ZAP-2020-06
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kolumne<br />
<strong>ZAP</strong><br />
OLG München sollte an KIRCH herangetreten werden,<br />
um zu klären, ob er die Deutsche Bank mit<br />
einem „Beratungsmandat“ bedenken würde (OLG<br />
München, Urt. v. 14.12.2012 – 5 U 2472/09 Rn 2<strong>06</strong>).<br />
BREUER habe diesen Auftrag der Deutschen Bank<br />
durch das o.g. Interview fördern wollen (OLG<br />
München, a.a.O., Rn 132, 235, 240). Die Beklagten<br />
sind der Annahme eines derartigen Auftrags entgegengetreten.<br />
In dem Protokoll der Vorstandssitzung<br />
vom 29.1.2002 heißt es: „DB has been asked,<br />
whether we could act as a mediator. … The Board felt<br />
that as a first step Mr. K should be approached with the<br />
question whether he would award us an advisory<br />
mandate“ (OLG München, a.a.O., Rn 130). Ein Zeuge<br />
meinte, dass dies so interpretiert werden müsse,<br />
dass in dem Fall, dass ein Dritter die Deutsche Bank<br />
frage, ob sie für den Dritten in Sachen KIRCH tätig<br />
werden könne, zuerst an KIRCH herangetreten<br />
werden sollte, um diesem die Chance zur Erteilung<br />
eines Gegenmandats zu geben. Dies solle sich aus<br />
der Bedeutung des „Perfekts“ im Englischen ergeben,<br />
was von weiteren Beteiligten auf Seiten der<br />
Deutschen Bank bestätigt worden war, aber sprachlich<br />
abwegig ist (OLG München, a.a.O., Rn 173,<br />
180 ff.). Deswegen meint das OLG: „Dass zwei<br />
Personen, die die englische Sprache ersichtlich gut<br />
beherrschen, übereinstimmend behaupten, dass eine<br />
bestimmte englische Textpassage etwas anderes bedeuten<br />
würde, als dies tatsächlich der Fall ist, ist nach<br />
Auffassung des Senats ein sicheres Indiz [Hervorh.<br />
d. Verf.] dafür, dass die entsprechende unwahre<br />
Darstellung zuvor abgesprochen wurde.“ (OLG München,<br />
a.a.O., Rn 186). Hätte es überdies keinen<br />
entsprechenden „Auftrag“ der Deutschen Bank gegeben,<br />
wäre das Gespräch vom 9.2.2002 ein<br />
Alleingang von BREUER gewesen, der entsprechende<br />
Reaktionen der übrigen Vorstandmitglieder<br />
nach sich gezogen hätte, die gerade ausgeblieben<br />
sind (OLG München, a.a.O., Rn 195).<br />
Nach Ansicht der Strafkammer des BGH gibt es<br />
dieses „sichere Indiz“ nicht. Es soll sich lediglich<br />
nachweisen lassen, dass sich die Angeklagten mit<br />
anwaltlicher Hilfe auf ihre Aussage vorbereitet<br />
hatten (vgl. Juve-Nachrichten vom 25.4.2016 – im<br />
Internet einsehbar unter: https://www.juve.de/nach<br />
richten/verfahren/2016/04/keine-beweise-fuer-prozess<br />
betrug-fitschen-co-erringen-freispruch-im-deutschebank-prozess).<br />
Nach Ansicht von RAUM, dem Vorsitzenden<br />
des 1. Strafsenats, soll es – jedenfalls<br />
nach dessen mündlicher Urteilsbegründung –<br />
schon „keinen erheblichen Verdacht“ für einen versuchten<br />
Prozessbetrug gegeben haben (Süddeutsche<br />
Zeitung vom 1.11.2019 – im Internet einsehbar<br />
unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deut<br />
sche-bank-nicht-abgesprochen-1.4664282).<br />
Der Fall zeigt einmal mehr, dass freie Beweiswürdigung<br />
weniger mit Rationalität, sondern<br />
mehr mit richterlicher Intuition und Glauben zu<br />
tun hat. Die Lehre für die Anwaltschaft muss sein,<br />
dass es „sichere Indizien“ kaum gibt und Beweiswürdigungen<br />
durch abweichende Würdigungen<br />
derselben Frage durch eine andere Gerichtsbarkeit<br />
durchaus zu anderen Ergebnissen führen<br />
können. Es gibt diverse Fallgestaltungen, die vor<br />
unterschiedliche Gerichtsbarkeiten gebracht werden<br />
können: Zum Beispiel kann der Eigentümer<br />
eines kontaminierten Grundstücks einen zivilrechtlichen<br />
Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs. 2<br />
BBodSchG vor die Zivilgerichte bringen, die identische<br />
Frage nach dem Zustandsstörer kann aber<br />
auch vor dem Verwaltungsgericht behandelt werden.<br />
Vor allem Strafverteidiger denken zu selten<br />
über zivilrechtliche Angriffsmöglichkeiten gegen<br />
Sachverständige (§ 839a BGB) oder sonstige Prozessparteien<br />
nach.<br />
Rechtsanwalt Dr. ANDREAS GEIPEL, München<br />
280 <strong>ZAP</strong> Nr. 6 18.3.<strong>2020</strong>