CMS-Magazin RADAR Nr. 10 April 2020

Die Gletscher schmelzen, die Bäume sterben, der Meeresspiegel steigt, die Erderwärmung nimmt zu: Der Klimawandel bewegt die Menschen. Er treibt manche auf die Strasse, die Stimmberechtigten wählen immer häufiger grüne Parteien, und der Basler Grosse Rat sah sich sogar veranlasst, den Klimanotstand auszurufen. Statt kühlen Kopf zu bewahren, sind die Diskussionen um das Klima und die zu ergreifenden Massnahmen fundamental und oft emotional. Manch einer mag schon gar nichts mehr davon hören. Und jetzt widmet auch noch die Christoph Merian Stiftung (CMS) ihre neueste RADAR-Ausgabe dem Thema Nachhaltigkeit … Warum? Ganz egal, ob man in der Klimadiskussion einen Hype sieht oder ein endlich erlangtes Bewusstsein für den Zustand unserer Welt, die Frage bleibt: Was bedeutet der Klimawandel für eine Stiftung wie die CMS? Was kann sie tun? Was muss sie tun? Was tut sie bereits? Die Antworten darauf sind vielfältig. Davon handelt das vorliegende RADAR, das nicht auf die soziale oder ökonomische, sondern eben auf die ökologische Nachhaltigkeit fokussiert. Die Gletscher schmelzen, die Bäume sterben, der Meeresspiegel steigt, die Erderwärmung nimmt zu: Der Klimawandel bewegt die Menschen. Er treibt manche auf die Strasse, die Stimmberechtigten wählen immer häufiger grüne Parteien, und der Basler Grosse Rat sah sich sogar veranlasst, den Klimanotstand auszurufen. Statt kühlen Kopf zu bewahren, sind die Diskussionen um das Klima und die zu ergreifenden Massnahmen fundamental und oft emotional. Manch einer mag schon gar nichts mehr davon hören. Und jetzt widmet auch noch die Christoph Merian Stiftung (CMS) ihre neueste RADAR-Ausgabe dem Thema Nachhaltigkeit … Warum? Ganz egal, ob man in der Klimadiskussion einen Hype sieht oder ein endlich erlangtes Bewusstsein für den Zustand unserer Welt, die Frage bleibt: Was bedeutet der Klimawandel für eine Stiftung wie die CMS? Was kann sie tun? Was muss sie tun? Was tut sie bereits? Die Antworten darauf sind vielfältig. Davon handelt das vorliegende RADAR, das nicht auf die soziale oder ökonomische, sondern eben auf die ökologische Nachhaltigkeit fokussiert.

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01.04.2020 Aufrufe

LandbesitzMerian Gärten:Ökologie hat ihren Preisund ihren LohnSeit 2010 bewirtschaften die Merian Gärten ihr Areal biologisch nach denAuflagen von Bio Suisse. 2012 erhielten sie die Knospe-Zertifizierung, alserster botanischer Garten der Schweiz. Die entsprechende Garten- undParkpflege ist anspruchsvoll. Sie hat ihren Preis – aber auch ihren Lohn:bessere Bodenfruchtbarkeit und mehr Biodiversität, neues fachlichesKnow-how und einen guten Ruf.scy. «Die Gärten biologisch bewirtschaften? Das gehtdoch nicht!» Viele Gärtnerinnen und Gärtner – und zwarnicht nur die eigenen – waren 2010 skeptisch, als die CMSankündigte, den damaligen Merian Park auf biologischeBewirtschaftung umzustellen. Doch das Gärtnerteamstellte sich der Herausforderung. Die Gärten sollten dieZertifizierung mit der Bio-Knospe erhalten, damit dieCMS den Merian Park und den Brüglinger Hof zu denheutigen Merian Gärten zusammenlegen konnte. DerHof inmitten des Areals hätte sein Bio-Label verloren,wenn der Rest der neuen Gesamtanlage nicht ebenfallsbiologisch bewirtschaftet worden wäre. Als Pionierin desbiologischen Landbaus, die schon in den 1990er-Jahrenihre landwirtschaftlichen Gutsbetriebe umgestellt hatte,war für die CMS der Verzicht auf das Knospe-Label inBrüglingen undenkbar. Damals hatte die Umstellungerst einmal ein radikales Umdenken bedeutet: Im Bio-Landbau stehen nicht die einzelne Pflanze und ihreSchönheit im Vordergrund, sondern der Erhalt der Biodiversitätund der Bodenfruchtbarkeit. Weil chemisch-synthetische Pestizide und Dünger verboten sind, kul-tivieren Bio-Landwirtschaftsbetriebe robuste Sorten:Topaz-Äpfel etwa anstelle empfindlicher Mode-Äpfel.Nun stellte sich die Frage, was die Umstellung für dieMerian Gärten und ihre sieben teils internationalbekannten Pflanzensammlungen bedeuten würde. Die1 500 Bartiris-Sorten? Die Rhododendren? Auf empfindlicheSorten verzichten und damit die Reputation derSammlung aufs Spiel setzen?Nein. Als botanischer Garten bemühen sichdie Merian Gärten, in ihren Sammlungen und im ge-samten Sortiment die Sortenvielfalt zu erhalten undgesunde und schöne Pflanzen zu kultivieren. Aber dieUmstellung hatte ihren Preis in einem ganz wörtlichenSinn. Nicht nur chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittelund Dünger waren verboten, sondern auch dasDämpfen der Erde in den Irisbeeten mit heissem Wasserdampf:weil dabei ausser den lästigen Winden auchKleinstlebewesen abgetötet werden. Pflege und Förderungder Biodiversität in den Gärten unter Einhaltungder Auflagen von Bio Suisse bringen mit sich, dass imSommer mehr Einsatzstunden bei den Gartenhilfskräftenanfallen, die nichts anderes tun als jäten undden Boden auflockern. Desgleichen erfordern die Auflagenbei Pilzbefall und Schädlingsbekämpfung sehr vielmehr vorausschauendes Eingreifen, auch mehr Kenntnisseüber Pflanzen und Bodenbeschaffenheit und sanftereMittel. Das ist aufwendig und anspruchsvoll, erweitertaber auch die Fachkenntnisse des Gärtnerteams.Für die Rhododendren haben die MerianGärten mit Bio Suisse eine Ausnahmebewilligung ausgehandelt:Vorübergehend darf im kalkigen Boden einebegrenzte Menge an Torf einarbeitet werden, bis eingeeignetes anderes Substrat gefunden wird, das denBoden saurer macht. Hierzu machen die Merian Gärtenseit einigen Jahren Substrattests. So schön die Pflanzenauch sind: «Heute würden wir die Schenkung aus den70er-Jahren wohl nicht mehr annehmen, weil die Pflanzeneine andere Bodenbeschaffenheit brauchen, als sienatürlicherweise in der Brüglinger Ebene vorkommt.Aber die Rhododendren gehören zu unserer Geschichteund unseren Highlights, die wir auch unter dem Bio-Pflegeregime unbedingt erhalten möchten», sagt BettinaHamel, Geschäftsleitern der Merian Gärten. Ausnahmebewilligungenerhalten die Merian Gärten auch, wenn siezur Ergänzung ihrer Sammlungen und Sortimente neueSorten anpflanzen. Zum Beispiel im Arzneipflanzengartenoder in Zusammenarbeit mit ProSpecieRara bei altenGemüsesorten, die nachweislich noch nicht in Bio-Qualitäterhältlich sind. Dann darf auch eine konventionellangezogene Pflanze ins Sortiment aufgenommen werden.Wird diese Sorte dann während zwei Jahren in denMerian Gärten nach den Knospe-Prinzipien kultiviert, istsie «Bio».Die vorwiegend auf Landwirtschaftsbetriebeausgerichtete Zertifizierungsbehörde von Bio Suissekontrolliert jährlich und lernt im ungewohnten Terraineines botanischen Gartens ebenso dazu wie dieWald:Auswirkungen des KlimawandelsDie CMS besitzt insgesamt 340 Hektaren Wald. Davon gehören 150Hektaren zum historischen Gut Löwenburg in Pleigne im Jura, ihremgrössten Landwirtschaftsbetrieb. Doch der Wald ist in einem schlechtenZustand. Das hat mit dem Klimawandel zu tun, aber auch mit derAufforstungspolitik der 60er-Jahre. Jetzt muss einiges ausgebügeltwerden.scy. Der Wald des Gutshofs Löwenburg auf dem jurassischenHochplateau über dem Lützeltal ist für SchweizerVerhältnisse riesig und mit 150 Hektaren fast so grosswie der Hardwald in Muttenz. Die Schäden sind für Laienvon blossem Auge sichtbar: überall kahle Lichtungenmit Baumstümpfen von Rottannen, die gefällt werdenmussten, weil ihnen der Borkenkäfer zusetzte. Oderschwächelnde Buchen, wegen denen der Kanton Jura imletzten Sommer Katastrophenalarm ausrief («catastropheforestière»). Im Forst der Löwenburg trafen die Klima-schäden sehr viele Rottannen – oder «gemeine Fichten»,wie sie korrekt heissen. Die Art stammt ursprünglich ausSkandinavien, gedeiht vor allem in kühlen Regionen undverträgt Trockenheit und Hitze schlecht. Die letzten, sehrheissen Sommer auch im Jura haben die Bäume anfälliggemacht, sie können Schädlinge wie den Borkenkäfernicht mehr abwehren.Dass es im Löwenburger Wald so viele serbelndeRottannen gibt, ist nicht bloss der Natur zuzuschreiben.«Das ist auch die Folge einer rein ökonomischgefärbten Aufforstungspolitik in den 60er-Jahren», konstatiertRolf Bolliger, ehemaliger Betriebsleiter derLöwenburg. Bolliger ist Präsident des Forstreviers «Triageforestier du Haut-Plateau» und vertritt heute die CMS inder Forstkommission. Nach dem Erwerb durch die CMSim Jahr 1956 hätten die damals Verantwortlichen begonnen,gut 40 Hektaren Weideland in grossem Umfang mitRottannen aufzuforsten. Aus rein ökonomischen Erwägungenwählte man die ursprünglich ortsfremdenBäume, weil sie schnell wachsen, das Holz als Baustoffbegehrt war und gute Erträge abwarf. Bern war zu jenerZeit noch Standortkanton der Löwenburg und musste,nachdem für den Autobahnbau der A1 durch das Grauholzeine immense Waldfläche abgeholzt worden war,Ersatzflächen aufforsten. Dafür gab es hohe Subventionenvon Bund und Kanton. Bolliger: «Als die Verantwortlichender Löwenburg bei den Berner Behörden die Aufforstungvon Weideland beantragten, war man allerortssehr einverstanden. Das war eine ganz andere Zeit.»In den 80er- und 90er-Jahren erwachte dann das ökologischeGewissen, auch als Folge des fortschreitendenWaldsterbens. Der Wald wurde nicht mehr nur als Ertragsquelleverstanden, sondern als wichtige und gefährdeteökologische Lebensgrundlage. Der Förster der Löwenburgbegann, Lücken mit Linden, wilden Kirschen und Wildbirnenaufzuforsten, um den Wald wieder in seiner ursprünglichenZusammensetzung wachsen zu lassen. Diescharf akzentuierten Fichtenwaldränder versuchte manSchritt für Schritt – auch im Interesse einer möglichst hohenBiodiversität von Flora und Fauna – wieder in einengestuften Waldrand zurückzuführen.Seither ist der Holzpreis massiv gesunken undhat sich nur wenig erholt. Obwohl Holz als Baustoff zunehmendinteressant wird, ist die maschinelle «Ernte»der Bäume im Jura weit teurer als in leicht zugänglichenWäldern. Dazu haben im Rahmen des Freihandels Holzimporteaus Billigländern wie den baltischen Staatendem Schweizer Holzmarkt schwer zugesetzt. Wer heutesogenanntes Schwachholz als Industrieholz verkaufenwolle, lege pro Kubikmeter rund 15 bis 20 Franken drauf,sagt Bolliger. «Den Wald als Renditeobjekt gibt es sonicht mehr. Fehlende Erträge verunmöglichen geeignete,eigentlich notwendige Massnahmen gegen die Folgendes Klimawandels.»Was also tun mit all dem Schwachholz, dasherumliegt? Wie den Wald ökologisch und nachhaltigpflegen? Alternativen wie etwa Wärme- und Stromproduktionmit sogenannten Hackschnitzelanlagenerfordern relativ viel Kapital, das zum Teil nur ungerninvestiert wird. Der Löwenburg-Wald ist, zusammen mitallen Wäldern des Forstreviers Haut-Plateau, seit 2008FSC-zertifiziert, muss also nach den ökologischen Auflagendes internationalen Forest Stewardship Council(FSC) gepflegt werden: keine Monokulturen, sondern Aufforstungenmit standortgerechten einheimischen Arten.8

LandbesitzVerantwortlichen der Merian Gärten. Bio Suisse kontrolliertauch die Tierhaltung in den Merian Gärten, derSchafe, Hühner, Kaninchen und Bienen, und soziale Faktorenwie die Arbeitsverhältnisse. Bei der Tierhaltungschneiden die Merian Gärten regelmässig hervorragendab. «Der Kontrolleur sagte uns schon, wenn er ein Huhnwäre, würde er am liebsten bei uns leben», lacht BettinaHamel.Bio-Suisse-Auflagen sind das eine – die CMS-Verpflichtung zu nachhaltigem Wirtschaften das andere.Im 2012 neu erstellten Lehmhaus gibt es auf den Toilettennur kaltes Wasser und Vorhänge statt elektrischbetriebener Storen. Die Heckenschneidmaschinen sindkeine Benziner mehr, demnächst soll für die BewässerungRegenwasser effizienter genutzt werden. Auch dieArbeitskleider wurden nach Nachhaltigkeitskriterienausgesucht. Bei jeder Entscheidung spielen heute ökologischeErwägungen eine Rolle, und manchmal stehenihnen ökonomische Faktoren diametral entgegen. Beider Neuanschaffung von Maschinen etwa, wenn dasElektromodell doppelt so teuer ist und es schnell umZehntausende von Franken geht. «Das ist ein anspruchsvollerProzess», sagt Bettina Hamel, die auch Mitgliedder Geschäftsleitung der CMS ist. «Aber wir sind auf demrichtigen Weg und daran, umfassende Leitlinien für dieganze Stiftung auszuarbeiten.»Das kostet und bringt in den nächsten Jahrzehnten nichtsein. Dort, wo der betroffene Wald als Schutzwald definiertist, beteiligen sich Bund und Kantone finanziell an dennotwendigen Eingriffen.Die CMS ist in Übereinstimmung mit ihrenNachhaltigkeitszielen bereit, für künftige Generationenin eine nachhaltige Waldpflege zu investieren. Sie wirddemzufolge mit ihrem Waldbesitz, vor allem in denschwierigen Regionen, in den nächsten Jahren vorwiegendrote Zahlen schreiben. Trotzdem sind Investitionenin die Infrastruktur vorgesehen, zum Beispiel in das Waldwegnetzals wichtige Voraussetzung für eine nachhaltigeBewirtschaftung. Zurzeit läuft zudem im Rahmen derRevision des Wirtschaftsplanes der Löwenburger Waldungeneine quantitative und qualitative Analyse desWaldbestands. Sie wird die Basis bilden für alle künftigenMassnahmen.9

Landbesitz

Merian Gärten:

Ökologie hat ihren Preis

und ihren Lohn

Seit 2010 bewirtschaften die Merian Gärten ihr Areal biologisch nach den

Auflagen von Bio Suisse. 2012 erhielten sie die Knospe-Zertifizierung, als

erster botanischer Garten der Schweiz. Die entsprechende Garten- und

Parkpflege ist anspruchsvoll. Sie hat ihren Preis – aber auch ihren Lohn:

bessere Bodenfruchtbarkeit und mehr Biodiversität, neues fachliches

Know-how und einen guten Ruf.

scy. «Die Gärten biologisch bewirtschaften? Das geht

doch nicht!» Viele Gärtnerinnen und Gärtner – und zwar

nicht nur die eigenen – waren 2010 skeptisch, als die CMS

ankündigte, den damaligen Merian Park auf biologische

Bewirtschaftung umzustellen. Doch das Gärtnerteam

stellte sich der Herausforderung. Die Gärten sollten die

Zertifizierung mit der Bio-Knospe erhalten, damit die

CMS den Merian Park und den Brüglinger Hof zu den

heutigen Merian Gärten zusammenlegen konnte. Der

Hof inmitten des Areals hätte sein Bio-Label verloren,

wenn der Rest der neuen Gesamtanlage nicht ebenfalls

biologisch bewirtschaftet worden wäre. Als Pionierin des

biologischen Landbaus, die schon in den 1990er-Jahren

ihre landwirtschaftlichen Gutsbetriebe umgestellt hatte,

war für die CMS der Verzicht auf das Knospe-Label in

Brüglingen undenkbar. Damals hatte die Umstellung

erst einmal ein radikales Umdenken bedeutet: Im Bio-

Landbau stehen nicht die einzelne Pflanze und ihre

Schönheit im Vordergrund, sondern der Erhalt der Biodiversität

und der Bodenfruchtbarkeit. Weil chemisch-

synthetische Pestizide und Dünger verboten sind, kul-

tivieren Bio-Landwirtschaftsbetriebe robuste Sorten:

Topaz-Äpfel etwa anstelle empfindlicher Mode-Äpfel.

Nun stellte sich die Frage, was die Umstellung für die

Merian Gärten und ihre sieben teils international

bekannten Pflanzensammlungen bedeuten würde. Die

1 500 Bartiris-Sorten? Die Rhododendren? Auf empfindliche

Sorten verzichten und damit die Reputation der

Sammlung aufs Spiel setzen?

Nein. Als botanischer Garten bemühen sich

die Merian Gärten, in ihren Sammlungen und im ge-

samten Sortiment die Sortenvielfalt zu erhalten und

gesunde und schöne Pflanzen zu kultivieren. Aber die

Umstellung hatte ihren Preis in einem ganz wörtlichen

Sinn. Nicht nur chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel

und Dünger waren verboten, sondern auch das

Dämpfen der Erde in den Irisbeeten mit heissem Wasserdampf:

weil dabei ausser den lästigen Winden auch

Kleinstlebewesen abgetötet werden. Pflege und Förderung

der Biodiversität in den Gärten unter Einhaltung

der Auflagen von Bio Suisse bringen mit sich, dass im

Sommer mehr Einsatzstunden bei den Gartenhilfskräften

anfallen, die nichts anderes tun als jäten und

den Boden auflockern. Desgleichen erfordern die Auflagen

bei Pilzbefall und Schädlingsbekämpfung sehr viel

mehr vorausschauendes Eingreifen, auch mehr Kenntnisse

über Pflanzen und Bodenbeschaffenheit und sanftere

Mittel. Das ist aufwendig und anspruchsvoll, erweitert

aber auch die Fachkenntnisse des Gärtnerteams.

Für die Rhododendren haben die Merian

Gärten mit Bio Suisse eine Ausnahmebewilligung ausgehandelt:

Vorübergehend darf im kalkigen Boden eine

begrenzte Menge an Torf einarbeitet werden, bis ein

geeignetes anderes Substrat gefunden wird, das den

Boden saurer macht. Hierzu machen die Merian Gärten

seit einigen Jahren Substrattests. So schön die Pflanzen

auch sind: «Heute würden wir die Schenkung aus den

70er-Jahren wohl nicht mehr annehmen, weil die Pflanzen

eine andere Bodenbeschaffenheit brauchen, als sie

natürlicherweise in der Brüglinger Ebene vorkommt.

Aber die Rhododendren gehören zu unserer Geschichte

und unseren Highlights, die wir auch unter dem Bio-

Pflegeregime unbedingt erhalten möchten», sagt Bettina

Hamel, Geschäftsleitern der Merian Gärten. Ausnahmebewilligungen

erhalten die Merian Gärten auch, wenn sie

zur Ergänzung ihrer Sammlungen und Sortimente neue

Sorten anpflanzen. Zum Beispiel im Arzneipflanzengarten

oder in Zusammenarbeit mit ProSpecieRara bei alten

Gemüsesorten, die nachweislich noch nicht in Bio-Qualität

erhältlich sind. Dann darf auch eine konventionell

angezogene Pflanze ins Sortiment aufgenommen werden.

Wird diese Sorte dann während zwei Jahren in den

Merian Gärten nach den Knospe-Prinzipien kultiviert, ist

sie «Bio».

Die vorwiegend auf Landwirtschaftsbetriebe

ausgerichtete Zertifizierungsbehörde von Bio Suisse

kontrolliert jährlich und lernt im ungewohnten Terrain

eines botanischen Gartens ebenso dazu wie die

Wald:

Auswirkungen des Klimawandels

Die CMS besitzt insgesamt 340 Hektaren Wald. Davon gehören 150

Hektaren zum historischen Gut Löwenburg in Pleigne im Jura, ihrem

grössten Landwirtschaftsbetrieb. Doch der Wald ist in einem schlechten

Zustand. Das hat mit dem Klimawandel zu tun, aber auch mit der

Aufforstungspolitik der 60er-Jahre. Jetzt muss einiges ausgebügelt

werden.

scy. Der Wald des Gutshofs Löwenburg auf dem jurassischen

Hochplateau über dem Lützeltal ist für Schweizer

Verhältnisse riesig und mit 150 Hektaren fast so gross

wie der Hardwald in Muttenz. Die Schäden sind für Laien

von blossem Auge sichtbar: überall kahle Lichtungen

mit Baumstümpfen von Rottannen, die gefällt werden

mussten, weil ihnen der Borkenkäfer zusetzte. Oder

schwächelnde Buchen, wegen denen der Kanton Jura im

letzten Sommer Katastrophenalarm ausrief («catastrophe

forestière»). Im Forst der Löwenburg trafen die Klima-

schäden sehr viele Rottannen – oder «gemeine Fichten»,

wie sie korrekt heissen. Die Art stammt ursprünglich aus

Skandinavien, gedeiht vor allem in kühlen Regionen und

verträgt Trockenheit und Hitze schlecht. Die letzten, sehr

heissen Sommer auch im Jura haben die Bäume anfällig

gemacht, sie können Schädlinge wie den Borkenkäfer

nicht mehr abwehren.

Dass es im Löwenburger Wald so viele serbelnde

Rottannen gibt, ist nicht bloss der Natur zuzuschreiben.

«Das ist auch die Folge einer rein ökonomisch

gefärbten Aufforstungspolitik in den 60er-Jahren», konstatiert

Rolf Bolliger, ehemaliger Betriebsleiter der

Löwenburg. Bolliger ist Präsident des Forstreviers «Triage

forestier du Haut-Plateau» und vertritt heute die CMS in

der Forstkommission. Nach dem Erwerb durch die CMS

im Jahr 1956 hätten die damals Verantwortlichen begonnen,

gut 40 Hektaren Weideland in grossem Umfang mit

Rottannen aufzuforsten. Aus rein ökonomischen Erwägungen

wählte man die ursprünglich ortsfremden

Bäume, weil sie schnell wachsen, das Holz als Baustoff

begehrt war und gute Erträge abwarf. Bern war zu jener

Zeit noch Standortkanton der Löwenburg und musste,

nachdem für den Autobahnbau der A1 durch das Grauholz

eine immense Waldfläche abgeholzt worden war,

Ersatzflächen aufforsten. Dafür gab es hohe Subventionen

von Bund und Kanton. Bolliger: «Als die Verantwortlichen

der Löwenburg bei den Berner Behörden die Aufforstung

von Weideland beantragten, war man allerorts

sehr einverstanden. Das war eine ganz andere Zeit.»

In den 80er- und 90er-Jahren erwachte dann das ökologische

Gewissen, auch als Folge des fortschreitenden

Waldsterbens. Der Wald wurde nicht mehr nur als Ertragsquelle

verstanden, sondern als wichtige und gefährdete

ökologische Lebensgrundlage. Der Förster der Löwenburg

begann, Lücken mit Linden, wilden Kirschen und Wildbirnen

aufzuforsten, um den Wald wieder in seiner ursprünglichen

Zusammensetzung wachsen zu lassen. Die

scharf akzentuierten Fichtenwaldränder versuchte man

Schritt für Schritt – auch im Interesse einer möglichst hohen

Biodiversität von Flora und Fauna – wieder in einen

gestuften Waldrand zurückzuführen.

Seither ist der Holzpreis massiv gesunken und

hat sich nur wenig erholt. Obwohl Holz als Baustoff zunehmend

interessant wird, ist die maschinelle «Ernte»

der Bäume im Jura weit teurer als in leicht zugänglichen

Wäldern. Dazu haben im Rahmen des Freihandels Holzimporte

aus Billigländern wie den baltischen Staaten

dem Schweizer Holzmarkt schwer zugesetzt. Wer heute

sogenanntes Schwachholz als Industrieholz verkaufen

wolle, lege pro Kubikmeter rund 15 bis 20 Franken drauf,

sagt Bolliger. «Den Wald als Renditeobjekt gibt es so

nicht mehr. Fehlende Erträge verunmöglichen geeignete,

eigentlich notwendige Massnahmen gegen die Folgen

des Klimawandels.»

Was also tun mit all dem Schwachholz, das

herumliegt? Wie den Wald ökologisch und nachhaltig

pflegen? Alternativen wie etwa Wärme- und Stromproduktion

mit sogenannten Hackschnitzelanlagen

erfordern relativ viel Kapital, das zum Teil nur ungern

investiert wird. Der Löwenburg-Wald ist, zusammen mit

allen Wäldern des Forstreviers Haut-Plateau, seit 2008

FSC-zertifiziert, muss also nach den ökologischen Auflagen

des internationalen Forest Stewardship Council

(FSC) gepflegt werden: keine Monokulturen, sondern Aufforstungen

mit standortgerechten einheimischen Arten.

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