4. Symphoniekonzert Saison 2011|2012 - Staatskapelle Dresden
4. Symphoniekonzert Saison 2011|2012 - Staatskapelle Dresden
4. Symphoniekonzert Saison 2011|2012 - Staatskapelle Dresden
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<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />
<strong>Saison</strong> 2011 | 2012<br />
Georges Prêtre Dirigent
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STAATSKAPELLE DRESDEN<br />
<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />
<strong>Saison</strong> 2011 | 2012<br />
Christian Thielemann<br />
ChefdiriGenT ab 2012<br />
Sir Colin davis<br />
ehrendiriGenT
so 18.12.11 11 uhr | Mo 19.12.11 20 uhr | Di 20.12.11 2 0.0 5 u h r<br />
seMPeroPer DresDen<br />
<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong><br />
Dirigent<br />
Georges Prêtre<br />
Späte Liebe eines Grandseigneurs<br />
Seit zehn Jahren musiziert der franzose Georges Prêtre als immer hoch<br />
willkommener Gastdirigent mit der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> dresden und<br />
begeistert das Kapellpublikum in der Semperoper und in den europäischen<br />
Musikmetropolen. Zum runden Jubiläum kehrt der inzwischen 87-Jährige<br />
nun ans Pult der <strong>Staatskapelle</strong> zurück und dirigiert neben franz Schuberts<br />
»Unvollendeter« auch das Werk, mit dem seine späte Liebe zu den dresdner<br />
Musikern im Januar 2002 begann: die erste Symphonie von Gustav Mahler.<br />
Mit diesem Werk bringt die <strong>Staatskapelle</strong> zudem das Mahler-Jahr 2011 zu<br />
einem würdigen abschluss.<br />
Kostenlose einführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn<br />
iM oPernKeller Der seMPeroPer<br />
aM 20. DezeMBer live-üBertragung auf MDr figaro<br />
Programm<br />
Franz Schubert<br />
(1797-1828)<br />
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 »Unvollendete«<br />
1. allegro moderato<br />
2. andante con moto<br />
2 3 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />
Pa u s e<br />
Gustav Mahler<br />
( 1 8 6 0 -1 9 11 )<br />
Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«<br />
1. Langsam. Schleppend. Wie ein naturlaut – immer sehr gemächlich<br />
2. Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell – Trio. recht gemächlich<br />
3. feierlich und gemessen, ohne zu schleppen<br />
<strong>4.</strong> Stürmisch bewegt<br />
zuM 100. toDestag Des KoMPonisten
Georges Prêtre Dirigent<br />
Georges Prêtre wurde im nordfranzösischen douai geboren und<br />
absolvierte sein Musikstudium am Pariser Konservatorium. 1946<br />
debütierte er mit 22 Jahren an der Oper in Marseille. Von dort<br />
aus führte ihn sein Werdegang über die Opéra Comique in Paris<br />
zur Pariser Oper, zur Metropolitan Opera new York und zur<br />
Mailänder Scala. 1970 wurde er Musikdirektor der Pariser Oper.<br />
im Konzertbereich dirigierte er die Wiener und die berliner Philharmoniker,<br />
die großen amerikanischen sowie die Londoner Orchester. 1986<br />
wurde er für eine fünfjahresperiode zum ersten Gastdirigenten der Wiener<br />
Symphoniker gewählt, mit denen er auch internationale Konzert reisen (euro-<br />
pa, Japan, USa) unternahm. im Juli 1989 stand Georges Prêtre der eröffnung<br />
der Opéra bastille in Paris vor. Seit 1995 ist er ehrendirigent des radio-Sinfo-<br />
nieorchesters Stuttgart des SWr. 2001 erlebte er mit einer neuproduktion von<br />
Puccinis »Turandot« eine triumphale rückkehr an die Mailänder Scala.<br />
2004, im Jahr seines 80. Geburtstages, kehrte Georges Prêtre zu<br />
seinen bevorzugten europäischen Orchestern zurück: Santa Cecilia di<br />
roma, Maggio Musicale fiorentino, Orchestra del Teatro alla Scala di Milano,<br />
Orchestra del Teatro La fenice di Venezia, Wiener Symphoniker, Wiener<br />
Philharmoniker, radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWr, ndr Sinfonieorchester,<br />
Sächsische <strong>Staatskapelle</strong> dresden sowie in frankreich zum<br />
Orchestre national de france, Orchestre de l’Opéra national de Paris sowie<br />
Orchestre national du Capitole de Toulouse.<br />
im Januar 2008 dirigierte Georges Prêtre erstmals und mit großem<br />
erfolg das neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Wiener Musikverein.<br />
es folgte eine rasche Wiedereinladung für das neujahrskonzert 2010.<br />
Georges Prêtre wurde in seiner französischen heimat wie auch im<br />
ausland mit höchsten ehrungen ausgezeichnet. So ist er Kommandeur der<br />
französischen ehrenlegion, ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde<br />
in Wien sowie der Wiener Philharmoniker. anlässlich seines 80. Geburtstages<br />
wurde ihm das Österreichische ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst<br />
1. Klasse verliehen; erst vor kurzem erhielt er die höchste auszeichnung, die<br />
in frankreich an einen Zivilisten vergeben werden kann: den Titel »Grand<br />
Officier de la Légion d’honneur«.<br />
4 5 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Späte Liebe eines<br />
Grandseigneurs<br />
Seit 10 Jahren dirigiert<br />
Georges Prêtre die Sächsische<br />
<strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />
Ein Rückblick in Bildern<br />
1<br />
6 7 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />
2<br />
3<br />
4
5<br />
6<br />
7<br />
1) Mit der <strong>Staatskapelle</strong> (und Kapellmütze) auf Tournee (September 2006)<br />
2) das erste gemeinsame Konzert: Mahlers erste Symphonie<br />
in der Semperoper (Januar 2002)<br />
3) Mit den Konzertmeistern Kai Vogler und Thomas Meining (februar 2004)<br />
4) nach der aufführung von ravels »boléro« in der Semperoper (februar 2004)<br />
5) beim Schlussapplaus in der Semperoper (März 2006)<br />
6) Mit der <strong>Staatskapelle</strong> in der Mailänder Scala (März 2006)<br />
7) ankündigung im Wiener Musikverein (September 2006)<br />
8) bei der Probe im athener Megaron (Mai 2010)<br />
9) Schlussapplaus im Wiener Musikverein (Mai 2010)<br />
8 9 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />
8<br />
9
Konzerte der<br />
Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />
mit Georges Prêtre<br />
9., 10. unD 11. januar 2002, seMPeroPer DresDen<br />
Georges Bizet<br />
Symphonie nr. 1 C-dur<br />
Gustav Mahler<br />
Symphonie nr. 1 d-dur »Titan«<br />
1<strong>4.</strong> – 21. januar 2002<br />
Gastkonzerte in Kassel, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Köln<br />
Programm wie in dresden<br />
2. unD 3. juni 2002, seMPeroPer DresDen<br />
Johannes Brahms<br />
Klavierquartett g-Moll op. 25 in der Orchesterfassung von arnold Schönberg<br />
Claude Debussy<br />
»La mer«<br />
Maurice Ravel<br />
»La valse«<br />
1., 2. unD 3. feBruar 2004, seMPeroPer DresDen<br />
Claude Debussy<br />
»Prélude à l’après-midi d’un faune«<br />
Richard Wagner<br />
Ouvertüre und bacchanale aus »Tannhäuser«<br />
Albert Roussel<br />
»bacchus et ariane«, Orchestersuite nr. 2<br />
Maurice Ravel<br />
»boléro«<br />
5., 6. unD 7. März 2006, seMPeroPer DresDen<br />
Wolfram Große Klarinette<br />
Joachim Hans fagott<br />
Richard Strauss<br />
»don Juan« op. 20<br />
duett-Concertino für Klarinette und fagott mit Streichorchester und harfe aV 147<br />
Hector Berlioz<br />
»Symphonie fantastique« op. 14<br />
20. unD 21. März 2006<br />
Gastkonzerte in Mailand und Turin<br />
Programm wie in dresden<br />
außerdem:<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel »egmont« op. 84<br />
Richard Strauss<br />
»don Juan« op. 20<br />
Hector Berlioz<br />
»Symphonie fantastique« op. 14<br />
17., 18. unD 19. sePteMBer 2006, seMPeroPer DresDen<br />
Béla Bartók<br />
Konzert für Orchester Sz 116<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />
20. – 2<strong>4.</strong> sePteMBer 2006<br />
Gastkonzerte in Rimini, Wien (2 Konzerte) und Paris<br />
Programm wie in dresden<br />
außerdem:<br />
Richard Strauss<br />
»don Juan« op. 20<br />
duett-Concertino für Klarinette und fagott mit Streichorchester und harfe aV 147<br />
(Solisten: Wolfram Große, Joachim hans)<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />
1<strong>4.</strong> – 20. Mai 2010<br />
Gastkonzerte in Athen (2 Konzerte), Paris und Wien<br />
Genia Kühmeier Sophie<br />
Bernarda Fink Octavian<br />
Anne Schwanewilms Marschallin<br />
Richard Strauss<br />
»Tanz der sieben Schleier« aus »Salome« op. 54<br />
erste Walzerfolge (1. und 2. akt) aus »der rosenkavalier« op. 59<br />
Schlussterzett und -duett aus »der rosenkavalier« op. 59<br />
Ludwig van Beethoven<br />
Symphonie nr. 3 es-dur op. 55 »eroica«<br />
zugaBen auf tournee:<br />
Jacques Offenbach<br />
barcarole aus »hoffmanns erzählungen«<br />
Johannes Brahms<br />
Ungarischer Tanz nr. 1 g-Moll<br />
10 11 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Franz Schubert<br />
* 31. januar 1797 in liechtenthal Bei wien<br />
† 19. noveMBer 1828 in wien<br />
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 »Unvollendete«<br />
1. Allegro moderato<br />
2. Andante con moto<br />
entstanDen<br />
im herbst 1822 in Wien<br />
uraufgeführt<br />
posthum am 17. dezember 1865<br />
im redoutensaal der Wiener hofburg<br />
(dirigent: Johann herbeck)<br />
Be se t z u ng<br />
2 flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten,<br />
2 fagotte, 2 hörner, 2 Trompeten,<br />
3 Posaunen, Pauken, Streicher<br />
v e r l ag<br />
breitkopf & härtel,<br />
Wiesbaden/Leipzig<br />
Dau e r<br />
ca. 27 Minuten<br />
Fragment oder große Symphonie?<br />
Zu Franz Schuberts »Unvollendeter«<br />
als franz Schubert am 31. März 1824 in einem brief an den Maler Leopold<br />
Kupelwieser äußerte, er wolle sich »den Weg zur großen Symphonie bah-<br />
nen«, hatte er bereits einige anläufe hinter sich: nach sechs »Jugendsympho-<br />
nien«, in denen er sich vor allem mit der symphonischen Tradition Mozarts<br />
und haydns auseinandergesetzt hatte, war er in eine schwere Schaffenskrise<br />
geraten; zwischen 1818 und 1823 hatte er in mehreren fragment gebliebenen<br />
Werken versucht, den zum Maß aller dinge avancierten Symphonien<br />
beethovens eine gleichwertige alternative gegenüber zu stellen. als dritter<br />
Versuch waren im herbst 1822 zwei vollständige Symphoniesätze entstanden,<br />
einen dritten Satz – das Scherzo – hatte Schubert nur noch skizziert. die<br />
beiden abgeschlossenen Sätze zählen heute zu den populärsten Werken der<br />
Musik des 19. Jahrhunderts. Wir kennen sie als Schuberts siebte Symphonie<br />
d 759, die so genannte »Unvollendete«.<br />
Vieles an diesem Werk ist rätselhaft, ein Mythos schon die entstehung:<br />
Sicher ist eigentlich nur, dass Schubert am 30. Oktober 1822 mit der<br />
Partiturreinschrift begann. ansonsten gibt es keine hinweise auf entstehungshintergründe<br />
oder eine aufführung zu seinen Lebzeiten. erst lange<br />
nach Schuberts Tod wurde die Symphonie entdeckt: anselm hüttenbrenner,<br />
ein Schubert-freund aus Graz, in dessen besitz sich das Manuskript mehrere<br />
Jahre befand, überließ es 1865 (!) dem Wiener hofkapellmeister Johann<br />
herbeck zur Uraufführung. diese fand am 17. dezember des Jahres, also vor<br />
ziemlich genau 146 Jahren, in der Wiener hofburg statt – wobei das fragment<br />
um den finalsatz aus Schuberts dritter Symphonie »vervollständigt«<br />
wurde. der Wiener Kritikerpapst eduard hanslick schrieb eine hymnische<br />
rezension. Später war man sich lange über die Zählung im Unklaren: Stellte<br />
man sie als nummer acht hinter die »vollendeten« Symphonien, oder reihte<br />
man sie als nummer Sieben ein? diese frage wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
durch das Werkverzeichnis von erich Otto deutsch (1951/1978)<br />
geklärt, der sich für die zweite Variante entschied.<br />
12 13 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Musikalisch schlug Schubert mit diesem Werk einen ganz neuen Weg ein.<br />
der qualitative Sprung von der sechsten zur siebten Symphonie ist unüberhörbar.<br />
die Proportionen der beiden abgeschlossenen Sätze sind extrem<br />
erweitert; hinter der expansiven Melodik und zukunftsweisenden harmonik<br />
tun sich mitunter abgründe auf – ausdruck eines »Weltschmerzes«, der erst<br />
Jahrzehnte später von Gustav Mahler in ähnlicher Weise zum ausdruck gebracht<br />
werden sollte. Ungewöhnlich und neu war auch die besetzung: Zum<br />
ersten Mal in der Symphonik des 19. Jahrhunderts verwendet ein Komponist<br />
hier durchgängig drei Posaunen (beethoven hatte die Posaunen in seiner<br />
»Pastorale« nur im »Gewitter«-Satz eingesetzt); der Gesamtklang ist dunkel<br />
und feierlich. entscheidenden anteil daran hat auch die Grundtonart h-Moll,<br />
die bereits beethoven als eine »schwarze Tonart« bezeichnet hatte.<br />
Erstaunlich geschlossenes Satzpaar<br />
berühmt wurde der beginn des Kopfsatzes: die Musik hebt mit einem rätselhaften<br />
Unisono-Thema in den bässen an, das als »Motto« des ganzen<br />
Satzes gelten kann. es kehrt in der exposition nicht wieder, tritt dafür aber<br />
in durchführung und Coda umso dominierender in erscheinung. Über<br />
einem nervös-flirrenden Streicherteppich intonieren Oboe und Klarinette<br />
das h-Moll-hauptthema; seine lyrische Melodik erinnert an Schuberts<br />
Liedkompositionen. ein Signalton in hörnern und fagotten unterbricht die<br />
sich steigernde Klage – und leitet zum verträumten Seitensatz über. hier<br />
»singen« die Celli eine wiegende Ländlermelodie, deutlich inspiriert von<br />
der österreichischen Volksmusik. aus dieser idylle gibt es kein einfaches<br />
entkommen: in der Schlussgruppe wird das Seitenthema bereits durchführungsartig<br />
verarbeitet. die eigentliche durchführung ist dann durch<br />
vielfältige abwandlungen und Zerlegungen des Mottos gekennzeichnet,<br />
das nun heroische Züge annimmt. in der abschließenden Coda wird dieser<br />
duktus noch einmal bestätigt.<br />
das andante con moto erfüllt darauf die funktion eines langsamen<br />
Satzes. formal handelt es sich um einen Sonatensatz ohne durchführung.<br />
das anfängliche erste Thema trägt mit einer absteigenden Pizzicato-Linie der<br />
bässe und schwebender Streichermelodik einen friedlichen, abgeklärten Charakter.<br />
im anschließenden Kontrastteil offenbart es – mit mächtigem Streicher-<br />
Unisono und choralartigen bläserlinien – jedoch überraschende energien.<br />
Zart und zurückhaltend gibt sich das Cis-Moll-Seitenthema in Klarinette und<br />
Oboe; die synkopische Streicherbegleitung erinnert an die des hauptthemas<br />
aus dem ersten Satz. doch auch hier gibt es eine Kehrseite: Wenig später dient<br />
der Seitengedanke als bassfundament einer dramatischen Steigerung. Sanfte<br />
bläserrufe leiten in die reprise zurück. in der Coda verklingt die Musik mit<br />
kadenziellen Wendungen allmählich im Pianissimo.<br />
»schuBert aM Klavier«.<br />
ÖlgeMälDe von gustav KliMt (1899, ausschnitt)<br />
14 15 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Das autograPh Des unvollenDet geBlieBenen<br />
Dritten satzes (scherzo) Der h-Moll-syMPhonie<br />
bis heute ist nicht geklärt, weshalb Schubert die Symphonie nicht zu ende<br />
komponiert hat. empfand er die beiden Sätze – bei allen Unterschieden – als<br />
zu ähnlich, als dass sie Konfliktpotenzial für einen dritten und vierten Satz<br />
geboten hätten? immerhin gibt es zahlreiche bezüge zwischen den beiden<br />
Sätzen, beispielsweise stehen beide im dreiertakt und haben ein annähernd<br />
gleiches Tempo. Und mit dem Scherzo hätte traditionell ein weiterer Satz im<br />
dreiermetrum folgen müssen … Schubert brach die arbeit ab, experimentierte<br />
weiter – und schloss 1826 seine viersätzige C-dur-Symphonie ab, mit<br />
der er das Ziel einer »großen Symphonie« erstmals erreicht glaubte. War die<br />
»Unvollendete« also nur ein vorübergehendes experiment? Schubert scheint<br />
anderer ansicht gewesen zu sein: im September 1823 schickte er das Satzpaar<br />
als »eine meiner Symphonien in Partitur« an den Steiermärkischen<br />
Musikverein in Graz, der ihn zuvor zum Mitglied ernannt hatte. Vielleicht<br />
hat er innerlich gespürt, dass ihm mit den beiden – in doppelter hinsicht –<br />
»vollendeten« Sätzen ein überwältigender neuansatz gelungen war.<br />
toBias nieDerschlag<br />
Brahms Klavierkonzert Nr.1 Strawinsky, Nono u. a.<br />
Chopin<br />
Beethoven, Liszt u. a.<br />
16 17 DG CD 477 9882<br />
DG CD 477 9918<br />
DG CD 477 <strong>4.</strong> 9908 SYMPHONIEKONZERT<br />
DG CD 477 9529<br />
© Harald Hoffmann / DG BUON<br />
COMPLEANNO<br />
MAESTRO!<br />
ZUM 70. GEBURTSTAG<br />
VON MAURIZIO POLLINI<br />
EINE KLASSIK FÜR SICH<br />
Ab 06.01.<br />
im Handel
Gustav Mahler<br />
* 7. juli 1860 in Kalischt (BÖhMen)<br />
† 18. Mai 1911 in wien<br />
Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«<br />
1. Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut –<br />
Immer sehr gemächlich<br />
2. Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell –<br />
Trio. Recht gemächlich<br />
3. Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen<br />
<strong>4.</strong> Stürmisch bewegt<br />
entstanDen<br />
zwischen 1884 und 1888 in Kassel<br />
und Leipzig (zunächst fünfsätzig);<br />
bis 1906 mehrfach revidiert<br />
uraufgeführt<br />
am 20. november 1889 in budapest<br />
(Orchester der Philharmonischen<br />
Gesellschaft, dirigent: Gustav<br />
Mahler)<br />
Be se t z u ng<br />
4 flöten (3. und <strong>4.</strong> auch Piccolo),<br />
4 Oboen (3. auch englischhorn),<br />
4 Klarinetten (3. auch bassklarinette,<br />
<strong>4.</strong> auch es-Klarinette),<br />
3 fagotte (3. auch Kontrafagott),<br />
7 hörner, 5 Trompeten,<br />
4 Posaunen, basstuba, Pauken<br />
(2 Spieler), Schlagzeug (3 Spieler),<br />
harfe, Streicher<br />
v e r l ag<br />
Universal edition, Wien<br />
Dau e r<br />
ca. 55 Minuten<br />
Aufbegehren eines<br />
Sendungsbewussten<br />
Zu Gustav Mahlers erster<br />
Symphonie<br />
als Zweiter Kapellmeister am Stadttheater in Leipzig erregte Gustav Mahler<br />
im Januar 1888 erste größere aufmerksamkeit, als er Carl Maria von Webers<br />
Opernfragment »die drei Pintos«, das er selber vervollständigt hatte,<br />
zum ersten Mal zur diskussion stellte. beflügelt von diesem erfolg setzte<br />
er unmittelbar danach die arbeit an seiner ersten Symphonie fort, die er<br />
bereits 1884 in Kassel begonnen hatte. »Wie ein bergstrom« fuhr es aus ihm<br />
heraus, schrieb er an seinen freund fritz Löhr, und bereits im März 1888 –<br />
nur sechs Wochen später – lag das Werk vollständig vor. es scheint als habe<br />
er nach dem »durchbruch« als dirigent mit der Symphonie auch seinen<br />
anspruch als ein Komponist von rang demonstrieren wollen.<br />
Lange war er sich allerdings unklar, ob das Werk nun eine Symphonie<br />
oder eine Symphonische dichtung sein sollte. bei der Uraufführung,<br />
die im november 1889 in budapest stattfand, wohin Mahler inzwischen<br />
als direktor der Königlichen Oper gewechselt war, kündigte er es als eine<br />
»Symphonische dichtung in zwei abtheilungen« an; bei den folgenden aufführungen<br />
in hamburg (1892) und Weimar (1894) fügte er sogar ein ausführliches<br />
Programm bei und gab der Symphonie den beinamen »Titan« –<br />
in anlehnung an den gleichnamigen roman von Jean Paul, dessen Gedankengut,<br />
wenn auch nur assoziativ, in das Werk eingegangen ist. dann kam<br />
die ästhetische Kehrtwende: für die aufführung 1896 in berlin zog Mahler<br />
Programm und Titel zurück und nannte das Werk schlicht »Symphonie<br />
nr. 1«. 1899 wurde es gedruckt, wobei Mahler einen letzten entscheidenden<br />
eingriff vornahm: er eliminierte den ursprünglichen zweiten Satz, der zuvor<br />
den Titel »blumine« trug, und gab dem Werk damit seine endgültige viersätzige<br />
Gestalt.<br />
Programm hin oder her – originell ist diese erste Symphonie in jedem<br />
falle, und dies zeigen auch die zumeist irritierten Publikumsreaktionen<br />
18 19 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
gustav Mahler als junger KaPellMeister in Kassel (1884)<br />
der ersten aufführungen. alle Charakteristika der Mahlerschen Tonsprache<br />
sind hier bereits vollgültig ausgeprägt: der sprechende Tonfall seiner Musik,<br />
das hin- und hergerissensein zwischen emotionalen extremen, das collagehafte<br />
nebeneinander verschiedenster elemente, vom einfachen Volkslied<br />
und Choral bis zur komplexen Polyphonie, außerdem die ausrichtung auf<br />
ein finale, in dem es zum endgültigen »durchbruch« kommt – so wie ihn<br />
Mahler mit dem Werk auch für sich als Komponist beanspruchte.<br />
Kontrast zwischen Statik und Dynamik<br />
Originell ist in dieser Symphonie schon der anfang: die hohen Streicher<br />
breiten eine sphärische Klangfläche aus, ein flageolett, das »wie ein naturlaut«<br />
klingen soll. dazu treten nach und nach verschiedenste elemente,<br />
die zunächst zusammenhanglos wirken: eine fallende Quarte in den holzbläsern,<br />
aus der sich eine Quartenfolge entwickelt (die Quarte spielt in der<br />
ganzen Symphonie eine zentrale rolle), fanfaren in Klarinetten und Trompeten,<br />
Vogelrufe (Kuckuck), eine hornmelodie und eine düstere chromatische<br />
figur in den bässen. Was will uns Mahler mit diesem Stimmungsbild<br />
sagen? erst mit dem einsatz des liedhaften hauptthemas, das den lichten<br />
allegro-hauptteil eröffnet und das ebenfalls mit einer fallenden Quarte<br />
anhebt, gewinnt man »boden unter den füßen«. Mahler entnahm dieses<br />
Thema einem seiner »Lieder eines fahrenden Gesellen« (»Ging heut’ Morgen<br />
übers feld«), und er verzichtete, erstaunlicherweise, ganz auf ein zweites<br />
Thema. aber es ging ihm auch nicht um den klassischen Gegensatz zwischen<br />
Themen oder deren Verarbeitung. das neuartige dieser Musik besteht<br />
vielmehr darin, dass sie ihre dynamik aus dem Kontrast zwischen Statik<br />
und dynamik bezieht. nach der bewegung der exposition kehrt zu beginn<br />
der durchführung noch einmal die Statik der einleitung wieder; und hier<br />
kommt es dann – mit der düsteren basslinie aus der einleitung – zu einer<br />
gewaltigen Steigerung, die in einem strahlenden ausbruch nach d-dur gipfelt.<br />
damit ist die reprise erreicht, die in verkürzter form ihrem sorglosen<br />
ende entgegenstürmt.<br />
Mit einem stampfenden Quartmotiv der bässe hebt der zweite Satz<br />
an (Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell), dessen hauptthema mit seinem<br />
»Jodelcharakter« der österreichischen folklore entlehnt scheint. Zurückgenommen<br />
ist dagegen das Trio (recht gemächlich), das mit zarten Streicherund<br />
Oboenklängen schubertische Züge aufweist.<br />
der neue Stil der Symphonie kommt vor allem im langsamen<br />
dritten Satz zum Tragen: Mahler komponierte hier einen Trauermarsch,<br />
der mit Mitteln der Parodie und Groteske eine spukhafte Stimmung heraufbeschwört,<br />
die ihren Ursprung in der »schwarzen« romantik e. T. a.<br />
hoffmanns hat (»Todtenmarsch in Callot’s Manier«). der Solokontrabass (!)<br />
20 21 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
»wie Die thiere Den jäger BegraBen«.<br />
holzschnitt von Moritz von schwinD (München, 1850)<br />
Der Holzschnitt diente Mahler als Anregung für den dritten Satz der Sym-<br />
phonie. Der Maler Moritz von Schwind (1804-1871) war in jungen Jahren mit<br />
Franz Schubert befreundet.<br />
stimmt eine Mollvariante des Kanons »frère Jacques« an, die schon wenig<br />
später von einem spöttischen Motiv der Oboe konterkariert wird. ein sla-<br />
wisches Volkslied klingt an, das in eine triviale Zirkusmusik übergeht – ins-<br />
gesamt eine »Collage von beklemmender negativität« (bernd Sponheuer).<br />
den einzigen Lichtblick bietet eine berückende Streicherepisode in G-dur,<br />
die ein weiteres von Mahlers »Gesellenliedern« zitiert (»auf der Straße<br />
stand ein Lindenbaum«).<br />
»Ein schlechter Jasager«<br />
Kaum ist der letzte, spukhafte Ton verklungen, da hebt mit einem plötz-<br />
lichen beckenschlag das finale an (Stürmisch bewegt) – der längste und<br />
gewichtigste Satz der Symphonie. »dall’inferno all Paradiso« (Von der<br />
hölle ins Paradies) hat Mahler ihn in seinem Programm überschrieben,<br />
und er griff für diese entwicklung auf Material aus dem ersten Satz zurück,<br />
dessen eigentliche bedeutung sich damit erst erschließt. So ist das ener-<br />
gische f-Moll-hauptthema nichts anderes als die fortführung eines Motivs<br />
aus der durchführung des Kopfsatzes. diesem hauptthema ist im finale<br />
ein breit ausströmendes Seitenthema in des-dur gegenübergestellt. in der<br />
durchführung kommt es – nach einer ersten, kleinen Vision – unter großer<br />
Kraftanstrengung zu einem durchbruch nach d-dur, der aber förmlich »er-<br />
starrt« und in eine rückblende des sphärischen Symphoniebeginns mün-<br />
det. erst in der reprise, in der die Themen vertauscht sind, setzt dann auch<br />
eine Wiederholung der großen Steigerungswelle aus dem ersten Satz ein,<br />
»gustav Mahlers KaKoPhonie«.<br />
KariKatur von theo zasche Mit notenzitaten<br />
aus Der ersten syMPhonie (1906)<br />
die hier zum endgültigen durchbruch führt: im blechbläserchor erstrahlt<br />
das quartengeprägte Choralthema, das in apotheotischer Steigerung hymnisch<br />
bestätigt wird.<br />
So selbstbewusst wie in diesem finale hat sich Mahler später<br />
selten gezeigt, auch nicht in den affirmativen finalsätzen seiner nachfolgenden<br />
Symphonien. dennoch hatte Theodor W. adorno auch bereits in<br />
diesem Satz seine Zweifel am uneingeschränkten Optimismus des Komponisten:<br />
»Mahler war ein schlechter Jasager«, konstatierte er 1960 in seinem<br />
epochalen Mahler-buch zum 100. Geburtstag des Komponisten und<br />
hatte damit wohl nicht ganz unrecht, wie die weitere entwicklung zeigt:<br />
Schon die Trauermarschklänge des Kopfsatzes der zweiten Symphonie, in<br />
der der held der ersten Symphonie zu Grabe getragen wird, rücken den<br />
Triumph in ein anderes Licht …<br />
toBias nieDerschlag<br />
22 23 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
»Titan«, eine Tondichtung<br />
in Symphonieform<br />
1. Theil<br />
»aus den Tagen der Jugend«, blumen-, frucht- und dornstücke.<br />
i. »frühling und kein ende« (einleitung und allegro comodo). die einleitung<br />
stellt das erwachen der natur aus langem Winterschlafe dar.<br />
ii. »blumine« (andante).<br />
iii. »Mit vollen Segeln« (Scherzo).<br />
2. Theil<br />
»Commedia humana«<br />
iV. »Gestrandet!«. (ein Todtenmarsch in »Callot’s Manier«).<br />
Zur erklärung dieses Satzes diene folgendes: die äußere anregung zu<br />
diesem Musikstück erhielt der autor durch das in Österreich allen Kindern<br />
wohlbekannte, parodistische bild: »des Jägers Leichenbegräbniß«, aus<br />
einem alten Kindermärchenbuch: die Thiere des Waldes geleiten den Sarg<br />
des gestorbenen Jägers zu Grabe; hasen tragen das fähnlein, voran eine<br />
Capelle von böhmischen Musikanten, begleitet von musicierenden Katzen,<br />
Unken, Krähen etc., und hirsche, rehe, füchse und andere vierbeinige und<br />
gefiederte Thiere des Waldes geleiten in possirlichen Stellungen den Zug.<br />
an dieser Stelle ist dieses Stück als ausdruck einer bald ironisch lustigen,<br />
bald unheimlich brütenden Stimmung gedacht, auf welche dann sogleich<br />
V. »dall’inferno« (allegro furioso)<br />
folgt, als der plötzliche ausbruch der Verzweiflung eines im Tiefsten verwundeten<br />
herzens.<br />
Mahlers Erläuterung zum Programm der ersten Symphonie<br />
im Programmheft der Hamburger Erstaufführung (27. Oktober 1893)<br />
rechts: »titan Mit fels« (stuDie zuM alBertinuM).<br />
ÖlgeMälDe von herMann Prell (1901)<br />
staatliche KunstsaMMlungen DresDen, galerie neue Meister<br />
24 25 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Späte Leidenschaft<br />
Zur Mahler-Rezeption der<br />
Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />
»Schuch selbst war außerordentlich liebenswürdig, stellte mich den Künstlern<br />
vor und bat mich, ihm zu schreiben. er will einmal nach Kassel kommen,<br />
um mich dirigieren zu sehen. es ist nicht ausgeschlossen, daß ich<br />
dennoch in dresden Platz finde«, schrieb der 24-jährige Gustav Mahler im<br />
herbst 1884 an seinen Jugendfreund friedrich Löhr nach einem besuch in<br />
dresden, bei dem er eine »Così«- und eine »Tristan«-Vorstellung unter ernst<br />
von Schuch in der Semperoper erlebt hatte. der dresdner Generalmusikdirektor<br />
hatte sich dem jungen Kapellmeisterkollegen aus Kassel gegenüber<br />
offenbar sehr warmherzig gezeigt – aus Mahlers hoffnung auf eine anstellung<br />
in dresden wurde allerdings nichts: Mahler ging als Zweiter Kapellmeister<br />
von Kassel nach Prag, dann nach Leipzig. budapest und hamburg<br />
waren die nächsten Stationen, bis er 1897 als direktor der Wiener hofoper<br />
zum »Gott der südlichen Zonen« aufstieg. es bleibt Spekulation, was ein engagement<br />
Mahlers in dresden für folgen gehabt hätte. Möglicherweise wäre<br />
die damalige hof- und heutige <strong>Staatskapelle</strong> weniger zu einem »Strauss-«<br />
denn zu einem »Mahler-Orchester« geworden …<br />
Wenn auch der dirigent Mahler damals in dresden keine Zukunft<br />
hatte, so wurde doch der Kontakt zum Komponisten in den kommenden<br />
Jahren aufrechterhalten und intensiviert: Schuch, der sich mit großem engagement<br />
für das zeitgenössische Musikschaffen einsetzte, verfolgte die kompositorische<br />
entwicklung Mahlers mit interesse, reiste etwa im Januar 1888<br />
nach Leipzig, um sich dessen Vervollständigung der Komischen Oper »die<br />
drei Pintos« anzuhören, die der einstige dresdner hofkapellmeister Carl<br />
Maria von Weber nicht mehr vollendet hatte. im Januar 1897 stellte Schuch<br />
dann mit drei Sätzen aus der erst kurz zuvor uraufgeführten zweiten Symphonie<br />
zum ersten Mal ein Werk Mahlers in dresden zur diskussion. Mahlers<br />
Musik war damals noch immer sehr umstritten, umso bemerkenswerter<br />
ist daher die reaktion des dresdner Publikums, über die der rezensent der<br />
dresdner nachrichten berichtet: »die fragmente des Werkes wurden mit<br />
großem beifall aufgenommen, und allgemein ist wohl der Wunsch lautgeworden,<br />
die Sinfonie vollständig kennenzulernen.«<br />
Freundschaft und Rivalität: Mahler und Schuch<br />
diesen Wunsch sollte Schuch den<br />
dresdnern allerdings erst rund<br />
fünf Jahre später erfüllen; vorher<br />
stellte er 1898 zunächst Mahlers<br />
erste Symphonie in dresden vor.<br />
am 20. dezember 1901 schließlich<br />
folgte die erste aufführung der<br />
vollständigen zweiten Symphonie im<br />
Semperbau – ein ereignis, zu dem<br />
Mahler eigens nach dresden reiste<br />
und für das er auch einen einführungstext<br />
verfasste. bezeichnende<br />
anekdote: einen Monat vor dieser<br />
erstaufführung hatte Schuch mit<br />
denselben Musikern die Oper »feu- Der DresDner generalMusiKersnot«<br />
von richard Strauss in dres- DireKtor ernst von schuch (1899)<br />
den uraufgeführt – die Operndirektor<br />
Mahler schon wenig später in Wien nachspielte. bei der nächsten Strauss-<br />
Oper, »Salome«, bemühte sich Mahler dann direkt um die Uraufführung,<br />
deren Sensation er vorausahnte. allerdings wurde das Werk von der Wiener<br />
Zensurbehörde vehement abgelehnt, so dass auch diesmal die Uraufführung<br />
unter Schuch in dresden stattfand. für Mahler war die niederlage ein schwerer<br />
Schlag, sie läutete das ende seiner Wiener direktionszeit ein.<br />
die Konkurrenz zwischen dresden und Wien zeigt sich auch an<br />
einer anderen begebenheit: 1907 verhandelte der Komponist und dirigent<br />
alexander von Zemlinsky mit der dresdner hofoper um eine anstellung als<br />
Kapellmeister – die Gustav Mahler vereitelte, indem er Zemlinsky kurzerhand<br />
an die Wiener hofoper band.<br />
Trotz dieser rivalität setzte Schuch auch weiterhin Werke Mahlers<br />
auf die Programme der dresdner »Königl. musikalischen Kapelle«. So dirigierte<br />
er im Januar des »Salome«-Uraufführungsjahres 1905 die fünfte Symphonie,<br />
1907 folgten ausschnitte aus der Sechsten, 1908 und 1911 – wenige<br />
Monate nach Mahlers Tod – dann die vollständige Vierte. noch im herbst<br />
1909, kurz vor seiner dritten amerika-reise, hatte Mahler seine letzten<br />
Symphonien nach dresden empfohlen und sich in einem brief für Schuchs<br />
langjährige Unterstützung bedankt: »habe vielen dank, bester freund, für<br />
dein liebes interesse für mein Schaffen und für dein tatkräftiges und so<br />
erfolgreiches eintreten für meine Wenigkeit, wie für alles neue. empfiehl<br />
mich deiner Gemahlin und erhalte deine freundschaft deinem dich verehrenden<br />
Gustav Mahler.«<br />
26 27 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
Das Komponierverbot für Alma –<br />
1901 geschrieben in <strong>Dresden</strong><br />
der dresdner aufenthalt Mahlers im dezember 1901 war – was bislang<br />
wenig beachtet wurde – auch biographisch von großer bedeutung: Wenige<br />
Wochen vor seiner abreise nach berlin und dresden hatte Mahler in Wien<br />
die junge alma Schindler kennengelernt und sich auf anhieb verliebt. im<br />
dresdner hotel bellevue (in dem, direkt neben der Semperoper gelegen,<br />
auch richard Strauss bevorzugt residierte – es wurde im Zweiten Weltkrieg<br />
zerstört) schrieb Mahler ihr dann einen 20-seitigen (!) brief, in dem er die<br />
bedingungen für eine gemeinsame heirat formulierte, darunter auch das<br />
berühmte »Komponierverbot« für alma. es ist einer der längsten und persönlichsten<br />
briefe Mahlers, dessen inhalt alma (sicher schweren herzens)<br />
akzeptierte: nach Mahlers rückkehr am 23. dezember 1901 verlobten sie<br />
sich, am 9. März 1902 fand die Trauung statt.<br />
doch zurück zur dresdner hof- bzw. <strong>Staatskapelle</strong>. auch nach<br />
Schuchs Tod wurden die Werke Mahlers durch die Chefdirigenten fritz reiner<br />
und fritz busch weiterhin mit einer gewissen regelmäßigkeit gepflegt<br />
(so dirigierte reiner 1916 »das Lied von der erde« und busch, als vorerst<br />
letzte Mahler-Großtat, 1932 die »Symphonie der Tausend«) – bis mit der<br />
Vertreibung buschs durch die nationalsozialisten auch die frühe Mahlerrezeption<br />
in dresden ein abruptes ende fand. Zwar knüpfte Generalmusikdirektor<br />
Joseph Keilberth nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst an die frühen<br />
Mahler-errungenschaften an (u.a. 1950 mit der einspielung der ersten<br />
Symphonie: einem der frühesten Mahler-dokumente aus deutschland); allerdings<br />
wurde der Komponist auch nach der andernorts einsetzenden »Mahler-renaissance«<br />
der 1960er Jahre und trotz der eindringlichen bemühungen<br />
des kürzlich verstorbenen Chefdirigenten Kurt Sanderling in den Konzerten<br />
der <strong>Staatskapelle</strong> lange nicht wirklich heimisch. erst 1970 etwa dirigierte<br />
Kirill Kondraschin erstmals die dritte Symphonie, 1984 folgte unter Marek<br />
Janowski die erste Gesamtaufführung der Sechsten (nach den ausschnitten<br />
1907), 1988 unter Kurt Sanderling die erste aufführung der neunten.<br />
Musikalische Wende mit Sinopoli<br />
eine kontinuierliche Mahler-Pflege im großen Stil setzte erst nach der politischen<br />
Wende mit dem Chefdirigenten Giuseppe Sinopoli ein, der ab 1992<br />
einen Großteil der Werke Mahlers dirigierte, in der Semperoper und weltweit<br />
auf Tournee, und der <strong>Staatskapelle</strong> – neben Strauss – nach und nach<br />
auch den ruf eines exzellenten »Mahler-Orchesters« verschaffte. Sinopoli<br />
knüpfte als interpret an seinen eigenen Mahler-Zyklus mit dem Philharmonia<br />
Orchestra aus den frühen 1980er Jahren an – und auch sein dresdner<br />
DresDen in Den 1920er jahren: BlicK von Der Brühlschen terrasse<br />
auf Den theaterPlatz, rechts Das alte hotel Bellevue<br />
Mahler-Zyklus wäre sicher vollständig geworden, hätte den dirigenten nicht<br />
im april 2001 der plötzliche Tod ereilt.<br />
So bleiben in der Mahler-rezeption der <strong>Staatskapelle</strong> noch immer<br />
Lücken, die auch die nachfolgenden Chefdirigenten bernard haitink (einer der<br />
hauptprotagonisten der »Mahler-renaissance« der 1960er Jahre) und fabio<br />
Luisi – trotz weitreichender Pläne diesbezüglich – nicht schließen konnten.<br />
immerhin dirigierte daniel harding 2004 die dresdner erstaufführung der<br />
unvollendeten zehnten Symphonie in der fassung von deryck Cooke. eine aufführung<br />
der 1908 im nahe gelegenen Prag uraufgeführten siebten Symphonie<br />
steht aber in den Konzerten der <strong>Staatskapelle</strong> bislang noch immer aus.<br />
toBias nieDerschlag<br />
28 29 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT
<strong>4.</strong> <strong>Symphoniekonzert</strong> 2011 | 2012<br />
Orchesterbesetzung<br />
1. violinen<br />
Matthias Wollong<br />
1. KonzertMeister<br />
Thomas Meining<br />
Jörg faßmann<br />
Michael frenzel<br />
Volker dietzsch<br />
brigitte Gabsch<br />
Jörg Kettmann<br />
Susanne branny<br />
birgit Jahn<br />
Martina Groth<br />
henrik Woll<br />
anja Krauß<br />
anett baumann<br />
annika Thiel<br />
anselm Telle<br />
Sae Shimabara<br />
2. violinen<br />
reinhard Krauß<br />
KonzertMeister<br />
frank Other<br />
Matthias Meißner<br />
Wolfgang roth<br />
Stephan drechsel<br />
Jens Metzner<br />
Ulrike Scobel<br />
Olaf-Torsten Spies<br />
alexander ernst<br />
Mechthild von ryssel<br />
emanuel held<br />
holger Grohs<br />
Paige Kearl<br />
Lisa Werhahn<br />
Bratschen<br />
Sebastian herberg<br />
sol o<br />
Stephan Pätzold<br />
Michael horwath<br />
Jürgen Knauer<br />
Uwe Jahn<br />
Ulrich Milatz<br />
ralf dietze<br />
Susanne neuhaus<br />
Juliane böcking<br />
Milan Líkař<br />
Uta Scholl<br />
ekaterina Zubkova**<br />
violoncelli<br />
isang enders<br />
KonzertMeister<br />
Simon Kalbhenn<br />
sol o<br />
Tom höhnerbach<br />
Martin Jungnickel<br />
andreas Priebst<br />
bernward Gruner<br />
Johann-Christoph Schulze<br />
Jakob andert<br />
anke heyn<br />
Matthias Wilde<br />
Kontrabässe<br />
andreas Wylezol<br />
sol o<br />
Petr Popelka<br />
Torsten hoppe<br />
helmut branny<br />
fred Weiche<br />
Thomas Grosche<br />
Johannes nalepa<br />
Yamato Moritake<br />
30 31 <strong>4.</strong> SYMPHONIEKONZERT<br />
flöten<br />
andreas Kißling<br />
sol o<br />
bernhard Kury<br />
Cordula bräuer<br />
Kristin Lovsky*<br />
oboen<br />
bernd Schober<br />
sol o<br />
andreas Lorenz<br />
Sibylle Schreiber<br />
Michael Goldammer<br />
Klarinetten<br />
Wolfram Große<br />
sol o<br />
dietmar hedrich<br />
Jan Seifert<br />
Christian dollfuß<br />
fagotte<br />
erik reike<br />
sol o<br />
hannes Schirlitz<br />
andreas börtitz<br />
hörner<br />
erich Markwart<br />
sol o<br />
robert Langbein<br />
sol o<br />
andreas Langosch<br />
harald heim<br />
Julius rönnebeck<br />
Miklós Takács<br />
Klaus Gayer<br />
trompeten<br />
Mathias Schmutzler (b)<br />
sol o<br />
Peter Lohse<br />
Siegfried Schneider (b)<br />
Volker Stegmann<br />
Gerd Graner (b)<br />
Posaunen<br />
Uwe Voigt<br />
sol o<br />
Guido Ulfig<br />
Jürgen Umbreit<br />
Lars Zobel<br />
tuba<br />
Jens-Peter erbe<br />
solo<br />
Pauken<br />
bernhard Schmidt<br />
sol o<br />
Christian Langer<br />
schlagzeug<br />
Jürgen May<br />
dirk reinhold<br />
Stefan Seidl<br />
harfen<br />
Vicky Müller<br />
solo<br />
* als gast<br />
** als aKaDeMist<br />
(B) auch BühnenMusiK
32<br />
Vorschau<br />
5. <strong>Symphoniekonzert</strong><br />
saMstag 1<strong>4.</strong>1.12 2 0 u h r<br />
sonntag 15.1.12 11 uhr<br />
Montag 16.1.12 2 0 u h r<br />
seMPeroPer DresDen<br />
Yannick Nézet-Séguin dirigent<br />
Janine Jansen Violine<br />
IMPReSSUM<br />
Sächsische Staatsoper dresden<br />
intendantin dr. Ulrike hessler<br />
Spielzeit <strong>2011|2012</strong><br />
herausgegeben von der intendanz<br />
© dezember 2011<br />
ReDAKTION<br />
Tobias niederschlag<br />
MITARBeIT<br />
Janine Schütz<br />
GeSTALTUNG UND LAYOUT<br />
schech.net<br />
Strategie. Kommunikation. design.<br />
DRUCK<br />
Union druckerei dresden Gmbh<br />
ANzeIGeNveRTRIeB<br />
Keck & Krellmann Werbeagentur Gmbh<br />
i.a. der Moderne Zeiten Medien Gmbh<br />
Telefon: 0351/25 00 670<br />
e-Mail: info@kkwa.de<br />
www.kulturwerbung-dresden.de<br />
Olivier Messiaen<br />
»Les Offrandes oubliées«,<br />
Symphonische Meditationen<br />
Sergej Prokofjew<br />
Violinkonzert nr. 2 g-Moll op. 63<br />
Igor Strawinsky<br />
»Le Sacre du printemps«<br />
Kostenlose Konzerteinführungen jeweils<br />
45 Minuten vor beginn im Opernkeller<br />
der Semperoper<br />
BILDNACHWeISe<br />
Georges Prêtre: Terry Linke/decca; Prêtre<br />
und <strong>Staatskapelle</strong>: Matthias Creutziger,<br />
erwin döring (s/w); abbildungen zu Schubert:<br />
ernst hilmar, Schubert, Graz 1989; abbildungen<br />
zu Mahler: Wolfgang Schreiber, Mahler,<br />
reinbek 2003; »Titan mit fels« von hermann<br />
Prell: Staatliche Kunstsammlungen dresden,<br />
Galerie neue Meister; ernst von Schuch,<br />
dresden 1920er Jahre: archiv der Sächsischen<br />
Staatsoper dresden<br />
TexTNACHWeISe<br />
Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für<br />
die Programmhefte der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong><br />
dresden.<br />
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht<br />
werden konnten, werden wegen nachträglicher<br />
rechtsabgeltung um nachricht gebeten.<br />
Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus<br />
urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.<br />
WWW.STAATSKAPeLLe-DReSDeN.De<br />
Photo © Matthias Creutziger<br />
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Adventskonzert aus der<br />
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