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Unter der Staleke 217, Frühjahr 2020

Heimatzeitung für die Gemeinde Hagen im Bremischen – Die STALEKE erscheint vier Mal im Jahr und wird kostenlos an alle Haushalte der Gemeinde Hagen im Bremischen verteilt.

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Gebiet in den neuen Reichstag

nach Berlin entsenden wollte,

damit ich dort als Liberaler neben

dem eisernen Reichskanzler

Bismarck als Redner auftrete,

habe ich verständlicherweise

dankend abgelehnt und mich

lieber auf das Schreiben und

andere Dinge des Lebens konzentriert.

Zur Erinnerung an die

Reichsgründung habe ich aber

im Juli 1873 vor meinem Hof ein

Denkmal setzen lassen. Es steht

noch immer dort.

Als junger Mann mit 30 Jahren

sollte ich mich verloben. Meine

Braut kam aus Rodenkirchen

und war die Tochter des dortigen

Arztes Dr. Schaumburg.

Die junge Dame verstarb aber

leider vorher. So kam es zu keiner

Verlobung und ich blieb für

immer Junggeselle.

Nur ein Jahr später, als ich 31

Jahre alt und unsere Familiengruft

auf dem neuen Rechtenflether

Friedhof fertig war, ließ

ich eine Bronzetafel mit folgender

Inschrift an der Gruft

anbringen: „Diese Gruft erbaute

für die Seinen und sich,

Hermann Allmers, der Letzte

seines Stammes“. Das waren

schon damals klare Worte für

die Zeitgenossen.

Im Laufe meines Lebens unternahm

ich viele Reisen, erforschte

meine Heimat, die Marschen

und schrieb zum Sommer 1857

auch ein gut verkauftes Buch

darüber. Das „Marschenbuch!“

Nach einer längeren Reise nach

Rom von 1858 bis 1859 schrieb

ich dann auch einen Reisebericht,

wie vorher Wolfgang von

Goethe. Meine „Römischen

Schlendertage“ wurden zwölf

Mal aufgelegt und fast sooft

verkauft wie Goethes „Italienische

Reise“ aus den Jahren 1813

bis 1817.

Ich schrieb aber noch sehr viel

mehr. Viele Gedichte und Aufsätze,

auch Lieder und sogar

ein Theaterstück mit dem Titel

„Elektra“. Der große deutsche

Komponist Johannes Brahms

hat eines meiner Gedichte zudem

vertont. Meine „Feldeinsamkeit“

singen heute noch

46 | FRÜHJAHR 2020

viele berühmte Opernstars. Die

handschriftliche Originalkomposition

von Brahms befindet

sich in meinem Nachlass und

kann in meinem Hause in Rechtenfleth

besichtigt werden.

Ich habe mich damals um viele

inzwischen sehr berühmte

Künstler gekümmert und

sie auch gefördert. Die Maler

in Worpswede zum Beispiel

haben mich ebenfalls gut gekannt.

In der berühmten Gänseblümchenparade

von Hans

am Ende sieht man mich mit

Otto Modersohn, Fritz Mackensen

und anderen Malern. Zahlreiche

berühmte Leute haben

mich in Rechtenfleth besucht,

Hermann Allmers mit Worpsweder Malern.

und welcher Student kennt

nicht mein berühmtes Trinklied

von der Rudelsburg, dass nach

wie vor von den studentischen

Burschenschaften gesungen

wird.

Im Jahre 1882 habe ich den

Heimatbund „Die Männer vom

Morgenstern“ in Weddewarden

gegründet. Dieser rührige Verein

wirkt noch immer mit inzwischen

über 1.000 Vereinsmitgliedern.

Hierbei geht es

um unsere Heimatgeschichte

zwischen Weser und Elbe. Auch

das vier Jahre später gegründete

Morgenstern Museum

in Bremerhaven gehört dazu.

Ich hätte nie gedacht, dass ein

solch wichtiger Kulturverein

eines Tages einmal von einer

klugen Frau geleitet werden

würde. Aber so ändern sich die

Zeiten.

An meinem 80. Geburtstag

wurde ich von der Universität

Heidelberg zum Ehrendoktor

ernannt. Darauf bin ich ganz

besonders stolz, weil ich ja

eigentlich gar keinen richtigen

Schulabschluss habe und mir

als Autodidakt alles selber anlesen

musste.

Weil ich nach dem Tode meines

Vaters im Jahre 1849 auch das

Amt des Deichgrafen und des

Gemeindevogtes geerbt hatte,

ist auch der Deichbau ohne

mein zu tun gar nicht denkbar

gewesen. Bei mir vor dem Haus

am Deich steht auch ein Denkmal

für Karl dem Großen, bei

dessen Einweihung am Pfingstmontag

1899 ich selber noch

eine Rede gehalten habe.

Am 9. März 1902 bin ich in Rechtenfleth

im Alter von 82 Jahren

gestorben und fand in unserer

Familiengruft die letzte Ruhestätte.

Viele Schulen und Straßen

tragen seitdem meinen

Namen.

Meine beiden Großcousinen

Alma und Johanna Achgelis

haben meinen Nachlass dann

bis zu ihrem Tode 1927 und

1929 verwaltet. Deren Bruder

Melchior war schon 1915 gestorben

und seine Tochter Hertha

hat das Anwesen dann im

Jahre 1937 für 12.000 Reichsmark

an Hermann Aschen verkauft.

Aschen war Landwirt und

musste sich verpflichten, meinen

künstlerischen Nachlass

zu bewahren und jedermann

zugänglich zu machen. So hatte

ich das in meinem Testament

vom 5. Februar 1894 verfügt.

In der Zeit des Verkaufs waren

gerade die Nationalsozialisten

in Deutschland an der Regierung.

Eine schlimme Bande und

der damalige Wesermünder

NS-Landrat Theodor Mahler

wollte meinen Nachlass, das

Inventar und die Kunstwerke

nicht weiter beschützen und

stattdessen zur Vernichtung

freigeben. Der Grund: Ich sei

ein Homosexueller gewesen

der den Sachsenschlächter Karl

den Großen verehrte und dessen

Vater einer Freimaurerloge

angehört habe.

Bevor es aber so weit kommen

konnte, hatte ein Konsul Dr. William

Söder vom Gut Waldheim

bei St. Magnus in Bremen im

Jahre 1938 einen Beschwerdebrief

an den Reichsminister für

Wissenschaft, Erziehung und

Volksbildung, Bernhard Rust

geschrieben. Immerhin habe

ich mich um die Volksbildung

und die Heimatgeschichte

verdient gemacht. Dr. Söder

war im gleichen Jahr auch der

Gründer der heute noch existierenden

„Hermann Allmers Gesellschaft“,

die vorher seit 1930

„Hermann Allmers Gemeinschaft“

hieß und von Landrat

Dr. Walter zur Nieden – dem

Vorgänger des Nazi-Landrats

Mahler – gegründet wurde.

Reichsminister Rust soll meine

Sache dem damaligen Staatsoberhaupt

Adolf Hitler persönlich

vorgetragen haben. In der

Rechtenflether Chronik findet

sich dazu heute ein Eintrag,

wonach Hitler selber 6.000

Reichsmark für den Erhalt des

Nachlasses bewilligt habe. Weitere

2.000 Reichsmark seien

aus dem Ministerium von Rust

gekommen. Mit diesen 8.000

Reichsmark wurde dann der ge-

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