ZAP-2020-07

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25.03.2020 Aufrufe

Fach 12, Seite 386 Stiftung und Nachlassrecht Nachlass/Erbrecht 1. Rechtsfähige (selbstständige) Stiftung Die Stiftung ist in ihrer Grundform eine wertneutrale, steuerpflichtige selbstständige juristische Person des Privatrechts, die auch gemeinnützig i.S.d. §§ 53 ff. Abgabenordnung (AO) sein kann. Die rechtsfähige Stiftung ist auf die Ewigkeit angelegt und muss von der zuständigen Stiftungsbehörde anerkannt werden. Hierfür muss die Stiftung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, §§ 80 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die rechtsfähige Stiftung untersteht einer staatlichen Aufsicht, die die Einhaltung und Umsetzung der vom Stifter festgelegten Stiftungszwecke kontrolliert. Mit der Errichtung einer gemeinnützigen rechtsfähigen Stiftung kann sich der Stifter sozial engagieren und Gutes tun. Eine Stiftung verfolgt gem. § 52 Abs. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Ein Katalog mit gemeinnützigen Zwecken, die der Stifter verfolgen kann, enthält § 52 Abs. 2 AO. Hierzu gehören beispielweise: • die Förderung von Wissenschaft und Forschung, • die Förderung der Religion, • die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, insb. die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten, • die Förderung der Jugend- und Altenhilfe, • die Förderung von Kunst und Kultur. Neben dem sozialen Engagement bietet eine gemeinnützige Stiftung unter Einhaltung der Vorgaben der §§ 52 ff. AOsteuerliche Begünstigungen für die Stiftung und den Stifter. Die gemeinnützige Stiftung unterliegt nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Einkommensteuer beim Stifter kann gemindert werden (s. hierzu V). Die gemeinnützige rechtsfähige Stiftung ist von der privatnützigen Stiftung zu unterscheiden. Eine privatnützige Stiftung dient nicht einem gemeinnützigen Zweck. Gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 AO liegt eine Gemeinnützigkeit nicht vor, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, z.B. Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens. Die sog. Familienstiftung – ein Unterfall der rechtsfähigen Stiftung – ist beispielweise eine privatnützige Stiftung. Die Familienstiftung dient dem langfristigen Erhalt des Familienvermögens und der Versorgung von Familienmitgliedern. Eine Zersplitterung des Familienvermögens durch einen Erbfall kann durch sie verhindert werden. Die Familienstiftung bildet eine Option bei der Nachfolgeplanung eines Unternehmens. Die rechtsfähige Stiftung kann zu Lebzeiten vom Stifter oder nach seinem Ableben durch eine Verfügung von Todes wegen errichtet werden. Bei einer Errichtung zu Lebzeiten kann er selbst eine Funktion in der Stiftung ausüben und damit Sorge dafür tragen, dass der Stiftungszweck nach seinem Willen umgesetzt wird. Er muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass auch er für eine spätere Änderung der Stiftungssatzung oder des Stiftungszwecks die Genehmigung der Aufsichtsbehörde benötigt. Bei der Errichtung einer Stiftung von Todes wegen wird diese erst nach dem Tod des Stifters ins Leben gerufen. Die Bestimmung der Satzung zu Lebzeiten ist auch hier von wesentlicher Bedeutung, da der Stifter nachträglich nicht mehr korrigierend eingreifen kann (s. hierzu II 1 b). Bei der Errichtung der Stiftung durch Verfügung von Todes wegen stehen dem Stifter – wie unten noch zu sehen sein wird – eine Vielzahl von erbrechtlichen Gestaltungsmitteln zur Verfügung. Schließlich muss bei der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung – wie bereits angesprochen – ein Hauptaugenmerk auf die Vermögensausstattung der Stiftung gelegt werden. Die rechtsfähige Stiftung muss den vom Stifter vorgegebenen Stiftungszweck selbstständig erfüllen und die Kosten des Verwaltungsaufwands decken. Zwar verlangt das Gesetz keine Mindestausstattung bei der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung. Eine Mindestausstattung zwischen 50.000 und 100.000 € ist aber notwendig, damit die Stiftung von der Stiftungsbehörde als handlungsfähig angesehen und anerkannt 350 ZAP Nr. 7 1.4.2020

Nachlass/Erbrecht Fach 12, Seite 387 Stiftung und Nachlassrecht wird. Für diejenigen, die das vorgenannte Kapital nicht aufbringen können, bietet die Errichtung einer unselbstständigen Stiftung eine Alternative. Eine Mindestausstattung wird hier grds. nicht verlangt. 2. Nichtrechtsfähige (unselbstständige) Stiftung Im Gegensatz zur rechtsfähigen Stiftung untersteht die nichtrechtsfähige Stiftung keiner staatlichen Aufsicht und bedarf nicht der Anerkennung durch die zuständige Aufsichtsbehörde zu ihrer Entstehung. Damit ist die unselbstständige, treuhänderische oder fiduziarische Stiftung keine juristische Person und keine Trägerin von Rechten und Pflichten im Rechtsverkehr. Aus diesem Grund benötigt die unselbstständige Stiftung einen Rechtsträger (Stiftungsträger), der die mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten wahrnimmt. Die nichtrechtsfähige Stiftung hat keine positive gesetzliche Grundlage erhalten. Die §§ 80 ff. BGB sind nicht anwendbar. Vielmehr wird die unselbstständige Stiftung entweder vertraglich durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder erbrechtlich durch eine Verfügung von Todes wegen errichtet. Die unselbstständige Stiftung kann durch einen Vertrag zwischen dem Stifter und dem Rechtsträger (Stiftungsträger) errichtet werden. Rechtsträger kann jede natürliche oder juristische Person sein. Das Stiftungsvermögen wird in sein Eigentum übertragen, bleibt aber als wirtschaftliches Sondervermögen vom übrigen Vermögen getrennt. Der BGH hat die nichtrechtsfähige Stiftung zuletzt wie folgt definiert: „Unter einer unselbstständigen Stiftung versteht man die Übertragung von Vermögenswerten auf eine natürliche oder juristische Person mit der Maßgabe, dass diese als ein vom übrigen Vermögen des Empfängers getrenntes wirtschaftliches Sondervermögen zu verwalten und zur Verfolgung der vom Stifter gesetzten Zwecke zu verwenden sind“ (BGH ZIP 2015, 923 ff.). Wird die unselbstständige Stiftung als Stiftung von Todes wegen errichtet, wird das Vermögen der Stiftung dem Stiftungsträger durch Erbeinsetzung oder durch eine Vermächtnisanordnung zugewandt. Die Einhaltung des Stiftungszwecks kann durch die Anordnung einer Auflage oder eines Vermächtnisses gesichert werden. III. Stiftungserrichtung mit anwaltlicher Hilfe Hat sich der potenzielle Stifter zwischen der Errichtung einer rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Stiftung entschieden, muss der Stifterwille bei einer rechtsfähigen Stiftung gem. §§ 80 ff. BGB oder bei einer nicht rechtsfähigen Stiftung durch einen Vertragsabschluss mit einem Treuhänder praktisch umgesetzt werden. Bei der Errichtung durch Verfügung von Todes wegen bedarf es zusätzlich der Errichtung einer letztwilligen Verfügung. 1. Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung Die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung erfolgt durch das Stiftungsgeschäft des Stifters, die Errichtung einer Stiftungssatzung und die staatliche Anerkennung durch die zuständige Behörde, §§ 80 ff. BGB. a) Stiftungsgeschäft Das Stiftungsgeschäft ist in § 81 BGB geregelt. Es ist eine verbindliche Erklärung des Stifters, eine Stiftung errichten zu wollen und ein bestimmtes Vermögen dauerhaft zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks zu widmen, § 81 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Erklärung ist an die Stiftungsbehörde zurichten, da die zuständige Behörde erst durch das Vorliegen eines Stiftungsgeschäfts veranlasst wird, die Anerkennung zur Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung zu prüfen und später zu erteilen. Daher unterliegt die Erklärung bei einem Stiftungsgeschäft zu Lebzeiten der Schriftform gem. § 81 Abs. 1 S. 1 BGB, die von dem Stifter eigenhändig zu unterzeichnen ist. Einer notariellen Beurkundung bedarf es nicht. Bei einer Errichtung durch Verfügung von Todes wegen enthält die Verfügung die entsprechende Erklärung, § 83 S. 1 BGB. Das zuständige Nachlassgericht hat das Stiftungsgeschäft in einer Verfügung von Todes wegen, der zuständigen Behörde zur Anerkennung mitzuteilen, sofern sie nicht von dem Erben oder dem Testamentsvollstrecker beantragt wird, § 83 S. 1 BGB. ZAP Nr. 7 1.4.2020 351

Fach 12, Seite 386<br />

Stiftung und Nachlassrecht<br />

Nachlass/Erbrecht<br />

1. Rechtsfähige (selbstständige) Stiftung<br />

Die Stiftung ist in ihrer Grundform eine wertneutrale, steuerpflichtige selbstständige juristische Person<br />

des Privatrechts, die auch gemeinnützig i.S.d. §§ 53 ff. Abgabenordnung (AO) sein kann. Die rechtsfähige<br />

Stiftung ist auf die Ewigkeit angelegt und muss von der zuständigen Stiftungsbehörde anerkannt<br />

werden. Hierfür muss die Stiftung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, §§ 80 ff. Bürgerliches<br />

Gesetzbuch (BGB). Die rechtsfähige Stiftung untersteht einer staatlichen Aufsicht, die die Einhaltung<br />

und Umsetzung der vom Stifter festgelegten Stiftungszwecke kontrolliert.<br />

Mit der Errichtung einer gemeinnützigen rechtsfähigen Stiftung kann sich der Stifter sozial engagieren<br />

und Gutes tun. Eine Stiftung verfolgt gem. § 52 Abs. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit<br />

darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu<br />

fördern. Ein Katalog mit gemeinnützigen Zwecken, die der Stifter verfolgen kann, enthält § 52 Abs. 2 AO.<br />

Hierzu gehören beispielweise:<br />

• die Förderung von Wissenschaft und Forschung,<br />

• die Förderung der Religion,<br />

• die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, insb. die<br />

Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten,<br />

• die Förderung der Jugend- und Altenhilfe,<br />

• die Förderung von Kunst und Kultur.<br />

Neben dem sozialen Engagement bietet eine gemeinnützige Stiftung unter Einhaltung der Vorgaben der<br />

§§ 52 ff. AOsteuerliche Begünstigungen für die Stiftung und den Stifter. Die gemeinnützige Stiftung<br />

unterliegt nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Einkommensteuer beim Stifter kann<br />

gemindert werden (s. hierzu V).<br />

Die gemeinnützige rechtsfähige Stiftung ist von der privatnützigen Stiftung zu unterscheiden. Eine<br />

privatnützige Stiftung dient nicht einem gemeinnützigen Zweck. Gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 AO liegt eine<br />

Gemeinnützigkeit nicht vor, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest<br />

abgeschlossen ist, z.B. Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens. Die<br />

sog. Familienstiftung – ein Unterfall der rechtsfähigen Stiftung – ist beispielweise eine privatnützige<br />

Stiftung. Die Familienstiftung dient dem langfristigen Erhalt des Familienvermögens und der Versorgung<br />

von Familienmitgliedern. Eine Zersplitterung des Familienvermögens durch einen Erbfall kann durch sie<br />

verhindert werden. Die Familienstiftung bildet eine Option bei der Nachfolgeplanung eines Unternehmens.<br />

Die rechtsfähige Stiftung kann zu Lebzeiten vom Stifter oder nach seinem Ableben durch eine<br />

Verfügung von Todes wegen errichtet werden.<br />

Bei einer Errichtung zu Lebzeiten kann er selbst eine Funktion in der Stiftung ausüben und damit Sorge<br />

dafür tragen, dass der Stiftungszweck nach seinem Willen umgesetzt wird. Er muss sich jedoch darüber im<br />

Klaren sein, dass auch er für eine spätere Änderung der Stiftungssatzung oder des Stiftungszwecks die<br />

Genehmigung der Aufsichtsbehörde benötigt. Bei der Errichtung einer Stiftung von Todes wegen wird<br />

diese erst nach dem Tod des Stifters ins Leben gerufen. Die Bestimmung der Satzung zu Lebzeiten ist auch<br />

hier von wesentlicher Bedeutung, da der Stifter nachträglich nicht mehr korrigierend eingreifen kann<br />

(s. hierzu II 1 b). Bei der Errichtung der Stiftung durch Verfügung von Todes wegen stehen dem Stifter –<br />

wie unten noch zu sehen sein wird – eine Vielzahl von erbrechtlichen Gestaltungsmitteln zur Verfügung.<br />

Schließlich muss bei der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung – wie bereits angesprochen – ein<br />

Hauptaugenmerk auf die Vermögensausstattung der Stiftung gelegt werden. Die rechtsfähige Stiftung<br />

muss den vom Stifter vorgegebenen Stiftungszweck selbstständig erfüllen und die Kosten des<br />

Verwaltungsaufwands decken. Zwar verlangt das Gesetz keine Mindestausstattung bei der Errichtung<br />

einer rechtsfähigen Stiftung. Eine Mindestausstattung zwischen 50.000 und 100.000 € ist aber notwendig,<br />

damit die Stiftung von der Stiftungsbehörde als handlungsfähig angesehen und anerkannt<br />

350 <strong>ZAP</strong> Nr. 7 1.4.<strong>2020</strong>

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