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Forum Wolfgang Ockenfels: Zwischenruf Der Kapitalismus schafft sich ab Nach der Krise ist vor der Krise. Auf diese bange Prognose stellen sich viele Zeitgenossen derzeit ein. Denn die Ereignisse der letzten Jahre sind noch nicht abgeschlossen und ausgestanden. Kommt nach der Finanz- und Wirtschaftskrise eine globale Währungs- und Schuldenkrise der Staaten? Diese Frage überschreitet bei weitem die nationale Perspektive eines Thilo Sarrazin. „Deutschland schafft sich ab“, ist gewiss eine beachtenswerte,diskussionswürdige These mit „Migrationshintergrund“. Ob die Deutschen als Volk und Kulturträger aussterben, müs- Fortsetzung von Seite 21 ➞ Zudem erleben wir ein merkwürdiges Paradoxon: Bei Umfragen sehen 76 Prozent der Befragten, dass die Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren schrumpfen wird. 84 Prozent gehen davon aus, dass das Durchschnittsalter der Deutschen weiter steigen wird. Trotzdem lehnt eine Mehrheit eine längere Lebensarbeitszeit ab. Das zeigt eine unbewältigte Diskrepanz zwischen individuellen Interessen und Gemeinwohlorientierung. Ein solch inkonsequentes Denken lähmt die Politiker in Bezug auf langfristig wirksame Korrekturen und verleitet sie, dringend benötigte Entscheidungen zu vertagen. Dabei geht es nicht um einseitige und in Deutschland durch die Vergangenheit diskreditierte Bevölkerungspolitik. In einer Demokratie darf der Staat die Fertilität nicht zwangsweise regulieren. Aber der Staat kann viel unternehmen, um jungen Menschen ihren Wunsch nach Kindern zu ermöglichen. Der Kinderwunsch ist deutlich höher als die reale Geburtenzahl. 22 BKU-Journal 3 2010 sen vor allem die Deutschen mit sich selber und den eingewanderten Muslimen ausmachen. Eine weltbewegende Ordnungsfrage ist das nicht. Völker kommen und gehen. Und die Weltgeschichte hat den Deutschen keine ewige Bestandsgarantie verheißen. Die Verheißung „Wohlstand für alle“ könnte zur Abwechslung jetzt auch mal in anderen Erdteilen in Erfüllung gehen. Ist das etwa ungerecht? Hier wird unsere Aufmerksamkeit auf eine globale Wirtschaftsordnung gelenkt, die eine universale Geltung beanspruchen kann. Ist das der vielfach kritisierte „Kapitalismus“? Sarrazin hätte vielleicht besser ein Buch geschrieben Eine „bevölkerungsbewusste Familienpolitik“ setzt an den Bedürfnissen der jungen Paare in der Phase des Familienaufbaus an und gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass sie sich ihre Kinderwünsche erfüllen können. Die persönlichen Lebensziele und die gesellschaftlichen Belange mit ihrer Gemeinwohlrelevanz müssen möglichst eng zusammenfallen. Es ist ein Leistungsausgleich und nicht nur ein unzureichender Familienlastenausgleich zu schaffen. Je später die Korrektur in der Familienpolitik erfolgt, um so schwerer wird sie durchzusetzen sein. Politik hat gegen ein erhebliches Trägheitsmoment anzukämpfen, das um so beharrlicher ist, je älter die Bevölkerung wird. Mit dem Kleinerwerden der nachwachsenden Generationen verringert sich das Innovationspotential. Und wir haben das Problem einer älter werdenden Wahlbevölkerung. Alte Menschen werden immer mehr wahlentscheidend. Wenn diese bei ihren Wahlentscheidungen vorwiegend an die eigene Einkommenslage denken, wird dies zu Lasten der jüngeren und auch der noch ungeborenen mit dem warnenden Titel „Der Kapitalismus schafft sich ab“. Oder besser mit der Frage: „Was kommt nach dem Kapitalismus?“ Schön wäre es ja, wenn es eine Soziale Marktwirtschaft im Weltmaßstab gäbe. Aber dazu müssten wir sie erst einmal bei uns wieder entdecken. Einschließlich einer Politik, die auch das Migrationsund Integrationsproblem zu lösen versucht. Generationen gehen. Dann könnten wir aber mit dem „Aufstand der Jungen“ rechnen. Es geht um ordnungspolitische Entwürfe. Eine Politik der Nachhaltigkeit verlangt klare Wertorientierungen, die mit längerfristiger Überzeugungsarbeit zu vermitteln sind. Demographische Entwicklungen haben so schwerwiegende sozial- und wirtschaftspolitische Folgen, die kaum reversibel sind, dass man sie nicht einer automatischen Eigendynamik überlassen kann. Politik ist Gesellschaftsgestaltung aus einer Sinnvorstellung, für Christen aus dem Glauben. Die Geburtenentwicklung einfach laufen zu lassen, wäre Verzicht auf Politik. Eine „bevölkerungsbewussteFamilienpolitik“ ist ebenfalls eine Langfristaufgabe des „Bohrens von dicken Brettern“ – aber nicht hoffnungslos, sie muss nur mit Konsequenz gewagt werden. Manfred Hermanns Der Artikel ist die Kurzfassung eines Vortrages bei der DG Hamburg. Den vollständigen Text finden Sie unter.www.bku.de/DiözesangruppeHamburg
Partnerland Philippinen BKU begleitet Engagement der AFOS-Stiftung für Kammerstrukturen Vor einem Jahr begann die von BKU-Mitgliedern 2003 gegründete AFOS-Stiftung für Unternehmerische Entwicklungszusammenarbeit eine Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer von Cebu, der zweitgrößten Stadt der Philippinen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, auf den umliegenden Visayas- Inseln Wirtschaftsverbände und -kammern aufzubauen. Kleinunternehmer sollen so in ihrer Selbstorganisation, bei der gegenseitigen Unterstützung sowie bei ihrer politischen Interessenvertretung unterstützt werden. Die Partnerschaft wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert und vom BKU unterstützt. Seit einem Jahr nun ist BKU-Mitglied und Philippinen- Kenner Dr. Stephan Kunz als Langzeitberater vor Ort. Zusammenarbeit in Fachgruppen: Kleinunternehmer aus verschiedenen Wirtschaftssektoren (unter anderem Holz- und Lebensmittelverarbeitung) haben sich in kleineren Kammern zu Fachgruppen zusammengeschlossen, um sich gegenseitig fachlich auszutauschen und zu unterstützen. Mit Unterstützung von Experten der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) wurden nun Fachgruppenberater für die jeweiligen Sektoren geschult. Ein konkretes Ergebnis ist der Plan einer Gruppe kleiner Lebensmittelproduzenten,gemeinsam einen Maschinenpark anzuschaffen und zu betreiben. Dies soll ihnen ermöglichen, Hygiene- und Qualitätsstandards des Lebensmittelhandels zu erfüllen und so Absatz und ihren Ertrag zu steigern. Der Maschinenpark soll als Profit-Center unternehmerisch Straßenszene auf den Philippinen geführt werden und seine Dienstleistungen gegen kostendeckende Gebühren den Mitgliedern anbieten. Diekmann und Vester als Berater im Einsatz: BKU-Mitglied Christoph Diekmann aus Oberhausen wird im Oktober als Kurzzeitexperte auf die Philippinen fliegen. Als Bauingenieur wird er kleine Betriebe beraten, wie Bambus als Werkstoff in der Bauwirtschaft entsprechend deutscher Standards eingesetzt werden kann. Bambus gilt als wertvoller Rohstoff für die Bauwirtschaft und für die Innenarchitektur mit Potential auch für den Export in die Europäischen Union. BKU-Vorstandsmitglied Bernhard Vester wird einige Kammern in Sachen Mikrofinanz beraten. Die Kammern haben bereits erste Erfahrungen mit der Kleinkreditvergabe gesammelt und wollen diese Aktivitäten in eigenständige Institutionen überführen mit dem Ziel, daraus langfristig kleine Sparkassen oder Genossenschaftsbanken zu machen. Studenten der Katholischen Universität planen Studie: Zwei Studenten des ASA-Programms sind dabei, die Erfahrungen der Kammern mit Mikrofinanz Aus den Arbeitskreisen zu dokumentieren. Dies war für den Wissenschaftlichen Berater des BKU, Prof. Dr. Jörg Althammer von der Katholischen Universität Eichstätt/Ingolstadt (KU) der Anstoß, eine Zusammenarbeit zwischen der AFOS-Stiftung, der KU, und der von den Steyler Missionaren getragenen San Carlos University in Cebu anzuregen. Studenten der KU sollen in einem Praxissemester die Wertschöpfungsketten in der Möbelindustrie analysieren und die Verfügbarkeit von Rohmaterialien untersuchen. Die AFOS-Stiftung und die Cebu Chamber arbeiten mit dem Möbelindustrieverband in Cebu zusammen mit dem Ziel einer Nachhaltigkeit der gesamten Wertschöpfungskette. Duales Studium: Unternehmen auf den Philippinen kritisieren, dass Absolventen der Hochschulen zu theoretisch ausgebildet werden. Aus diesem Grund entwickeln Vertreter der philippinischen Wirtschaft mit der University of San Carlos und Cebu Chamber sowie der Beratung durch die AFOS-Stiftung duale Hochschulstudiengänge nach dem Vorbild der deutschen Berufsakademien. Fachgespräch mit der Konrad-Adenauer-Stiftung: 40 Experten aus Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Politik kamen für ein hochrangiges Fachgespräch zusammen, um sich über die Entwicklungschancen nach den Wahlen vom Mai 2010 auszutauschen. Dr. Franz Schoser, BKU-Vorstandsmitglied und Kuratoriumsvorsitzender der AFOS- Stiftung sowie Schatzmeister der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), eröffnete die Tagung gemeinsam mit BKU-Mitglied Heinz-Peter Heidrich, Honorarkonsul der Philippinen und Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen. Beide wiesen auf die katholische ➞ BKU-Journal 3 2010 23
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