27.03.2020 Aufrufe

hinnerk April/Mai 2020

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

GESUNDHEIT<br />

FOTO: RAWPIXEL.COM / FREEPIK<br />

#SCHLAUZUHIV<br />

Wie sorglos darf PrEP<br />

machen, Herr Dr. Spinner?<br />

FOTO: SYLVIA WILLAX, MÜNCHEN<br />

Die Pille gegen HIV taugt zu<br />

euphorischen Utopien von<br />

einer neuen sexuellen Revolution<br />

ohne Gewissensbisse nach dem<br />

Gangbang im Berghain oder dem<br />

spontanen Treff mit dem ROMEO-<br />

Chat. Der Realitätscheck mit Dr.<br />

Spinner vom „Klinikum rechts der<br />

Isar der TU“ in München.<br />

72 Prozent Rückgang der HIV-Diagnosen<br />

bei MSM in Großbritannien.<br />

Ist PrEP das Ende von HIV?<br />

Ganz so einfach ist das nicht. Die Zahlen<br />

aus London fokussieren im Wesentlichen<br />

auf homo- und bisexuelle Männer. Ganz<br />

grundsätzlich ist die PrEP aber, kombiniert<br />

mit Schutz durch Therapie und vermehrte<br />

Testen, ein wirksames Mittel vor allem<br />

innerhalb der Hochrisikogruppen. Früher<br />

wurde durchschnittlich etwa alle zwei Jahre<br />

auf HIV getestet, heute sind es mit PrEP<br />

alle drei Monate. Außerhalb der mehrheitlich<br />

gut aufgeklärten Hochrisikogruppen –<br />

insbesondere bei Männern, die sich nicht<br />

als homo- oder bisexuell identifizieren, aber<br />

dennoch Verkehr mit Männern haben, ist<br />

die PrEP noch keine wirksame Lösung. Das<br />

haben auch Studien gezeigt.<br />

Welche Probleme können Sie im<br />

Praxisalltag beobachten?<br />

Zwei Dinge sind gefährlich: Einzelne<br />

Nutzer verwenden die PrEP nach ganz<br />

eigenem Schema, weder kontinuierlich<br />

noch korrekt anlassbezogen, wie in den<br />

Leitlinien empfohlen. Gelegentliche Nutzer<br />

setzen sich einem großen Risiko aus, wenn<br />

die Anwendung außerhalb der klinisch<br />

geprüften Einnahmeschemata erfolgt:<br />

Schließlich hängt die Schutzwirkung direkt<br />

von der Richtigkeit der Einnahme ab. Die<br />

meisten HIV-Neuinfektionen werden um<br />

den Wiederbeginn oder das Absetzen der<br />

PrEP gesehen. Es ist daher unveränderlich<br />

wichtig, dass Nutzer regelmäßig zu einer<br />

fachlich guten Beratung gehen. Das andere<br />

große Problem schlägt auch in die Kerbe der<br />

Information. Die Community hat in Foren<br />

und Blogs im Internet zwar wichtige Aufklärungsarbeit<br />

geleistet, aber es gibt auch<br />

sehr viel unausgegorene und halbwahre<br />

Informationen im Netz. Da kann unsere<br />

Rolle als Behandler und Schwerpunktmediziner<br />

nur sein, dass wir möglichst offen über<br />

die korrekte Verwendung der PrEP aufklären.<br />

Wichtig ist, dass jeder Nutzer eigenverantwortlich<br />

mit der PrEP umzugehen lernt.<br />

Verhindern können wir die beabsichtigte<br />

oder unbeabsichtigte fehlerhafte Selbstmedikation<br />

wohl leider nicht.<br />

Was muss Ihrer Meinung nach getan<br />

werden, um die Risiken anderer STI<br />

zu minimieren?<br />

Das ist schwer zu beantworten. Es gibt<br />

mittlerweile die ersten Studien, die<br />

ganz klar zeigen, dass nach Beginn der<br />

PrEP die STI-Diagnosen (STI = Sexuell<br />

übertagbare Krankheiten) im ersten Jahr<br />

erheblich ansteigen. Man muss aber im<br />

Hinterkopf behalten, dass das ja auch<br />

einen Grund hat: Die Menschen sind auch<br />

vor PrEP HIV-negativ geblieben, sie haben<br />

ihr Risikoverhalten kompensiert: Zum<br />

Beispiel durch Schutz durch Therapie des<br />

Partners oder Kondome. Die Freiheit der<br />

Sexualität durch PrEP hat zugenommen:<br />

Es ist also unweigerlich, dass mit mehr<br />

kondomloser Sexualität eine Erhöhung<br />

der STI-Rate einhergehen kann. Noch<br />

nicht ausreichend untersucht ist aber,<br />

was in den folgenden Jahren passieren<br />

wird. Bleibt es dabei? Bei unseren<br />

Gebrauchern erleben wir tatsächlich<br />

fast so etwas wie einen Rückgang der<br />

STI-Inzidenz oder zumindest eine<br />

Stabilisierung. Sie sehen ja auch die<br />

Syphilis-Meldedaten für Deutschland: Im<br />

ganzen Land steigt die Rate – für Berlin<br />

und München sind die Daten erstmals<br />

rückläufig. Der Zusammenhang zur PrEP<br />

ist absolut spekulativ, aber selbst das<br />

Robert Koch-Institut stellt ihn her.<br />

*Interview: Christian Knuth<br />

Das vollständige Interview findest du auf<br />

männer.media!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!