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hinnerk April/Mai 2020

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

Seit 1993 ist hinnerk das queere Stadtmagazin für Hamburg, Bremen und Hannover. hinnerk hat dabei nicht nur einen queeren Blick auf gesellschaftliche Themen wie die Gleichstellung Homo-, Bi-, Trans*- und Intersexueller, sondern bietet auch einen auf diese Zielgruppe angepassten Zugang zu kulturellen Themen.

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18 GESUNDHEIT<br />

MEDIZIN<br />

FOTO: OSKAR KADAKSOO / CC0<br />

Queers und Corona:<br />

Das sollte man wissen!<br />

In den USA haben über einhundert<br />

Organisationen in einem offenen<br />

Brief queere Menschen vor einem leichtfertigen<br />

Umgang mit COVID-19 gewarnt.<br />

Sexuelle Minderheiten sind aus mehreren<br />

Gründen anfälliger für eine Infektion mit<br />

SARS-CoV-2.<br />

Die wichtigsten Besonderheiten sind laut<br />

Autoren des Briefes:<br />

■ erhöhter Zigarettenkonsum in der<br />

Community<br />

■ höhere Anzahl von Menschen mit<br />

vorbelastetem Immunsystem<br />

■ seltenere Arztbesuche aufgrund von<br />

Diskriminierungsangst<br />

RAUCHEN: ZIGARETTEN GEFÄHRDEN<br />

DIE GESUNDHEIT<br />

Besonders der erhöhte Zigarettenkonsum<br />

in der Community ist besorgniserregend,<br />

da sich die durch das Virus SARS-CoV-2<br />

hervorgerufene Lungenerkrankung COVID-<br />

19 bei Rauchern als besonders gefährlich<br />

erwiesen hat. Der drastisch höhere Tabakkonsum<br />

bei Homo-, Bi- und Transsexuellen<br />

wurde erst kürzlich einmal mehr in einer<br />

Studie der britischen Forschungsorganisation<br />

Queer Voices Heard bestätigt. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, zu Zigaretten zu greifen,<br />

sei demnach innerhalb der Community<br />

um ganze 46 Prozent höher. Während<br />

weniger als die Hälfte der nichtqueeren<br />

britischen Bevölkerung Raucher waren<br />

oder sind, liegt der Anteil bei erwachsenen<br />

Queers bei über 70 Prozent.<br />

Außerdem seien laut offenem Brief die<br />

Zahlen von Krebserkrankungen und HIV-<br />

Infektionen in der Community höher, was<br />

dazu führe, dass prozentual mehr Menschen<br />

Probleme mit ihrem Immunsystem<br />

haben – ein Umstand, der sie anfälliger für<br />

das Virus mache.<br />

HIV: NOCH IMMER NICHT BEIM TEST<br />

GEWESEN?<br />

Dr. Sarah Henn, Chefärztin der Whitman-<br />

Walker Health (eine Unterzeichnerin des<br />

Briefes), erklärte der Zeitung Washington<br />

Blade, HIV-Positive seien höchstens einem<br />

sehr geringfügig erhöhten Risiko ausgesetzt<br />

als andere Menschen – solange eine medikamentöse<br />

Behandlung erfolge und die Virenzahl<br />

im nicht mehr nachweisbaren Bereich<br />

liege. Die Deutsche AIDS-Gesellschaft<br />

(DAIG) hat das in einer Stellungnahme vom<br />

12. März ähnlich formuliert: „Bisher gibt es<br />

keinen Hinweis auf eine erhöhte Infektionsrate<br />

von Menschen mit HIV gegenüber<br />

HIV-negativen Personen.“<br />

Anders ist das bei Menschen mit nicht entdecktem<br />

oder nicht behandeltem positivem<br />

HIV-Status oder einer Aids-Erkrankung. Die<br />

Empfehlung von Beratungsorganisationen<br />

wie IWWIT zu Safer Sex ist also auch in Zeiten<br />

von Corona eine nachdrückliche: Einmal<br />

jährlich zum Check-up auf HIV und andere<br />

sexuell übertragbare Krankheiten. Die DAIG<br />

empfiehlt, sich strikt an die Hygiene- und<br />

Kontaktvermeidungsregeln zu halten und<br />

schließt sich der im offenen Brief genannten<br />

Vermutungen an: „Sicherheitshalber sollte<br />

von der Erhöhung des Risikos eines schweren<br />

Verlaufs bei antiretroviral unbehandelten<br />

Personen und bei CD4+-Zellen unter 200/µl<br />

ausgegangen werden.“<br />

MINORITÄTENSTRESS: DISKRIMINIE-<br />

RUNG SCHADET DER GESUNDHEIT<br />

Der letzte Risikofaktor, der im Brief genannt<br />

wird, ist gesellschaftlicher Natur: Durch<br />

Diskriminierungserfahrungen und Angst,<br />

sich vor medizinischem Fachpersonal<br />

outen zu müssen, falle queeren Menschen<br />

der Weg zum Arzt schwerer. Besonders<br />

ältere Mitglieder der Community würden<br />

dem Gesundheitssystem, aber auch<br />

Hilfsangeboten wie Essenslieferungen<br />

und Seniorenzentren, aus Angst vor<br />

Diskriminierung kritisch gegenüberstehen<br />

und dadurch stärker vereinsamen. Dies sei<br />

angesichts der Sterblichkeitsrate von älteren<br />

Menschen durch das Virus ein besonders<br />

großes Problem für die Queer-Community.<br />

Die Autoren schließen:<br />

„Als LGBTQ+-Gemeinschafts- und<br />

Gesundheitsführung bieten die unterzeichnenden<br />

Organisationen an, Seite an<br />

Seite mit der Führung im Gesundheitswesen<br />

zu stehen, um sicherzustellen, dass<br />

wir aus der Geschichte lernen und nicht<br />

zulassen, dass eine Bevölkerungsgruppe<br />

unverhältnismäßig stark von einem Virus<br />

betroffen oder weiter stigmatisiert wird.“<br />

Der Brief macht deutlich: Es ist wichtig,<br />

dass queere Menschen um das Risiko<br />

wissen, dem sie ausgesetzt sind. Nur wer die<br />

Einzelheiten kennt, kann sich angemessen<br />

schützen. *lm/ck

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