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KAV MAGAZIN | Ausgabe 01/2020

Hinweis: Aufgrund der Corona-Pandemie wurden Seminare und Veranstaltungen, die für die Monate März, April und Mai 2020 geplant wurden, nach Möglichkeit in das 2. Halbjahr 2020 verlegt. Alle Informationen hierzu werden unter www.kav-seminare.de entsprechend mitgeteilt. Der 13. Kölner Anwaltstag, die EXPOKAV sowie die Mitgliederversammlung des KAV wurden vom 06. Mai 2020 auf den 26. August verlegt. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis.

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40 | Aktuelles & Wissenswertes<br />

Höchstsätzen der HOAI die in der Cipolla-Entscheidung getroffenen<br />

Vorgaben erfülle. Dies wurde vom EuGH jedoch mit Urteil vom<br />

04.07.2<strong>01</strong>9 – C-377/17 (HOAI) verneint, weil die Bundesrepublik<br />

durch den Erlass der HOAI insbesondere gegen die Verpflichtungen<br />

aus Art. 49 AEUV und aus Art. 15 I, II, Buchstabe g und III der RL<br />

2006/123/EG verstoßen habe.<br />

Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Festlegung verbindlicher<br />

Mindest- und Höchstpreise die in der EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />

(2006/123/EG) garantierte Niederlassungsfreiheit beeinträchtige,<br />

und legte die Kriterien, mit denen dies gerechtfertigt werden<br />

könnte, verbindlich fest. In seinem Urteil betonte er, „dass die<br />

Existenz von Mindestsätzen für die Planungsleistungen im Hinblick<br />

auf die Beschaffenheit des deutschen Marktes grundsätzlich dazu<br />

beitragen kann, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu<br />

gewährleisten“ und damit „die von der Bundesrepublik Deutschland<br />

angestrebten Ziele zu erreichen.“ Dem Urteil ist mithin eine<br />

Bestätigung der grundsätzlichen (europarechtlichen) Zulässigkeit<br />

der Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen zur Qualitätssicherung<br />

der Dienstleistung zu entnehmen. Dies müsse der Gesetzgeber<br />

dann aber auch gewährleisten. Da die Sicherung hoher Qualität<br />

indes gesetzgeberisch nicht kohärent umgesetzt sei, sei die Beeinträchtigung<br />

der Niederlassungsfreiheit nicht gerechtfertigt.<br />

2. Die Bedeutung der Entscheidungen für die Anwendung von<br />

Unionsrecht auf das RVG<br />

Im außergerichtlichen Bereich kann die gesetzliche Vergütung<br />

gemäß § 4 Abs. 1 RVG im Wege der Vereinbarung unterschritten<br />

werden, sodass sich hier die Frage der Vereinbarkeit mit Europarecht<br />

nicht stellt. Die BRAO und das RVG beschränken sich auf<br />

die Festlegung einer Mindestvergütung bei gerichtlicher Tätigkeit<br />

(§ 49 b Abs. 1 BRAO) und auf eine Höchstvergütung bei Prozesskostenhilfe<br />

(§ 3 a Abs. 3 RVG).<br />

2.1. Einschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das RVG<br />

Die freiberufliche Tätigkeit des Rechtsanwalts und der in § 1 RVG<br />

weiter genannten Tätigkeiten ist als Dienstleistung zu qualifizieren,<br />

Art. 50 lit. D EGV. Die Anwendbarkeit der EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />

(2006/123/EG) ergibt sich aus deren Art. 2 Abs. 1.<br />

Nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zu prüfen,<br />

ob die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit<br />

von bestimmten Anforderungen abhängig gemacht wird, wobei<br />

unter lit. g) die Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder<br />

Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer ausdrücklich als<br />

Ausgangspunkt einer möglichen Diskriminierung genannt wird.<br />

Ist das – wie beim RVG – der Fall, ist eine solche nationalstaatliche<br />

Regelung nach Abs. 3 nur dann zulässig, wenn folgende Anforderungen<br />

erfüllt sind:<br />

a) Nicht-Diskriminierung: Die Anforderungen dürfen weder eine<br />

direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit<br />

oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des<br />

satzungsmäßigen Sitzes darstellen;<br />

b) Erforderlichkeit: Die Anforderungen müssen durch einen zwingenden<br />

Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;<br />

c) Verhältnismäßigkeit: Die Anforderungen müssen zur Verwirklichung<br />

des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen<br />

nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels<br />

erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere<br />

weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum<br />

selben Ergebnis führen.<br />

2.2. Rechtfertigung der Einschränkung der Niederlassungsfreiheit<br />

durch das RVG<br />

2.2.1. Nicht-Diskriminierung<br />

Eine mögliche Diskriminierung im unionsrechtlichen Sinne durch<br />

die Vorschriften des RVG kann bereits unter demselben Aspekt<br />

verneint werden, unter welchem auch eine Diskriminierung durch<br />

die HOAI-Vorschriften abgelehnt wurde. Denn eine Diskriminierung<br />

liegt bereits dann nicht vor, wenn der Zugang zum Markt für freiberufliche<br />

Dienstleistungen zwar durch möglichweise ungerechtfertigte<br />

Schranken erschwert wird, dies jedoch für alle Anbieter<br />

gleichermaßen gilt.<br />

2.2.2. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit<br />

Die Gründe, die von der Bundesrepublik zur Erforderlichkeit der<br />

Mindest- und Höchstsätze der HOAI genannt wurden, namentlich<br />

der Verbraucherschutz und die Qualitätssicherung der Dienstleistung,<br />

sind vom EuGH als Rechtfertigungsgründe anerkannt<br />

worden. So dürften insbesondere die Mindest-Gebührensätze für<br />

die gerichtliche Vertretung grundsätzlich als erforderlich angesehen<br />

werden, um die Qualität der anwaltlichen Interessenvertretung vor<br />

Gericht zu sichern.<br />

Dass die Gebührensätze bei kleinen Streitwerten in Regionen<br />

liegen, die im Einzelfall eine kostendeckende anwaltliche Vertretung<br />

wohl nicht zulassen, lässt sich möglicherweise aus dem<br />

Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes rechtfertigen, der einen<br />

barrierearmen Zugang zum Recht zu gewährleisten hat. Aber<br />

bereits hier muss sich der Gesetzgeber die Frage gefallen lassen,<br />

ob das Ziel der Bewahrung der Qualität der anwaltlichen Interessenvertretung<br />

vor Gericht kohärent umgesetzt ist, wenn bei einem<br />

Streitwert bis 500,00 € dem Anwalt insgesamt 112,50 € Gebühren<br />

für das gesamte Verfahren zustehen. Bei konsequenter Anwendung<br />

marktwirtschaftlicher Prinzipien lässt die darin liegende Wertung<br />

eine qualitativ gesicherte Dienstleistung durchaus zweifelhaft<br />

erscheinen.<br />

Das RVG soll zudem ausweislich der Gesetzesbegründung durch seinen<br />

äußeren Aufbau transparent und damit, insbesondere für den<br />

rechtsuchenden Bürger, anwenderfreundlich gestaltet sein. Damit<br />

liegt der Schutz des Allgemeinwohls zumindest unter dem Gesichtspunkt<br />

des Verbraucherschutzes vor. Aus dem 40. Erwägungsgrund<br />

der RL 2006/123/EG ergibt sich, dass der Schutz von Dienstleistungsempfängern<br />

einen Rechtfertigungsgrund darstellen kann. Zudem<br />

hat der EuGH mit Urteil vom 11.12.2003 – C-289/02 – „AMOK“ im<br />

Zusammenhang mit der Kostenerstattungspflicht festgestellt, dass<br />

die bundesdeutsche Regelung hinreichend transparent sei.<br />

Im HOAI-Urteil scheiterte die Rechtfertigung daran, dass in<br />

Deutschland jedermann Planungsleistungen erbringen kann und<br />

daher die Sicherung der Qualität der Dienstleistung vom Gesetzund<br />

Verordnungsgeber nicht kohärent umgesetzt wurde. Denn<br />

auch ein Anwalt oder Busfahrer, der Planungsleistungen erbringt,<br />

hat sich an die HOAI zu halten, obgleich er zur Erbringung solcher<br />

Dienstleistungen (Planungsleistungen) nicht ausgebildet ist. Weil<br />

die Honorar-Regelungen auch durch nicht hinreichend qualifizierte<br />

Dienstleister zu beachten seien, sei die Regelung insgesamt nicht<br />

erforderlich. Dies sieht im zwingenden Gebührenrahmen des RVG<br />

indes anders aus:<br />

Für die Vergütung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung<br />

gilt, dass Nicht-Rechtsanwälte nur aufgrund behördlicher<br />

Erlaubnis nach § 13 RDG tätig werden dürfen, womit die Qualität<br />

der Leistung gesichert werden soll. Zwar erlaubt § 79 ZPO, dass die<br />

Parteien, soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist,<br />

Fortsetzung auf der nächsten Seite »

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