27.03.2020 Aufrufe

hinnerk April/Mai 2020

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FILM<br />

Manche Schauspieler, die sich für<br />

eine Rolle Muskeln antrainieren,<br />

finden dann Gefallen daran und<br />

bleiben dabei ...<br />

Ich sicherlich nicht. Es kam gar nicht<br />

infrage, denn direkt im Anschluss an die<br />

Dreharbeiten musste ich mich auf meine<br />

nächste Rolle vorbereiten, in der Fernsehserie<br />

„Godfather of Harlem“. Da musste<br />

ich wieder schlaksiger aussehen, und<br />

fürs Training wäre eh kaum Zeit gewesen.<br />

Aber ich hätte es auch nicht gewollt. Ich<br />

mochte meinen Körper gar nicht mehr<br />

sehen, weil er mich so sehr an Tyler und<br />

seine Qualen erinnerte. Ein Jahr lang fing<br />

ich manchmal aus heiterem Himmel an zu<br />

weinen, weil mich wieder die Erfahrungen<br />

meiner Figur überkamen. Mir war noch nie<br />

etwas so nahegegangen … was für mich<br />

dann tatsächlich der Anlass war, mir einen<br />

Therapeuten zu suchen.<br />

Lassen Sie uns ein bisschen über das<br />

schwierige Vater-Sohn-Verhältnis im<br />

Film sprechen. Haben Sie sich darin<br />

wiedererkannt?<br />

Zumindest hat mein Vater immer<br />

versucht, mich zu Höchstleistungen<br />

anzutreiben. Da fielen gerne mal Sätze<br />

wie: „Willst du dich von den anderen<br />

Kindern etwa bloßstellen lassen?“ So<br />

etwas prägt einen als Kind natürlich,<br />

denn wer will das schon? Und gerade<br />

als Afroamerikaner sind wir es gewohnt,<br />

gesagt zu bekommen, dass wir die Besten<br />

sein müssen, um überhaupt zum Zuge zu<br />

kommen. Aber heute habe ich für mich<br />

erkannt, dass diese Konkurrenzmentalität<br />

nichts für mich ist. Zu gewinnen bedeutet<br />

mir nichts.<br />

Und wie ist das Verhältnis zu Ihrem<br />

Vater?<br />

Er ist ein wunderbarer Mensch. Und meine<br />

beiden jüngeren Schwestern haben ihn<br />

verändert. Auch dank ihnen habe ich heute<br />

ein besseres Verhältnis zu ihm als früher,<br />

weil er emotional viel offener ist. Heute<br />

weiß ich, wie viel ich ihm bedeute. Als er<br />

„Waves“ gesehen hat, sagte er über den<br />

Vater im Film sofort: „Das bin nicht ich.“<br />

Womit er sicherlich meinte: „Mit mir heute<br />

hat dieser Mann nichts gemein.“ Und das<br />

würde ich auf jeden Fall unterschreiben.<br />

Inwieweit hat die Erziehung Ihres<br />

Vaters heute noch Einfluss auf Sie?<br />

Ich habe von ihm gelernt, Sachen<br />

durchzuziehen, mich bei Schwierigkeiten<br />

durchzubeißen. Das hat mir sicherlich<br />

geholfen und mich stärker gemacht. Aber<br />

ich würde trotzdem nicht denken, dass die<br />

Schmerzen, die damit einhergingen, nötig<br />

gewesen wären. Der wichtigste<br />

Moment in meinem Leben<br />

war sicherlich der,<br />

an dem ich aktiv<br />

beschlossen habe,<br />

dass ich nicht<br />

der Vorstellung<br />

entsprechen<br />

muss, die meine<br />

Eltern von mir<br />

haben. Einfach<br />

nur ich selbst<br />

zu sein, das steht<br />

seither für mich an<br />

oberster Stelle.<br />

Sie haben auch beruflich Ihr eigenes<br />

Ding gemacht und sind nicht in die<br />

Fußstapfen Ihrer Eltern getreten, die<br />

beide Musiker sind ...<br />

Ich bin natürlich mit Musik aufgewachsen,<br />

spiele Klavier, Trompete und singe.<br />

Aber gerade weil die Musik als Beruf<br />

so omnipräsent bei uns war, ging mir<br />

irgendwann die echte Leidenschaft dafür<br />

verloren. Das wurde eher eine technische<br />

als eine Herzensangelegenheit. Und wenn<br />

ich Trompete spielte, wusste ich nicht<br />

mehr, ob die Musik eigentlich wirklich aus<br />

meinem Herzen kommt oder ich doch nur<br />

meinen Vater kopiere.<br />

Stieß es auf Begeisterung, als Sie<br />

sich dann für die Schauspielerei<br />

entschieden haben?<br />

Anfangs nicht. Sie verstanden nicht, dass<br />

ich mich für etwas entschied, wozu sie keinen<br />

Bezug hatten und wo sie mir nicht helfen<br />

konnten. Was ich verstanden habe, mich<br />

aber natürlich nicht umstimmen konnte.<br />

Als ich dann tatsächlich bezahlte Jobs<br />

bekam, stimmte sie das langsam um. Vor<br />

allem, als ich mit Menschen vor der Kamera<br />

stand, die in ihren Augen Berühmtheiten<br />

waren. Natürlich hätte ich mich gefreut, sie<br />

hätten mich von Anfang an bedingungslos<br />

unterstützt, aber ich habe auch verstanden,<br />

dass sie sich Sorgen machten. Inzwischen<br />

vertrauen sie mir immerhin und wissen, dass<br />

ich meiner Berufung folge. Das ist das<br />

Entscheidende.<br />

Zu Ihren ersten wichtigen<br />

Jobs gehörten<br />

diverse Nebenrollen in<br />

Historiendramen wie<br />

„12 Years a Slave“,<br />

„Birth of a Nation“<br />

oder „Mudbound“.<br />

Haben Sie sich diese<br />

gewichtigen Stoffe<br />

bewusst ausgesucht?<br />

Das war eher Zufall und hatte<br />

natürlich auch damit zu tun, was<br />

überhaupt gedreht wurde. Ein paar Jahre<br />

lang gab es einfach wieder viele Filme<br />

über die US-amerikanische Geschichte.<br />

Aber ich selbst habe schon manchmal<br />

gescherzt, dass ich wohl versucht habe, ins<br />

Guinness-Buch der Rekorde zu kommen,<br />

für die meisten Sklavenrollen. Im Rückblick<br />

macht das allerdings durchaus auch Sinn.<br />

Vielleicht bildeten die Filme rund ums<br />

Thema Sklaverei quasi das Fundament für<br />

die Rollen, die ich zuletzt in „Luce“ oder<br />

eben „Waves“ gespielt habe – und die vom<br />

Schwarzsein im heutigen Amerika erzählen.<br />

*Interview: Jonathan Fink

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!