresDen, galerie neue Meister<br />

24 25 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Späte Leidenschaft<br />

Zur Mahler-Rezeption der<br />

Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

»Schuch selbst war außerordentlich liebenswürdig, stellte mich den Künstlern<br />

vor und bat mich, ihm zu schreiben. er will einmal nach Kassel kommen,<br />

um mich dirigieren zu sehen. es ist nicht ausgeschlossen, daß ich<br />

dennoch in dresden Platz finde«, schrieb der 24-jährige Gustav Mahler im<br />

herbst 1884 an seinen Jugendfreund friedrich Löhr nach einem besuch in<br />

dresden, bei dem er eine »Così«- und eine »Tristan«-Vorstellung unter ernst<br />

von Schuch in der Semperoper erlebt hatte. der dresdner Generalmusikdirektor<br />

hatte sich dem jungen Kapellmeisterkollegen aus Kassel gegenüber<br />

offenbar sehr warmherzig gezeigt – aus Mahlers hoffnung auf eine anstellung<br />

in dresden wurde allerdings nichts: Mahler ging als Zweiter Kapellmeister<br />

von Kassel nach Prag, dann nach Leipzig. budapest und hamburg<br />

waren die nächsten Stationen, bis er 1897 als direktor der Wiener hofoper<br />

zum »Gott der südlichen Zonen« aufstieg. es bleibt Spekulation, was ein engagement<br />

Mahlers in dresden für folgen gehabt hätte. Möglicherweise wäre<br />

die damalige hof- und heutige <strong>Staatskapelle</strong> weniger zu einem »Strauss-«<br />

denn zu einem »Mahler-Orchester« geworden …<br />

Wenn auch der dirigent Mahler damals in dresden keine Zukunft<br />

hatte, so wurde doch der Kontakt zum Komponisten in den kommenden<br />

Jahren aufrechterhalten und intensiviert: Schuch, der sich mit großem engagement<br />

für das zeitgenössische Musikschaffen einsetzte, verfolgte die kompositorische<br />

entwicklung Mahlers mit interesse, reiste etwa im Januar 1888<br />

nach Leipzig, um sich dessen Vervollständigung der Komischen Oper »die<br />

drei Pintos« anzuhören, die der einstige dresdner hofkapellmeister Carl<br />

Maria von Weber nicht mehr vollendet hatte. im Januar 1897 stellte Schuch<br />

dann mit drei Sätzen aus der erst kurz zuvor uraufgeführten zweiten Symphonie<br />

zum ersten Mal ein Werk Mahlers in dresden zur diskussion. Mahlers<br />

Musik war damals noch immer sehr umstritten, umso bemerkenswerter<br />

ist daher die reaktion des dresdner Publikums, über die der rezensent der<br />

dresdner nachrichten berichtet: »die fragmente des Werkes wurden mit<br />

großem beifall aufgenommen, und allgemein ist wohl der Wunsch lautgeworden,<br />

die Sinfonie vollständig kennenzulernen.«<br />

Freundschaft und Rivalität: Mahler und Schuch<br />

diesen Wunsch sollte Schuch den<br />

dresdnern allerdings erst rund<br />

fünf Jahre später erfüllen; vorher<br />

stellte er 1898 zunächst Mahlers<br />

erste Symphonie in dresden vor.<br />

am 20. dezember 1901 schließlich<br />

folgte die erste aufführung der<br />

vollständigen zweiten Symphonie im<br />

Semperbau – ein ereignis, zu dem<br />

Mahler eigens nach dresden reiste<br />

und für das er auch einen einführungstext<br />

verfasste. bezeichnende<br />

anekdote: einen Monat vor dieser<br />

erstaufführung hatte Schuch mit<br />

denselben Musikern die Oper »feu- Der DresDner generalMusiKersnot«<br />

von richard Strauss in dres- DireKtor ernst von schuch (1899)<br />

den uraufgeführt – die Operndirektor<br />

Mahler schon wenig später in Wien nachspielte. bei der nächsten Strauss-<br />

Oper, »Salome«, bemühte sich Mahler dann direkt um die Uraufführung,<br />

deren Sensation er vorausahnte. allerdings wurde das Werk von der Wiener<br />

Zensurbehörde vehement abgelehnt, so dass auch diesmal die Uraufführung<br />

unter Schuch in dresden stattfand. für Mahler war die niederlage ein schwerer<br />

Schlag, sie läutete das ende seiner Wiener direktionszeit ein.<br />

die Konkurrenz zwischen dresden und Wien zeigt sich auch an<br />

einer anderen begebenheit: 1907 verhandelte der Komponist und dirigent<br />

alexander von Zemlinsky mit der dresdner hofoper um eine anstellung als<br />

Kapellmeister – die Gustav Mahler vereitelte, indem er Zemlinsky kurzerhand<br />

an die Wiener hofoper band.<br />

Trotz dieser rivalität setzte Schuch auch weiterhin Werke Mahlers<br />

auf die Programme der dresdner »Königl. musikalischen Kapelle«. So dirigierte<br />

er im Januar des »Salome«-Uraufführungsjahres 1905 die fünfte Symphonie,<br />

1907 folgten ausschnitte aus der Sechsten, 1908 und 1911 – wenige<br />

Monate nach Mahlers Tod – dann die vollständige Vierte. noch im herbst<br />

1909, kurz vor seiner dritten amerika-reise, hatte Mahler seine letzten<br />

Symphonien nach dresden empfohlen und sich in einem brief für Schuchs<br />

langjährige Unterstützung bedankt: »habe vielen dank, bester freund, für<br />

dein liebes interesse für mein Schaffen und für dein tatkräftiges und so<br />

erfolgreiches eintreten für meine Wenigkeit, wie für alles neue. empfiehl<br />

mich deiner Gemahlin und erhalte deine freundschaft deinem dich verehrenden<br />

Gustav Mahler.«<br />

26 27 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


Das Komponierverbot für Alma –<br />

1901 geschrieben in <strong>Dresden</strong><br />

der dresdner aufenthalt Mahlers im dezember 1901 war – was bislang<br />

wenig beachtet wurde – auch biographisch von großer bedeutung: Wenige<br />

Wochen vor seiner abreise nach berlin und dresden hatte Mahler in Wien<br />

die junge alma Schindler kennengelernt und sich auf anhieb verliebt. im<br />

dresdner hotel bellevue (in dem, direkt neben der Semperoper gelegen,<br />

auch richard Strauss bevorzugt residierte – es wurde im Zweiten Weltkrieg<br />

zerstört) schrieb Mahler ihr dann einen 20-seitigen (!) brief, in dem er die<br />

bedingungen für eine gemeinsame heirat formulierte, darunter auch das<br />

berühmte »Komponierverbot« für alma. es ist einer der längsten und persönlichsten<br />

briefe Mahlers, dessen inhalt alma (sicher schweren herzens)<br />

akzeptierte: nach Mahlers rückkehr am 23. dezember 1901 verlobten sie<br />

sich, am 9. März 1902 fand die Trauung statt.<br />

doch zurück zur dresdner hof- bzw. <strong>Staatskapelle</strong>. auch nach<br />

Schuchs Tod wurden die Werke Mahlers durch die Chefdirigenten fritz reiner<br />

und fritz busch weiterhin mit einer gewissen regelmäßigkeit gepflegt<br />

(so dirigierte reiner 1916 »das Lied von der erde« und busch, als vorerst<br />

letzte Mahler-Großtat, 1932 die »Symphonie der Tausend«) – bis mit der<br />

Vertreibung buschs durch die nationalsozialisten auch die frühe Mahlerrezeption<br />

in dresden ein abruptes ende fand. Zwar knüpfte Generalmusikdirektor<br />

Joseph Keilberth nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst an die frühen<br />

Mahler-errungenschaften an (u.a. 1950 mit der einspielung der ersten<br />

Symphonie: einem der frühesten Mahler-dokumente aus deutschland); allerdings<br />

wurde der Komponist auch nach der andernorts einsetzenden »Mahler-renaissance«<br />

der 1960er Jahre und trotz der eindringlichen bemühungen<br />

des kürzlich verstorbenen Chefdirigenten Kurt Sanderling in den Konzerten<br />

der <strong>Staatskapelle</strong> lange nicht wirklich heimisch. erst 1970 etwa dirigierte<br />

Kirill Kondraschin erstmals die dritte Symphonie, 1984 folgte unter Marek<br />

Janowski die erste Gesamtaufführung der Sechsten (nach den ausschnitten<br />

1907), 1988 unter Kurt Sanderling die erste aufführung der neunten.<br />

Musikalische Wende mit Sinopoli<br />

eine kontinuierliche Mahler-Pflege im großen Stil setzte erst nach der politischen<br />

Wende mit dem Chefdirigenten Giuseppe Sinopoli ein, der ab 1992<br />

einen Großteil der Werke Mahlers dirigierte, in der Semperoper und weltweit<br />

auf Tournee, und der <strong>Staatskapelle</strong> – neben Strauss – nach und nach<br />

auch den ruf eines exzellenten »Mahler-Orchesters« verschaffte. Sinopoli<br />

knüpfte als interpret an seinen eigenen Mahler-Zyklus mit dem Philharmonia<br />

Orchestra aus den frühen 1980er Jahren an – und auch sein dresdner<br />

DresDen in Den 1920er jahren: BlicK von Der Brühlschen terrasse<br />

auf Den theaterPlatz, rechts Das alte hotel Bellevue<br />

Mahler-Zyklus wäre sicher vollständig geworden, hätte den dirigenten nicht<br />

im april 2001 der plötzliche Tod ereilt.<br />

So bleiben in der Mahler-rezeption der <strong>Staatskapelle</strong> noch immer<br />

Lücken, die auch die nachfolgenden Chefdirigenten bernard haitink (einer der<br />

hauptprotagonisten der »Mahler-renaissance« der 1960er Jahre) und fabio<br />

Luisi – trotz weitreichender Pläne diesbezüglich – nicht schließen konnten.<br />

immerhin dirigierte daniel harding 2004 die dresdner erstaufführung der<br />

unvollendeten zehnten Symphonie in der fassung von deryck Cooke. eine aufführung<br />

der 1908 im nahe gelegenen Prag uraufgeführten siebten Symphonie<br />

steht aber in den Konzerten der <strong>Staatskapelle</strong> bislang noch immer aus.<br />

toBias nieDerschlag<br />

28 29 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT


<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong> 2011 | 2012<br />

Orchesterbesetzung<br />

1. violinen<br />

Matthias Wollong<br />

1. KonzertMeister<br />

Thomas Meining<br />

Jörg faßmann<br />

Michael frenzel<br />

Volker dietzsch<br />

brigitte Gabsch<br />

Jörg Kettmann<br />

Susanne branny<br />

birgit Jahn<br />

Martina Groth<br />

henrik Woll<br />

anja Krauß<br />

anett baumann<br />

annika Thiel<br />

anselm Telle<br />

Sae Shimabara<br />

2. violinen<br />

reinhard Krauß<br />

KonzertMeister<br />

frank Other<br />

Matthias Meißner<br />

Wolfgang roth<br />

Stephan drechsel<br />

Jens Metzner<br />

Ulrike Scobel<br />

Olaf-Torsten Spies<br />

alexander ernst<br />

Mechthild von ryssel<br />

emanuel held<br />

holger Grohs<br />

Paige Kearl<br />

Lisa Werhahn<br />

Bratschen<br />

Sebastian herberg<br />

sol o<br />

Stephan Pätzold<br />

Michael horwath<br />

Jürgen Knauer<br />

Uwe Jahn<br />

Ulrich Milatz<br />

ralf dietze<br />

Susanne neuhaus<br />

Juliane böcking<br />

Milan Líkař<br />

Uta Scholl<br />

ekaterina Zubkova**<br />

violoncelli<br />

isang enders<br />

KonzertMeister<br />

Simon Kalbhenn<br />

sol o<br />

Tom höhnerbach<br />

Martin Jungnickel<br />

andreas Priebst<br />

bernward Gruner<br />

Johann-Christoph Schulze<br />

Jakob andert<br />

anke heyn<br />

Matthias Wilde<br />

Kontrabässe<br />

andreas Wylezol<br />

sol o<br />

Petr Popelka<br />

Torsten hoppe<br />

helmut branny<br />

fred Weiche<br />

Thomas Grosche<br />

Johannes nalepa<br />

Yamato Moritake<br />

30 31 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />

flöten<br />

andreas Kißling<br />

sol o<br />

bernhard Kury<br />

Cordula bräuer<br />

Kristin Lovsky*<br />

oboen<br />

bernd Schober<br />

sol o<br />

andreas Lorenz<br />

Sibylle Schreiber<br />

Michael Goldammer<br />

Klarinetten<br />

Wolfram Große<br />

sol o<br />

dietmar hedrich<br />

Jan Seifert<br />

Christian dollfuß<br />

fagotte<br />

erik reike<br />

sol o<br />

hannes Schirlitz<br />

andreas börtitz<br />

hörner<br />

erich Markwart<br />

sol o<br />

robert Langbein<br />

sol o<br />

andreas Langosch<br />

harald heim<br />

Julius rönnebeck<br />

Miklós Takács<br />

Klaus Gayer<br />

trompeten<br />

Mathias Schmutzler (b)<br />

sol o<br />

Peter Lohse<br />

Siegfried Schneider (b)<br />

Volker Stegmann<br />

Gerd Graner (b)<br />

Posaunen<br />

Uwe Voigt<br />

sol o<br />

Guido Ulfig<br />

Jürgen Umbreit<br />

Lars Zobel<br />

tuba<br />

Jens-Peter erbe<br />

solo<br />

Pauken<br />

bernhard Schmidt<br />

sol o<br />

Christian Langer<br />

schlagzeug<br />

Jürgen May<br />

dirk reinhold<br />

Stefan Seidl<br />

harfen<br />

Vicky Müller<br />

solo<br />

* als gast<br />

** als aKaDeMist<br />

(B) auch BühnenMusiK


32<br />

Vorschau<br />

5. <strong>Symphoniekonzert</strong><br />

saMstag 1<strong>4.</strong>1.12 2 0 u h r<br />

sonntag 15.1.12 11 uhr<br />

Montag 16.1.12 2 0 u h r<br />

seMPeroPer DresDen<br />

Yannick Nézet-Séguin dirigent<br />

Janine Jansen Violine<br />

IMPReSSUM<br />

Sächsische Staatsoper dresden<br />

intendantin dr. Ulrike hessler<br />

Spielzeit <strong>2011|2012</strong><br />

herausgegeben von der intendanz<br />

© dezember 2011<br />

ReDAKTION<br />

Tobias niederschlag<br />

MITARBeIT<br />

Janine Schütz<br />

GeSTALTUNG UND LAYOUT<br />

schech.net<br />

Strategie. Kommunikation. design.<br />

DRUCK<br />

Union druckerei dresden Gmbh<br />

ANzeIGeNveRTRIeB<br />

Keck & Krellmann Werbeagentur Gmbh<br />

i.a. der Moderne Zeiten Medien Gmbh<br />

Telefon: 0351/25 00 670<br />

e-Mail: info@kkwa.de<br />

www.kulturwerbung-dresden.de<br />

Olivier Messiaen<br />

»Les Offrandes oubliées«,<br />

Symphonische Meditationen<br />

Sergej Prokofjew<br />

Violinkonzert nr. 2 g-Moll op. 63<br />

Igor Strawinsky<br />

»Le Sacre du printemps«<br />

Kostenlose Konzerteinführungen jeweils<br />

45 Minuten vor beginn im Opernkeller<br />

der Semperoper<br />

BILDNACHWeISe<br />

Georges Prêtre: Terry Linke/decca; Prêtre<br />

und <strong>Staatskapelle</strong>: Matthias Creutziger,<br />

erwin döring (s/w); abbildungen zu Schubert:<br />

ernst hilmar, Schubert, Graz 1989; abbildungen<br />

zu Mahler: Wolfgang Schreiber, Mahler,<br />

reinbek 2003; »Titan mit fels« von hermann<br />

Prell: Staatliche Kunstsammlungen dresden,<br />

Galerie neue Meister; ernst von Schuch,<br />

dresden 1920er Jahre: archiv der Sächsischen<br />

Staatsoper dresden<br />

TexTNACHWeISe<br />

Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für<br />

die Programmhefte der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong><br />

dresden.<br />

Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht<br />

werden konnten, werden wegen nachträglicher<br />

rechtsabgeltung um nachricht gebeten.<br />

Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus<br />

urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.<br />

WWW.STAATSKAPeLLe-DReSDeN.De<br />

Photo © Matthias Creutziger<br />

MUSIC TO WATCH<br />

ab 1<strong>4.</strong>10.2011<br />

im Handel<br />

Silvesterkonzert 2010 Beethoven: Brahms:<br />

Adventskonzert aus der<br />

Renée Fleming<br />

Missa solemnis<br />

Klavierkonzert Nr. 1 Dresdner Frauenkirche<br />

Christopher Maltman Requiem-Konzert 2010 Maurizio Pollini<br />

Vittorio Grigolo<br />

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Thielemann conducts Faust<br />

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4 MF

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