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KOLUMNE<br />
39<br />
Ganz klar, dass Mutti ran musste, wenn es darum ging, Vatis<br />
kleine Prinzessin auf den Ernst des Lebens vorzubereiten. Er<br />
konnte nicht, weil Männer bei so was nie können – also zumindest<br />
meiner nicht, und weil er natürlich seinen Augapfel<br />
auch nicht weinen sehen wollte. Vorweggenommen: Unsere<br />
Süße hatte ab Minute eins in der Krippe nicht geweint. Sie<br />
tanzte, klatschte in die Hände und machte in die Windeln.<br />
Mir hingegen war schon nach ein paar Tagen zwischen Lätzchen,<br />
Bausteinen und Kindergebrabbel zum Heulen zumute.<br />
Nicht weil die Erzieherinnen blöd waren oder es in der Kleinkind-Umkleide<br />
schon stark nach nasser Hund roch. Auch<br />
nicht wegen des schlechten Gewissens, dass ich unser Kind<br />
in fremde Hände gab, nur um ein paar heilige, einsame Latte-macchiato-Minuten<br />
im nach unten schauenden Hund zu<br />
haben. Nein, daran lag es nicht. Mir war schlichtweg brutal<br />
LANGWEILIG! Mehr als einmal ertappte ich mich dabei, wie<br />
ich mit schweren Lidern eifersüchtig auf Bob den Bären linste,<br />
der den lieben langen Tag unbehelligt in der Kuschelecke<br />
vor sich hindösen durfte. Der musste nicht mit pädagogisch<br />
wertvollem Holzzeugs spielen, der musste auch keine Fremdkindrotznasen<br />
putzen und schon gar nicht auf viel zu kleinen<br />
Stühlen sitzen, von denen mein Hintern rechts und links herunterploppte<br />
und sie zu verschlucken drohte. War ich einfach<br />
nur herzlos, eine schlechte Mutter? War ich es, die nicht zu<br />
sozialisieren war, oder warum erfüllten mich die Stunden,<br />
Tage auf dem spuckedurchtränkten Boden, von wo aus ich<br />
dem emsigen Treiben unserer Tochter zusah, nicht? Warum<br />
konnte ich dem Smalltalk mit einem aufgeweckten Einjährigen<br />
nicht wirklich folgen, und warum zum Teufel schmeckte<br />
mir der aufgetaute Mittags-Batz vom Bio-Caterer nicht, wo<br />
doch alle um mich herum eifrig schlabberten und schmatzten?<br />
Vielleicht hätte ein Glas eisgekühlter Chardonnay das<br />
Ganze ein wenig aufgepeppt, aber ich getraute mich nicht<br />
direkt danach zu fragen. Zumal das freundliche Krippenpersonal<br />
nicht müde wurde, mir mein rosa Plastikbecherlein<br />
mit leckerem städtischen Leitungswasser aufzufüllen. Leider<br />
beherrschte ich den Jesus-Trick nicht. Mit jedem Tag, den ich<br />
länger unter den U3-Jährigen weilte, stieg mein Respekt für<br />
alle um mich herum und ich wollte nur noch eins: schnell<br />
weg. Aber eine Eingewöhnung erfolgt nun mal nach einem<br />
erprobten Ablauf. Da kann Mutti noch so plärren: „Das Kind<br />
ist bereit, lasst mich hier raus!“ Da geht nix. Und das ist auch<br />
gut so. Schlussendlich hatte alles bis zum letzten Kekskrümel<br />
Sinn ergeben. Auch wenn ich danach mit einem monströsen<br />
Kinderschnupfen zwischen den Laken hing, wusste ich doch<br />
eins sicher: Für unsere Kleine würde ich mich jederzeit wieder<br />
durch die abwaschbare Krabbelhöhle zwängen.<br />
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