ZAP-2020-07
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Sozialrecht Fach 18, Seite 1725<br />
Neuerungen in der Eingliederungshilfe<br />
Die Trennung von Fachleistung Eingliederungshilfe und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
kann zudem dazu führen, dass künftig verschiedene Träger für die Leistungsgewährung örtlich und<br />
sachlich zuständig sind.<br />
Ein Auseinanderfallen der sachlichen Zuständigkeit war bislang durch die Regelung in § 97 Abs. 4 SGB XII,<br />
die entsprechend auch für die örtliche galt (BSG, Urt. v. 6.12.2018 – B 8 SO 9/18 R) vermieden worden.<br />
Eine vergleichbare „Verklammerungsnorm“ für die sachliche Zuständigkeit existiert logischerweise<br />
schon deshalb nicht, weil für die Sozialhilfe und die Eingliederungshilfe verschiedene Behörden zuständig<br />
sind und die Zuständigkeit durch die Länder festgelegt wird (§ 94 SGB IX i.V.m. dem Landesrecht).<br />
Die örtliche Zuständigkeit für die Fachleistung Eingliederungshilfe beurteilt sich nach § 98 SGB IX,<br />
die für die Sozialhilfeleistungen grds. nach § 98 Abs. 1 bis 5 SGB XII. Allerdings verklammert § 98<br />
Abs. 6 SGB XII beide Regelungsbereiche: Werden sowohl Leistungen der Eingliederungshilfe als auch<br />
existenzsichernde Sozialhilfeleistungen bezogen, beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit dafür nach<br />
den für die örtliche Zuständigkeit für die Eingliederungshilfeleistungen geltenden Regelungen in § 98<br />
SGB IX.<br />
Hinweis:<br />
Nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig der Träger, in dessen Bereich<br />
die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 98 Abs. 4 SGB IX) im Zeitpunkt der<br />
ersten Antragstellung nach § 108 Abs. 1 SGB IX hat oder in den letzten zwei Monaten vor den Leistungen<br />
einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hat. Dieser Träger ist auch örtlich zuständig für<br />
die existenzsichernden Sozialhilfeleistungen (§ 98 Abs. 6 SGB XII). Die sachliche Zuständigkeit, also die<br />
Frage, ob ein örtlicher oder überörtlicher Träger zuständig ist, kann jedoch differieren. Künftig können<br />
also zwei Träger für die Leistungen zuständig sein.<br />
Die geänderte Struktur kann auch in der Sache nicht ohne Ausnahmen bleiben. Folgendes sieht das<br />
Gesetz vor:<br />
• Die neue Struktur wurde für den in § 134 SGB IX bezeichneten Personenkreis (minderjährige<br />
Leistungsberechtigte, die sich in einer stationären Einrichtung befinden [„Betreuung über Tag und<br />
Nacht“] bzw. volljährige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur schulischen Ausbildung nach § 134<br />
Abs. 4 SGB IX erhalten) nicht übernommen, sondern es wurde am bisherigen System der Pauschalen<br />
festgehalten. Daher bedurfte es der Regelung in § 27c SGB XII, um den Leistungsberechtigten Beträge<br />
zur individuellen Verfügung zukommen zu lassen.<br />
• Die formale Gleichstellung der Bedarfe behinderter und nichtbehinderter Menschen für den Lebensunterhalt<br />
macht weitere Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen<br />
Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen, bei anderen Leistungsanbietern (§ 60<br />
SGB IX) und vergleichbaren anderen tagesstrukturierenden Maßnahmen notwendig. Durch § 113<br />
Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 42b Abs. 2 SGB XII wird der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)<br />
Rechnung getragen, wonach die Leistung für das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte<br />
Menschen Teil der Eingliederungshilfe und damit nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen<br />
ist (vgl. BSG, Urt. v. 9.12.2008 – B 8/9b SO 10/<strong>07</strong> R). § 42b Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII führt insoweit<br />
einen pauschalierten Mehrbedarf ein, orientiert am Warenwert für den Einkauf der erforderlichen<br />
Lebensmittel. Ausgehend von den Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung für <strong>2020</strong><br />
beläuft sich der Wert für das Mittagessen monatlich auf 102 €; dieser Betrag ist als Mehrbedarf zu<br />
leisten (vgl. § 42b Abs. 2 S. 3 SGB XII). Da es sich aber bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung<br />
um einen Teil der sog. Fachleistung handelt, ordnet § 113 Abs. 4 SGB IX konsequenterweise an, dass<br />
die sachlichen, personellen und betriebsnotwendigen Aufwendungen zur Erbringung dieser Leistung<br />
als Leistung der sozialen Teilhabe zu übernehmen sind.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. 7 1.4.<strong>2020</strong> 363