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Kim Riddlebarger: Streitfall Millennium

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Teil 3: Die Auslegung der entscheidenden Bibeltexte<br />

es der Kontext selbst, nicht die Laune moderner Ausleger, der uns zu<br />

der Überzeugung bringt: Was der Engel in der Vision offenbart, symbolisiert<br />

etwas, was über den historischen Bezug hinausgeht.<br />

Manche sagen, das Problem der Dispensationalisten sei, dass sie<br />

von der sprachlichen Ebene sofort zur Bezugsebene wechseln, ohne<br />

die visionäre oder die symbolische Ebene zu berücksichtigen. 18<br />

Das ist besonders bei Offenbarung 20 problematisch, wo Literaturgattung<br />

und unmittelbarer Kontext erfordern, dass neben sprachlicher<br />

Bedeutung und der Bezugsebene auch die visionäre und die<br />

symbolische Bedeutung beachtet wird. Wenn Johannes hier zwei<br />

Mal sagt, »ich sah« (eidon), womit er in der Offenbarung stets auf<br />

symbolische Visionen hinweist (Offb 4,1; 10,1-3; 13,1-3; 14,1; 17,1-3),<br />

dann müssen wir einsehen, dass diese Vision nicht auf die sprachliche<br />

Ebene und die Bezugsebene reduziert werden kann. 19 Das Bild<br />

eines Engels mit einer Kette und einem Schlüssel verweist auf etwas<br />

anderes über die Bezugsebene hinaus, auf andere biblisch-theologische<br />

Themen an anderer Stelle der Heiligen Schrift.<br />

Den Dispensationalisten ist es hoch anzuerkennen, dass sie die<br />

Inspiration und die Autorität der Bibel verteidigen. Ironischerweise<br />

wird ihnen das Verkennen einer symbolischen Kommunikationsebene<br />

in Offenbarung 20 zum Verhängnis, sodass sie den Abschnitt<br />

letztlich nicht so verstehen, wie der Autor ihn gemeint hast. Sie haben<br />

dem Bibeltext einen literalistischen Sinn aufgezwungen, d. h.<br />

allein die linguistische und Bezugsebene beachtet, obwohl diese<br />

Schriftstelle eine Vision mit hochgradig symbolischer Bedeutung<br />

ist. Dennoch sollten wir die Warnung vor willkürlicher »Wachsfigur-Auslegung«<br />

ernstnehmen. Wenn wir das beachten, gelangen<br />

wir zur einzig maßgeblichen und autoritativen Quelle, um diese<br />

Symbole zu deuten: zur übrigen Heiligen Schrift, insbesondere<br />

zum Alten Testament, das von der Offenbarung ausgelegt wird.<br />

Deshalb pochen reformatorische Christen nicht wie die Dispensationalisten<br />

auf eine buchstäbliche Auslegung, sondern auf das Prinzip<br />

der »Analogie des Glaubens«: Die Schrift legt die Schrift aus.<br />

18 Poythress, »Genre and Hermeneutics«, S. 46. Vgl. die dispensationalistische Antwort<br />

von Thomas D. Ice, »Dispensational Hermeneutics« in Willis and Master<br />

(Hrsg.): Issues in Dispensationalism, S. 29-49.<br />

19 Beale, Book of Revelation, S. 973-974.<br />

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