ZAP-2020-07

DeutscherAnwaltverlag
von DeutscherAnwaltverlag Mehr von diesem Publisher
25.03.2020 Aufrufe

Anwaltsmagazin ZAP übungsgesellschaften mit dem Ziel, alternative Finanzierungswege insb. zur Finanzierung von Legal Tech zu erlauben, nachdrücklich abgelehnt werden. Für solche Fremdkapitalgeber werde keine Notwendigkeit gesehen. In der Praxis bestünden ausreichende alternative Möglichkeiten, Finanzierungen einzuholen. Wirtschaftliche Interessen dürften unter keinen Umständen den Mandanteninteressen vorgehen. Die anwaltliche Unabhängigkeit müsse ganz und gar unangetastet bleiben. Eine gesetzgeberische Bevorzugung von Kanzleien, die sich mit Legal Tech-Anwendungen befassten, gegenüber Berufsträgern, die aus anderen Gründen Kapitalbedarf hätten, sei verfassungsrechtlich kaum haltbar. Eine Rechtsanwältin aus Hamburg sah ebenso wie ihre Berliner Kollegin EDITH KINDERMANN, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, den Zugang zum Recht durch die vorgeschlagenen Neuerungen erheblich erschwert. Bei der derzeitigen Entwicklung in der Rechtsprechung drohten die bisherigen Grundprinzipien im Bereich Rechtsdienstleistungen in ihr Gegenteil verkehrt zu werden, so ihre Stellungnahme. Den Befürwortern einer Öffnung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für Legal Tech gehe es nicht um den Rechtsstaat, sondern um Geschäftsinteressen von diversen Unternehmen, die sich neue Geschäftsfelder zu erschließen hofften. Das BGH- Urteil zu wenigermiete.de habe aus der Rechtswissenschaft bereits erhebliche und sehr berechtigte Kritik erfahren, erklärte sie. Es dürfte damit auch in der Rechtsprechung hinsichtlich dieser Frage spannend bleiben. Eine Anpassung der Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sei allerdings überfällig und werde nachdrücklich befürwortet. Der Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbands plädierte dafür, die Lösung für Defizite bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in verfahrensrechtlichen Regelungen zu suchen, die eine Vollkompensation ermöglichen und dem Verbraucher den gesamten ihm zustehenden Betrag zukommen lassen. Der Gesetzgeber solle deshalb vornehmlich die individuellen und kollektiven Regeln zur Rechtsdurchsetzung und Streitbeilegung anpassen, anstatt vorschnell dem Ruf nach einer Deregulierung der Rechtsberatung zu folgen. Eine solche Deregulierung sei für eine Nutzbarmachung der Möglichkeiten von Legal Tech auch nicht erforderlich. Die derzeitige Ausgestaltung von Legal Tech-Angeboten – Abtretungsmodelle unter Nutzung einer Inkassolizenz – sei für das eigentliche Tätigkeitsbild nicht ansatzweise ausreichend geregelt, bemängelte er. Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt erklärte, die Gesetzentwürfe reflektierten digitalisierungsbedingte Umwälzungen auf den Rechtsdienstleistungsmärkten, mit denen die Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen bislang nicht mitgehalten habe. Das Ziel beider Vorschläge, das Rechtsdienstleistungs- und das anwaltliche Berufsrecht zumindest in einigen zentralen Teilen an die Wirklichkeit heranzuführen, sei zu begrüßen. Die Anwaltschaft könne unter unveränderten berufsrechtlichen Rahmenbedingungen für den rational desinteressierten Verbraucher in etlichen Beratungsbereichen keine effektiven Rechtsschutzangebote unterbreiten. In diese Lücke seien Legal Tech-Anbieter gestoßen. Nach Meinung eines Professors von der Leibniz Universität Hannover würde mit den Plänen dagegen schwerwiegend in den Schutzbereich des RDG eingegriffen. Die Regelung lade zur Umgehung des anwaltlichen Berufsrechts ein und stelle nicht sicher, dass die Rechtsberatung hinreichend qualifiziert erfolge. Das in den Vorlagen beider Fraktionen vorgesehene Erfolgshonorar, wonach der Rechtsanwalt die Verfahrenskosten trage, habe zur Konsequenz, dass der Anwalt auf dieser Basis nur Verfahren mit sehr hoher Erfolgswahrscheinlichkeit führen werde. Im Gegensatz hierzu lägen die Anforderungen, die der Staat an die Gewährung von Prozesskostenhilfe stelle, deutlich niedriger. Das Erfolgshonorar werde den Zugang zum Recht nicht erleichtern. [Quelle: Bundestag] Überwiegende Zustimmung zur Neuverteilung der Maklerkosten Auf grundsätzliche Zustimmung der Sachverständigen traf der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (vgl. dazu BT-Drucks 19/15827) in einer öffentlichen Anhörung, die Ende Januar im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz stattfand. Die acht Experten aus Praxis und Rechtswissen- 332 ZAP Nr. 7 1.4.2020

ZAP Anwaltsmagazin schaft sahen übereinstimmend Regelungsbedarf, bewerteten einzelne Aspekte aber auch kritisch. Die Abgeordneten waren v.a. an der Meinung der Sachverständigen bzgl. Transparenz und Rechtssicherheit des Gesetzesvorhabens interessiert und fragten nach Details zum Bestellerprinzip, zur Doppeltätigkeit von Maklern sowie zu deren Bezahlung und Ausbildung. Wie es in dem Gesetzentwurf heißt, wird die Bildung von Wohneigentum auch durch hohe Erwerbsnebenkosten erschwert, die zumeist aus Eigenkapital geleistet werden müssen. Auf den Kostenfaktor der Maklerprovision hätten Kaufinteressenten dabei häufig keinerlei Einfluss. Daher zielen die Änderungen im Maklerrecht darauf ab, durch bundesweit einheitliche, verbindliche Regelungen die Transparenz und Rechtssicherheit bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser zu erhöhen und die Käufer vor der Ausnutzung einer faktischen Zwangslage zu schützen. Unter anderem soll verhindert werden, dass Maklerkosten, die vom Verkäufer verursacht wurden und v.a. in seinem Interesse angefallen sind, im Kaufvertrag vollständig oder zu einem überwiegenden Anteil dem Käufer aufgebürdet werden. Dem Entwurf zufolge soll die Weitergabe von Maklerkosten vor dem Hintergrund, dass i.d.R. auch der Käufer von der Tätigkeit eines Maklers profitiert, zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Jedoch soll diese nur noch bis zu einer maximalen Obergrenze von 50 % des insgesamt zu zahlenden Maklerlohns möglich sein. Außerdem soll der Käufer zur Zahlung erst verpflichtet sein, wenn der Verkäufer nachweist, dass er seinen Anteil an der Maklerprovision gezahlt hat. Vertreter der Immobilienverbände bemängelten zwar einen Eingriff in die Vertragsfreiheit, unterstützten aber das Ziel der Bundesregierung, die Erwerbsnebenkosten für privat genutzte Immobilien zu senken. CHRISTIAN J. OSTHUS vom Immobilienverband Deutschland IVD erklärte, im Ergebnis werde der Entwurf gebilligt, da er weiterhin eine Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers zulasse. Der geplante Verteilungsmechanismus im Hinblick auf die Provision werde die Branche aber vor große Herausforderungen stellen. OSTHUS betonte, dass aus Sicht des IVD eine umfassende Entlastung der Käufer nur durch eine generelle Absenkung der Grunderwerbsteuer oder zumindest durch Freibeträge möglich ist. Dies forderte auch KAI ENDERS, Vorstandsmitglied eines großen privaten Immobilienmaklers in Deutschland. Den Gesetzentwurf bewerte sein Unternehmen im Hinblick auf das wohnungspolitische Ziel der Bundesregierung als weitestgehend gelungen, erklärte ENDERS in seiner Stellungnahme. Begrüßt werde, dass die Idee der Übertragung des sog. Bestellerprinzips aus dem Mietrecht in das Maklerrecht verworfen worden sei. Die hälftige Teilung der Courtage, wie sie der Gesetzentwurf künftig deutschlandweit vorsehe, sei angemessen und sachgerecht. Auch SUN JENSCH, Geschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), der auch die Makler vertritt, befürwortete die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene Teilung der Maklerprovision bei beidseitiger Beauftragung. Sie sei geeignet, Üblichkeiten in verschiedenen Bundesländern zu harmonisieren, und lasse dennoch Spielraum für verschiedene Marktsituationen. Auch eine Teilung bei einseitiger Beauftragung sehe der ZIA positiv, jedoch berge die vorgeschlagene Regelung auch die Gefahr von Unsicherheiten, erklärte JENSCH. Ganz abzulehnen sei die für die einseitige Beauftragung vorgeschlagene Regelung, wonach die Maklerprovision gegenüber dem Nicht-Beauftragenden erst dann fällig wird, wenn eine Zahlung durch den Beauftragenden nachgewiesen ist. Positiv sei anzumerken, dass der Gesetzentwurf keine Vorgaben zur Höhe der Maklerprovision vorsehe und somit den Parteien ihre Vertragsfreiheit belasse. Der Immobilienberater ANDRÉ RADICKE hielt den Entwurf für ungenügend, da er die Interessen der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtige. Dies zeige sich an der Möglichkeit der Doppelbeauftragung. Aus Verbrauchersicht sei das Bestellerprinzip am besten geeignet, um die Kosten zu senken. RADICKE sagte, das Gesetz habe nichts mit Verbraucherschutz zu tun, sondern diene ausschließlich dem Maklerschutz. Weitergehende gesetzliche Regelungen forderte FRANZ MICHEL, Referent beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). MICHEL erläuterte, dass für Immobilienkäufer die Maklerprovision neben der Grunderwerbsteuer den größten Kostenblock bei den fixen Erwerbsnebenkosten bilde. Diese Gebühr ZAP Nr. 7 1.4.2020 333

Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

übungsgesellschaften mit dem Ziel, alternative<br />

Finanzierungswege insb. zur Finanzierung von<br />

Legal Tech zu erlauben, nachdrücklich abgelehnt<br />

werden. Für solche Fremdkapitalgeber werde<br />

keine Notwendigkeit gesehen. In der Praxis bestünden<br />

ausreichende alternative Möglichkeiten,<br />

Finanzierungen einzuholen. Wirtschaftliche Interessen<br />

dürften unter keinen Umständen den<br />

Mandanteninteressen vorgehen. Die anwaltliche<br />

Unabhängigkeit müsse ganz und gar unangetastet<br />

bleiben. Eine gesetzgeberische Bevorzugung<br />

von Kanzleien, die sich mit Legal Tech-Anwendungen<br />

befassten, gegenüber Berufsträgern, die<br />

aus anderen Gründen Kapitalbedarf hätten, sei<br />

verfassungsrechtlich kaum haltbar.<br />

Eine Rechtsanwältin aus Hamburg sah ebenso<br />

wie ihre Berliner Kollegin EDITH KINDERMANN, Präsidentin<br />

des Deutschen Anwaltvereins, den Zugang<br />

zum Recht durch die vorgeschlagenen<br />

Neuerungen erheblich erschwert. Bei der derzeitigen<br />

Entwicklung in der Rechtsprechung drohten<br />

die bisherigen Grundprinzipien im Bereich Rechtsdienstleistungen<br />

in ihr Gegenteil verkehrt zu<br />

werden, so ihre Stellungnahme. Den Befürwortern<br />

einer Öffnung des Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />

(RDG) für Legal Tech gehe es nicht um den<br />

Rechtsstaat, sondern um Geschäftsinteressen<br />

von diversen Unternehmen, die sich neue Geschäftsfelder<br />

zu erschließen hofften. Das BGH-<br />

Urteil zu wenigermiete.de habe aus der Rechtswissenschaft<br />

bereits erhebliche und sehr berechtigte<br />

Kritik erfahren, erklärte sie. Es dürfte damit<br />

auch in der Rechtsprechung hinsichtlich dieser<br />

Frage spannend bleiben. Eine Anpassung der<br />

Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes<br />

sei allerdings überfällig und werde nachdrücklich<br />

befürwortet.<br />

Der Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbands<br />

plädierte dafür, die Lösung für Defizite<br />

bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in<br />

verfahrensrechtlichen Regelungen zu suchen,<br />

die eine Vollkompensation ermöglichen und dem<br />

Verbraucher den gesamten ihm zustehenden Betrag<br />

zukommen lassen. Der Gesetzgeber solle<br />

deshalb vornehmlich die individuellen und kollektiven<br />

Regeln zur Rechtsdurchsetzung und Streitbeilegung<br />

anpassen, anstatt vorschnell dem Ruf<br />

nach einer Deregulierung der Rechtsberatung<br />

zu folgen. Eine solche Deregulierung sei für eine<br />

Nutzbarmachung der Möglichkeiten von Legal<br />

Tech auch nicht erforderlich. Die derzeitige Ausgestaltung<br />

von Legal Tech-Angeboten – Abtretungsmodelle<br />

unter Nutzung einer Inkassolizenz –<br />

sei für das eigentliche Tätigkeitsbild nicht ansatzweise<br />

ausreichend geregelt, bemängelte er.<br />

Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt erklärte, die Gesetzentwürfe<br />

reflektierten digitalisierungsbedingte<br />

Umwälzungen auf den Rechtsdienstleistungsmärkten,<br />

mit denen die Entwicklung der regulatorischen<br />

Rahmenbedingungen bislang nicht mitgehalten<br />

habe. Das Ziel beider Vorschläge, das<br />

Rechtsdienstleistungs- und das anwaltliche Berufsrecht<br />

zumindest in einigen zentralen Teilen an die<br />

Wirklichkeit heranzuführen, sei zu begrüßen. Die<br />

Anwaltschaft könne unter unveränderten berufsrechtlichen<br />

Rahmenbedingungen für den rational<br />

desinteressierten Verbraucher in etlichen Beratungsbereichen<br />

keine effektiven Rechtsschutzangebote<br />

unterbreiten. In diese Lücke seien Legal<br />

Tech-Anbieter gestoßen.<br />

Nach Meinung eines Professors von der Leibniz<br />

Universität Hannover würde mit den Plänen<br />

dagegen schwerwiegend in den Schutzbereich<br />

des RDG eingegriffen. Die Regelung lade zur<br />

Umgehung des anwaltlichen Berufsrechts ein<br />

und stelle nicht sicher, dass die Rechtsberatung<br />

hinreichend qualifiziert erfolge. Das in den Vorlagen<br />

beider Fraktionen vorgesehene Erfolgshonorar,<br />

wonach der Rechtsanwalt die Verfahrenskosten<br />

trage, habe zur Konsequenz, dass der<br />

Anwalt auf dieser Basis nur Verfahren mit sehr<br />

hoher Erfolgswahrscheinlichkeit führen werde.<br />

Im Gegensatz hierzu lägen die Anforderungen,<br />

die der Staat an die Gewährung von Prozesskostenhilfe<br />

stelle, deutlich niedriger. Das Erfolgshonorar<br />

werde den Zugang zum Recht nicht<br />

erleichtern.<br />

[Quelle: Bundestag]<br />

Überwiegende Zustimmung zur<br />

Neuverteilung der Maklerkosten<br />

Auf grundsätzliche Zustimmung der Sachverständigen<br />

traf der Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

über die Verteilung der Maklerkosten<br />

bei der Vermittlung von Kaufverträgen über<br />

Wohnungen und Einfamilienhäuser (vgl. dazu<br />

BT-Drucks 19/15827) in einer öffentlichen Anhörung,<br />

die Ende Januar im Bundestagsausschuss<br />

für Recht und Verbraucherschutz stattfand. Die<br />

acht Experten aus Praxis und Rechtswissen-<br />

332 <strong>ZAP</strong> Nr. 7 1.4.<strong>2020</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!