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The Red Bulletin März 2020 (DE)

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<strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />

MÄRZ <strong>2020</strong>, € 2,50<br />

ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />

SPRICHST DU<br />

<strong>DE</strong>UTSCHRAP?<br />

Teste dein Wissen<br />

im großen Quiz<br />

DAVE<br />

BAUTISTA<br />

Wie der<br />

Hollywood-Star<br />

lernte, seinen<br />

Gefühlen zu<br />

vertrauen<br />

DIE EIS-EILIGE<br />

Short-Track-Star ANNA SEI<strong>DE</strong>L<br />

erklärt, wie sie ihre Aufregung<br />

in Kraft verwandelt<br />

Für Abonnenten der<br />

JETZT ABONNIEREN!<br />

GETREDBULLETIN.COM


LET’S<br />

KEEP ON<br />

BUILDING<br />

STEAM<br />

youtu.be/qKyvk5aww3k<br />

LET’S<br />

ON ROL


STEAM. SPLASH.<br />

SPRAY.<br />

CLIFF 4×4<br />

ADVENTURE VAN<br />

SUNLIGHT<br />

BUILDING DREAMS<br />

ANZEIGE<br />

Wir sind Erlebnis-Nomaden. Wir lieben das<br />

Abenteuer. Und wir tragen Träume in uns,<br />

die genauso raus müssen in die Welt wie<br />

wir … Deshalb haben wir eine unserer großen<br />

Visionen Wirklichkeit werden lassen: Wir<br />

haben den ultimativen Adventure Van<br />

gebaut – stark, völlig verrückt und absolut<br />

einzigartig.<br />

Der Adventure Van bringt uns nicht nur<br />

überall hin, er ist selbst ein Abenteuer.<br />

Unser CLIFF 4 × 4 hat eine Winch auf dem<br />

Dach, eine Kletterwand am Heck und<br />

einen Kicker an Bord. Die Dusche ist genauso<br />

flexibel wie Sofa, Bett und Boomboxen.<br />

Man kann die Slackline spannen, das<br />

Bike in den Montageständer klemmen und<br />

inder Hängematte chillen.<br />

SPRAY<br />

youtu.be/DXlEwb1F3iA<br />

WIR SIND SCHON<br />

IMMER GUT DAMIT<br />

GEFAHREN,<br />

ZU GEHEN.<br />

Unsere Profi-Athleten vom SUNLIGHT Factory Team<br />

haben den Adventure Van liebend gern den härtesten<br />

Tests unterzogen. Mit ihren Bikes den Ätna befahren<br />

war der große Traum von Guido Tschugg & Oli Dorn.<br />

Wakeboard-Virtuoso Felix Georgii hat 500 Meter Winch-<br />

Seil ausgeworfen und die Freeriderinnen Aline Bock &<br />

Lena Stoffel hatten Powder-Alarm im WhiteOut.<br />

Ihre Abenteuer und unseren Adventure<br />

Van seht Ihr in den Webisodes – SPLASH,<br />

STEAM, SPRAY.<br />

KEEP<br />

LING.<br />

SPLASH<br />

youtu.be/_299645FfOE


E D I T O R I A L<br />

SCHIRM-HERREN<br />

Inspiriert von den Beatles<br />

posierte die Kult-Band<br />

Wanda mit Regenschirmen<br />

für uns. Was die Österreicher<br />

von den legendären<br />

Engländern lernten, liest du<br />

ab Seite 56.<br />

WILLKOMMEN<br />

COOL<br />

RUNNINGS<br />

Von einem Moment auf den anderen kann alles vorbei<br />

sein: In kaum einem Sport gilt dieses Prinzip so erbarmungslos<br />

wie im Short Track. Auf Schlittschuhen<br />

treten die Athleten auf engen Rundkursen im Pulk an,<br />

Millimeter entscheiden über Sieg oder Massencrash.<br />

Ein nervenaufreibender Kampf, den weltweit<br />

nur wenige so geschickt beherrschen wie<br />

Anna Seidel aus Dresden. Vor der WM in Südkorea<br />

(13.–15. <strong>März</strong>) erklärt uns die 21-jährige<br />

Athletin ab Seite 44, wie sie lernte, ihre Nervosität<br />

zu umarmen, und warum sie bloß niemand<br />

Eisschnellläuferin nennen sollte.<br />

Um den Umgang mit Gefühlen geht es auch<br />

in unserem Interview mit Hollywood-Bad-Boy<br />

Dave Bautista, der ab Seite 36 ungewöhnlich<br />

offen erzählt, wie er ausgerechnet als Türsteher eines<br />

zwielichtigen Nachtclubs lernte, seinen Emotionen<br />

zu vertrauen.<br />

Viel Spaß mit der<br />

neuen Ausgabe von<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />

Die <strong>Red</strong>aktion<br />

NEUE KÖPFE FÜR<br />

FANTASY-FANS<br />

Wir haben Nachfolger für<br />

„Game of Thrones“-Autor<br />

George R. R. Martin<br />

gesucht. Unsere<br />

Kandidaten: ab Seite 88<br />

Swag<br />

oder<br />

Smombie?<br />

Welchen Begriff<br />

prägte Rapper<br />

Money Boy? Diese<br />

und weitere Fragen<br />

im großen Rap-<br />

Quiz. Ab Seite 64<br />

500<br />

Kilo wirken auf die<br />

Knie von Balletttänzern.<br />

Forscher<br />

wollen die Belastungen<br />

reduzieren.<br />

Ab Seite 68<br />

ROSIGE<br />

AUSSICHTEN<br />

Short-Track-Athletin<br />

Anna Seidel brachte<br />

ihre Brille zum<br />

Shooting mit. Was sie<br />

sonst noch zum Erfolg<br />

braucht: ab Seite 44<br />

RICHARD WALCH/ RED BULL CONTENT POOL, (COVER), FELIX KRÜGER<br />

6 THE RED BULLETIN


W W W . R A D O N - B I K E S . C O M<br />

„Radon Slide Trail 10.0 – I steh danebn. Könnt<br />

mer net vielleicht irgenwer a Watschn gebn ?<br />

Danke, jetzt is mer klor: Es is wohr, es is wohr!“<br />

Steve Schneider<br />

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Alle Preise verstehen sich als Endpreise inkl. MwSt.. Irrtümer, Druckfehler, Preisänderungen & Liefermöglichkeiten vorbehalten!<br />

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INHALT<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

im <strong>März</strong> <strong>2020</strong><br />

24<br />

COVERSTORY<br />

44 RISIKO ON ICE<br />

Short-Track-Athletin Anna<br />

Seidel erklärt, wie sie ihre<br />

Entscheidungen trifft –<br />

im Rennen und im Leben.<br />

FOTOGRAFIE<br />

24 GLETSCHER VON INNEN<br />

Steig mit Eiskletterer Will<br />

Gadd in Grönland hinab in<br />

den Bauch des ewigen Eises.<br />

HOLLYWOOD<br />

36 <strong>DE</strong>R SENSIBLE RIESE<br />

Dave Bautista ist mit seinen<br />

Gefühlen im Reinen – auch<br />

wenn er dafür fluchen muss.<br />

POP<br />

40 SIE IST SO FREI<br />

Wie Sängerin Balbina heute<br />

von ihrer Außenseiterrolle<br />

auf dem Schulhof profitiert.<br />

SKI<br />

42 ECHT STEILE KARRIERE<br />

Wie Paddy Graham vom<br />

flachen England aus die weltweite<br />

Freeski-Szene eroberte.<br />

5-MINUTEN-COACH<br />

54 SO LIEST DU GEDANKEN<br />

Thorsten Havener durchschaut<br />

Personen schneller als andere.<br />

Hier verrät er, wie das geht.<br />

ROCK<br />

56 WANDA-TAGE<br />

Die Wiener Kult-Band über<br />

Exzess, Entspannung und die<br />

Suche nach dem guten Leben.<br />

10 GALLERY<br />

16 ZAHLEN, BITTE!<br />

18 PLAYLIST<br />

19 FUNDSTÜCK<br />

20 LIFE HACKS<br />

22 CLUB <strong>DE</strong>R TOTEN <strong>DE</strong>NKER<br />

INNOVATOR<br />

52 ÜBER <strong>DE</strong>N SEE RA<strong>DE</strong>LN<br />

Das steckt hinter dem Hydrofoil-Bike<br />

Manta5. Plus: Hotel<br />

mit positiver Energiebilanz.<br />

HIP-HOP<br />

64 DAS GROSSE<br />

<strong>DE</strong>UTSCHRAP-QUIZ<br />

Von Bonez MC bis Money Boy:<br />

Teste dein Wissen über<br />

deutschsprachigen Hip-Hop.<br />

TANZ<br />

68 LEICHTER <strong>DE</strong>NN JE<br />

Für den Körper ist Ballett<br />

eine Tortur. Mit Sportwissenschaft<br />

will man das ändern.<br />

guide<br />

<strong>DE</strong>IN PROGRAMM<br />

82 REISEN. Allrad in Albanien statt<br />

Alltag daheim: ein Abenteuer<br />

zwischen Bunkern und Bergen<br />

86 FITNESS. Sauna-Workout mit<br />

Lauf-Legende Christian Schiester<br />

88 LESESTOFF. Wer schreibt<br />

das neue „Game of Thrones“?<br />

90 EVENTS. Wichtige Termine<br />

für die kommenden Wochen<br />

92 EVENTS SPEZIAL. Alles zum<br />

Fun-Rennen <strong>Red</strong> Bull Homerun<br />

94 GAMING. Warum du dank „Mario<br />

Kart“ unbeschwerter lebst<br />

95 ENTERTAINMENT. <strong>Red</strong> Bull<br />

TV-Highlights, live & on demand<br />

96 IMPRESSUM<br />

98 PERFEKTER ABGANG<br />

HÄNG DICH REIN Eiskletterer Will Gadd<br />

über dem eiskalten Abgrund.<br />

44<br />

SCHAU VORAUS Short-Track-Ass Anna<br />

Seidel hat Olympia 2022 in Peking im Blick.<br />

56<br />

TREIB’S BUNT Die Band Wanda sucht<br />

Optimismus, wo ihn sonst keiner findet.<br />

CHRISTIAN PON<strong>DE</strong>LLA / RED BULL CONTENT POOL, FELIX KRÜGER, DAVID FISCHER, RICK GUEST<br />

8 THE RED BULLETIN


68<br />

BEGEHRE AUF<br />

Das Royal Ballet London<br />

will Ballett neu erfinden –<br />

und menschlicher machen.<br />

THE RED BULLETIN 9


10<br />

GRAEME MURRAY


HUKA FALLS,<br />

NEUSEELAND<br />

Ziemlich<br />

auf Zack<br />

An dieser Stelle des Flusses Waikato<br />

in Neuseeland schießen jede Sekunde<br />

220.000 Liter Wasser durch eine<br />

15 Meter schmale Felsdüse. Zum<br />

Vergleich: Mit diesem Wasserdruck<br />

könnte man ein olympisches Schwimmbecken<br />

in ungefähr elf Sekunden<br />

füllen. Und ja, es gibt Kajakfahrer, die<br />

Spaß daran finden, einen Weg durch<br />

das Inferno zu finden. Dieser hier<br />

heißt Zack und ist erst 14 Jahre alt.<br />

Instagram: @graememurraynz


LOFOTEN,<br />

NORWEGEN<br />

Völlig<br />

losgelöst<br />

Als Freeskier Sven Kueenle in diesem<br />

astronautenhaften einteiligen Anzug<br />

aufkreuzte, war für Fotograf Pally<br />

Learmond sofort klar, wie das Bild<br />

aussehen müsste: schwerelos, wie<br />

ein Spaziergang im All. Das mit dem<br />

Ausschalten der Schwerkraft bekam<br />

der Deutsche dann mühelos hin,<br />

für den Sternenstaub im Hintergrund<br />

sorgten ein paar vor dem Abflug über<br />

die Skispitzen verteilte Schaufeln<br />

Pulverschnee.<br />

Instagram: @pallylearmond


MARQUESAS,<br />

FRANZÖSISCH-<br />

POLYNESIEN<br />

Hold<br />

the Line<br />

Man nehme: eine 370 Meter lange<br />

Slackline, gespannt in 72 Meter Höhe<br />

über die „baie des requins“ (Haibucht;<br />

übrigens heißt sie nicht nur so) auf<br />

der Insel Ua Pou in der Südsee, und<br />

einen Mann wie den Franzosen Nathan<br />

Paulin, der es sich bei 50 km/h Wind<br />

zutraut, da drüberzugehen. Dann fehlt<br />

nur noch dieser magische Moment<br />

kurz vor Sonnenuntergang, der<br />

all diese Zutaten zu einem wirklich<br />

außergewöhnlichen Bild verschmilzt.<br />

Voilà: Jeremy Bernard hat ihn mit<br />

seiner Kamera erwischt.<br />

Instagram:<br />

@jeremy_bernard_photography<br />

13


LOS ANGELES,<br />

KALIFORNIEN<br />

Überirdisch<br />

Das irritierend anmutige Licht; der<br />

Schatten des Geländers an der Mauer<br />

dahinter, der aussieht wie gemalt; und<br />

dann macht auch noch einer ganz oben<br />

einen Handstand! Obwohl das Foto<br />

des Amerikaners Dan Krauss wirkt,<br />

als wäre es in einem Paralleluniversum<br />

aufgenommen worden, hat sich tatsächlich<br />

alles genau so zugetragen.<br />

Und kurz darauf wurde Parkourkünstler<br />

Joel Fridman-Rojas von einem Sicherheitsorgan<br />

aufgefordert, sofort mit<br />

dem Blödsinn aufzuhören.<br />

Instagram: @DanKrauss<br />

14


Z A H L E N , B I T T E !<br />

SAISONSTART<br />

Brumm, brumm!<br />

Die Formel 1 ist zurück! Zum Saisonauftakt in Australien (15. <strong>März</strong>):<br />

die stärksten Zahlen aus der Königsklasse des Motorsports.<br />

372,6<br />

km/h ist die höchste je in einem<br />

Rennen erzielte Geschwindigkeit:<br />

gefahren von Juan Pablo<br />

Montoya 2005 in Monza.<br />

68<br />

Rennstrecken wurden seit<br />

Gründung der Serie 1950<br />

in 25 Ländern befahren.<br />

7<br />

Weltmeistertitel errang<br />

Michael Schumacher, der bislang<br />

erfolgreichste F1-Pilot<br />

(307 Rennstarts, 91 Siege).<br />

½<br />

WM-Punkt erzielte die Italienerin<br />

Lella Lombardi beim Spanien-GP<br />

1975. Ausser ihr gelang es keiner<br />

Pilotin, jemals in der WM-<br />

Wertung anzuschreiben.<br />

24.<br />

und Letzter wurde der Inder Narain<br />

Karthikeyan 2011 beim Grossen Preis<br />

von Spanien. Es war der höchste jemals<br />

gewertete Rang, weil bei dem Rennen<br />

sämtliche Teilnehmer ins Ziel kamen.<br />

0,09<br />

Sekunden trennten beim Grand<br />

Prix von Italien 1971 fünf Autos,<br />

die hintereinander ins Ziel<br />

fuhren. Knapper geht’s nicht.<br />

4.093.305<br />

Live-Zuschauer wurden bei den 21 GPs 2018 gezählt.<br />

4<br />

Kilo verlieren die Fahrer<br />

durchschnittlich pro Rennen –<br />

die Temperaturen im Cockpit<br />

erreichen bis zu 50 Grad.<br />

250.000<br />

Dollar war der Diamant an<br />

der Nase von Christian Kliens<br />

Jaguar R5 beim Grossen Preis<br />

von Monaco 2004 wert (ein PR-<br />

Gag). Der Österreicher crashte<br />

in der ersten Runde, der Stein<br />

ist bis heute verschollen.<br />

18<br />

Mechaniker sind bei einem<br />

regulären Boxenstopp beteiligt.<br />

Bis 2009 waren zwei weitere<br />

Mechaniker zum Betanken dabei.<br />

80.000<br />

Einzelteile hat ein F1-Auto.<br />

1,8<br />

Meter lang war die Karriere des<br />

Deutschen Ernst Loof: Bei seinem<br />

einzigen Start 1953 beim<br />

heimatlichen Grand Prix blieb<br />

er wegen eines Benzinpumpenproblems<br />

gleich wieder stehen.<br />

GETTY IMAGES (4), THOMAS BUTLER/RED BULL CONTENT POOL CLAUDIA MEITERT<br />

16 THE RED BULLETIN


P L A Y L I S T<br />

UN<strong>DE</strong>RWORLD<br />

Musik, die<br />

dein Hirn<br />

beflügelt<br />

Karl Hyde ist Musiker, Maler<br />

und Videokünstler. Sein Kreativgeheimnis?<br />

Inspirierende Songs.<br />

Hier empfiehlt er vier davon.<br />

Das walisische Duo Underworld<br />

zählt zu den erfolgreichsten und<br />

innovativsten Künstlern der elektronischen<br />

Musik: Seit ihrem Megahit<br />

„Born Slippy“ 1996 erfinden<br />

sich Karl Hyde (im Bild rechts) und<br />

Rick Smith mit jedem Projekt neu.<br />

Sie haben bereits zehn Alben aufgenommen,<br />

daneben kreieren sie<br />

Soundtracks für Filme, <strong>The</strong>aterstücke<br />

und Computerspiele.<br />

Sie komponierten die Musik zur<br />

Eröffnung der Olympischen Spiele<br />

in London (2012) und betreiben<br />

mit Tomato ihre eigene High-Tech-<br />

Kreativagentur. Wovon sie sich<br />

inspirieren lassen, wenn die Ideen<br />

ausgehen? Von Musik, erklärt der<br />

62-jährige Hyde. Genauer: der Musik<br />

seiner Helden. Die folgenden vier<br />

Aufnahmen bringen seine kleinen<br />

grauen Zellen zum Leuchten.<br />

Neues Album: „Drift Series One“ ;<br />

underworldlive.com<br />

Brian Eno<br />

Needles in the Camel’s Eye<br />

(1974)<br />

„Brian ist ein spannender Typ, von<br />

dem ich bei unserer Zusammenarbeit<br />

viel gelernt habe, gerade was<br />

Inspiration betrifft. Wir erfanden<br />

ein Spiel, bei dem wir einander<br />

Städte vorschlugen, die der andere<br />

besuchen musste: ‚Fahr nach<br />

Birmingham.‘ – ‚Warum?‘ – ‚Fahr<br />

einfach.‘ Raus aus der Werkstatt,<br />

rein ins Neuland – dieser Ansatz<br />

führt immer zu einer guten Idee.“<br />

Bob Dylan<br />

Lily, Rosemary & the Jack<br />

of Hearts (1975)<br />

„Dylan ist extrem wandlungsfähig<br />

und riskiert immer alles. Als er<br />

dachte, keiner würde sich mehr<br />

für ihn interessieren, ging er so<br />

lange auf Tour, bis alle ihn wieder<br />

mochten. Ich habe ihn im Sommer<br />

im Hyde Park erlebt und finde es<br />

irre, wenn Leute sagen: ‚Er ist nicht<br />

mehr, was er mal war.‘ Na Gott sei<br />

Dank! Von seinem Ansatz kann<br />

jeder Künstler lernen.“<br />

Iggy Pop<br />

Nightclubbing<br />

(1977)<br />

„Die Art, wie Iggy improvisiert, ist<br />

einzigartig: Er betritt das Studio<br />

und legt los. In seinem Kopf bearbeitet<br />

er spontan Erinnerungen<br />

an Zeitungsartikel, Bücher und Gespräche.<br />

Das setzt er zusammen<br />

und kotzt es ungefiltert einfach<br />

raus. Das kann man in dem Stück<br />

gut hören. Sein Ansatz ist total<br />

inspirierend, besonders wenn man<br />

mit einer Idee nicht weiterkommt.“<br />

Kraftwerk<br />

Europe Endless<br />

(1977)<br />

„Mit Kraftwerk bin ich aufgewachsen<br />

– genau wie mit Neu! und Can.<br />

Diese deutschen 1970er-Jahre­<br />

Bands haben meine Liebe für<br />

re petitive Beats entfacht. Gleichklang<br />

hat etwas Hypnotisches, das<br />

mich in eine produktive Stimmung<br />

versetzt. Das sich ständig wiederholende<br />

Element, das man in<br />

diesem Track hört, findet sich folglich<br />

in allem wieder, was ich tue.“<br />

PEROU FLORIAN OBKIRCHER<br />

18 THE RED BULLETIN


F U N D S T Ü C K<br />

DAN WINTERS CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO<br />

„THE WALKING <strong>DE</strong>AD“<br />

Farben des Grauens<br />

Schminkpalette für das Make-up der Zombies in der TV-Serie „<strong>The</strong> Walking Dead“, USA, 2011<br />

Wir wissen: Untote, die Menschen bedrohen, gibt es nicht. Aber die Zombies in der 2010 gestarteten<br />

TV-Serie „<strong>The</strong> Walking Dead“ sehen so realistisch aus, dass es zum Fürchten ist. Lohn der Übung:<br />

zwei Emmys für das beste Make-up, ein Golden Globe für die beste TV-Serie.<br />

Neue Staffel: ab 24. Februar bei Sky<br />

THE RED BULLETIN 19


L I F E H A C K S<br />

SCIENCE-BASTLER<br />

Tricks für<br />

Handy-Pics<br />

Neue Ideen für die Dinge des Alltags, Volume 18:<br />

Mit diesen Fotografie-Hacks holst du aus deiner<br />

Smartphone-Kamera noch mehr raus.<br />

AUSLÖSER<br />

Knipsen mit Kopfhörer<br />

Die Lautstärke-Knöpfe der Ohrenstöpsel als Auslöser<br />

verwenden: nie wieder verwackelte Selfies!<br />

BLITZ-TUNING<br />

Romantisches Licht<br />

Fotos mit Blitz müssen nicht automatisch hässlich<br />

aussehen: So leuchtest du jedes Indoor-Foto sanft aus.<br />

1<br />

Finde heraus, wo auf<br />

deinem Smartphone<br />

das Objektiv, der<br />

Sensor und der Blitz<br />

liegen. Decke Objektiv<br />

und Sensor mit Klebeband<br />

ab. Nur der Blitz<br />

bleibt frei.<br />

SCHWEBE-EFFEKT<br />

Nur Fliegen ist schöner<br />

Wirkt mit Himmel als Hintergrund am besten: Telefon<br />

knapp an eine Stufe legen und Selbstauslöser aktivieren.<br />

2<br />

Das Telefon waagrecht<br />

auf den Tisch legen.<br />

Von einer weißen (!)<br />

Kerze einen Wachstropfen<br />

direkt auf den<br />

Blitz tropfen.<br />

Ein Fuß schwebt über<br />

dem Objektiv, die Ferse<br />

des anderen Fußes<br />

steht fest, ist aber im<br />

Bild abgeschnitten.<br />

3<br />

Die Klebebänder wieder entfernen.<br />

FATA MORGANA IM SPIEGEL<br />

Spukhafte Verdopplung<br />

Die Panorama-Funktion nimmt viele Bilder hintereinander<br />

auf. So kannst du auf einem Foto zweimal erscheinen.<br />

4<br />

Mit Klebeband den<br />

Wachstropfen fixieren.<br />

Das Blitzlicht wird<br />

so besser im Raum<br />

gestreut.<br />

Mit der Pano-Funktion langsam über die Person vor dem Spiegel<br />

schwenken. In der Mitte des Schwenks dreht die sich schnell<br />

zum Spiegel und macht etwas Charakteristisches mit den Händen.<br />

CLEMENS MAKANAKY SASCHA BIERL<br />

20 THE RED BULLETIN


Für Arbeit, Freizeit<br />

oder beides<br />

Thule Crossover 2<br />

Collection<br />

Robuste und funktionale<br />

Reisetaschen, ideal für<br />

die Geschäftsreise oder<br />

den nächsten Urlaub.


D E R C L U B D E R T O T E N D E N K E R<br />

FRIEDRICH SCHILLER<br />

Macht Gaming mich<br />

zu einem besseren Menschen?<br />

Die größten Denker aller Zeiten beantworten<br />

Fragen unserer Gegenwart, übermittelt<br />

durch den Philosophen Christoph Quarch.<br />

Diesmal: Friedrich Schiller verrät, wie wir<br />

spielend menschlicher werden.<br />

Ach, das Spielen – wie habe ich es doch geliebt!<br />

Als junger Mann spielte ich nächtelang<br />

Karten, und so manchen Einfall zu einem<br />

Gedicht habe ich auf einer Spielkarte notiert. Später<br />

dann, als ich bei Caroline und Charlotte – meiner<br />

späteren Frau und ihrer Schwester – ein und aus<br />

ging, da liebten wir es, zu dritt Blinde Kuh zu spielen.<br />

Oh, das hatte einen leicht frivolen Reiz, den ich nicht<br />

leugnen kann und auch nicht leugnen möchte. Doch<br />

zu meiner Zeit, im späten 18. Jahrhundert, spielten<br />

alle. Und die anzüglichen Spiele<br />

schätzten wir am meisten.<br />

Ist also etwas dagegen einzuwenden,<br />

dass erwachsene Menschen spielen?<br />

Gewiss nicht, kann ich nur sagen,<br />

denn – wenn’s erlaubt ist, dass ich<br />

mich an dieser Stelle selbst zitiere –<br />

der Mensch ist nur da ganz Mensch,<br />

wo er spielt. Womit auch die Antwort<br />

auf die mir gestellte Frage<br />

ausgesprochen wäre. Doch ganz so<br />

leicht will ich es mir nicht machen.<br />

Schon als ich im Jahre 1792 diese<br />

Worte schrieb, haben sie nur wenige<br />

verstanden. Deshalb scheint es mir geboten, in groben<br />

Strichen darzulegen, von welcher Art des Spiels ich<br />

denke, dass es unbedingt zu einem guten Menschenleben<br />

nötig ist.<br />

Denn es gibt viele verschiedene Spiele, darunter<br />

auch solche, von denen ich nicht behaupten möchte,<br />

sie zu spielen bedeute, wahrhaft Mensch zu sein. An<br />

welche Spiele ich dabei denke, steht in einem meiner<br />

Briefe „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“:<br />

Der Mensch soll nur mit der Schönheit spielen. Davon<br />

kann ich bei einigen der bei euch gängigen Spiele<br />

nichts entdecken. Vor allem dann nicht, wenn es darum<br />

geht, Geld zu gewinnen. Wettspiele zum Beispiel,<br />

oder Glücksspiele am Automaten.<br />

„Schön ist das<br />

Spiel, weil es<br />

für das Alltagsleben<br />

nutzlos ist;<br />

und weil du als<br />

Spieler frei bist,<br />

dich selbst im<br />

Spielen vergisst.“<br />

Vielleicht fragt ihr nun: Was meint der Schiller, wenn<br />

er sagt, nur Schönheit sei ein würdiger Gegenstand des<br />

Spielens? Nun, ich meine nicht etwas, das hübsch anzusehen<br />

wäre. Sondern dasjenige, was den Eindruck<br />

erweckt, ganz in sich zu ruhen. Etwas, was um keines<br />

äußeren Nutzens willen da ist, sondern sich selbst<br />

genügt. Denkt dabei an eine schöne Musik. Sie folgt<br />

keinen äußeren Zwängen und Gesetzen. Sie ist einfach<br />

nur sie selbst. Und ebendeshalb ist sie schön. Und bedenkt:<br />

Wir sagen nicht zufällig, Musik werde gespielt.<br />

Spiele sind also gerade dann sinnvoll, wenn sie für<br />

das Alltagsleben vollkommen nutzlos sind. Bei solchen<br />

Spielen kann man sich selbst vergessen – und sich<br />

genau deshalb frei und wirklich menschlich fühlen.<br />

Bei Glücksspielen ist das anders. Da spielt man nicht<br />

um des Spielens willen, sondern weil man sich das<br />

schnelle Geld erhofft. Ähnlich ist es bei dem, was man<br />

bei euch „Gamification“ nennt. Da wird etwas als Spiel<br />

verpackt, um etwas zu erreichen, was<br />

nichts mit dem Spiel zu tun hat. Dabei<br />

werden Spiele instrumentalisiert, und<br />

das nimmt ihnen die Schönheit.<br />

Manchmal ist das vielleicht gerecht<br />

fertigt, etwa bei Lernspielen für<br />

Kinder, manchmal aber geht es nur<br />

darum, den Spielern still und heimlich<br />

bestimmte Verhaltensweisen anzutrainieren.<br />

Solche Spiele nehmen euch<br />

die Freiheit, statt sie euch zu schenken.<br />

Ich weiß, dass Blinde Kuh heute nicht<br />

mehr so hoch im Kurs steht und jedermann<br />

mit seinem Computer spielt.<br />

Ich will das auch keinem ausreden, aber gebt acht,<br />

dass diese Spiele euch nicht mehr fesseln als beleben;<br />

dass sie euch nicht süchtig machen, sondern euch die<br />

Chance geben, für eine Weile in eine gänzlich zweckfreie,<br />

fantasievolle Zauberwelt einzutauchen.<br />

FRIEDRICH SCHILLER (1759 – 1805)<br />

ist den meisten als Dichter und Dramatiker bekannt. Tatsächlich<br />

aber sind seiner Feder eine Reihe bedeutender Schriften zur<br />

<strong>The</strong>orie von Kunst und Schönheit zu verdanken. Mit ihnen wurde<br />

er zum Wegbereiter der Romantik, deren Vordenker sich vor allem<br />

von Schillers in den Briefen „Über die ästhetische Erziehung<br />

des Menschen“ vorgetragenen Gedanken über die Bedeutung<br />

des Spielens inspirieren ließen. Mit seiner <strong>The</strong>se, der Mensch sei<br />

nur da ganz Mensch, wo er spielt, wurde Schiller zudem zu einem<br />

Pionier der Lebenskunst-Philosophie des 20. Jahrhunderts.<br />

CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />

22 THE RED BULLETIN


FRIEDRICH SCHILLER (1759–1805)<br />

Dichter, Philosoph, Ur-Gamer: „Der Mensch<br />

ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“<br />

THE RED BULLETIN 23


GRÖNLAND<br />

ON THE ROCKS<br />

Der kanadische Eiskletterer WILL GADD hat sich an<br />

einen Ort vorgewagt, an dem vor ihm noch niemand war:<br />

in eine Gletschermühle tief im Bauch Grönlands.<br />

Text ANDREAS WOLLINGER<br />

Fotos CHRISTIAN PON<strong>DE</strong>LLA


Kathedrale aus Eis<br />

Das ist ein Lieblingsbild von Fotograf<br />

Christian Pondella: Es fasst<br />

das Surreale und die Einzigartig keit<br />

der Klettertour im Eisschild Grönlands<br />

auf eindrucksvolle Art zusammen.<br />

25


„Nach einem<br />

halbstündigen Flug<br />

setzte uns der Heli<br />

ab: nur flaches Eis,<br />

so weit das Auge<br />

reichte.“


Wüste in Weiß<br />

Eine Gletschermühle entsteht,<br />

wenn Schmelzwasser von der Oberfläche<br />

in die Tiefe sickert. Ihre<br />

Beschaffenheit erzählt eine Menge<br />

über das Abschmelzen des Eisschilds<br />

im Zuge des Klimawandels.<br />

27


Der Eiskönig Will Gadd, 52, muss nichts mehr beweisen. Als Eiskletterer hat er alles bewältigt,<br />

was denkbar ist – so ist es ihm etwa 2015 als Erstem gelungen, die Niagarafälle zu bezwingen.<br />

Warum ihn Grönland von innen interessierte? Ganz einfach: weil dort noch keiner gewesen war.<br />

Ilulissat, Grönland Das Dorf am Ende der Welt im Westen Grönlands war<br />

der Ausgangspunkt der „Beneath the Ice“-Expedition. Es liegt an der bekannten Diskobucht.


Ab ins Ungewisse<br />

Die „Moulins“, wie Gletschermühlen<br />

im Fachjargon heißen, erwiesen<br />

sich als bedeutend größer<br />

und gefährlicher als ursprünglich<br />

gedacht. Besonders deshalb, weil<br />

ständig Eis abbricht und in die<br />

Tiefe stürzt. Wenn dich so ein<br />

Brocken trifft, dann gute Nacht.<br />

29


Eislaufplatz,<br />

senkrecht<br />

Steil fallen die Wände Richtung<br />

Abgrund ab, bevor nach rund<br />

90 Metern der Boden erreicht ist.<br />

Ganz unten gibt es Wassertümpel,<br />

in denen Will Gadd eigentlich<br />

tauchen gehen wollte. Daraus<br />

wurde aber nichts: zu gefährlich.<br />

31


„Ich feiere jeden<br />

Moment, in dem<br />

ich intensiv leben<br />

kann. Hier zu<br />

klettern fühlt sich<br />

sehr lebendig an.“


In seinem Element<br />

Will Gadd klettert aus dem Abgrund<br />

und lässt es aussehen, als wär’s<br />

ganz einfach. Den Soundtrack dazu<br />

kann man sich als permanentes<br />

Krachen, Knacken und Stöhnen<br />

des Eises vorstellen.<br />

33


Licht ins Dunkel<br />

Will Gadd und Jason Gulley,<br />

Professor an der University<br />

of South Florida, am Grund der<br />

Gletscherhöhle. Die Expedition<br />

brachte wichtige Erkenntnisse<br />

für die Klimaforschung.


Aufwärmen am Eisberg Bevor es in die Tiefe des Eisschildes ging, kletterte sich Will Gadd auf einigen Eisbergen vor der Küste Grönlands<br />

ein. Für Fotograf Christan Pondella ergab das ein paar wirklich großartige Motive.<br />

THE RED BULLETIN 35


Dave Bautista<br />

„Du musst zu<br />

deinen Gefühlen<br />

stehen“<br />

Wann immer sie in Hollywood den Typ „sensibles<br />

Muskelpaket“ brauchen, ist Dave Bautista die erste Wahl.<br />

Hier erklärt der 51-Jährige, wie er auf Tuchfühlung<br />

mit sich selbst bleibt und warum er dafür fluchen muss.<br />

Text RÜDIGER STURM<br />

Ob in „Guardians of the Galaxy“,<br />

„James Bond: Spectre“ oder „Blade<br />

Runner 2049“ – Schauspieler Dave<br />

Bautista ist die Idealbesetzung für<br />

den Kämpfer mit Seele. Das ist kein<br />

Zufall: Der 51-jährige Ex-Wrestler<br />

(1,98 Zentimeter, 132 Kilo) ist unter<br />

schwierigen Umständen aufgewachsen<br />

und sah sich lange gezwungen,<br />

seine wahren Gefühle zu unterdrücken.<br />

Nach Jahrzehnten der<br />

Übung weiß er heute, wie wichtig es<br />

ist, sein Herz auf der Zunge zu tragen.<br />

Wo er einen gesunden Umgang mit<br />

seinen Emotionen lernte? Standesgemäß<br />

als Rausschmeißer in einer<br />

Diskothek in einem zwielichtigen<br />

Viertel.<br />

the red bulletin: In „Der Spion<br />

von nebenan“ spielen Sie einen<br />

CIA-Agenten, der es mit einem<br />

naseweisen Mädchen zu tun bekommt.<br />

Ihre Partnerin war die elfjährige<br />

Chloe Coleman. Konnten<br />

Sie von ihr etwas lernen?<br />

dave bautista: Oh ja. Sie war einer<br />

der professionellsten Menschen,<br />

denen ich je begegnet bin. Ich konnte<br />

mir meistens meinen Text nicht<br />

merken, und sie beherrschte ihren<br />

aus dem Effeff. Deshalb bat ich sie,<br />

auch meine Zeilen zu lernen, damit<br />

sie mir notfalls einsagen kann. Aber<br />

was ich wirklich an ihr liebe, ist, dass<br />

sie bei aller Professionalität ein Kind<br />

geblieben ist. Sie will eines sein und<br />

ihre Kindheit genießen!<br />

Steckt in Ihnen auch etwas<br />

von einem Kind?<br />

Aber klar. Ich versuche, mich wie<br />

ein Erwachsener zu verhalten, aber<br />

gleichzeitig nehme ich das Leben<br />

nicht zu ernst. Ich würde mich zum<br />

Beispiel nie in einen normalen Bürojob<br />

zwängen lassen. Da verlierst du<br />

nur die Tuchfühlung mit deinem Ich.<br />

Was ich an Kindern ganz besonders<br />

mag, ist, dass sie völlig offen und<br />

ehrlich sind. Sie sprechen aus, was<br />

sie fühlen – ohne Filter und ganz<br />

unverstellt.<br />

Tun Sie das auch?<br />

Jetzt schon. Ich bin ein sehr emotio<br />

naler Mensch – das muss ich von<br />

meiner Mutter haben, die ist noch<br />

extremer drauf als ich. Aber es gab<br />

eine Zeit in meinem Leben, in der<br />

mir das peinlich war und ich meine<br />

Gefühle zu kontrollieren versuchte –<br />

das war allerdings vollkommen aussichtslos.<br />

Dann habe ich begriffen:<br />

Solange du niemandem wehtust, ist<br />

es völlig okay, emotional und auch<br />

mal wütend zu sein. Ich weiß, dass<br />

ich meine Gefühle nicht mit Fäusten<br />

auszudrücken brauche, ich kann das<br />

auch mit Worten tun. Und so darf<br />

ich ruhig mein Herz auf der Zunge<br />

tragen.<br />

Der Schlüssel besteht also darin,<br />

seine Gefühle zu akzeptieren?<br />

Exakt. Sorge nur dafür, dass sie den<br />

richtigen Weg nehmen. Und bleibe<br />

offen dabei. Du kannst von etwas<br />

leidenschaftlich überzeugt sein, aber<br />

es gibt immer Leute, die eine andere<br />

Meinung haben. Hör dir die an, vielleicht<br />

findest du raus, dass du doch<br />

falschliegst, oder du gehst einen<br />

Kompromiss ein. Sei leidenschaftlich,<br />

sei ehrlich, aber nicht verbohrt.<br />

Leichter gesagt als getan, aber das<br />

ist das, was ich im Laufe der Zeit für<br />

mich herausgefunden habe.<br />

Wie leidenschaftlich Sie sein<br />

können, hat man im Fall von<br />

James Gunn, dem Regis seur von<br />

„Guardians of the Galaxy“, erlebt.<br />

Das Studio wollte ihn feuern,<br />

weil er vor Jahren mal anzügliche<br />

Tweets verbreitet hatte, aber Sie<br />

traten öffentlich für ihn ein …<br />

Es gab Leute, die ihre Bedenken hatten,<br />

weil ich das so offen getan habe.<br />

Und ich dachte auch, dass mir das<br />

vielleicht schaden kann. Aber der<br />

Punkt ist: Wenn du genau weißt, was<br />

das Richtige ist, und du tust es trotzdem<br />

nicht – zu was für einem Menschen<br />

macht dich das? Ja, es war riskant,<br />

aber es war mir egal. Ich wollte<br />

meinen Freund verteidigen, weil<br />

er das brauchte. Und ich war völlig<br />

davon überzeugt. Keine einzige<br />

Sekunde habe ich daran gezweifelt.<br />

Haben Sie überhaupt je Selbstzweifel?<br />

Das kann ich nicht sagen. Wenn<br />

ich mal einen Schritt aus meiner<br />

Komfortzone mache, dann spüre<br />

FRANCINE ORR/LOS ANGELES TIMES VIA CONTOUR RA RÜDIGER STURM<br />

36 THE RED BULLETIN


„Ich verhalte<br />

mich erwachsen,<br />

nehme das<br />

Leben aber<br />

nicht zu ernst.“<br />

Dave Bautista über den Wert<br />

seines inneren Kindes<br />

THE RED BULLETIN 37


Dave Bautista<br />

Die Kleine und das Biest<br />

CIA-Agent JJ (Dave Bautista) steht im Film „Der<br />

Spion von nebenan“ nach einigen Vorfällen kurz<br />

vor dem Rauswurf. Als letzte Chance soll er das<br />

Haus einer Familie überwachen. Als deren neunjährige<br />

Tochter Sophie (Chloe Coleman) den Spion<br />

entdeckt, verspricht sie dichtzuhalten – unter der<br />

Bedingung, dass JJ sie zur Spionin ausbildet. Ein<br />

ungleiches Duo nimmt die Zusammenarbeit auf …<br />

Kinostart: 12. <strong>März</strong><br />

ich Angst. Das ist ganz normal. Aber<br />

mehr Angst habe ich davor, etwas<br />

nicht auszuprobieren.<br />

Sie haben zwei fast erwachsene<br />

Töchter und einen zwölfjährigen<br />

Sohn. Wie haben Sie gelernt,<br />

ein guter Vater zu sein?<br />

Von meinem Vater – indem ich<br />

versuchte, ein anderer Vater zu<br />

sein als er. Ich wollte nicht die gleichen<br />

Fehler wie er machen, denn<br />

er war wirklich furchtbar. Was ich<br />

bei meinen Töchtern gelernt habe,<br />

war, dass ich irgendwann nicht<br />

mehr Verantwortung für ihre Fehler<br />

übernehmen kann. Ich musste einen<br />

Schritt zurück machen – etwas, was<br />

alle Eltern früher oder später lernen<br />

müssen. Für den zwölfjährigen Sohn<br />

von meiner geschiedenen Frau würde<br />

ich hingegen gerne mehr da sein.<br />

Er ist sehr unsicher, hinterfragt sich<br />

ständig. Er ist einfach ein kleiner<br />

Mann, der sich im Leben zurechtzufinden<br />

versucht.<br />

Was wollen Sie ihm weitergeben?<br />

Er hängt ständig mit seinem Smartphone<br />

herum, schaut YouTube oder<br />

spielt Videospiele. Das finde ich<br />

nicht gut. Ich verstehe den Wert<br />

des technischen Fortschritts, aber<br />

Kinder dürfen sich nicht abkapseln.<br />

Sie müssen das Leben und die Natur<br />

kennenlernen. Das habe ich als Kind<br />

auch gemacht. Ich möchte, dass er<br />

sich mehr mit anderen Menschen<br />

beschäftigt, nur so kann er sich<br />

weiterentwickeln.<br />

Hört er auf Sie?<br />

Ja, aber ich muss es ihm ständig<br />

sagen. Deshalb will ich jetzt in seine<br />

Nähe ziehen, damit ich besser<br />

Einfluss nehmen kann. Wenn ich<br />

ihm das sage, dann ist er erst mal<br />

irritiert, aber wenn er dann zehn<br />

Minuten von seinem Telefon weg<br />

ist, ist er glücklich und zufrieden.<br />

Und was haben Sie von Ihren<br />

Kindern gelernt?<br />

Da müsste ich nachdenken. Ich bin<br />

versucht zu sagen, dass ich von<br />

ihnen Geduld gelernt habe. Aber<br />

streng genommen stimmt das nicht.<br />

Ich habe Geduld gelernt, als ich<br />

13 Jahre lang als Rausschmeißer in<br />

Nachtclubs gearbeitet habe. Daher<br />

würde ich sagen: Ich warte noch<br />

auf den Tag, an dem mein Sohn mir<br />

etwas beibringt. Dann werde ich sehr<br />

stolz sein. Aber bis dahin muss ich<br />

mit gutem Beispiel vorangehen.<br />

Beim Dreh zu „Der Spion von<br />

nebenan“ haben Sie das allerdings<br />

nicht getan. Da musste jedes<br />

Teammitglied, hört man, beim<br />

Gebrauch von Schimpfwörtern<br />

in einen Topf einzahlen …<br />

Tja, da habe ich eine Stange Geld<br />

verloren. Wenn viele Kinder am<br />

Set waren, habe ich versucht, mich<br />

zurückzuhalten. Andererseits: Ich<br />

bin, der ich bin. Ich komme von der<br />

Straße, ich war Wrestler. In so einem<br />

Milieu benutzt du nun mal solche<br />

Ausdrücke. Das ist ein Teil von mir.<br />

Ich versuche, es auf eine Art und<br />

Weise zu tun, in der sich niemand<br />

verletzt fühlt – einfach nur, um meine<br />

Gefühle rauszulassen. Denn wie<br />

ich schon sagte: Du musst zu deinen<br />

Gefühlen stehen.<br />

Sie haben ja angedeutet, dass<br />

Ihre Kindheit eher schwierig war.<br />

Oh ja! Es gab Zeiten, da hatte ich<br />

nicht einmal was zu beißen.<br />

„Ich bin<br />

emotional,<br />

meine Mutter<br />

ist aber noch<br />

extremer.“<br />

Würden Sie sie gegen eine glückliche<br />

Kindheit tauschen wollen?<br />

In keiner Sekunde. Ich habe durch<br />

diese Erfahrungen gelernt, bescheiden<br />

und mit wenig zufrieden zu<br />

sein. Ja, ich war von Armut und Gewalt<br />

umgeben, aber ich hatte auch<br />

großartige Zeiten. Und all das hat<br />

mich zu dem gemacht, was ich bin:<br />

ein Kämpfer.<br />

COURTESY OF STXFILMS<br />

38 THE RED BULLETIN


Was nicht passt,<br />

wird auch nicht<br />

passend gemacht.<br />

Wer frei denken will, braucht kontroverse Standpunkte<br />

und diskursfähige Positionen.–Diese finden Sie seit<br />

70 Jahren täglich in der Frankfurter Allgemeinen.<br />

Freiheit hat viele Seiten.<br />

Jetzt mehr erfahren und testen.<br />

freiheitimkopf.de<br />

Frankfurter<br />

Allgemeine<br />

Freiheit beginnt im Kopf.


Balbina<br />

„Freiheit ist<br />

alles für mich“<br />

Balbina hat Straßenrap-Vergangenheit und ist die wohl<br />

eigenwilligste Popmusikerin des Landes. Ein Gespräch<br />

über Mobbing, Machos und den Mut zur Unabhängigkeit.<br />

Text BJÖRN SPRINGORUM<br />

Foto CHRISTOPH KASSETTE<br />

In eine Schublade stecken lässt sich<br />

Balbina Monika Jagielska nicht so<br />

leicht. Angefangen hat die heute<br />

36-Jährige mit hartem Straßenrap<br />

im Rahmen des Berliner Kollektivs<br />

Royal Bunker. 2015, als ihr zweites<br />

Album „Über das Grübeln“ erschien,<br />

ging sie mit Deutschrock-Legende<br />

Herbert Grönemeyer auf Tour. Jetzt,<br />

knapp fünf Jahre später, liefert sie<br />

mit einem verwunschenen Rammstein-Cover<br />

(„Sonne“) den Song zu<br />

einer Kampagne des US-Sportartikelriesen<br />

Nike – als erste deutsche<br />

Künstlerin überhaupt. Seinerzeit,<br />

als ihre Eltern von Polen nach Berlin<br />

zogen und sich bald darauf scheiden<br />

ließen, wusste sie noch nicht, dass<br />

ihre Erfahrungen als Außenseiterin<br />

einmal ihre Stärke sein würden.<br />

the red bulletin: Wann hast du<br />

dich erstmals als Außenseiterin<br />

gefühlt?<br />

balbina: Ich kann mich nicht erinnern,<br />

dass ich mich jemals nicht so<br />

gefühlt habe. In der Schule war ich<br />

immer die Außenseiterin, ich habe<br />

viel gelesen, war still – die anderen<br />

konnten nichts mit mir anfangen.<br />

Da wird man schnell zur Zielscheibe.<br />

Ich wurde extrem beleidigt und<br />

fertiggemacht, jeder Tag war eine<br />

Qual. Ich hoffte einfach nur, dass<br />

der Schultag schnell vorübergeht.<br />

Als Teenager ist man wahrscheinlich<br />

noch nicht in der Lage, solche<br />

Erfahrungen als Chance zu sehen.<br />

Das stimmt. Lange habe ich darin<br />

nur mein eigenes Unvermögen gesehen.<br />

Aber ich habe es überstanden.<br />

Damals habe ich gelernt, mich<br />

auf das zu konzentrieren, was ich<br />

kann. Was mich glücklich macht.<br />

Ich habe früh damit angefangen,<br />

Gedichte und Songs zu schreiben.<br />

Irgendwann merkte ich, dass ich gar<br />

nicht versuchen musste, in einen<br />

bestimmten Rahmen zu passen, sondern<br />

dass ich mir meinen eigenen<br />

Rahmen schaffen musste. Das ist<br />

ein Prozess, der immer noch nicht<br />

abgeschlossen ist.<br />

Helfen dir deine Erfahrungen<br />

heute, mit Kritik und der allgegenwärtigen<br />

Häme in den sozialen<br />

Medien umzugehen?<br />

Ja, ich habe Hass abbekommen,<br />

und das nicht zu knapp. Wenn mich<br />

heute jemand hassen will, denke<br />

ich: nicht mein Problem. Ich habe<br />

mir ein echt dickes Fell angeeignet.<br />

Ohne das wäre ich längst nicht mehr<br />

in der Musikbranche. Heute interessiert<br />

mich überhaupt nicht, was<br />

irgendjemand über mich denkt.<br />

Nach der Schule hast du in der<br />

Berliner Deutschrap-Szene Fuß<br />

gefasst, die männerdominiert ist.<br />

Warst du da auch Außenseiterin?<br />

Interessanterweise nicht. Ich hatte<br />

damals Rückenwind und Unterstützung<br />

von allen Seiten. In der<br />

Rap-Szene spielen viele mit Macho-<br />

Klischees, in Wahrheit sind die<br />

meisten wahnsinnig offen. Klar gibt<br />

es schwierige Typen. Aber ehrlich<br />

gesagt: Ich habe mehr mit solchen<br />

zu tun, seit ich zu einem Major-Label<br />

gewechselt bin.<br />

Du hast die radikale feministische<br />

Rapperin Ebow als Gast auf dein<br />

Album eingeladen und coverst<br />

„Sonne“ von Rammstein. Beides<br />

steht nicht für Mainstream-Pop.<br />

Ist es dir wichtig, mit solchen<br />

Entscheidungen Unabhängigkeit<br />

zu demonstrieren?<br />

Ja, auch die Gründung meines<br />

eigenen Labels „Polkadot“ war ein<br />

Schritt in diese Richtung. Ich war es<br />

leid, meine Entscheidungen erklären<br />

und rechtfertigen zu müssen. Damit<br />

habe ich viel zu viel Energie und Zeit<br />

verschwendet. Freiheit ist alles für<br />

mich. An vielen Orten auf der Welt<br />

haben Menschen nicht die Möglichkeit,<br />

sich so zu verwirklichen wie<br />

ich. Es ist wichtig, sich dieser Freiheit<br />

bewusst zu sein und sie auszuleben.<br />

Heute weiß ich: Man muss<br />

nicht sich verbiegen und anpassen.<br />

Sondern die Umstände.<br />

Balbinas aktuelles Album „punkt.“<br />

ist im Januar erschienen.<br />

40 THE RED BULLETIN


„Ich war es leid,<br />

meine Entscheidungen<br />

erklären<br />

zu müssen.“<br />

Als Musikerin und Label gründerin arbeitet<br />

Balbina in selbst aufgebauten Strukturen.<br />

THE RED BULLETIN 41


Paddy Graham<br />

„Ich dachte<br />

mir: Das ist<br />

krank. Das will<br />

ich auch.“<br />

Paddy Graham über seine ersten<br />

Begegnungen mit Freeskiern<br />

British Airways<br />

Paddy Graham zählt zur Weltelite der Freeskier.<br />

Das Besondere daran: Er ist Engländer. Und hat erst<br />

mit elf Ski fahren gelernt – auf einer künstlichen Piste.<br />

Text HUGH FRANCIS AN<strong>DE</strong>RSON<br />

Fotos GIAN PAUL LOZZA<br />

Vor gut zwei Jahren wollte Paddy<br />

Graham einen Weltrekord aufstellen<br />

– das Ziel war, bei einem Sprung<br />

länger als vier Sekunden in der Luft<br />

zu bleiben. Man hatte ihm für diesen<br />

Zweck im italienischen Livigno in<br />

gut vier Wochen Arbeit eine Riesenschanze<br />

aus 100.000 Kubikmeter<br />

Schnee gebaut. Beim ersten Versuch<br />

rast Graham mit 117 km/h über den<br />

Kicker, springt und landet sicher.<br />

Aber „schon“ nach 3,8 Sekunden.<br />

Beim zweiten Versuch wählt er<br />

eine noch waghalsigere Anfahrtsgeschwindigkeit.<br />

Nach 4,5 Sekunden<br />

schlägt er aus 30 Meter Höhe auf<br />

der Piste auf. Die Folgen: gerissenes<br />

Kreuzband und kaputter Meniskus<br />

im einen Bein, ein gebrochener<br />

Knöchel im anderen.<br />

Nur ein Detail macht die Aktion<br />

noch verrückter, als sie ohnehin<br />

war: Paddy Graham ist nicht mit<br />

Skiern an den Beinen aufgewachsen<br />

– so wie die meisten anderen aus der<br />

Freerider-Weltelite. Er ist Engländer.<br />

Geboren in Sheffield, einer Industriestadt<br />

im Herzen des Landes.<br />

Hier gibt es keine hohen Berge<br />

und selten Schnee. Aber es gab die<br />

größte künstliche Skipiste Europas,<br />

ausgestattet mit Half- und Quarterpipe,<br />

Kicker und Grindrails – sie ist<br />

inzwischen leider abgebrannt. Dort<br />

lernte Paddy Graham mit elf Ski<br />

fahren – bloß weil er jeden anderen<br />

Sport langweilig gefunden hatte.<br />

„Ich sah Menschen mit Skiern springen<br />

und Tricks machen und dachte:<br />

Das ist krank, das will ich auch.“ Und<br />

dann ging alles ganz schnell. „Am<br />

Anfang war’s ein Kampf“, erinnert<br />

sich Graham heute grinsend. „Aber<br />

meine Lernkurve stieg rasch an.“<br />

Natürlich haben die Älpler anfangs<br />

über den fliegenden Briten gelacht<br />

– aber nicht lange. Inzwischen<br />

gilt Graham als mit Abstand bester<br />

Freerider Englands. 2009 ist er nach<br />

Innsbruck übersiedelt und hat dort<br />

mit Freunden die Gruppe „Legs of<br />

Steel“ gegründet, mit der er spektakulären<br />

Film-Content herstellt.<br />

Der jüngste Film wurde in Japan<br />

gedreht. Er heißt „121“, in Anlehnung<br />

an ein neues Skimodell der<br />

Marke Völkl. Dieses wurde mit Input<br />

von Legs of Steel entwickelt. „Er<br />

kann Freeride, Tiefschnee, Backcountry-Sprünge<br />

und Skitouren“,<br />

schwärmt Graham, „ein wahrer<br />

Gamechanger.“ Graham meint den<br />

Ski. Er könnte das auch von sich<br />

selbst sagen.<br />

legsofsteel.film<br />

42 THE RED BULLETIN


ALPHATAURI.COM


DIE EIS-EILIGE<br />

Rasantes Tempo, packende Duelle, spektakuläre Stürze:<br />

Short Track ist die aufregendste Sportart auf Eis.<br />

Top-Athletin ANNA SEI<strong>DE</strong>L erklärt, wie Nervosität ihr<br />

dabei hilft, riskante Entscheidungen zu treffen –<br />

auf der Bahn und im Leben.<br />

Text DOMINIK SCHÜTTE<br />

Fotos FELIX KRÜGER


Born to skate: Schon<br />

im Alter von 15 Jahren<br />

debütierte Anna Seidel<br />

bei Olympia.<br />

45


„Ich brauche die Nervosität,<br />

um fokussiert und wachsam zu sein.“<br />

Anna Seidel lernte, ihre Aufregung in eine Stärke zu verwandeln.


RICHARD WALCH/RED BULL CONTENT POOL<br />

Wie eingefroren steht sie da.<br />

Die Augen weit aufgerissen,<br />

aus dem Mund kommen<br />

stoßweise Atemwölkchen,<br />

unter ihren Füßen befinden<br />

sich rasiermesserscharfe<br />

Kufen. Genau wie<br />

bei ihren Gegnerinnen nebenan auf der<br />

Eisbahn. Kaum knallt die Startpistole,<br />

katapultieren sich Anna Seidel und ihre<br />

Konkurrentinnen mit schnellen Schritten<br />

über die Startlinie. Nur bis hierhin läuft<br />

jedes Rennen gleich, danach beginnt ein<br />

unvorhersehbares Spektakel – typisch<br />

für Anna Seidels Sportart Short Track<br />

oder, wie manche es nennen: NASCAR-<br />

Rennen auf Eis. Wie die PS-Geschosse der<br />

US-Motorsportart kämpfen die Eisläufer<br />

auf einem Rundkurs um den Platz ganz<br />

vorn, nur eben auf Schlittschuhen statt<br />

mit Rennwagen. Mit bis zu 50 Stundenkilometern<br />

schießen die Kontrahenten<br />

um die Kurven des 111 Meter langen<br />

Rundkurses. Kufe an Kufe, Helm an<br />

Helm. Massencrashs sind eher die Regel<br />

als die Ausnahme. Nur wer sein Risiko<br />

am klügsten abwägt, kann gewinnen.<br />

Weltweit taktieren wenige gerissener<br />

als Anna Seidel, 21, aus Dresden. Noch<br />

mit Zahnspange tritt sie 2014 im Alter<br />

von nur 15 Jahren in Sotschi bei ihren<br />

ersten Olympischen Spielen an. Es folgen<br />

zwei Bronzemedaillen bei Europameisterschaften,<br />

ab dem 13. <strong>März</strong> startet sie nun<br />

bei den Weltmeisterschaften in Seoul,<br />

Südkorea. Natürlich will sie auch dort<br />

Medaillen gewinnen. Weil sie ehrgeizig<br />

ist, aber auch weil sie Short Track in<br />

Deutschland noch bekannter machen<br />

will. Seit Sotschi sind ihr hier große<br />

Schritte gelungen. Dank Annas sportlichen<br />

Erfolgen und wegen ihrer selbstbewussten<br />

Auftritte in der Öffentlichkeit<br />

– zum Beispiel in den sozialen Medien.<br />

the red bulletin: Anna, dein Instagram-Name<br />

ist „Dark redgrape“.<br />

Was hat es denn auf sich mit dir und<br />

dunkelroten Weintrauben?<br />

anna seidel: Ich liebe sie einfach!<br />

Ich hab ja früh mit Instagram begonnen,<br />

dennoch war „Anna Seidel“ bereits vergeben.<br />

Nun bin ich nicht der Typ, der<br />

sich „AnnaSeidel13“ nennt. Deswegen<br />

habe ich „Dark redgrape“ ausprobiert.<br />

War frei, super. Irgendwann wollte ich<br />

zu meinem Namen zurück, aber da hatte<br />

sich Darkredgrape schon durchgesetzt.<br />

Wenn man es nicht besser wüsste,<br />

könnte dein Account auch der einer<br />

Schauspielerin oder eines Models sein.<br />

Es war die Fotografie, die mich anfangs<br />

für Instagram begeisterte. Gleichzeitig<br />

lege ich aber Wert darauf, dass ich mehr<br />

kann als bloß fotografieren. Ich bin<br />

Leistungssportlerin, darum verbringe<br />

ich mittlerweile auch etwas weniger Zeit<br />

auf Insta gram. Die Entwicklung mit der<br />

vielen Werbung und den Influencern ist<br />

nicht so mein Ding. Mein Antrieb ist es,<br />

meine Sportart bekannter zu machen.<br />

Short Track kennen noch nicht alle.<br />

Was macht deinen Sport aus?<br />

Es ist ähnlich wie Eisschnelllauf …<br />

… das hätte ich aber jetzt nicht sagen<br />

dürfen, oder?<br />

Nein, auf keinen Fall, aber ich als Short-<br />

Trackerin darf das. Anders kriegt man<br />

es auch schwer vermittelt. Eisschnelllauf<br />

kennen nun mal die meisten, beim<br />

Kufe an Kufe: Anna Seidel (re.) hält eine Verfolgerin auf Distanz.<br />

Short Track geht es nicht gegen die Uhr,<br />

sondern direkt gegen die Konkurrenten.<br />

Man muss also taktisch richtig viel auf<br />

der Kette haben. Und es geht natürlich<br />

mit höheren Risiken einher.<br />

Hätte ein Eisschnellläufer eine Chance<br />

gegen dich im Short Track?<br />

Haha, null! Die fliegen meistens aus der<br />

Kurve! Der Radius ist bei uns viel enger.<br />

Lustig ist es immer früh in der Saison. Da<br />

haben die kleinen Bahnen oft schon Eis,<br />

die großen noch nicht. Also sieht man<br />

die Eisschnellläufer manchmal bei uns<br />

trainieren, und das sieht schon wackelig<br />

aus. Short Track ist schneller und härter.<br />

Es ist auch hoch spezialisiert.<br />

Ein Sportlerleben lang auf dem linken<br />

Bein um die schärfste Kurve, die man<br />

sich vorstellen kann?<br />

Ja, meine Hüfte ist etwas schief, und<br />

linkes Knie und Bein sind stärker.<br />

Kann man das sehen?<br />

Nein, aber messen. Mit Links springe ich<br />

auch höher.<br />

Nach deinem Olympia-Debüt in Sotschi<br />

2014 hast du die Gefährlichkeit deines<br />

Sports zu spüren bekommen. Nach<br />

einem schwerem Sturz lautete die<br />

Horror-Nachricht: Wirbelbruch. Wenn<br />

einem so früh das Karriereende droht,<br />

wie kommt man damit klar?<br />

Das war eine schwere Zeit, doch sie ging<br />

recht schnell vorbei. Ich hatte das Glück,<br />

dass mich mein Umfeld aufgefangen hat.<br />

THE RED BULLETIN 47


ANNAS TIPPS FÜR<br />

VEGANE POWER<br />

Immer mehr Spitzensportler<br />

verzichten auf tierische Produkte,<br />

so auch Anna Seidel. Hier gibt sie<br />

fünf Ratschläge für Anfänger:<br />

1. Wer noch zweifelt: Ich habe auf Netflix den<br />

Film „What the Health“ geguckt. Der hat mir die<br />

Augen geöffnet, was Fleischproduktion bedeutet<br />

– für die Tiere, für die Umwelt, für den eigenen<br />

Körper. Da fällt einem der Start leichter.<br />

2. Genug Protein aufnehmen: Das ist das<br />

Wichtigste und auch das, worüber Omis (und<br />

Trainer) sich am meisten sorgen. Ich mache das<br />

mit Hülsenfrüchten – Bohnen und Kichererbsen<br />

zum Beispiel. Oder trinke nach hartem Training<br />

mal einen Proteinshake.<br />

3. Nahrungsergänzungsmittel nutzen: Ich<br />

supplementiere Vitamin B ¹²<br />

. Das sollten Veganer<br />

definitiv machen, aber auch Fleischesser profitieren<br />

davon. Denn viele Nahrungsmittel sind<br />

industriell so stark verändert, dass der Körper<br />

das Vitamin kaum noch extrahieren kann.<br />

4. Abwechslung ist der Trick: Wer immer das<br />

Gleiche isst, sitzt oft einem Missverständnis auf<br />

– nämlich dass er das Fleisch vermisst. Das ist<br />

Quatsch, man hat nur noch nicht genug leckere<br />

fleischlose Rezepte entdeckt.<br />

5. Langsam anfangen: Keiner zwingt einen, von<br />

einem Tag auf den anderen radikal den eigenen<br />

Lifestyle über den Haufen zu werfen. Fangt langsam<br />

an, mit kleinen Portionen. Ich zum Beispiel<br />

bin noch weit von einem komplett veganen Leben<br />

entfernt, aber ich nähere mich dem an – so wie<br />

viele Menschen meiner Generation.


Fernziel im Blick: Bei den<br />

Olympischen Spielen in<br />

Peking 2022 will Anna Seidel<br />

noch einmal angreifen.<br />

49


Immer voll entspannt:<br />

Yoga und Meditation<br />

helfen Anna Seidel<br />

beim Abschalten.<br />

Styling<br />

TOMISLAV BLAIC/<br />

NINA KLEIN AGENCY<br />

Make-up & Haare<br />

KRISTINA GRIFFATO/<br />

NINA KLEIN AGENCY<br />

Skinsuit<br />

LYCOTEX


Hast du gleich bemerkt, dass etwas<br />

kaputtgegangen war?<br />

Gar nicht. Es hat wehgetan, klar, aber ich<br />

bin noch allein in die Kabine gehumpelt.<br />

Im Krankenhaus wurde es dann relativ<br />

schnell ernst. Und Metall in den Rücken<br />

geschraubt zu bekommen – das ist echt<br />

nicht schön. Da wird einem dann klar,<br />

wie ernst die Situation ist.<br />

Du musstest wochenlang pausieren.<br />

Wann ging es wieder bergauf?<br />

Es hat sehr geholfen, wieder Kufen unter<br />

den Füßen zu haben. Mit einer Psychologin<br />

lernte ich wieder, einfach zu laufen<br />

und nicht mehr an den Unfall zu denken.<br />

Gehst du seither anders mit dem Risiko<br />

deines Sports um?<br />

Bewusster, klar. Wichtig war eine Erfahrung,<br />

die man in einer solchen Situation<br />

zwangsläufig macht – auch wenn es wie<br />

ein Klischee klingt: What doesn’t kill you,<br />

makes you stronger. Und man lernt seine<br />

Gesundheit noch mehr zu schätzen.<br />

Deine zweiten Olympischen Spiele<br />

wurden zu einer herben Enttäuschung:<br />

Du bist zweimal gestürzt.<br />

Dabei war es im Training so gut gelaufen!<br />

Aber ich konnte nichts davon zeigen, gar<br />

nichts. Das war bitter.<br />

Kann man analysieren, was schiefgelaufen<br />

ist, wenn die Kufe wegrutscht<br />

und Monate Vorbereitung kaputt sind?<br />

Die Frage ist, warum einem die Kufe<br />

wegrutscht. War es Nervosität, muss man<br />

an sich arbeiten. War das Eis schmutzig,<br />

ist es Schicksal. Es war eine Kombination<br />

aus beidem. 2014 war mein Motto: Dabei<br />

sein ist alles. 2018 war das nicht mehr<br />

so. Ich war zu verkrampft.<br />

Vielleicht, weil zehnmal so viele<br />

Kameras auf dich gerichtet waren.<br />

Kameras waren 2014 auch genug da. Die<br />

Erwartungen waren zehnmal so hoch.<br />

Beim Short Track darfst du nicht<br />

zu lange zögern; wenn du eine Lücke<br />

siehst, musst du deine Chance nutzen<br />

und auch mal Risiken eingehen. Klingt<br />

ein bisschen wie das wahre Leben.<br />

Das ist ein sehr schöner Vergleich. Wie<br />

im wahren Leben muss man aber auch<br />

immer darauf achten, dass man nicht<br />

überdreht, zu viel Risiko nimmt und<br />

dann aus der Kurve knallt. Gleichzeitig<br />

darf man nicht zu viel Angst haben – ein<br />

Balanceakt.<br />

„Wie im wahren Leben musst du auf<br />

dem Eis darauf achten, nicht zu viel Risiko<br />

einzugehen – es ist ein Balanceakt.“<br />

Bist du privat so wie auf dem Eis?<br />

Ich will jedenfalls nicht zögerlich sein,<br />

sondern mit meinem Leben etwas anstellen,<br />

meine Chancen nutzen – auch<br />

nach der aktiven Karriere.<br />

Jetzt bist du 21 und schon sechs Jahre<br />

Profi. Hast du dich sehr verändert?<br />

Im Kern bin ich die alte Anna. Ich habe<br />

noch immer diesen Killerinstinkt, aber inzwischen<br />

kann ich etwas entspannter mit<br />

gewissen Situationen umgehen. Ich bin<br />

nicht mehr so nervös wie früher.<br />

Wie hast du diese Nervosität in den<br />

Griff bekommen?<br />

Man trainiert ja immer noch mehr und<br />

noch mehr. Ich bin körperlich also viel<br />

stärker geworden, das hilft auch mental.<br />

Auf deiner Website gibt’s einen Fragebogen,<br />

bei manchen deiner Antworten<br />

wird man stutzig. Bei der Auswahl<br />

„Geduldsprofi vs. Nervenbündel“ hast<br />

du „Nervenbündel“ angekreuzt.<br />

Ich brauche die Nervosität durchaus, um<br />

fokussiert und wachsam zu sein. Ich habe<br />

das auch deswegen angekreuzt, weil<br />

ich privat nicht gerade der geduldigste<br />

Mensch bin. Sagen wir so: Ich bin ein<br />

richtig gutes Nervenbündel.<br />

Super Antwort, wenn man mal im<br />

Stress ist: „Ich bin ein Nervenbündel,<br />

aber ein gutes Nervenbündel.“<br />

Wenn ich nicht aufgeregt bin, bin ich<br />

auch gar nicht richtig da.<br />

Das nächste Kreuz bei „Glas halb voll<br />

vs. halb leer“. Hier hast du „halb leer“<br />

gewählt. Mir wäre fast mein halb volles<br />

Glas umgekippt.<br />

Ich halte mich nicht für die Größte, vielmehr<br />

habe ich mich selbst immer etwas<br />

kleiner gemacht. Wahrscheinlich, um<br />

die Erwartungen runterzuschrauben.<br />

Ein bisschen mehr Optimismus täte mir<br />

aber gut. Da arbeite ich gerade hart dran.<br />

Was ist dein Mental-Werkzeug ?<br />

Bei mir ist’s eine Mischung aus Ablenkung<br />

und Lernen. Mir sind Freunde außerhalb<br />

des Sports wichtig, mit denen man über<br />

ganz andere Dinge spricht. Und dann bin<br />

ich recht tief in diesem Meditations- und<br />

Yoga-Ding drin. Macht Spaß, und ich<br />

lerne viel über mich.<br />

Du bist nun 21 und arbeitest auf deine<br />

dritten Spiele hin. Wann haben Short-<br />

Tracker ihren Leistungshöhepunkt?<br />

Bei Frauen zwischen 20 und 25. Bei<br />

Männern kommt der Peak etwas später.<br />

Warum sind die Karrieren so kurz?<br />

Short Track geht brutal auf die Knochen.<br />

Viele bekommen Probleme mit Knie, Rücken<br />

oder Hüfte. Dann kannst du nicht<br />

mehr im nötigen Umfang trainieren.<br />

Du ernährst dich seit kurzem vegan.<br />

Waren deine Trainer irritiert?<br />

Teils, teils. Ich habe schon Sachen gehört<br />

wie „Du schon wieder mit deinen Ideen!“.<br />

Aber dann habe ich meine Trainingsleistungen<br />

steigern können, seitdem höre<br />

ich eigentlich nichts mehr. War wohl<br />

die beste Antwort. Ich schlafe nun auch<br />

viel besser und bin viel vitaler.<br />

Ist dein Rücken nach der Verletzung<br />

dein Schwachpunkt?<br />

Ja, und er wird es immer bleiben. Mit<br />

Physio und Mobilisierung kann ich vieles<br />

machen, aber der Rücken ist sicher nicht<br />

böse, wenn ich meine aktive Karriere<br />

irgendwann beende.<br />

Werden die Olympischen Spiele<br />

in Peking 2022 deine letzten sein?<br />

Ich möchte jedenfalls noch viele andere<br />

Dinge probieren in meinem Leben, und<br />

für die brauche ich einen geraden Rücken<br />

und auch noch etwas Zeit. Zu 90 Prozent<br />

werde ich aufhören.<br />

Ist diese Entscheidung befreiend<br />

für dich?<br />

Ehrlich gesagt, ja. Ich kann nun diese<br />

zweieinhalb Jahre sehr strategisch angehen,<br />

noch mal alles reingeben. Ich gehe<br />

auch ganz befreit in die Halle und habe<br />

mehr Spaß. Selbst wenn es in Peking mit<br />

einer Medaille nicht klappt, ist es ja nicht<br />

so, als hätte sich das alles nicht gelohnt.<br />

Es war eine richtige tolle Zeit.<br />

THE RED BULLETIN 51


Fliegendes Fahrrad:<br />

Tragflächen (Foils)<br />

aus Carbon sorgen<br />

für Stabilität und<br />

Auftrieb im Wasser.<br />

INNOVATOR<br />

START-UPS,<br />

PIONIERE UND<br />

GENIALE<br />

ERFINDUNGEN<br />

E-Bike<br />

Hält dich<br />

über Wasser<br />

Mit dem Manta5 sind Radfahrer<br />

auch in Flüssen oder Seen in ihrem<br />

Element. Dank Foiling-Technologie<br />

und elektronischer Unterstützung.<br />

Radfahrer sehnen sich<br />

nach freien Wegen. Was<br />

aber, wenn drängelnde<br />

Autos, Ampeln und andere<br />

Radfahrer diesen Wunsch<br />

zunichtemachen? Dann<br />

wechselt man das Milieu. So<br />

dachte Guy Howard-Willis,<br />

passionierter Biker aus Neuseeland,<br />

im Jahr 2011 und<br />

begann an einem Fahrrad<br />

fürs Wasser zu tüfteln.<br />

Neun Jahre später ist das<br />

Hydrofoil-Bike Manta5 er-<br />

Mit dem Manta5 sind Geschwindigkeiten<br />

von knapp 21 km/h möglich.<br />

52 THE RED BULLETIN


IN ALLER<br />

KÜRZE<br />

I<strong>DE</strong>E FÜR<br />

SCHNEE<br />

Werden die Winter<br />

wärmer, rauchen<br />

auch die Köpfe.<br />

Zwei Alternativen<br />

bei Schneemangel:<br />

hältlich: ein pedalgesteuertes<br />

Fahrzeug auf Tragflächen,<br />

wie man sie aus dem Segelsport<br />

kennt. Der Fahrer sitzt<br />

dabei aufrecht am Lenker, bewegt<br />

mithilfe eines 460-Watt­<br />

Elektromotors die Antriebsschraube<br />

und hebt so ab.<br />

Top-Speed: knapp 21 km/h,<br />

Akkulaufzeit: eine Stunde.<br />

Wer vorher müde wird,<br />

geht auch nicht unter. Anders<br />

als normale Bikes schwimmt<br />

das Manta5. manta5.com<br />

NATURFLOCKEN AUS<br />

<strong>DE</strong>R KUNSTWOLKE<br />

Michael Bacher und<br />

sein Team erzeugen in<br />

einem (aufblasbaren)<br />

Konstrukt wie in einer<br />

Wolke Schneekristalle.<br />

Das Ergebnis: leichter,<br />

weicher Schnee für<br />

urbanen Wintersport.<br />

neuschnee.co.at<br />

STOFF, AUS <strong>DE</strong>M DIE<br />

WINTERTRÄUME SIND<br />

Das Start-up um CEO<br />

Jens Reindl entwickelt<br />

textile Skipisten und<br />

Loipen, die ohne Strom,<br />

Wasser und Schmiermittel<br />

ideale Gleiteigenschaften<br />

besitzen und<br />

sogar Carven erlauben.<br />

mr-snow.de<br />

Mehr Inspiration für<br />

Zukunftsmacher gibt es<br />

im aktuellen INNOVATOR.<br />

Infos und Abo unter:<br />

redbulletininnovator.com<br />

MANTA5, KLASZKLEEBERGER ARCHITECTS AND <strong>DE</strong>SIGNERS, MR.SNOW, SNØHETTA /PLOMPMOZES<br />

Sieht aus wie ein eben gelandetes UFO, ist aber ein intelligentes<br />

Hotelprojekt – das Haus erzeugt mehr Energie, als es verbraucht.<br />

Energiewunder<br />

Der Kreis des Lebens<br />

Luxus im Namen der Umwelt: Am Polarkreis<br />

Norwegens entsteht das weltweit erste<br />

Hotel mit einer positiven Energiebilanz.<br />

Schon die Lage des<br />

Hotels ist ikonisch:<br />

Das „Svart Resort“<br />

befindet sich genau am<br />

Polarkreis, unterhalb des<br />

Svartisen, des zweitgrößten<br />

Gletschers Norwegens,<br />

am Ufer des idyllischen<br />

Holandsfjords. An einem<br />

solchen Ort ist ökologische<br />

Bau weise fast Pflicht.<br />

Doch der Bauherr, Arctic<br />

Adventure of Norway,<br />

wollte noch ein Schauferl<br />

drauflegen: Das Hotel wird<br />

das erste mit einer positiven<br />

Energiebilanz nach dem<br />

Powerhouse-Standard<br />

sein. Das heißt, dass es<br />

über einen Zeitraum von<br />

sechs Jahren gerechnet<br />

mehr Energie erzeugt als es<br />

verbraucht – inklusive Bau,<br />

Nutzung und Abriss.<br />

Möglich macht dies<br />

einerseits die sorgsame<br />

Auswahl der Materialien<br />

(deren Gewinnung und<br />

Transport wird in die Bilanz<br />

mit eingerechnet), andererseits<br />

eine intelligente Architektur:<br />

große Fenster für<br />

Wärmenutzung auch bei<br />

tiefstehender Wintersonne,<br />

abgesonderte Terrassen für<br />

Schatten und natürliche<br />

Kühlung im Sommer. Zudem<br />

sorgen Solarpaneele<br />

am Dach für Strom und<br />

<strong>The</strong>rmalquellen für die<br />

Heizung.<br />

Dadurch verbraucht das<br />

kreisförmige, auf Stelzen<br />

in den Fjord gebaute Hotel<br />

85 Prozent weniger Energie<br />

als vergleichbare Projekte.<br />

Die Eröffnung ist für<br />

2021 geplant. Gäste erreichen<br />

ihr Reiseziel übrigens<br />

nur per energieneutralem<br />

Bootsshuttle. (Öko)logisch!<br />

svart.no<br />

THE RED BULLETIN 53


5 - M I N U T E N - C O A C H<br />

01:59<br />

00:00<br />

Kalibriere deine<br />

Mitmenschen<br />

Die größte Freiheit des Menschen ist<br />

die, selbst zu entscheiden, was er von<br />

sich preisgibt. Deshalb spielen wir im<br />

Alltag oft Rollen. Als Ehemann oder als<br />

Tochter geben wir andere Dinge preis<br />

als im Job. So funktioniert unser Zusammenleben.<br />

Wer versteht, wie sich<br />

Menschen in Rollen darstellen, kann<br />

lesen, ob sie gerade spielen – oder echt<br />

sind. Wie? Indem man Muster im Verhalten<br />

erkennt – in der Psychologie<br />

nennt man das „kalibrieren“. Das heißt,<br />

anhand einer Nulllinie Abweichungen<br />

zu erkennen. Beobachte genau: Wie<br />

sieht dein Gegenüber normalerweise<br />

aus, wenn er lobt? Wie schaut er, wenn<br />

er es ernst meinst? Gehen die Augenbrauen<br />

nach oben, rückt er nach vorn?<br />

Und dann vergleichst du: Wie sieht<br />

derjenige aus, wenn er gestresst ist und<br />

nur so tut, als meine er, was er sagt?<br />

Blinzelt er häufiger? Verschränkt er<br />

die Arme? Kalibrieren hilft dir, herauszufinden,<br />

ob jemand es ehrlich meint.<br />

00:18<br />

SO TICKT<br />

<strong>DE</strong>IN<br />

GEGENÜBER<br />

Gedanken<br />

lesen lernen<br />

Mentalist THORSTEN HAVENER tritt in ausverkauften<br />

Häusern auf, weil er in andere hineinschauen kann – das<br />

glaubt zumindest sein Publikum. Dabei weiß er bloß, wie<br />

Menschen kommunizieren, und findet so heraus, was sie<br />

denken. Wie auch du andere entschlüsselst, verrät er hier.<br />

Simuliere Nähe<br />

zu Fremden<br />

Du triffst jemanden, den du nicht<br />

kennst, trotzdem möchtest du den<br />

Eindruck erwecken, als wüsstest du<br />

alles über ihn. Beim ersten Date zum<br />

Beispiel. Das gelingt, wenn du eine<br />

feine Beobachtungsgabe hast und gut<br />

kombinieren kannst. Zum Beispiel<br />

schätzt du, wie alt dein Gegenüber<br />

ist. Dann ist es leicht, dir auszumalen,<br />

wie die Sorgen oder Wünsche in diesem<br />

Lebensalter aussehen.<br />

Nehmen wir etwa an, dein Date ist<br />

Ende zwanzig. Da liegt es nahe, dass<br />

er oder sie sich fragt, wie es beruflich<br />

langfristig weitergeht. Menschen<br />

Mitte vierzig fragen sich dagegen,<br />

was ge wesen wäre, wenn gewisse Entscheidungen<br />

nach der Matura anders<br />

gefallen wären. Das geht uns allen so,<br />

es sind hohe Wahrscheinlichkeiten<br />

für Menschen in einem bestimmten<br />

Alter. Mit solchen Annahmen kannst<br />

du den Eindruck tiefer Empathie<br />

erwecken.<br />

03:07<br />

Stell bessere<br />

Fragen<br />

Ich liebe Musik. Aber ich frage nicht:<br />

„Was ist deine Lieblingsband?“ Ich<br />

frage: „Welches Lied magst du, obwohl<br />

es dir eigentlich peinlich ist? Bei mir ist<br />

das ‚My Heart Will Go On‘ von Celine<br />

Dion.“ Indem ich eine Schnulze super<br />

finde, öffne ich mich und gebe zugleich<br />

etwas von mir preis.<br />

„Was machst du beruflich?“ – Was<br />

für eine langweilige Frage! Schieß<br />

lieber deine Vermutungen ab: „Du bist<br />

bestimmt jemand, der in seinem Beruf<br />

viel mit Menschen zu tun hat.“ Im<br />

schlimmsten Fall verneint dein Visavis<br />

– findet aber vielleicht, du hast eine<br />

interessante Seite an ihm gesehen. Auf<br />

jeden Fall steigst du gut ins Gespräch<br />

ein! Diese Taktik funktioniert beim<br />

ersten Date genauso wie in langen<br />

Beziehungen: „Was ist los?“ – „Nix.“ –<br />

„Ist irgendwas?“ – „Nein.“ Das sind<br />

geschlossene Fragen, die niemanden<br />

öffnen. Stattdessen solltest du Ich-Aussagen<br />

senden, denen dein Gegenüber<br />

nicht widersprechen kann: „Ich hab<br />

den Eindruck, es gibt etwas, das dich<br />

beschäftigt. Wie kann ich dir helfen?“<br />

Sei der Spiegel<br />

deines<br />

Gegenübers<br />

Je besser die Stimmung, desto wahrscheinlicher<br />

die Zustimmung. In der<br />

Hypnose gibt es dazu den Fachbegriff<br />

„Rapport“: wenn die Kommunikation<br />

nonverbal, allein mit Körpersprache<br />

funktioniert. Verliebt sein ist eine<br />

Ex tremform davon: Wenn der Partner<br />

SAMMY HART NICLAS SEYDACK<br />

01:58<br />

54 THE RED BULLETIN


03:08<br />

nickt, nickt die Partnerin auch. Ich<br />

habe schon gesehen, dass sie einen<br />

Schluck aus dem Glas nimmt und er<br />

sich danach den Mund abwischt. Verliebte<br />

ergänzen und vervollständigen<br />

ihre Bewegungen. Diese Art von Vertrautheit<br />

kann man auch simulieren.<br />

Ein Sofort-Tipp für den Job: Pass<br />

deine Körpersprache deinem Gegenüber<br />

an. Wenn dein Chef mit übereinandergeschlagenen<br />

Beinen dasitzt,<br />

mach es auch. Unterbewusst werdet<br />

ihr euch beide wohler fühlen – weil<br />

ihr euch angleicht.<br />

In seinem neuen Buch<br />

„Sag es keinem weiter“<br />

erklärt Thorsten Havener,<br />

wie Geheimnisse unser<br />

Leben prägen und warum<br />

wir sie brauchen – gerade<br />

in Zeiten von Big Data,<br />

Facebook und Co.<br />

„Stell dir mal vor, wie der<br />

Fußboden in deinem Kinderzimmer<br />

aussah, als du fünf<br />

Jahre alt warst. Haben sich<br />

jetzt gerade deine Augen<br />

bewegt, weil du mit ihnen<br />

nach der Information in<br />

deinem Kopf gesucht hast?“<br />

Thorsten Havener<br />

04:13<br />

Flunkere mit<br />

einem Lächeln<br />

Wir gehen davon aus, dass Menschen<br />

immer die Wahrheit sagen. Wir suchen<br />

in Gesprächen unterbewusst nach<br />

Beweisen für diese Annahme. Trotzdem<br />

glaube ich: Flunkern ist einer der<br />

Schmierstoffe, die unsere Gesellschaft<br />

zusammenhalten. Die Frage „Geht’s dir<br />

gut?“ und die Antwort „Ja“ sind ein<br />

Ritual: Wir zeigen, wir haben uns wahrgenommen.<br />

Dir geht’s überhaupt nicht<br />

gut, aber du hast keine Lust, deine<br />

Lebensgeschichte zu erzählen? Dann<br />

musst du flunkern. Das geht am besten<br />

mit einem Lächeln, das spontan Nähe<br />

herstellt.<br />

Es gibt eine Methode, Kritik zu<br />

äußern, ohne jemandem zu nahe zu<br />

treten – ein sogenanntes „Sandwich“:<br />

„Das ist ein wunderschönes Kleid!<br />

Ich bin mir nicht sicher, ob der Schnitt<br />

zu dir passt. Aber diese Farbe, wow!“<br />

Lob, Kritik, Lob – Kommunikation<br />

ist ein Spiel, im Alltag sind solche kleinen<br />

Tricks erlaubt. Aber wenn es wirklich<br />

ernst ist – wenn es etwa um Liebe<br />

geht, um echte Emotion –, hilft nur<br />

eines: Dann musst du ehrlich sein.<br />

05:00<br />

THE RED BULLETIN 55


<strong>DE</strong>R<br />

WANDA-<br />

ZIRKUS<br />

WANDA waren eine Revolution.<br />

Deutschsprachige Musik klang<br />

nach ihnen anders als vorher. Im<br />

Interview erzählen sie vom Rausch<br />

der frühen Tage, was sie antreibt,<br />

wer sie auffängt und wo sie sich<br />

zu Hause fühlen.<br />

Text STEFAN NIE<strong>DE</strong>RWIESER<br />

Fotos DAVID FISCHER<br />

Österreichs aktuell größte Rockband (von links): Gitarrist<br />

Manuel Christoph Poppe, Keyboarder Christian Hummer,<br />

Sänger Marco Michael Wanda, Bassist Reinhold „Ray“<br />

Weber und Drummer Lukas Hasitschka<br />

56


Frontmann Marco<br />

Michael Wanda:<br />

„Wir wissen, dass<br />

wir keine Virtuosen<br />

sind. Wir müssen<br />

bluten für unsere<br />

Arbeit.“<br />

58 THE RED BULLETIN


„ICH GLAUBE ÜBERHAUPT<br />

NICHT AN <strong>DE</strong>N ABGRUND ALS<br />

QUELL <strong>DE</strong>R INSPIRATION.“<br />

MARCO MICHAEL WANDA<br />

Hunderttausend sollen es gewesen sein. Aber<br />

so genau weiß das niemand. Als Wanda voriges<br />

Jahr auf der Wiener Donauinsel auftraten,<br />

konnte halb Österreich aus voller Kehle mitsingen,<br />

„Bologna“, „Columbo“ und „Bussi<br />

Baby“. Innerhalb von nur fünf Jahren haben<br />

Wanda die deutschsprachige Musikszene erobert.<br />

Sogar auf Konzerten in Hamburg grölen<br />

die Fans die Hits mit – und das im Wiener<br />

Dialekt. Der Hype hinterließ nicht nur Spuren<br />

im kollektiven Bewusstsein, sondern auch bei<br />

den Musikern. Das Tempo war manches Mal zu<br />

hoch und forderte seinen Tribut. Wanda haben<br />

seither einen Gang zurückgeschaltet. „Können<br />

wir bitte bald nach Hause gehen“, singen sie<br />

auf ihrer jüngsten Single, ein anderes Mal senden<br />

sie ein „S. O. S.“. Aber wie beim legendären<br />

„Help!“ von den Beatles klingen Wandas Rufe<br />

nach Hilfe nicht so, als wären sie kurz davor<br />

auf zugeben – sondern wie ein Appell an die<br />

Willenskraft, weiter alles zu geben.<br />

the red bulletin: Zum Einstieg eine<br />

elementare Frage – wo ist zu Hause?<br />

manuel christoph poppe: Bei den liebsten<br />

Menschen. Das kann an jedem Ort der Welt<br />

sein. Zuhause ist auch die Familie, bis hin zu<br />

den Haustieren. Auf unserer Rock ’n’ Roll-Reise<br />

sind das wir fünf als Freunde, wir fangen uns<br />

gegenseitig auf – in guten wie in schlechten<br />

Zeiten, wie’s so schön heißt.<br />

marco michael wanda: Es ist schwer,<br />

Zuhause einzugrenzen, es ist eine ewige<br />

Problemstellung, eine endlose Reise, ein Anund<br />

Ablegen. Menschen versuchen, in ihrem<br />

eigenen Geist zu Hause zu sein. Gleichzeitig ist<br />

man für andere ein Zuhause, für seine Liebsten.<br />

Und wir als Band sind schließlich auch ein Zuhause<br />

für unser Publikum.<br />

Woher kommt diese Sehnsucht nach einem<br />

Zuhause?<br />

wanda: Ich habe mein Leben lang in Songs<br />

nach Sinn gesucht. Ich traue keiner Politik,<br />

ich traue wenigen Dingen, aber ich traue der<br />

Musik. Die ist deshalb so wahr, weil sie gar nicht<br />

wahr sein will und nicht wahr sein kann. Ich<br />

schreibe einzelne Songs, dabei beschäftigt mich<br />

so vieles, und einiges kann ich ausdrücken, anderes<br />

nicht. Ich lerne mich immer noch kennen<br />

und mein Handwerk besser zu verstehen.<br />

Marco, auf eurem neuen Album singst du<br />

erstmals über Kinder und darüber, dass du<br />

nicht weißt, wo du bist, wo du stehst.<br />

wanda: Ich bin älter geworden. Und wir alle<br />

kennen das Gefühl, dass wir sitzen bleiben,<br />

während die ganze Welt sich weiterdreht.<br />

Die Frage, zu wem oder was wir nach Hause<br />

kommen, haben wir uns alle gestellt. Wir haben<br />

sehr viel erlebt, haben es auch über trieben, nie<br />

gab es Ruhe. 2016 und 2017 waren teilweise<br />

nur noch ein Leerlauf, eine sinnlose Suche<br />

nach Exzess und der nächsten Erkenntnis.<br />

Wie seid ihr da herausgekommen?<br />

wanda: Ich glaube, über die Musik. Und über<br />

Menschen, die uns wirklich nahestehen. Außerdem<br />

haben wir heute deutlich mehr Erfahrung.<br />

Wir sind nicht mehr am Jupiter, sondern<br />

schweben bloß ein paar Zentimeter über dem<br />

Boden.<br />

poppe: Wir haben gelernt, dass Körper und<br />

Geist zur selben Zeit am selben Ort sein müssen.<br />

(Beide lachen.)<br />

Musstet ihr zwischendurch abtauchen,<br />

um Kräfte zu sammeln?<br />

wanda: Wir sind wider Erwarten durchaus<br />

lernfähig. Wir übernehmen uns nicht mehr<br />

und fahren mit guter Geschwindigkeit.<br />

Wie bleibt ihr hungrig, wie lasst ihr euch<br />

auf Neues ein?<br />

wanda: Ich bin grundsätzlich ein sehr fauler<br />

Mensch. Wenn mir niemand sagte, probiere<br />

dieses oder jenes aus, würde ich in meiner<br />

Gewohnheit versinken. Unser Produzent Paul<br />

Gallister ist zum Glück jemand, der unglaublich<br />

geschickt und herzlich fordern kann.<br />

THE RED BULLETIN 59


„HELFEN MUSS MAN SICH<br />

SELBST. ABER FREUN<strong>DE</strong><br />

FANGEN DICH AUF.“<br />

MANUEL CHRISTOPH POPPE<br />

Viele Leute brauchen jemanden, der sie<br />

motiviert und antreibt. Seid ihr zueinander<br />

auch so?<br />

wanda: Eher nein, wir lassen einander in<br />

Ruhe. Wir verlangen voneinander nicht viel.<br />

Aber wir wissen, dass wir keine Virtuosen sind.<br />

Wir müssen bluten für unsere Arbeit. Das ist ein<br />

Kampf. Steuern können wir ihn nicht, unsere<br />

Arbeit ist immer einem Faktor X unterworfen,<br />

dem Intuitiven und dem Mentalen. Wenn gar<br />

nichts mehr geht, muss man es aussitzen. Songs<br />

sind wie Geister, die einen besuchen kommen.<br />

Geister lassen sich auch beschwören …<br />

wanda: Das heißt aber noch lange nicht, dass<br />

sie kommen. Man braucht viel Geduld, einen<br />

langen Atem und unbedingt ein gutes Leben.<br />

Ich glaube überhaupt nicht an den Abgrund<br />

als Quell der Inspiration.<br />

Wusstest du in den drei Wochen, in denen<br />

du das neue Album „Ciao!“ großteils geschrieben<br />

hast, dass jetzt der richtige Zeitpunkt<br />

ist?<br />

wanda: Ja. Alle Geister haben mich auf einmal<br />

besucht. Früher habe ich alles dafür versucht,<br />

jedes Hilfsmittel war recht. Aber irgendwann<br />

war das kein gutes Leben mehr.<br />

Haben euch die Beatles besucht, haben sie<br />

euch beeinflusst?<br />

wanda: Der Einfluss, den diese Gruppierung<br />

auf die Musik, auf die gesamte Kultur hat,<br />

der lässt sich vorne und hinten nicht verfehlen.<br />

Und ja: Wir haben etwas gemeinsam. Immerhin<br />

waren wir alle bei den Beatles in der Schule.<br />

Das ist eine Art, Musik zu denken, die uns verwandt<br />

ist. Ich verstehe, in welchem Rahmen<br />

sie arbeiten wollten. Diese Musik ist mir viel<br />

näher und verständlicher als vieles andere.<br />

Aber die neuen Beatles wollen wir nicht sein –<br />

und das können wir auch nicht sein.<br />

Manche Harmonien, Instrumentierungen<br />

und Rhythmen erinnern dennoch stark<br />

an die Beatles. Auch ein Songtitel wie<br />

„Swing Shit Slide Show“.<br />

wanda: Ich verstehe das als eine Art Öffnung.<br />

In einem Magazin habe ich eine Werbeeinschaltung<br />

für diese Freakshow namens<br />

„Swingshift Sideshow“ gesehen, und in diesem<br />

Moment war mir klar, dass ich nicht über mich<br />

schreiben will, sondern so viele Geschichten<br />

wie möglich erzählen möchte. Wie auf einem<br />

„SONGS SIND WIE GEISTER, DIE<br />

EINEN BESUCHEN KOMMEN.“<br />

Festival, bei dem sich Menschen ihren Ängsten<br />

stellen und dafür auch noch Eintritt zahlen.<br />

Im Übrigen halte ich auch dieses Lied für<br />

grandios gescheitert.<br />

poppe: In drei Akten erfolgreich gescheitert.<br />

(Beide lachen.)<br />

Auf dem Cover eures neuen Albums lauft<br />

ihr mit einem Schiff aus, auf dem „Ciao!“<br />

steht. Das soll angeblich eine Einladung<br />

zur Reise sein.<br />

wanda: Das haben wir nie gesagt. (Lacht.)<br />

Überhaupt spürt man eine große Lebens-,<br />

aber auch eine Todessehnsucht. In euren<br />

Videos geht ein Auto in Flammen auf, ein<br />

anderes geht unter, und ein Boot säuft ab.<br />

Die neuen Songs heißen „S. O. S.“, „Ein<br />

schneller Tod“ oder „Nix reparieren“.<br />

Geht es euch gut?<br />

wanda: Wanda will den Optimismus finden,<br />

wo es vermeintlich keinen gibt. Wanda will<br />

den Karneval, wo alles grau ist. Das war immer<br />

die geistige Reise dieser Band, für uns als Menschen<br />

wie als Musiker.<br />

poppe: Ein Lied, das sich nicht an das kollektive<br />

Unbewusste richtet, wäre uninteressant.<br />

wanda: Es ist immer ein Versuch. Vielleicht<br />

lernt man das nie, aber der Versuch ist wichtig.<br />

Nichts kann jemals fertig sein, genauso wie<br />

ein Leben niemals fertig ist. Man stirbt, bevor<br />

irgendwas passiert ist. Wenn man die eigene<br />

Sterblichkeit versteht, aber auch die aller<br />

anderen, kann man niemandem mehr wehtun<br />

wollen. Dann kann man nicht spalten wollen.<br />

Alle Menschen, die spalten, haben überhaupt<br />

keine Ahnung vom Leben.<br />

Denkt ihr, dass eure Fans das genauso sehen?<br />

wanda: Meine Mutter ist <strong>The</strong>rapeutin. Sie<br />

meinte kürzlich, was wir als Musiker machen,<br />

ist eine Katharsis für den Moment. Man fühlt<br />

sich während eines Konzerts sehr stark, aber<br />

am nächsten Tag ist vermutlich nicht viel<br />

hängen geblieben. Ich muss noch darüber<br />

nachdenken. Sollte das allerdings stimmen,<br />

werde ich den Rest meines Lebens dagegen<br />

ankämpfen.<br />

Heilen und geistige Gesundheit sind derzeit<br />

große gesellschaftliche <strong>The</strong>men. Ihr wirkt<br />

aber eher wie Menschen, die nicht oft in<br />

den Rückspiegel schauen.<br />

poppe: Die Rückspiegel sind abmontiert –<br />

habe ich einmal gesagt.<br />

wanda: Und ich hab dir damals den Slogan<br />

gestohlen und ihn aus Verlegenheit in vielen<br />

Interviews verwendet.<br />

poppe: Eigentlich ziemlich kaputt. (Lacht.)<br />

MARCO MICHAEL WANDA<br />

60 THE RED BULLETIN


Hoch die Schirme:<br />

Für unser Shooting<br />

stellten Wanda<br />

ein berühmtes<br />

Album-Cover der<br />

Beatles nach.


wanda: In dieser Zeit war ich vollkommen<br />

kaputt. Aufs Leben zurückblicken würde ich<br />

aber nur mit Stolz. Ich finde viel Schönes<br />

in dem, was wir erlebt haben.<br />

Wie helft ihr euch?<br />

poppe: Helfen muss man sich selbst. Aber man<br />

kann einander gegenseitig auffangen. So wie<br />

in dieser Band, die als Freundschaft begonnen<br />

hat. Wenn einer fliegt, halten vier das Netz.<br />

Menschen helfen sich auch anders: Yoga, Ernährung,<br />

Medikamente, Astrologie. Ihr habt<br />

den Song „Gerda Rogers“ geschrieben …<br />

wanda: Hier summiert sich alles, worüber wir<br />

gerade reden. Die Zweifel an Politik und Wissenschaft<br />

haben ein Vakuum hinterlassen, in dem<br />

sich viele Scheinexperten tummeln, sei es auf<br />

YouTube, wo mir irgendjemand inbrünstig erklärt,<br />

wie ich leben soll, oder Blogger, die meinen,<br />

die Erde sei flach. Das hat mich fasziniert:<br />

62 THE RED BULLETIN


„WANDA WILL <strong>DE</strong>N<br />

KARNEVAL, WENN ALLES<br />

AN<strong>DE</strong>RE GRAU IST.“<br />

MARCO MICHAEL WANDA<br />

die schlechtere Welt? Gibt es so was überhaupt<br />

noch? Das ist für mich die große Frage.<br />

Stimmt es, dass du kein Smartphone hast?<br />

wanda: So etwas besitze ich nicht.<br />

poppe: Ich habe eines.<br />

wanda: Und wir sind trotzdem Freunde. Und<br />

wir können telefonieren. (Lacht.)<br />

Die Textzeile „Alles schaut so gut aus, so, dass<br />

man es fast glaubt“ soll Instagram meinen.<br />

wanda: Ich bin immer wieder begeistert, was<br />

Menschen in diese Texte hineinlesen. Das ist<br />

sehr schmeichelhaft und eine der Säulen der<br />

Freude. Die Interpretationen übertreffen einen<br />

selbst bei weitem.<br />

poppe: Ich fühle mich dadurch gerade sehr<br />

bereichert.<br />

Brauchst du weniger im Leben? Tun dir<br />

andere leid, wenn sie viele Dinge kaufen?<br />

wanda: Wenn ich hinausgehe, sehe ich keine<br />

gefühllosen Roboter. Die Menschen sind angefüllt<br />

mit Angst, Schmerz, Liebe und Leidenschaft.<br />

In solchen Momenten empfinde ich<br />

Mitleid, das rührt mich. In diesen Momenten<br />

schreibe ich Lieder.<br />

Möchtest als Experte gesehen werden?<br />

wanda: Das steht mir nicht zu.<br />

poppe: Wanda will Menschen aus den<br />

verschiedensten Gegenden, Gesellschaftsschichten<br />

und Denkweisen zusammenführen.<br />

wanda: Und wir erleben das auf unseren<br />

Konzerten, wenn sie sich in den Armen liegen.<br />

Keyboarder Christian<br />

Hummer am Steuerrad.<br />

Wanda haben mittlerweile<br />

einen guten Weg<br />

zwischen Ruhe und<br />

Exzess gefunden.<br />

die Hilflosigkeit, aus der heraus wir uns auf die<br />

Suche nach Wahrheit machen.<br />

Du sprichst von einem unbekannten Zeitalter.<br />

Wie meinst du das?<br />

wanda: Das ist das große Jetzt. Ich kenne den<br />

Ort nicht, auf den wir als Menschen zusteuern.<br />

Es sind so viele Deutungen im Raum, dass<br />

ich keine Ahnung habe, welches Versprechen<br />

sich jetzt einlöst. Wird das die bessere oder<br />

„CIAO!“ ZUSAMMEN<br />

Hier kannst du Wanda live erleben.<br />

Ab Ende Februar gehen die Österreicher mit ihrem<br />

aktuellen Album „Ciao!“ auf Deutschland-Tournee.<br />

Das sind die Daten:<br />

25. 02. <strong>2020</strong> Würzburg, Posthalle<br />

26. 02. <strong>2020</strong> Mannheim, Rosengarten<br />

28. 02. <strong>2020</strong> Berlin, Max-Schmeling-Halle<br />

29. 02. <strong>2020</strong> München, Olympiahalle<br />

02. 03. <strong>2020</strong> Ulm, Ratiopharm Arena<br />

03. 03. <strong>2020</strong> Hannover, Swiss Life Hall<br />

04. 03. <strong>2020</strong> Leipzig, Haus Auensee<br />

07. 03. <strong>2020</strong> Hamburg, Sporthalle<br />

08. 03. <strong>2020</strong> Bremen, Pier 2<br />

09. 03. <strong>2020</strong> Wiesbaden, Schlachthof<br />

12. 03. <strong>2020</strong> Dortmund, Warsteiner Music Hall<br />

13. 03. <strong>2020</strong> Köln, Palladium<br />

08. 05. <strong>2020</strong> Regensburg, Donau-Arena<br />

wandamusik.com<br />

THE RED BULLETIN 63


Sprichst du<br />

Deutschrap?<br />

Von Fanta 4 bis Capital Bra, von<br />

Blumentopf bis Bonez MC – wie tief<br />

geht dein Wissen über deutschsprachigen<br />

HIP-HOP? Das große Quiz.<br />

Text MARC BAUMANN<br />

Die Deutschrap-Szene ist so riesig wie nerdig. So viele<br />

Kontro versen. So viele Sprüche. Und so viele Rapper mit<br />

Masken. Da kann man schon mal den Überblick ver lieren.<br />

Demnächst startet auf dem YouTube-Kanal „<strong>Red</strong> Bull Rap<br />

Einhundert“ ein neues Quiz-Format, in dem sich prominente<br />

Kandidaten mit ihrem Wissen messen. Hier kannst du dich<br />

vor ab selbst testen: In diesem Quiz punktet nur, wer textsicher<br />

ist, die aktuelle Szene im Auge hat und sich auch<br />

in den abseitigen Kapiteln der Rap-Geschichte auskennt.<br />

Lösungen am Ende der Story.<br />

1<br />

Die Fantastischen Vier<br />

entstanden aus einer<br />

Band mit dem Namen:<br />

a) Die zwielichtigen Zwei<br />

b) Die verrückten Vier<br />

c) Die glorreichen Sieben


2<br />

Wer sampelte schon<br />

die Titelmelodie<br />

von Pippi Langstrumpf<br />

in einem Lied?<br />

a) K.I.Z in dem Song<br />

„Ein Affe und ein Pferd“<br />

b) Fler in dem Song<br />

„Villa in Kunterbunt“<br />

c) Frauenarzt in dem Song<br />

„Titti-Fucka-Land“<br />

3<br />

Welcher dieser<br />

Moderatoren nahm<br />

1980 einen der<br />

ersten deutschen<br />

Rapsongs auf?<br />

ROBERT GRISCHEK, UNIVERSAL MUSIC, GETTY IMAGES (2), APA PICTURE<strong>DE</strong>SK<br />

a) Stefan Raab<br />

als zwölfjähriger<br />

„MC Ra(a)p“ mit<br />

dem Song „Deine<br />

Mudder“, den er auf dem<br />

Pausenhof erfolgreich<br />

verkaufte.<br />

b) Thomas Gottschalk<br />

als Teil eines<br />

Trios namens<br />

G.L.S.-United<br />

mit dem Song „Rapper’s<br />

Deutsch“, in dem sie von ihrer<br />

Liebe zur Rockmusik singen.<br />

c) Günther Jauch<br />

als „Günther und<br />

die furiosen Fünf“<br />

mit dem Song<br />

„Bundes-Rap-Publik“ während<br />

einer Radiosendung auf<br />

Bayern 3.<br />

4<br />

Nur einen dieser drei<br />

Masken rapper haben<br />

wir erfunden. Welchen?<br />

a) Entetainment (rappt<br />

mit einer Entenmaske)<br />

b) SpongeBOZZ (rappt<br />

im SpongeBob-Kostüm)<br />

c) Elephantman (rappt in<br />

einer Benjamin-Blümchen-<br />

Maske)<br />

5<br />

Mit welcher Coverversion erreicht Shirin<br />

David erstmals die Top 10 der deutschen und<br />

österreichischen Singlecharts?<br />

a) „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur<br />

b) „Schlüsselkind“ von Cora E.<br />

c) „Doppel-X-Chromosom“ von Nina MC<br />

THE RED BULLETIN 65


Wer ist der erste deutsche Rapper mit einem<br />

eigenen Instagram-Filter?<br />

a) Gzuz. Mit seinem Filter trägst du Handschellen.<br />

b) Cro. Mit seinem Filter kriegst du ein niedliches<br />

Panda-Gesicht.<br />

c) Capital Bra. Mit seinem Filter hängt dir eine goldene<br />

Capital-Bra-Kette um den Hals.<br />

6<br />

8<br />

Aus welchem unter<br />

dem Radar laufenden<br />

Ort kommen RIN, Bausa<br />

und Shindy, was ihn zu<br />

Deutschlands heimlicher<br />

Rap-Hauptstadt macht?<br />

c<br />

b<br />

a<br />

a) Rielasingen-Worblingen<br />

b) Bietigheim-Bissingen<br />

c) Oberhausen-Rheinhausen<br />

9<br />

Wer rappte „Ich habe<br />

einen grünen Pass<br />

mit ’nem goldenen Adler<br />

drauf“?<br />

7<br />

Wo drehte Jan Delay<br />

sein Musikvideo „Ich<br />

möchte nicht, dass ihr<br />

meine Lieder singt“?<br />

a) Auf dem Kölner<br />

Karneval<br />

b) Auf dem Münchner<br />

Oktoberfest<br />

c) Am Ballermann<br />

in Mallorca<br />

a) Advanced Chemistry im<br />

Lied „Fremd im eigenen<br />

Land“, in dem sie von<br />

ihren Erfahrungen mit<br />

Rassismus singen<br />

b) Der damalige Innenminister<br />

Wolfgang Schäuble<br />

in einem PR-Video, das er<br />

noch am Veröffentlichungstag<br />

löschen ließ<br />

c) Der russlanddeutsche Rapper<br />

Pharaoh, der während<br />

des Einbürgerungstermins<br />

unerlaubt ein Musikvideo<br />

drehte – und den Pass<br />

daher nicht bekam.<br />

10<br />

Wo hat Trettmann nicht<br />

mitgespielt?<br />

a) Im Zentralen Pionierund<br />

FDJ-Ensemble<br />

Karl-Marx-Stadt<br />

b) Im Reggae-Soundsystem<br />

Rotzlöffel HiFi<br />

c) Im Knabenchor der Regensburger<br />

Domspatzen<br />

66 THE RED BULLETIN


11<br />

Warum hat Österreich<br />

2018 seine Chart-Regeln<br />

geändert?<br />

PAUL RIPKE, 21 ENT., JENS HERRNDORFF<br />

a) Weil der Regierung<br />

die Songtexte deutschsprachiger<br />

Rapper zu<br />

gewaltverherrlichend<br />

waren, sind seither nur<br />

mehr Lieder mit Jugendfreigabe<br />

zugelassen.<br />

b) Weil 13 der Top-14-Lieder<br />

von RAF Camora und<br />

Bonez MC waren, wurde<br />

die Regel eingeführt, dass<br />

von einem Künstler nicht<br />

mehr als drei Songs in die<br />

Ö3-Charts dürfen.<br />

c) Weil ein Jahr ohne Unterbrechung<br />

Deutsch rapper<br />

an der Spitze standen,<br />

wird die Zahl der Abrufe<br />

auf Streaming-Plattformen<br />

nicht mehr mitgezählt.<br />

12<br />

Mit den „Raportagen“<br />

während der Fußball-<br />

Weltmeisterschaft<br />

wurde die Band<br />

Blumen topf auch ARD-<br />

Zuschauern bekannt.<br />

Welche holprige Zeile<br />

haben Blumentopf<br />

vorm WM-Finale 2014<br />

gerappt?<br />

a) „13. Juli, Maracanã / Rio<br />

de Janeiro, schalalala. /<br />

Das wird ein großer Kick<br />

/ Ich hoffe, euch wird<br />

der vierte Stern aufs Trikot<br />

gedrückt.“<br />

b) „Müller, Klose, Özil, jaaaa<br />

/ Der vierte Stern zum<br />

Greifen nah / Ihr kickt wie<br />

Gerd Müller: voll Vollspann<br />

und einfach wunderbaar.“<br />

c) „Jogi Löw, du Trainergott<br />

mit der Playmobil-Matte<br />

/ Gewinnen deine Jungs<br />

gegen Argentinien,<br />

kriegen wir voll die Latte.“<br />

13<br />

Rapper Bonez MC demonstriert gerne seinen<br />

Reichtum. Was hat er noch nicht gemacht?<br />

a) 10.000 Euro in Scheinen aus dem Autofenster<br />

geworfen.<br />

b) Drei weiße Tiger gekauft.<br />

c) Einen Kontoauszug über 1,5 Millionen Euro<br />

gepostet.<br />

14<br />

Fettes Brot sind<br />

große Fans einer Kinder-<br />

Hörspielreihe, in der<br />

sie einen Gastauftritt<br />

haben. Welche ist es?<br />

a) „Bibi und Tina“ (Folge 79:<br />

„Jungs gegen Mädchen“)<br />

b) „TKKG“ (Folge 79:<br />

„Gabi in Gefahr“)<br />

c) „Die drei ???“ (Folge 79:<br />

„Im Bann des Voodoo“)<br />

15<br />

Welches<br />

Jugendwort<br />

des Jahres<br />

prägte der<br />

österreichische<br />

Rapper Money<br />

Boy entscheidend<br />

mit?<br />

a) Swag<br />

b) Smombie<br />

c) Babo<br />

UND HIER<br />

RATEN<br />

DIE PROFIS!<br />

Fünf Runden, zwei Teams,<br />

ein Gewinner: <strong>2020</strong> startet<br />

<strong>Red</strong> Bull ein großes Rap-Quiz.<br />

Alle zwei Wochen duelliert<br />

sich das Who’s who der<br />

deutschsprachigen Rap-<br />

Szene in den <strong>Red</strong> Bull Music<br />

Studios in Berlin. Vom Spiele-<br />

Klassiker bis zur Buzzer-<br />

Runde: In dieser Gameshow<br />

ist Deutschrap-Wissen<br />

gefragt. Wer kennt die<br />

absurdesten <strong>The</strong>sen und<br />

lustigsten Fun Facts?<br />

Demnächst auf youtube.com<br />

Lösung: 1. a, 2.a, 3.b, 4. c, 5. a, 6. c, 7. a, 8. b, 9. a, 10. c, 11. b, 12. a, 13. b, 14. c, 15. a<br />

THE RED BULLETIN 67


Hoch-<br />

leistungs-<br />

kunst<br />

Wie die Sportwissenschaft<br />

Ballett neu<br />

erfindet<br />

Text MARK BAILEY<br />

Fotos RICK GUEST


74 Kilogramm leichtfüßige<br />

Power: der<br />

Londoner Meister ­<br />

tänzer Matthew Ball<br />

69


Auf der Bühne: Schönheit und Grazie.<br />

Hinter den Fassaden: Schmerzen, Leistungsdruck,<br />

geschundene Körper, entzündete Muskeln.<br />

Jetzt macht eine neue Tänzergeneration des<br />

Londoner Royal Ballet die alte Tante Ballett<br />

zukunftsfit. Und nutzt dafür die neuesten<br />

Erkenntnisse innovativer Sportwissenschaft.<br />

Wenn Gemma<br />

Pitchley-Gale nicht<br />

gerade mit rosa<br />

Spitzenschuhen<br />

im Londoner Royal<br />

Opera House<br />

Pirouetten dreht,<br />

stemmt sie in der<br />

Kraftkammer gusseiserne<br />

Langhanteln. Die zierliche Tänzerin des<br />

welt berühmten Londoner Royal Ballet schafft im<br />

Kreuzheben 97,5 Kilo, also mehr als das Doppelte<br />

ihres Körpergewichts von 47 Kilogramm.<br />

„Die Leute halten uns für zerbrechlich“, sagt<br />

die Südlondonerin, „aber da liegen sie falsch.“<br />

Beispiele gefällig?<br />

Ihre Kollegin Claire Calvert trainierte mit<br />

Squats und 100-Kilo-Gewichten für ihre Rolle<br />

als Zuckerfee im „Nussknacker“.<br />

Der Waliser William Bracewell schafft beim<br />

Wadenheben mit seinem eigenen Körpergewicht<br />

45 Wiederholungen.<br />

Der Australier Alexander Campbell, ein weiterer<br />

Tänzer aus Pitchley-Gales Ensemble, bewegt<br />

während einer durchschnittlichen Fitness-Einheit<br />

insgesamt dreieinhalb Tonnen – das ist so viel<br />

wie ein vollbeladener Ford Transit.<br />

Und Matthew Ball, ein Liverpooler mit dem<br />

Aussehen eines Boygroup-Stars, legt sich für<br />

seine einbeinigen Kniebeugen das Vierfache<br />

seines Körpergewichts auf. „Muss sein“, sagt der<br />

junge Mann, dessen Adern bei jeder Geste dick<br />

am Bizeps hervortreten. „In der Aufführung<br />

wirken bei jedem hohen Sprung 500 Kilogramm<br />

auf meine Beine.“<br />

Ballett mag eine hochästhetische Kunstform<br />

sein. Zugleich ist es aber eine Mordsschinderei:<br />

Für Klassiker wie „Schwanensee“, „Aschenbrödel“<br />

oder „Romeo und Julia“ proben die<br />

Tänzer sechs Stunden am Tag, dazu kommen<br />

vier Auftritte pro Woche.<br />

Die von blutigen Blasen, blauen Flecken und<br />

Schrammen gemarterten Füße der rund hundert<br />

Tänzer des Royal Ballet tanzen pro Jahr 12.000<br />

Schuhe durch. Und da ist das, was als „richtige“<br />

Verletzungen gilt – Dinge ab Bänderriss oder<br />

Verstauchungen –, noch gar nicht eingerechnet.<br />

Genau 6,8 solcher Blessuren sind es im Schnitt<br />

pro Jahr und Tänzer, genauso viel wie beim<br />

American Football.<br />

Am Morgen schlurft müde eine Kompanie<br />

schlaksiger Figuren mit markanten Wangenknochen<br />

in das luftige Probestudio – die Frauen<br />

in Tutus und Beinstulpen, die Männer in engen<br />

Shorts und weiten Oberteilen.<br />

„Zu dieser Tageszeit tut hier jedem alles weh“,<br />

sagt Pitchley-Gale und lacht. 75 Minuten Aufwärmen,<br />

dann beginnt die harte Arbeit, manchmal<br />

durchgehend von zwölf bis halb sieben.<br />

Von der Probe geht es direkt zum Auftritt, einer<br />

schillernden Feier vollendeter Körperbeherrschung<br />

vor 2250 Zuschauern. „Vor eins bin ich<br />

nie zu Hause“, sagt Campbell, „und um 9.30 Uhr<br />

beginnt schon die nächste Probe.“<br />

Fast unglaublich: Bis vor kurzem wurden die<br />

körperlichen Belastungen, denen Balletttänzer<br />

ausgesetzt sind, nicht wirklich professionell<br />

untersucht. Erst 2013 eröffnete das Royal Ballet<br />

die Mason Healthcare Suite – eine hochmoderne<br />

Einrichtung mit 17 Sport- und Ernährungswissenschaftlern,<br />

mit Physiotherapeuten,<br />

70 THE RED BULLETIN


Beweglichkeitstraining:<br />

Claire Calvert an<br />

einer hochmodernen<br />

Gyrotonic-Maschine<br />

Masseuren und Psychologen. Ihr Ziel: bessere<br />

Erholung, weniger Verletzungen, höhere Leistungsfähigkeit.<br />

„Anfangs hat mich das Arbeitspensum der<br />

Tänzer richtiggehend schockiert“, sagt Klinikleiter<br />

Greg Retter, der zuvor britische Olympia-<br />

Athleten betreute. „Hochleistungssportler stimmen<br />

ihre Form auf Saisonhöhepunkte ab. Doch<br />

Balletttänzer müssen permanent 100 Prozent<br />

geben, bei jeder Probe, mehrmals am Tag, von<br />

September bis Juni. Und manchmal studieren sie<br />

gleichzeitig sechs Choreografien ein.“<br />

Das Ziel dieses brutalen Trainings nennt sich<br />

neuronale Plastizität, auf gut Deutsch also „anpassungsfähiges<br />

Muskelgedächtnis“.<br />

„Niemand kann komplexe Bewegungsmuster<br />

so schnell und so gründlich verinnerlichen wie<br />

Balletttänzer“, sagt Retter. Ebendiese Fähigkeit<br />

macht Ballett so anspruchsvoll – und so ästhetisch.<br />

„Ein Balletttänzer setzt jeden Schritt in<br />

makelloser Perfektion. Die Position jedes Arms,<br />

jedes Fingers ist in jeder Sekunde genau vorgegeben“,<br />

erklärt Calvert.<br />

Das Problem dabei: Unser Körper ist nicht<br />

fürs Balletttanzen geschaffen. „Schon die<br />

Grundstellung, das ‚en dehors‘ (die Ausdrehung<br />

der Beine, bei der Knie und Zehen nach außen<br />

zeigen; Anm.), ist einfach unnatürlich.“<br />

Retters Team begann, Daten zu sammeln, von<br />

der Aufprallenergie bis zu Muskelaktivierungsmustern.<br />

Zum Einsatz kamen dabei die gleichen<br />

Kraftmessplatten, mit denen auch die Astronauten<br />

der Europäischen Weltraumorganisation<br />

trainieren, dazu Sauerstoffmasken sowie Elektromyographie-<br />

und Herzfrequenzgeräte zur Messung<br />

der Muskelaktivität.<br />

Der nüchterne Blick der Sportwissenschaft<br />

förderte Erstaunliches zutage. Denn nicht nur<br />

Laktatüberschuss, Herzüberlastung und Sauerstoffnot<br />

sind Dauerbegleiter der Tänzer.<br />

Bei der Landung von Tanzfiguren müssen<br />

männliche Tänzer Kräften von bis zu 6000 Newton<br />

standhalten – um ein Fünftel mehr als bei<br />

einem Kinnhaken von Schwergewichtsboxer<br />

Anthony Joshua. Bei Tänzerinnen sind es<br />

4000 Newton, mehr als ein knochenbrechendes<br />

Tackle im Rugby.<br />

Dazu kommt der Stress: In einer Aufführung<br />

kann der Laktatwert noch einmal um acht Prozent<br />

ansteigen.<br />

THE RED BULLETIN 71


Doch warum kamen Tänzer – anders als<br />

Sportler, Abenteurer und Soldaten, die<br />

seit Jahrzehnten von der Arbeit mit<br />

Sportwissenschaftlern profitieren – nie<br />

in den Genuss von professionellem Krafttraining,<br />

Ernährungstipps, Erholungsplänen oder technischen<br />

Innovationen?<br />

Und warum nahm man die Schmerzen und<br />

Verletzungen infolge unmenschlicher Belastungen<br />

unwidersprochen in Kauf?<br />

„Ich habe 2005 meinen Abschluss an der<br />

Royal Ballet School gemacht, und in meiner<br />

Zeit dort hat man uns nur ein bisschen Pilates<br />

und Stretching angeboten“, sagt Pitchley-Gale.<br />

Während sie selbst einen Personal Trainer<br />

engagierte, gingen andere mit ihrem Körper<br />

weniger sorgsam um: Der damalige Solist Eric<br />

Underwood gab zu, dass er getrunken, geraucht<br />

und Burger gegessen hatte. Und der ukrainische<br />

Tänzer Sergei Polunin nahm sogar Drogen und<br />

feierte exzessive Partys.<br />

Es war jedenfalls Zeit für einen Paradigmenwechsel.<br />

Aber davor galt es, noch<br />

eine Hürde zu nehmen. Denn Tänzer sind<br />

keine Athleten, sondern Künstler, die<br />

durch den Ausdruck ihres Körpers Emotionen<br />

auslösen möchten. Klassische Werte wie Anmut<br />

und Eleganz haben für sie instinktiv mehr Bedeutung<br />

als knallharte Daten wie Beinkraft oder<br />

Sprunghöhe.<br />

Dazu kommt die Tradition. Ballett entstand<br />

an den Renaissance-Höfen im Italien des<br />

15. Jahrhunderts, und viele der berühmtesten<br />

Stücke stammen aus dem 19. Jahrhundert,<br />

darunter „Dornröschen“ (1890 uraufgeführt),<br />

„Der Nussknacker“ (1892) und „Schwanensee“<br />

(1895). Bis heute dient Tradition den Tänzern<br />

auch als In spiration. Doch sie grenzt auch die<br />

Möglichkeiten ein – und verhindert die Weiterentwicklung.<br />

Vielleicht hat Klinikleiter Greg Retter ja eine<br />

Perspektive gefunden, die beide Welten verbinden<br />

kann. „Kraft, Fitness, psychisches Wohlbefinden<br />

und ausgewogene Ernährung sind kein<br />

Selbstzweck“, sagt er seinen Klienten, „sondern<br />

die Voraussetzung dafür, dass du eine komplexe<br />

Choreografie performen und deine Leidenschaft<br />

auf die Bühne übertragen kannst.“<br />

Die Revolution brach nicht nur im Royal<br />

Ballet aus.<br />

Im Jahr 2012 taten sich mehrere britische<br />

Tanz-Institutionen und Universitäten zum National<br />

Institute of Dance Medicine and Science<br />

(NIDMS) zusammen, um die Forschung in dieser<br />

Disziplin zu fördern.<br />

Die Erkenntnisse waren ohne Übertreibung<br />

bahnbrechend: Eine Studie wies nach, dass ein<br />

Jahr Krafttraining die Verletzungshäufigkeit<br />

von Tänzern um 59 Prozent senkt. Eine andere,<br />

dass schon sechs Wochen Konditionstraining<br />

die tänzerischen Kernkompetenzen Bewegungskontrolle,<br />

räumliches Bewusstsein, Timing und<br />

Rhythmusgefühl deutlich verbessern.<br />

Seit diese Daten auf dem Tisch liegen, kam<br />

es bei vielen aufgeschlossenen und ehrgeizigen<br />

Tänzern allmählich zu einem Umdenken gegenüber<br />

Innovationen. „Ballett ist eine alte, fest<br />

in der Tradition verhaftete, stark formalisierte<br />

Kunstform. Aber das heißt nicht, dass wir nicht<br />

weiterlernen können“, sagt Ball.<br />

Im hauseigenen Fitnessstudio ist die Zeitenwende<br />

schon im Alltag angekommen. Jeden Tag<br />

schwingen hier fliegengewichtige Tänzer Kugelhanteln<br />

und Battle Ropes oder schwitzen beim<br />

Squat-Training mit schweren Gewichten. Das<br />

Krafttraining schützt sie vor Muskelverletzungen,<br />

fördert die Knochengesundheit, verbessert<br />

die Sprungkraft und hilft beim Abfedern der<br />

Aufprallenergie.<br />

Damit die Grazie beim Muskelaufbau nicht<br />

verlorengeht, wenden die Sportwissenschaftler<br />

innovative Techniken an.<br />

Kraftmessplatten messen die Explosivkraft,<br />

Langhantel-Sensoren Geschwindigkeit und Wiederholungen.<br />

„Ich dachte, ich würde im Fitnessstudio dicke<br />

Beine kriegen. Aber wir trainieren intelligent,<br />

damit genau das nicht passiert“, verrät Calvert.<br />

Als ideal erwiesen sich schwere Gewichte und<br />

wenige Wiederholungen, die mit hoher Geschwindigkeit<br />

ausgeführt werden. Denn das<br />

maximiert die Kraft durch effizientere Muskelkontraktion<br />

und stärkere elektrische Impulse<br />

in den Muskelfasern – ohne dass dabei dicke<br />

Muskelpakete entstehen.<br />

Der Effekt? „Ich stecke die Proben jetzt viel<br />

besser weg als früher“, sagt Bracewell, „und<br />

meine Kreuz-, Sprunggelenks- und Knieprobleme<br />

sind fast völlig verschwunden.“<br />

Auch auf der Bühne merkt er einen deutlichen<br />

Unterschied. „Wenn du beim Kreuzheben<br />

Gewichte gehievt hast, die fünfmal so schwer<br />

sind wie deine Tanzpartnerin, werden Hebefiguren<br />

plötzlich zum Kinderspiel.“<br />

AUSDAUER:<br />

Claire Calvert<br />

Als Erste Solistin (der<br />

Rang knapp unter der<br />

Haupttänzerin) spielte<br />

Calvert unter anderem<br />

die Fliederfee in „Dornröschen“.<br />

2013 erlitt sie<br />

eine osteochondrale<br />

Läsion, eine kleine<br />

Knorpelverletzung am<br />

Sprunggelenk. Der<br />

mitbetroffene Muskel<br />

schrumpfte auf die<br />

Hälfte seiner normalen<br />

Größe und hinterließ ein<br />

1,5 Zentimeter großes<br />

Loch im Knorpel. Um<br />

Gelenke und Muskeln<br />

zu stärken, machte sie<br />

Kreuzheben und Kniebeugen<br />

mit schweren<br />

Gewichten. „Ich trainiere,<br />

seit ich elf bin“,<br />

sagt die 31-Jährige,<br />

„aber jetzt weiß ich<br />

erst, wie sehr Fitnesstraining<br />

mir hilft,<br />

eine bessere Tänzerin<br />

zu werden.“<br />

„Unser Körper ist anpassungsfähig“,<br />

sagt Claire Calvert, „aber<br />

niemand ist fürs Ballett geboren.“<br />

72 THE RED BULLETIN


muscle Claire to Calvert half its vereint normal<br />

size geballte and leaving Kraft mit a 1.5cm geradezu<br />

in the übermensch­<br />

cartilage. She<br />

hole<br />

licher started Biegsamkeit.<br />

doing heavy


FITNESS:<br />

Alexander<br />

Campbell<br />

Der Primo ballerino aus<br />

Sydney spielte schon<br />

berühmte Rollen wie<br />

den Prinzen im „Nussknacker“.<br />

„Du wirst<br />

besser, je mehr du<br />

trainierst. Aber umso<br />

schlechter, je müder du<br />

bist“, sagt er. Darum<br />

trainiert er am Rudergerät<br />

und gleicht dabei<br />

sein Pensum an die Ansprüche<br />

bevorstehender<br />

Rollen an. „Ich kam<br />

mit fünf Jahren zum<br />

Ballett, spielte aber<br />

auch Aus tralian Football,<br />

Cricket und Fußball.<br />

Als ich zum ersten<br />

Mal Recovery Boots<br />

und Eisbäder vorschlug,<br />

hielten mich alle für<br />

verrückt. Jetzt verwenden<br />

wir sie die<br />

ganze Zeit.“<br />

Primoballerino<br />

Alexander Campbell<br />

ist Teil der sportwissenschaftlichen<br />

Revolution.


Auch Matthew Ball, der Nachwuchsstar<br />

der neuen Tänzergeneration, findet,<br />

dass Krafttraining das Niveau seiner<br />

Darstellung deutlich verbessert hat:<br />

„Ich liebe hohe Sprünge – und Squats mit<br />

schweren Gewichten sind dafür die perfekte<br />

Vorbereitung.“<br />

Doch wie hilft die technologische Unterstützung<br />

genau, die Bühnen-Performance des<br />

Royal Ballet zu verbessern?<br />

Elektromyographie-Tests helfen den Tänzern,<br />

eher vernachlässigte, fußstabilisierende Muskeln<br />

wie den medialen Gastrocnemius (auf der Rückseite<br />

der Wade) zu stärken. Kraftmess platten<br />

zeigen, wie man schonender landet. Und dank<br />

der Herzfrequenztests kann sich jeder Tänzer<br />

sein Fitnessprogramm perfekt maßschneidern<br />

lassen.<br />

Eine wichtige Rolle spielt auch die Regeneration.<br />

Mit Gyrotonic-Maschinen trainiert<br />

man durch ein Seilsystem die Dehnbarkeit. Für<br />

die Kältetherapie werden die gleichen „Game<br />

Ready“-Beinwickel eingesetzt, die auch die Fußballer<br />

von Manchester City verwenden. Und<br />

aufblasbare RP-X-Erholungsstiefel pressen nach<br />

den Proben und Trainings die Milchsäure aus<br />

den Muskeln.<br />

„Du fühlst dich, als würde wieder frisches<br />

Blut durch deine Beine pumpen“, sagt Pitchley-<br />

Gale. All diese Aktivitäten werden mit „Smartabase“<br />

überwacht, einer Datenanalyse-Plattform,<br />

die auch von dem National-Football-League-<br />

Team der Dallas Cowboys verwendet wird.<br />

weitertanzen“, sagt Calvert. Inzwischen folgen<br />

die Tänzer den ausgeklügelten tanzgerechten<br />

Ernährungsplänen von Royal-Ballet-Diätologin<br />

Jacqueline Birtwisle. Sie hat schon für das<br />

Rugby-Team der Leicester Tigers und den Ruderverband<br />

British Rowing gearbeitet.<br />

Um ihren enormen Energiebedarf zu decken,<br />

essen die Tänzer leicht verdauliche Lebensmittel<br />

wie Porridge, Rührei, Risotto, Hummus, Salat,<br />

griechischen Joghurt, Baked Beans oder Buddha­<br />

Bowls. Dann Omega-3-reiche Fische wie Lachs,<br />

Makrele, Sardelle, Sardine und Hering, um die<br />

Muskelregeneration zu unterstützen. Und gekocht<br />

wird mit Oliven- statt Sonnen blumenöl,<br />

um Entzündungen vorzubeugen.<br />

Balletttänzer haben das<br />

gleiche Verletzungsrisiko wie<br />

American-Football-Spieler.<br />

Doch Balletttanzen ist nicht nur harte<br />

körperliche Arbeit. Auch Psychologie<br />

und Neurowissenschaft können dich<br />

zum besseren Tänzer machen. So hilft<br />

die Arbeitspsychologin Britt Tajet-Foxell den<br />

Künstlern, negative Gedanken mit positiven<br />

Bildern zu überblenden.<br />

Eine Tänzerin verglich ihren verletzten Knöchel<br />

zum Beispiel mit einem gebrochenen Zweig<br />

– und lernte, sich beim Gedanken daran lieber<br />

Bilder von fließendem Wasser und einem blauen<br />

Himmel vorzustellen.<br />

„Nach einem Beinbruch hatte ich Angst vor<br />

den Landungen“, erinnert sich auch Pitchley-Gale,<br />

„jetzt habe ich gelernt, in solchen Situationen<br />

gezielt an frühere Erinnerungen erfolgreicher<br />

Auftritte anzuknüpfen.“<br />

Auch gegen allgemeinen Stress gibt es einen<br />

Trick: Die Tänzer werden angewiesen, die verschiedenen<br />

Bereiche ihres Lebens – wie Ballett,<br />

Familie, Finanzen – in imaginäre Räume aufzuteilen<br />

und diese „aufzuräumen“, einen nach<br />

dem anderen.<br />

Der hektische Probenplan macht auch die<br />

Planung regelmäßiger und ernährungsphysiologisch<br />

einwandfreier Mahlzeiten zur Herausforderung.<br />

„In 15 Minuten Pause kannst du<br />

dir kein Menü reinschieben und danach sofort<br />

Während einer durchschnittlichen<br />

Workout-<br />

Session stemmt<br />

Campbell in Summe<br />

das Gewicht eines<br />

Klein transporters.<br />

THE RED BULLETIN 75


Bracewells RP-X<br />

Recovery Boots<br />

verbessern mittels<br />

Muskelkompression<br />

die Durchblutung<br />

nach dem Training.<br />

PRÄZISION:<br />

William<br />

Bracewell<br />

Der in Swansea geborene<br />

Erste Solist ist<br />

es gewohnt, schwierige<br />

Rollen zu übernehmen.<br />

Aktuell spielt er an<br />

ausge wählten Terminen<br />

die Hauptrolle in der<br />

Royal-Ballet-Produktion<br />

von „Romeo und Julia“.<br />

„Am härtesten war<br />

‚Obsidian Tear‘“ (Ballett<br />

von Choreograf Wayne<br />

McGregor aus dem Jahr<br />

2016, Anm.), sagt<br />

Brace well. „Diese<br />

25 Tanzminuten waren<br />

unfassbar intensiv.“<br />

Sein Ernährungsplan<br />

für eine optimale Performance:<br />

„Zwei Stunden<br />

vor einer Show<br />

Pasta für die Energie.<br />

Und danach Pro teine,<br />

um die Muskeln zu reparieren.“<br />

Bracewell lernte<br />

auch Visualisierungstechniken.<br />

„Ballette<br />

sind sehr verschieden“,<br />

sagt er. „Ich stelle sie<br />

mir als unterschiedliche<br />

Gebäude vor.<br />

Im Buckingham Palace<br />

benimmst du dich ja<br />

auch anders als in einer<br />

Lager halle. So zu<br />

denken hilft mir, mich<br />

zu konzentrieren.“


KRAFT:<br />

Gemma<br />

Pitchley-Gale<br />

Als „First Artist“ ist<br />

die Tänzerin aus<br />

Südlondon ein hochrangiges<br />

Mitglied des<br />

Corps de Ballet, das<br />

auf der Bühne aufwendig<br />

choreografierte<br />

Gruppentänze aufführt.<br />

Neben anmutigen Posen<br />

und Backstage-Selfies<br />

finden sich auf ihrer<br />

Instagram Site auch<br />

Videos vom Gewichtheben<br />

im Fitnessstudio.<br />

„Keine Ballerina will<br />

wie eine Bodybuilderin<br />

aussehen. Doch wenn<br />

man es richtig macht,<br />

wird man stärker, ohne<br />

Muskelpakete zu bekommen.<br />

Ich fordere<br />

meinen Trainer immer<br />

dazu auf, auf die Beinpresse<br />

mehr Scheiben<br />

draufzugeben, und er<br />

kann es kaum fassen,<br />

welche Gewichte ich<br />

heben kann.“<br />

„Die meisten<br />

Leute haben<br />

keine Vorstellung<br />

davon,<br />

wie viel Kraft<br />

in uns steckt.“<br />

77


Oben: Gemma<br />

Pitchley-Gale<br />

trainiert ihre Kraft<br />

am hochmodernen<br />

Pilates-Reformer.<br />

Rechts: Claire Calvert<br />

schafft Kniebeugen<br />

mit mehr als dem<br />

Doppelten ihres<br />

Körpergewichts.<br />

78 THE RED BULLETIN


Gut gegen Lampenfieber:<br />

Erinnerungen an erfolgreiche<br />

Auftritte von früher<br />

Nach der Vorstellung, wenn es zu spät für<br />

schwer verdauliches Essen ist, wird die verbrauchte<br />

Energie durch Erdnussbutter- und<br />

Milchshakes ersetzt.<br />

Und weil die Tänzer so viel Zeit in geschlossenen<br />

Räumen verbringen, wird zusätzlich<br />

Vit amin D verabreicht. Es verbessert nicht nur<br />

das Immunsystem, sondern steigert auch die<br />

iso metrische Kraft der Tänzerinnen und Tänzer,<br />

die man mit „statischen“ Übungen wie dem Planking<br />

verbessert – um sagenhafte 18,7 Prozent.<br />

PHOTOGRAPHIC ASSISTANT: FRANKIE LODGE<br />

Gegen Ende unseres Besuchs führt uns<br />

Retter zu der überwältigenden Bühne<br />

des Royal Opera House. Sie befindet<br />

sich hinter einem drei Tonnen schweren<br />

purpurroten Vorhang. Und erinnert ihn täglich<br />

nachdrücklich daran, worum es in seiner Arbeit<br />

wirklich geht: um tänzerische Exzellenz vor<br />

einem kritischen Publikum.<br />

„An den historischen Errungenschaften des<br />

Royal Ballet ist nicht zu rütteln“, sagt er. „Unsere<br />

Aufgabe besteht also nicht darin, das Ballett<br />

zu verändern, sondern die Tänzer bei ihrer Performance<br />

zu unterstützen. Sportler federn ihre<br />

Landungen in der Hüfte, den Knien und den<br />

Knöcheln ab. Aber im Ballett musst du mit gestreckten<br />

Beinen landen. Das können wir nicht<br />

ändern. Aber wir können die Tänzer stärker<br />

machen, damit sie solche Belastungen besser<br />

aushalten.“<br />

Den objektiv belegbaren guten Ergebnissen<br />

zum Trotz sind nicht alle Tänzer von den neuen<br />

Ideen und wissenschaftlichen Ansätzen angetan.<br />

„Der Konflikt schwelt noch immer, doch er<br />

polarisiert nicht mehr so stark wie früher“, räumt<br />

Retter ein. „Erstens, weil angehende Tänzer der<br />

Royal Ballet School früh lernen, wie wichtig<br />

körperliche Leistungsfähigkeit ist. Und zweitens,<br />

weil auch Startänzer einsehen, dass ihr künstlerischer<br />

Ausdruck durch die neuen Methoden<br />

nicht beeinträchtigt, sondern verbessert wird.“<br />

In dieser Saison meldeten sich 80 Prozent der<br />

Tänzer für freiwillige Tests in der Mason Healthcare<br />

Suite an – so viele wie nie zuvor.<br />

„Und nicht nur das. Sie nahmen die Ergebnisse<br />

ernst und steckten sich Ziele“, berichtet Greg<br />

Retter. „Zum Beispiel wollten sie ihre maximalen<br />

Sprunghöhen verbessern, nachdem sie dazu Feedback<br />

vom künstlerischen Personal und Royal-<br />

Ballet-Direktor Kevin O’Hare erhalten hatten.<br />

FOKUS:<br />

Matthew Ball<br />

Im <strong>März</strong> 2018 kam ein<br />

Anruf vom Direktor des<br />

Royal Ballet: Der Erste<br />

Tänzer David Hallberg<br />

hatte sich verletzt. Ball<br />

musste für die Hauptrolle<br />

des Albrecht in<br />

„Giselle“ einspringen,<br />

obwohl er sie bis dahin<br />

nur einmal getanzt<br />

hatte. „Wenn du keine<br />

Wahl hast, folgst du<br />

deiner Intuition“, sagt<br />

Ball. Er wurde später<br />

zum Haupttänzer befördert<br />

und ist nun an<br />

aus gewähl ten Terminen<br />

in der Hauptrolle von<br />

„Romeo und Julia“ zu<br />

sehen. „Ich nahm ein<br />

Taxi, zog mich um, ließ<br />

mein Make­ up machen<br />

und war weniger aufgeregt<br />

als sonst.“ Ball<br />

entwickelte Strategien,<br />

um sich auf der Bühne<br />

besser zu konzentrieren.<br />

„Dein Hirn braucht<br />

etwas Vertrautes. Wenn<br />

mein Herz pocht, lege<br />

ich meine Hand darauf<br />

und fokussiere meine<br />

ganze Energie auf diese<br />

Stelle.“<br />

Ich erlebte zum ersten Mal einen regelrechten<br />

Austausch und nicht nur das bloße Aufzeigen<br />

von Schwachstellen, die es zu verbessern gilt.“<br />

Das Fazit: Auch weiterhin wird das Talent<br />

wichtiger sein als die Wissenschaft, wenn es<br />

um die Umsetzung künstlerischer Ästhetik geht.<br />

Doch wenn es die Aufgabe eines Tänzers ist, die<br />

Grenzen seines Körpers auszuloten, um damit<br />

emotionale Reaktionen im Publikum auszulösen,<br />

wenn er damit Athletik zur Kunstform erhebt<br />

– dann kann Wissenschaft dabei helfen.<br />

„Ein Läufer muss einfach nur laufen“, sagt<br />

Calvert. „Aber wir müssen uns präzise bewegen,<br />

gut aussehen, überzeugend lächeln und beim<br />

Zuschauer Gefühle erzeugen – selbst wenn wir<br />

am Ende fast draufgehen. Kniebeugen helfen<br />

mir nicht, wenn ich dreißig Fouettés (Das ist<br />

eine schnelle Drehung, bei der ein Bein zum Knie<br />

an gewinkelt wird; Anm.) machen will. Ich muss<br />

ja die Abfolge genau üben. Aber ich habe Kraft<br />

und Vertrauen dazugewonnen und kann mich<br />

deshalb besser auf die Handlung oder meine<br />

Rolle konzentrieren.“<br />

Und davon haben nicht nur die Tänzer etwas<br />

– sondern letztlich auch das Publikum.<br />

roh.org.uk<br />

THE RED BULLETIN 79


FLÜÜÜGEL GIBT’S<br />

AUCH OHNE ZUCKER.<br />

• NEUER •<br />

GESCHMACK<br />

Z E R O Z U C K E R


guide<br />

Dein Programm<br />

FITNESS<br />

Extrem-Workout: mit<br />

Lauf-Ikone Christian<br />

Schiester in der Sauna<br />

SEITE 86<br />

LESESTOFF<br />

Die besten Bücher<br />

für Fans von<br />

„Game of Thrones“<br />

SEITE 88<br />

GAMING<br />

Studien beweisen:<br />

„Mario Kart“ lässt dich<br />

unbeschwerter leben.<br />

SEITE 94<br />

KARO PERNEGGER<br />

REISEN<br />

Wilder Ritt: Wir erkunden<br />

Albaniens Berge<br />

auf einer Allrad-Tour.<br />

SEITE 82<br />

THE RED BULLETIN 81


Reisen<br />

Albanien (im Hintergrund die Hauptstadt Tirana) erkundet man am besten o≠road. Viele Orte erreicht man anders nicht.<br />

ABENTEUER<br />

ALBANIEN<br />

QUERFEL<strong>DE</strong>IN<br />

Unser Reporter fährt fast nie Auto. Wir schickten ihn<br />

trotzdem für eine Allrad-Tour durch die wilden Berge<br />

Albaniens. Ein steiniger, aber schöner Weg.<br />

Ich hab’s versucht. Zwei Fahrzeuglängen<br />

Abstand zum Vorderwagen<br />

halten, das war die<br />

Anweisung. Doch schon bald befinde<br />

ich mich, weit abgeschlagen<br />

von der Gruppe, auf irgendeinem<br />

Bergpfad. Vor mir nur eine Staubwolke,<br />

die mir die anderen hinterlassen<br />

haben. „Fahrzeug neun,<br />

bitte aufschließen“, tönt es ungeduldig<br />

aus dem Walkie-Talkie.<br />

Jaja, bin gleich da, murmle ich<br />

überfordert.<br />

Albanien ist das touristisch<br />

wohl unbekannteste Land Europas.<br />

Denn es war unter dem lang­<br />

Nach dem Fahren auf die Fähre – nach Korfu, Griechenland<br />

82 THE RED BULLETIN


guide<br />

REISE-TIPPS<br />

OFFROAD-IDYLLE<br />

Albanien ist touristisch relativ unbekannt<br />

— und doch nur einige wenige Flugstunden<br />

von Deutschland entfernt.<br />

Albanien<br />

Tirana<br />

Elbasan<br />

Dreckige Freiheit: O≠road-Fahren ist in Albanien relativ unreglementiert möglich.<br />

Berat<br />

Gjirokastra<br />

Saranda<br />

KARO PERNEGGER FELIX DIEWALD<br />

Sightseeing durch die Windschutzscheibe: unser Autor, ausnahmsweise entspannt<br />

jährigen sozialistischen Diktator<br />

Enver Hoxha bis zum Fall des<br />

Kommunismus komplett von der<br />

Außenwelt abgeschottet. Wir<br />

wollen drei Tage lang abseits der<br />

großen Straßen das Hinterland<br />

durchstreifen, in der Kolonne<br />

von der Hauptstadt Tirana in<br />

drei Tagen bis in den Süden an<br />

die Mittelmeerküste.<br />

Albanien erkundet man am<br />

besten offroad, sagt Erald Dervishi,<br />

der mit Off Limits Albania<br />

Touren durchs ganze Land anbietet:<br />

Viele Orte erreicht man<br />

auf andere Weise nämlich gar<br />

nicht, schon gar nicht mit dem<br />

Bus. „Und dort draußen triffst du<br />

noch auf Menschen, die neugierig<br />

auf dich sind.“ Außerdem ist das<br />

„Es sind Passagen<br />

zu meistern, bei<br />

denen du denkst:<br />

Wer, um Himmels<br />

willen, soll hier<br />

fahren?“<br />

Geländefahren im Vergleich zu<br />

anderen Ländern in Albanien<br />

noch relativ unreglementiert<br />

möglich. Manche der Routen sind<br />

zwar in Online-Karten verzeichnet,<br />

Dervishi empfiehlt aber, sich<br />

nicht auf eigene Faust, sondern<br />

unbedingt in der Gruppe und mit<br />

einem lokalen Guide ins Aben­<br />

DAS RICHTIGE OFFROAD-SET-UP<br />

Einfach so von der Straße abfahren ist keine<br />

gute Idee. Mit diesen fünf Tipps der Škoda-O≠road-<br />

Experten bist du besser für ein Abenteuer auf<br />

unbeständigem Untergrund vorbereitet:<br />

1. INSPEKTION<br />

Vor dem Start das Auto von außen begutachten: Wie<br />

lang und breit ist es? Und einmal von unten: Wo hängen<br />

die Fahrzeugteile besonders tief? So weißt du, ob du<br />

besser links oder rechts über Hindernisse fährst.<br />

2. KENNZEICHEN UNGELÖST<br />

Bevor du die Straße verlässt, verstärke die Befestigung<br />

des Nummernschilds oder schraube es überhaupt<br />

ab – das ist als Erstes futsch.<br />

3. AB IN <strong>DE</strong>N HOCHSITZ<br />

Stell den Sitz aufrecht und hoch ein. Du brauchst Übersicht,<br />

um den Boden direkt vor dir sehen zu können.<br />

4. LUFT RAUS<br />

Wenn der Untergrund matschig und rutschig wird,<br />

bekommst du mehr Grip, wenn du etwas Luft<br />

aus den Reifen lässt.<br />

5. ALLES IM BLICK<br />

Richte die Rückspiegel auf die Hinterräder ein. So hast<br />

du alle Reifen im Blick und weißt, wo du durchkommst.<br />

GELÄN<strong>DE</strong>WAGEN-TOUR<br />

Off Limits Albania, Bulevardi Bajram Curri, 1001 Tirana,<br />

Albanien; Tel.: +355/69/204 04 40. Zum Beispiel<br />

die drei tägige Tour von Tirana nach Durrës an die Küste,<br />

weiter in die Berge nach Berat, durch den Osumi- Canyon<br />

nach Gjirokastra in den Süden und zurück. Inkl. Geländewagen,<br />

Übernachtungen und Frühstück ab 270 Euro.<br />

offlimitsalbania.com<br />

THE RED BULLETIN 83


Reisen<br />

guide<br />

teuer zu stürzen. Welcher Weg<br />

passierbar ist, kann sich in den<br />

rauen Bergen Albaniens nämlich<br />

jederzeit ändern. Und die Beschaffenheit<br />

der Strecke ist ein<br />

ganz eigenes Kapitel. Es sind Passagen<br />

zu meistern, bei denen du<br />

denkst: Wer, um Himmels willen,<br />

soll hier fahren? Die Antwort<br />

geben höhergelegte Uralt-Kisten<br />

aus den Siebzigern, die uns immer<br />

wieder entgegenkommen und auf<br />

wundersame Weise auf diesen<br />

sogenannten Straßen unterwegs<br />

sind. Albaner pflegen einen eher<br />

wilden Fahrstil. Das könnte damit<br />

zu tun haben, dass es bis in die<br />

Neunzigerjahre hinein überhaupt<br />

nur wenige tausend Autos im<br />

Land gab – reserviert für die<br />

Partei-Elite. Private Autos hingegen<br />

waren verboten.<br />

Unser Gerät: der Škoda Karoq<br />

Scout, ein Geländewagen, der<br />

auf mich Auto-Null nicht wirklich<br />

wie eine Offroad-Karre wirkt.<br />

Niemals wäre ich auf die Idee<br />

gekommen, mit dem Ding solche<br />

Routen zu befahren. Aber der<br />

„Es macht ‚klunk‘,<br />

wenn ich einen Stein<br />

erwische. Aber<br />

langsam beginnt<br />

der O≠road-Fahrer<br />

in mir zu erwachen.“<br />

Stopp am Stausee Banjë: Wasserkraft dominiert in Albanien.<br />

Albtraum für Putz-Personal: Berat, auch bekannt als die „Stadt der tausend Fenster“<br />

Wagen packt es leicht – dank des<br />

„intelligenten 4×4-Antriebs“, wie<br />

ich später erfahre. Wir erklimmen<br />

steile Felstreppen, schlängeln uns<br />

auf schmalen Geröllwegen durch<br />

die Gebirgslandschaft, die gut<br />

70 Prozent der Landes fläche ausmacht.<br />

Jetzt besser nicht schauen,<br />

wie weit der Hang rechts abfällt.<br />

Immer wieder kommen wir an<br />

kleinen Betonbunkern vorbei,<br />

die verloren in der Landschaft<br />

herum stehen, ein Überbleibsel<br />

aus der Vergangenheit. Der paranoide<br />

Diktator Enver Hoxha isolierte<br />

das Land in den Siebzigern<br />

und Achtzigern international und<br />

ließ mehr als 170.000 Bunker im<br />

Land errichten – um Feinde abzuwehren,<br />

die nie kamen. Mittlerweile<br />

werden sie von Bauern zum<br />

Teil als Ställe oder Getreidelager<br />

genutzt.<br />

Pause, kurz durchatmen. Die<br />

anderen mitgereisten Journalisten<br />

wirken auf mich wie eine Gruppe<br />

abgebrühter Rallye-Fahrer –<br />

die kühne Strecke scheint ihnen<br />

nichts auszumachen. Ich hingegen<br />

besitze eine Jahreskarte<br />

für die Öffis, mehrere E-Scooter-<br />

Apps, habe noch nie ein eigenes<br />

Auto besessen und die Führerscheinprüfung<br />

erst beim zweiten<br />

Antritt geschafft. Gut, dass mein<br />

Co-Pilot ein erfahrener Motor-<br />

Journalist ist. Vom Beifahrersitz<br />

aus lotst er mich durch die Offroad-Passagen<br />

und bringt mir in<br />

einem Live-Crashkurs die Basics<br />

fürs Fahren abseits der Straße<br />

bei. Und obwohl ich versuche,<br />

fachgerecht durchs Gebirge zu<br />

brettern, macht es immer wieder<br />

„klunk“, wenn der Autoboden<br />

gegen einen Stein kracht. Aber<br />

dann, langsam, beginnt der Offroad-Fahrer<br />

in mir zu erwachen.<br />

Ich kann das Gelände immer besser<br />

deuten. Die Funksprüche, wo<br />

ich denn bleibe, werden weniger.<br />

Ich kann mit dem Tempo der anderen<br />

einigermaßen mithalten.<br />

Auch wenn ich immer noch<br />

ängstlich wie ein Fahrschüler<br />

über die Motorhaube schiele.<br />

Irgendwann tut sich hinter<br />

einer Bergkuppe das Ionische<br />

Meer auf und gibt den Blick auf<br />

die griechische Insel Korfu frei.<br />

Als wir von der Offroad-Schotterpiste<br />

auf eine befestigte Gebirgsstraße<br />

wechseln, kommt mir diese<br />

so weich vor wie ein luxuriöser<br />

Samtteppich. Hallo Asphalt, du<br />

großartiges Material! Wir cruisen<br />

das letzte Stück Richtung Fähre.<br />

Ende Gelände.<br />

KARO PERNEGGER FELIX DIEWALD<br />

84 THE RED BULLETIN


JAHRESABO<br />

getredbulletin.com<br />

€ 25,90<br />

BEYOND THE ORDINARY<br />

Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:<br />

LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL


Fitness<br />

MENTALES TRAINING<br />

RADTOUR<br />

MIT AUFGUSS<br />

Seine Wüstenläufe machten Christian Schiester<br />

zum Ultrarunning-Star. Wo er dafür trainierte?<br />

In der Sauna. Davon profitierte vor allem sein Geist.<br />

achtete darauf, dass ich niemals<br />

allein in der Sauna war<br />

– man weiß ja nie“, erzählt<br />

der heute 52-Jährige. Die Erhöhung<br />

der körperlichen<br />

Leistungsfähigkeit war bei<br />

der Aktion allerdings nicht<br />

das Ziel.<br />

Christian Schiester,<br />

österreichische Laufikone<br />

So ein Sauna gang nach<br />

dem Workout ist was<br />

Feines. Die Muskeln<br />

entspannen, die Durchblutung<br />

kommt in Schwung, und<br />

der Kopf wird frei. Was aber,<br />

wenn die Sauna selbst zum<br />

Fitnessstudio wird? Wie bei<br />

Christian Schiester: Zu der<br />

Zeit, als sich der Ultrarunner<br />

auf seine Wüstenläufe vorbereitete,<br />

stellte er sich schon<br />

mal ein Laufband oder ein<br />

Fahrradergometer in die<br />

Holzkabine, heizte sie auf<br />

60 Grad Celsius auf und spulte<br />

drei Stunden lang seine<br />

Kilo meter ab. „Ich trank dabei<br />

bis zu 15 Liter Wasser und<br />

Kühler Kopf bei 60 Grad<br />

Topfit war er dank diszipliniertem<br />

Trainingsplan und<br />

regelmäßigen Ultradistanzläufen<br />

sowieso. „Ich trainierte<br />

in der Sauna, um in meinem<br />

Kopf die Bedingungen in der<br />

Wüste zu simulieren“, so<br />

Schiester. Und es klappte.<br />

Als er beim Sahara-Ultramarathon<br />

in Ägypten über eine<br />

Düne lief, zeigte das <strong>The</strong>rmometer<br />

seiner Armbanduhr<br />

60 Grad. „Da ging’s mir richtig<br />

dreckig“, erinnert er sich.<br />

Doch plötzlich hörte er seine<br />

innere Stimme sagen: „Schiester,<br />

hab dich nicht so! Du<br />

kannst das packen. Schließlich<br />

war es in der Sauna auch<br />

so heiß.“ Prompt war das Motivationsloch<br />

überwunden,<br />

und er kam nach 250 Kilometer<br />

Wüstenrennen als Zweiter<br />

ins Ziel.<br />

Trainieren statt Nichtstun – nicht nur in der Sauna: Mit zwanzig noch<br />

schwerer Raucher und Trinker, stellte Christian Schiester sein Leben um.<br />

Eineinhalb Jahre später lief er den New-York-City-Marathon (1990).<br />

Vom Läufer zum Segler<br />

Seit 2016 hat der Steirer neue<br />

Ziele vor Augen – vom Deck<br />

eines Segelboots aus. Bei seinem<br />

Projekt „Sail & Run“ umsegelt<br />

er die Welt und läuft,<br />

wo immer er an Land geht.<br />

Etwa in Papua-Neuguinea<br />

zum Wings for Life World<br />

Run 2019. Temperatur:<br />

34 Grad. Oder, wie Schiester<br />

sagen würde: angenehm.<br />

Alle Infos zu „Sail & Run“:<br />

christian-schiester.com<br />

„In der Sauna<br />

brenne ich mir<br />

die Temperaturen<br />

ins Hirn. So weiß<br />

ich beim eigentlichen<br />

Rennen,<br />

dass ich’s<br />

packen kann.“<br />

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL (2),<br />

HARALD TAU<strong>DE</strong>RER/RED BULL CONTENT POOL (2)<br />

CLAUDIA MEITERT<br />

86 THE RED BULLETIN


guide<br />

KNOW-HOW<br />

REINE<br />

KOPFSACHE<br />

Höher, schneller,<br />

weiter? So hilft<br />

dir dein Kopf dabei,<br />

deinen Körper zu<br />

Höchst leistungen<br />

anzuspornen.<br />

LIVE DABEI<br />

AM 3. MAI<br />

Ob fit wie Christian Schiester<br />

oder absoluter Neuling:<br />

Der Wings for Life World Run<br />

vereint Läufer in aller Welt<br />

im Dienst der guten Sache.<br />

SELBSTGESPRÄCHE<br />

Ordne und steuere<br />

deine Gedanken vor und<br />

während der Crunch-Time.<br />

Wer seine innere Stimme<br />

gezielt einsetzt, zum<br />

Beispiel durch positiv<br />

besetzte Schlüsselworte,<br />

ist eher zu Höchstleistungen<br />

imstande.<br />

PROZESSZIELE<br />

Vergiss das große Ganze<br />

für einen Moment.<br />

Konzen triere dich<br />

stattdessen auf einzelne<br />

Schritte, die du bereits<br />

beherrschst. Das stärkt<br />

dein Selbst bewusstsein.<br />

BIL<strong>DE</strong>R<br />

Stell dir möglichst<br />

bildhaft vor, wie du jeden<br />

einzelnen Teil deiner<br />

Challenge ab solvierst.<br />

Je authen tischer dir diese<br />

Visuali sierung gelingt,<br />

desto besser bist du im<br />

Ernstfall vorbereitet.<br />

Seit 2014 laufen Menschen weltweit<br />

für all jene, die es nicht können.<br />

100 % des Startgelds aller Teilnehmer<br />

des Wings for Life World Run<br />

fließen direkt in die Rückenmarks -<br />

forschung. Dadurch konnten in den<br />

vergangenen Jahren große Fortschritte<br />

erzielt werden, nachzulesen<br />

unter: wingsforlife.com<br />

Fit für alle Witterungen: Schiester in Ägyptens Weißer Wüste<br />

„Heute segle ich<br />

um die Welt. Wo<br />

immer ich lande,<br />

laufe ich auch.<br />

Dank App sogar<br />

beim World Run.“<br />

Christian Schiester,<br />

Abenteurer und<br />

Botschafter des Wings<br />

for Life World Run<br />

DIE WICHTIGSTEN FACTS ZUM<br />

WINGS FOR LIFE WORLD RUN<br />

SO LÄUFT’S<br />

Start in München (und zwölf anderen<br />

Städten) ist der 3. Mai, 13 Uhr.<br />

30 Minuten später fährt das<br />

Catcher Car los. Das Rennen ist<br />

beendet, wenn es den letzten Läufer<br />

überholt hat.<br />

SO LÄUFST DU<br />

Die Anmeldung für den Live-Event<br />

in München ist so lange möglich, bis<br />

der Lauf ausverkauft ist. Alternativ<br />

kannst du dich organisierten<br />

App Runs anschließen oder am Ort<br />

deiner Wahl mittels der Wings for Life<br />

World Run App teilnehmen.<br />

INFORMATIONEN UND ANMELDUNG<br />

WINGSFORLIFEWORLDRUN.COM<br />

THE RED BULLETIN 87


Lesestoff<br />

FANTASY-BOOM<br />

BLUTIGER<br />

ERBFOLGEKRIEG<br />

Mit seinem Kult-Zyklus „Das Lied von Eis und Feuer“ („Game of Thrones“)<br />

hat US-Autor George R. R. Martin ein völlig neues Kapitel der Fantasy-<br />

Literatur aufgeschlagen. Aber wer setzt dieses als würdiger Thronerbe<br />

fort? Wir sagen: JOE ABERCROMBIE.<br />

„<br />

Für alle Fans von ‚Game<br />

of Thrones‘!“ Die Cover-<br />

Buttons, mit denen Buchverlage<br />

seit nunmehr über zehn<br />

Jahren versuchen, ihre Fantasy-<br />

Neuerscheinungen im lukrativen<br />

Kielwasser von George R. R. Martins<br />

Kult-Zyklus zu positionieren,<br />

haben sich zur wahren Epidemie<br />

entwickelt. In den meisten Fällen<br />

gilt hier allerdings die alte Weisheit:<br />

Nicht alles, was hinkt, ist<br />

ein Vergleich.<br />

Um diesen literarischen Erbfolgekrieg<br />

ein wenig zu lichten,<br />

muss man sich zunächst vor<br />

Augen führen, was denn „Das<br />

Lied von Eis und Feuer“ (so der<br />

Titel der auf Deutsch zehnteiligen<br />

Buchvorlage zur HBO-Erfolgs serie<br />

„Game of Thrones“) tatsächlich<br />

auf den Fantasy-Thron gehoben<br />

hat. Und dabei zeigt sich, nicht<br />

ohne Ironie: in erster Linie<br />

der äußerst sparsame Einsatz<br />

aller klassischen Versatzstücke<br />

der Fantasy-Literatur. Martin,<br />

der selbst einst sehr elastisch als<br />

„der amerikanische J. R. R. Tolkien“<br />

vermarktet wurde, lässt weder<br />

gleißende Schwertkämpfer noch<br />

androgyne Elfen, grindige Orks<br />

oder knorrige Zwerge und auch<br />

keine Zauberer mit albernen<br />

Hüten aufmarschieren.<br />

Stattdessen bringt er eine<br />

ful minant ziselierte Truppe von<br />

Charakteren in Stellung, die –<br />

sofern sie nicht völlig unerwar-<br />

VINZ SCHWARZBAUER JAKOB HÜBNER<br />

88 THE RED BULLETIN


guide<br />

<strong>DE</strong>R ERSTE<br />

ABSATZ<br />

Logan hechtete zwischen den<br />

Bäumen hindurch; seine nackten<br />

Füße rutschten auf dem nassen<br />

Boden, dem Schlamm und den<br />

glitschigen Kiefernnadeln immer<br />

wieder aus. Pfeifend schoss<br />

der Atem aus seinem Mund, und<br />

das Blut dröhnte in seinem Kopf.<br />

Er stolperte und prallte hart auf<br />

der Seite auf, wobei er sich fast<br />

die eigene Axt in die Brust bohrte.<br />

Dann lag er keuchend da und<br />

spähte angestrengt in den<br />

dämmerigen Wald.<br />

tet eines scharfkantigen Todes<br />

sterben – immer mehr an Tiefenschärfe<br />

gewinnen und diese rund<br />

5000 Seiten starke Sex-and‐Crime-<br />

Orgie locker schultern. Magisches<br />

Material setzt Martin nur ein, um<br />

die Fugen seines martialischen<br />

Intrigantenstadls zu kitten. Und:<br />

Fast alle Figuren agieren jenseits<br />

von Gut und Böse. Die Moral<br />

von der Geschicht’, die gibt es<br />

schlichtweg nicht.<br />

Womit also der Kandidatenkreis<br />

„Für alle Fans von ‚Game of<br />

Thrones‘!“ bereits deutlich an Radius<br />

verliert. Genre-Durch starter<br />

wie Jay Kristoff, Scott Lynch oder<br />

Michael J. Sullivan (siehe Tipps)<br />

liefern zwar erstklassigen Genre-<br />

Lesestoff ab – was die opulente<br />

Niedertracht betrifft, befinden sie<br />

sich aber nicht ganz auf Augenhöhe<br />

mit Mr. Martin.<br />

Und hier kommt Joe Abercrombie<br />

ins Spiel. Der britische<br />

Autor, Jahrgang 1974, hat genau<br />

jenen Mix aus brachialer Action<br />

und intelligenter Personalpolitik<br />

im Programm, der das Zeug dazu<br />

hat, darbende „GoT“-Fans aus<br />

dem kalten Entzug zu reißen.<br />

Sein grandioser „<strong>The</strong> First Law“-<br />

Zyklus (dt. „Klingen“-Serie) wurde<br />

von Kritikern vom Stand weg in<br />

den Himmel gejauchzt, für das<br />

ganz große nächste Ding reichte<br />

es dann aber trotzdem nicht –<br />

was ein echter Jammer ist.<br />

Im Mittelpunkt der Serie<br />

(„Kriegsklingen“, „Feuerklingen“,<br />

„Königsklingen“), die Abercrombie<br />

mit vier Add-ons („Rache klingen“,<br />

„Heldenklingen“, „Blutklingen“,<br />

„Schattenklingen“) nachfettete,<br />

stehen drei Figuren: ein legendärer<br />

Barbar mit aus geprägtem Hang<br />

zum Blutrausch, ein undurchsichtiger<br />

Magier, der keinen nennenswerten<br />

Unterschied zwischen<br />

Menschen und Marionetten<br />

macht, und ein verkrüppelter<br />

Inquisitor, in dessen Adern unverdünnter<br />

Zynismus zirkuliert.<br />

Um diese drei faszinierenden<br />

Protagonisten gruppiert Abercrombie<br />

– nebenbei diplomierter<br />

Psychologe – mit einem geradezu<br />

beängstigenden Gespür für<br />

Sidekicks weitere kongeniale<br />

Handlungsträger, die es ihm<br />

ermöglichen, seine kriegerische<br />

Abenteuerschwarte in einem von<br />

mehreren Feuern erhitzten, wunderbar<br />

würzigen Sud schmoren<br />

zu lassen.<br />

Aber Achtung: Auch wenn<br />

Aber crombie die Streitaxt mitunter<br />

mit der stilistischen Eleganz<br />

eines Floretts führt, ist das<br />

hier immer noch derbe Ware.<br />

Hart, räudig und sehr brutal.<br />

Mit der lang ersehnten Fortsetzung<br />

„Zauberklingen“, dem<br />

ersten Teil des neuen Zyklus<br />

„<strong>The</strong> Age of Madness“, kehrt<br />

Abercrombie nun ins „<strong>The</strong> First<br />

Law“-Universum zurück. Und<br />

am Cover wird – Überraschung!<br />

– ein ge wisser George R. R.<br />

Martin zitiert: „Ein Rache-Epos,<br />

das mich von der ersten Seite<br />

an gepackt hat.“ Womit sich der<br />

literarische Kreis ganz fantastisch<br />

schließt.<br />

JOE ABERCROMBIE:<br />

DIE KLINGEN-SAGA<br />

Bislang sind sieben Bände erschienen,<br />

der achte, „Zauber klingen“ (Deutsch<br />

von Kirsten Borchardt; Heyne Verlag),<br />

ist seit 10. Februar <strong>2020</strong> erhältlich.<br />

GENRE-TIPPS<br />

VORSICHT:<br />

SUCHTGEFAHR!<br />

Erlesene Erfolgsserien: aktuelle Fantasy-<br />

Zyklen, die Lust auf mehr machen<br />

JAY KRISTOFF:<br />

„NEVERNIGHT“<br />

In seiner Heimat Australien<br />

hat Kristoff so ziemlich<br />

alle Preise abgeräumt,<br />

die das Genre hergibt.<br />

Sein virtuoser „Nevernight“-<br />

Zyklus rund um die junge<br />

Assassinin Mia Corvere ist<br />

stilistisch brillant, definitiv<br />

nicht jugendfrei und<br />

sehr, sehr böse.<br />

2 Bände; Fischer/Tor<br />

JOHN GWYNNE:<br />

„BLUT UND KNOCHEN“<br />

John Gwynnes neuer Zyklus<br />

schließt nahtlos an seine<br />

preisgekrönte High-Fantasy-<br />

Saga „Die Getreuen und<br />

die Gefallenen“ (vier Bände)<br />

an und ist ein gefundenes<br />

Fressen für alle Freunde<br />

reichlich garnierter<br />

Schlacht platten mit Hang<br />

zur blutigen Rohkost.<br />

1 Band; Blanvalet<br />

MICHAEL J. SULLIVAN:<br />

„THE FIRST EMPIRE“<br />

In der sechsteiligen „Riyria“-<br />

Serie hat Sullivan das<br />

vermutlich charmanteste<br />

Buddy-Duo der Fantasy-<br />

Literatur kreiert. Sein<br />

aktueller „Empire“-Zyklus<br />

ist etwas epischer angelegt,<br />

punktet aber ebenso<br />

mit höchsten Sympathiewerten.<br />

3 Bände; Knaur<br />

SCOTT LYNCH:<br />

„GENTLEMAN BASTARDS“<br />

Mit dem genialen Meisterdieb<br />

Locke Lamora hat<br />

Scott Lynch einen Helden<br />

er schaffen, der sich den<br />

Titel „Schlafräuber“ wahrlich<br />

verdient hat. Spannung,<br />

Humor und Action in<br />

perfekter Balance – praller<br />

kann man Unterhaltungsliteratur<br />

kaum gestalten.<br />

3 Bände; Heyne<br />

ANTHONY RYAN:<br />

„DRACONIS MEMORIA“<br />

Fantasy-Drachensteigen für<br />

Erwachsene: Nach seiner<br />

faszinierend düsteren<br />

„Rabenschatten“-Trilogie<br />

heizt der Schotte dem<br />

Genre mit einem gewagten<br />

Mix aus blutrünstigem<br />

Abenteuer, stampfendem<br />

Steampunk und subtiler<br />

Politparabel ein.<br />

3 Bände; Klett-Cotta<br />

MARK LAWRENCE:<br />

„DAS BUCH <strong>DE</strong>R AHNEN“<br />

Coming of Age auf die harte<br />

Tour: Mark Lawrence hat<br />

schon mehrfach bewiesen,<br />

dass er sich auf der dunklen<br />

Seite der Macht pudelwohl<br />

fühlt – sehr zum Leid -<br />

wesen der kleinen Nona,<br />

die sich hier durch ein<br />

sub versiv choreografiertes<br />

Rache-Epos kämpft.<br />

2 Bände; Fischer/Tor<br />

THE RED BULLETIN 89


Events<br />

Februar<br />

Bester Rutsch im<br />

neuen Jahr<br />

Kämpfe um Tausendstel erwarten die<br />

Zuschauer beim Rennrodel-Weltcup<br />

in der Veltins-Eisarena in Winterberg.<br />

Auf der Hochgeschwindigkeitsbahn<br />

mit ihren 15 Steilkurven im Herzen<br />

der Wintersport-Arena Sauerland<br />

werden die Damen- und Herren-Weltcuprennen<br />

im Einsitzer, Doppelsitzer<br />

und in der Teamstaffel ausgetragen.<br />

Zu den Favoriten zählt einmal mehr<br />

der deutsche Rodler Felix Loch.<br />

Winterberg; veltins-eisarena.de<br />

22<br />

<strong>März</strong><br />

Schatten<br />

über Berlin<br />

In der Hip-Hop-Szene gilt<br />

DJ Shadow als Legende. Seine<br />

Kunst: Er greift Versatzstücke<br />

anderer Songs auf, bearbeitet<br />

sie und flechtet sie zu neuen<br />

Gesamtkunstwerken zusammen.<br />

Nun kommt er für sein<br />

einziges Deutschland-Konzert<br />

in die Hauptstadt Berlin und<br />

präsentiert sein neues Doppelalbum<br />

„Our Pathetic Age“.<br />

Berlin, Metropol;<br />

djshadow.com<br />

12 24<br />

Februar<br />

bis 1. <strong>März</strong><br />

Über Bretter<br />

brettern<br />

Keine Gänge, keine Bremsen,<br />

Wettbewerb pur: Bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften<br />

im Velodrom<br />

in Berlin rasen die Könner<br />

des Indoor-Radsports über die<br />

Holzbahn. Auch Laien verstehen<br />

schnell, wie die unterschiedlichen<br />

Rennformate funktionieren, und<br />

lassen sich von der mitreißenden<br />

Atmosphäre begeistern.<br />

Berlin, Velodrom;<br />

trackcycling-berlin.com<br />

29<br />

Februar<br />

bis 1. <strong>März</strong><br />

QUERTREIBER<br />

Während Freizeit-Biker ihr<br />

Motorrad bei Glatteis stehen<br />

lassen, geben andere Piloten da<br />

erst richtig Gas: Beim Finale der<br />

FIM Ice Speedway of Nations<br />

World Championships rasen die<br />

Athleten mit ihren Maschinen<br />

über die gefrorene Piste. Dank<br />

Spikes an den Rädern können<br />

Fahrer wie Weltmeister Daniil<br />

Ivanov (Bild) beinahe waagrecht<br />

durch die Kurven fliegen.<br />

Berlin, Horst-Dohm-Eisstadion;<br />

eisspeedwayberlin.de<br />

5<br />

<strong>März</strong><br />

Plötzlich verzaubert<br />

Tom Hanks spielt im Film „Der wunderbare<br />

Mr. Rogers“ den beliebten Kinderentertainer<br />

Fred Rogers, der in den USA mit der TV-Serie<br />

„Mr. Rogers’ Neighborhood“ berühmt wurde. Als<br />

der Journalist Lloyd Vogel, gespielt von Matthew<br />

Rhys, erfährt, dass er Fred Rogers interviewen<br />

soll, ist er zunächst genervt, weil er sich eigentlich<br />

als knallharten Investigativ-Schreiber sieht.<br />

Doch die Begegnung mit Rogers verändert sein<br />

Leben auf unerwartete Weise für immer.<br />

„Der wunderbare Mr. Rogers“ läuft im Kino.<br />

FIM/GOODSHOOT, SONY PICTURES, BERNHARD KREMPL<br />

90 THE RED BULLETIN


guide<br />

14<br />

bis 16. <strong>März</strong><br />

TELEMARKEN<br />

AM OBERJOCH<br />

Ski-Weltcup einmal anders: Beim<br />

FIS Telemark Weltcup am Oberjoch<br />

im Allgäu kann man diese Disziplin<br />

besser kennenlernen, hier in ihrer<br />

rasanten Form. Am Freitag steigt<br />

das Training, Samstag der Classic<br />

Sprint, Sonntag der Parallel Sprint.<br />

Ideal, um selbst einen Skitag zu<br />

genießen und in den Pausen Stars<br />

wie Johanna Holzmann (Bild) in<br />

Aktion zu erleben.<br />

Bad Hindelang; telemark-weltcup.de<br />

Der neue BOOMSTER GO<br />

PLAY HARD.<br />

Der BOOMSTER GO legt den legendären Teufel Sound in deine Hand. Egal ob beim<br />

Wandern, am Bike oder bei der Umrundung des Mars. Wohin wirst du ihn mitnehmen?<br />

teufel.de/boomster-go


Events<br />

21. <strong>März</strong><br />

RED BULL HOMERUN: DAS GROSSE RENNEN<br />

Massenstart in den Bergen: Bei diesem Fun-Event fahren rund 500 Teilnehmer um die Wette –<br />

auf Skiern und auf Snowboards. Es gewinnen aber nicht nur die Schnellsten.<br />

Wild gewordene Riesenhasen<br />

auf der Piste, spektakuläre<br />

Verfolgungsjagden zwischen<br />

Ski- und Snowboardfahrern, feiernde<br />

Zuschauer an der Strecke: Am 21. <strong>März</strong><br />

erwartet Besucher des Skigebiets<br />

Winklmoosalm-Steinplatte Action<br />

der besonderen Art. Denn an diesem<br />

Samstag steigt der <strong>Red</strong> Bull Homerun<br />

in Reit im Winkl in den Chiemgauer<br />

Alpen, etwa 90 Minuten mit dem Auto<br />

von München entfernt. Los geht’s um<br />

17 Uhr mit dem großen Massenstart.<br />

Zunächst sprinten die rund 500 Teilnehmer<br />

zu Fuß bis zur Wechselzone,<br />

in der ihre Sportgeräte liegen – Ski,<br />

Snowboard, Mono- oder Telemarkski.<br />

Auf denen stürzen sie sich anschließend<br />

die 6400 Meter lange Piste<br />

hinunter. Übrigens: Es gewinnen nicht<br />

nur die schnellsten Frauen und Männer<br />

auf Skiern und Snowboard, es gibt<br />

auch Auszeichnungen für die besten<br />

Kostüme – und zum Schluss eine große<br />

After-Ski-Party für alle.<br />

Du willst beim spektakulärsten<br />

Massenstart des Jahres dabei sein?<br />

Dann melde dich jetzt an unter:<br />

redbull.com/homerun<br />

Die Teilnehmer<br />

beim Le-Mans-Start:<br />

In eiligem Lauf geht’s<br />

zu den Sportgeräten.<br />

FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL (2), MARCEL LÄMMERHIRT/RED BULL CONTENT POOL,<br />

FLORIAN BREITENBERGER/RED BULL CONTENT POOL<br />

92 THE RED BULLETIN


guide<br />

SCHNELLE FACTS<br />

500 Teilnehmer können beim<br />

<strong>Red</strong> Bull Homerun an den Start gehen.<br />

6400 Meter ist die Strecke lang,<br />

die Skifahrer und Snowboarder<br />

bewältigen müssen.<br />

717 Meter beträgt der Höhenunterschied<br />

zwischen Start (auf 1851 Metern)<br />

und Ziel (liegt 1134 Meter hoch).<br />

5:50 Minuten sind zu unterbieten.<br />

So lange brauchte der schnellste<br />

Fahrer im Jahr 2019 für die Strecke.<br />

13 Lifte und Seilbahnen umfasst<br />

das Skigebiet Winklmoosalm-Steinplatte.<br />

Im Ticket für den <strong>Red</strong> Bull<br />

Homerun ist ein Tagespass inbegriffen.<br />

Gute Outfits am Start: Neben den schnellsten Fahrerinnen<br />

und Fahrern gewinnt auch das beste Kostüm.<br />

TIPPS<br />

SCHNELLES<br />

MATERIAL<br />

Siegertypen wissen:<br />

Es kommt nicht nur<br />

auf Leistung an.<br />

BESTE ZEIT<br />

Die SUUNTO 9 BARO RED<br />

ist eine Sport-GPS-Uhr mit<br />

barometrischer Höhenmessung<br />

– optimal zur<br />

Analyse des Skitrainings.<br />

599 Euro; suunto.com<br />

Bene Mayr,<br />

Freeski-Star<br />

SO HÄNGST<br />

DU ALLE AB<br />

„Wer von<br />

außen startet,<br />

ist im Vorteil.“<br />

Bene Mayr,<br />

Sportlicher Leiter<br />

<strong>Red</strong> Bull Homerun<br />

Lehn dich an die Wand<br />

Je länger du es in der Rennhocke<br />

aushältst, desto schneller<br />

bist du am Ziel. Für die meisten<br />

dauert die <strong>Red</strong> Bull Homerun-<br />

Abfahrt zwischen fünf und zehn<br />

Minuten, da brennen früher oder<br />

später die Oberschenkel. Lehn<br />

dich deshalb zur Vorbereitung in<br />

den Wochen vor dem Start jeden<br />

Tag einmal zu Hause in der Sitzposition<br />

mit dem Rücken an die<br />

Wand, wobei deine Knie mit<br />

90 Grad angewinkelt sind. Sobald<br />

du fünf Minuten schaffst,<br />

bist du bereit.<br />

Gönn deinen Skiern<br />

eine Extraportion Wachs<br />

Wie schnell du sein kannst, entscheiden<br />

auch deine Ski oder<br />

dein Snowboard. Verpass ihnen<br />

deshalb am Vorabend des Rennens<br />

eine Extraportion Wachs.<br />

Schau vor dem Einkauf unbedingt<br />

auf den Wetterbericht!<br />

Viele Hersteller bieten auf die<br />

Temperatur hin optimierte<br />

Wachs varianten an – den Unterschied<br />

merkst du wirklich. Profi-<br />

Tipp: Zum Abschluss mit Fluorwachs<br />

drübergehen, dann fliegst<br />

du regelrecht über die Piste.<br />

Starte als Außenseiter<br />

Beim Massenstart sind die<br />

Plätze in der Mitte am begehrtesten<br />

– klar, sie liegen auf der<br />

Ideallinie. Stell dich trotzdem<br />

besser nach außen. Da hast du<br />

vergleichsweise freie Bahn und<br />

bist vor den meisten Mittelstürmern<br />

bei deinen Skiern<br />

oder deinem Snowboard.<br />

Park deinen Hintern<br />

Wer das Rennen gewinnt,<br />

hängt auch davon ab, wer die<br />

Flachpassagen am schnellsten<br />

bewältigt. Mein Tipp für die<br />

Skifahrer: Nimm ordentlich<br />

Schwung mit und setz dich<br />

dann mit dem Hintern auf die<br />

Bindung. Das minimiert den<br />

Luftwiderstand und entlastet<br />

die Oberschenkel. Mein Tipp für<br />

Snowboarder: Nimm dir einen<br />

Skifahrer mit, der dich „zieht“.<br />

Kleide dich windschnittig<br />

Auch für das beste Kostüm gibt<br />

es eine Auszeichnung. Damit es<br />

dich beim Rennen nicht bremst,<br />

such dir etwas eng Anliegendes<br />

aus. Aus einem weißen Skianzug<br />

kannst du zum Beispiel<br />

ein Zebrakostüm basteln.<br />

GUTER GRIFF<br />

Der Salomon S/Force Bold<br />

steht für Stabilität auch<br />

bei höherem Tempo, seine<br />

Konstruktion sorgt für<br />

viel Energie auf der Kante.<br />

899,99 Euro; salomon.com<br />

BEWÄHRTES BRETT<br />

Extrem verlässlich<br />

und für jedes Gelände<br />

geeignet: Das Burton<br />

Custom Camber ist dank<br />

seiner Vielseitigkeit immer<br />

eine gute Wahl.<br />

600 Euro; burton.com<br />

THE RED BULLETIN 93


Gaming<br />

guide<br />

„Mario Kart“-Figuren:<br />

Was sagt deren Auswahl<br />

über den Spieler aus?<br />

GAME-ANALYSE<br />

MARIO SMART<br />

Wissenschaftlich bewiesen: Das Rennspiel „Mario Kart“<br />

lässt dich besser Auto fahren – und unbeschwerter leben.<br />

Wenn sich Nintendo-Entwickler<br />

Shigeru Miyamoto<br />

ein Spiel ausdenkt,<br />

wendet er „kyokan“ an. Für die<br />

alten Philosophen hieß „kyokan“<br />

so viel wie „sich in den anderen<br />

einfühlen“. Für den Schöpfer<br />

von „Mario“ und „<strong>The</strong> Legend<br />

of Zelda“ beschreibt es das Verhältnis<br />

zwischen Programmierer<br />

und Spieler. „Nur was mir Spaß<br />

macht, kann auch anderen Spaß<br />

machen“, erklärt Miyamoto.<br />

Als er 1992 „Super Mario<br />

Kart“ für das Super Nintendo<br />

Entertainment System erfand,<br />

war „kyokan“ bereits Teil der<br />

Game-DNA. Und des Erfolgsgeheimnisses<br />

des damals völlig<br />

neuen Genres Kart-Racing.<br />

27 Jahre und etliche erfolglose<br />

Kopierversuche später (siehe<br />

„Garfield Kart“) zählt „Mario<br />

Kart“ zu den beliebtesten Spielen<br />

überhaupt – auch in der neuesten<br />

Mobilversion „Mario Kart Tour“.<br />

Doch was fasziniert die Gamer<br />

so daran? Hier die <strong>The</strong>sen von<br />

Spielpsychologe Jamie Madigan<br />

und seinen Kollegen:<br />

EXPERTEN-<br />

PROFIL<br />

JAMIE<br />

MADIGAN<br />

SPIEL-PSYCHOLOGE<br />

Der Autor von „Getting<br />

Gamers: <strong>The</strong> Psychology<br />

of Video Games and<br />

<strong>The</strong>ir Impact on the<br />

People Who Play <strong>The</strong>m“<br />

betreibt auf psychologyofgames.com<br />

auch eine<br />

Podcast-Serie und einen<br />

Blog, in denen er die Beweggründe<br />

von Gamern<br />

und die Hintergründe<br />

von Games beleuchtet.<br />

NIEMAND IST PERFEKT<br />

Was deine „Mario Kart“-Lieblingsfigur<br />

über dich aussagt, analysierte die Psychologie-Professorin<br />

Dr. Karen Chenier<br />

in der US-Wochenzeitung „Willamette<br />

Week“ (erscheint in Portland, Oregon).<br />

Laut ihrer <strong>The</strong>se wählen Gamer Avatare<br />

aus, die ihnen charakterlich ähneln:<br />

zum Beispiel den neurotischen Luigi,<br />

den clownhaften Saurier Yoshi oder den<br />

narzisstischen Bowser. Für Miyamoto ist<br />

Mario ein „Held der einfachen Leute“.<br />

Doch Madigan schränkt ein: „Viele<br />

wählen auch einfach nur jene Figur,<br />

die ihnen am besten gefällt oder deren<br />

Skills ihnen am meisten Spaß machen.“<br />

„Held der einfachen Leute“: Kultfigur<br />

Mario auf einem seiner Karts<br />

WIE IM ECHTEN LEBEN<br />

Haben auch die Power-ups tiefere Bedeutung,<br />

symbolisieren sie womöglich<br />

das Auf und Ab des Lebens? Die roten<br />

Koopa-Panzer könnten für Heimtücke<br />

stehen, die Bananenschale für Pech,<br />

ein Pilz, der schneller macht, für Energie<br />

und ein Unbesiegbarkeit verleihender<br />

Stern für Selbstvertrauen. Nur der<br />

blaue Panzer scheint nicht ganz dazuzupassen<br />

– der ist nämlich nur für<br />

den Führenden gefährlich. „Das Leben<br />

ist manchmal nicht fair“, sagt Kosuke<br />

Yabuki, Game-Designer von „Mario<br />

Kart 8“. „Wir wollten den blauen Panzer<br />

weglassen, aber ohne ihn hätte einfach<br />

etwas gefehlt.“<br />

OPTIMISMUS-BOOST<br />

Ein gutes Game lässt dir in jeder<br />

Situa tion eine Chance – und motiviert<br />

dich so permanent zum Weiterspielen.<br />

Bei „Mario Kart“ nennt man das Belohnungssystem<br />

„Gummiband-Effekt“.<br />

Je nach Rennposition bekommt jeder<br />

Spieler unterschiedliche Power-ups: Für<br />

Nachzügler gibt es Geschwindigkeits-<br />

Boosts und für das Mittelfeld Waffen,<br />

während auf den Führenden nur eine<br />

popelige Bananenschale wartet. „Spiele<br />

wie ‚Mario Kart‘ geben dir das Gefühl,<br />

die Dinge im Griff zu haben“, interpretiert<br />

Madigan.<br />

SICHERER AM STEUER<br />

2016 untersuchten Forscher an den<br />

Universitäten von Schanghai und Hongkong<br />

die Auswirkung von „Mario Kart“<br />

und „RollerCoaster Tycoon“ (bei dem<br />

man Vergnügungsparks bauen muss)<br />

auf die analogen Fähigkeiten der Spieler.<br />

Sie wiesen nach, dass Gamen die<br />

„visuo motorischen Fähigkeiten der Versuchspersonen<br />

verbessert“ – die Auge-<br />

Hand-Koordination funktioniert also<br />

schneller und zielgerichteter. Madigan<br />

ist vor sichtig optimistisch: „Dass dich<br />

‚Mario Kart‘ beim Fahrsimulationstraining<br />

besser macht, ist nun bewiesen.“<br />

SPASS HABEN ENTSPANNT<br />

Forscher der Uni Queensland stellten<br />

Probanden so lange immer schwerere<br />

Mathematikaufgaben, bis sie keiner<br />

mehr lösen konnte. Wer danach zwei<br />

Runden „Mario Kart“ spielte, wies geringere<br />

Stresslevels und mehr Glückshormone<br />

auf. „Alles, was uns Spaß<br />

macht, kann Stress reduzieren“, sagt<br />

Madigan. „Aber Games sind darin besonders<br />

gut: Sie geben uns das Gefühl,<br />

Dinge unter Kontrolle zu haben. Das<br />

bringt uns tiefere Befriedigung als fast<br />

alles andere, was wir im Alltag erleben.“<br />

NINTENDO TOM GUISE<br />

94 THE RED BULLETIN


Entertainment<br />

guide<br />

Ausgewählt<br />

für dich:<br />

das Highlight<br />

des Monats<br />

AARON BLATT/RED BULL CONTENT POOL, JAANUS REE/REDBULL CONTENT POOL, MARK ROE/RED BULL CONTENT POOL, SEBASTIAN MARKO/RED BULL CONTENT POOL<br />

STIL,<br />

SATZ<br />

& SIEG<br />

Erlebe Action im<br />

US-Wintermekka, auf<br />

den Straßen Mexikos<br />

und im kanadischen<br />

Eis kanal direkt in<br />

deinem Wohnzimmer:<br />

Das sind die Highlights<br />

von <strong>Red</strong> Bull TV.<br />

SO SIEHST DU<br />

RED BULL TV<br />

ÜBERALL<br />

<strong>Red</strong> Bull TV ist deine globale<br />

digitale Destination für<br />

Entertainment abseits des<br />

Alltäglichen, zu empfangen<br />

rund um die Uhr an jedem Ort<br />

der Welt. Geh auf redbull.tv,<br />

hol dir die App oder connecte<br />

dich via Smart-TV.<br />

Alle Infos: redbull.tv<br />

26<br />

Rundflug über Vail: ein<br />

180 von Zoi Sadowski-<br />

Synnott aus Neuseeland<br />

bis 29. Februar LIVE<br />

BURTON US OPEN<br />

Der Event in den Bergen von Vail im US-Staat<br />

Colorado ist so etwas wie das Wimbledon<br />

für Snowboarder. Der größte Unterschied<br />

zum wichtigsten Tennisturnier der Welt:<br />

Wenn die Ausnahme-Athleten in den Disziplinen<br />

Halfpipe und Slopestyle ihre Künste<br />

zeigen, will keiner hart aufschlagen.<br />

12<br />

bis 15. <strong>März</strong> LIVE<br />

RALLYE MEXIKO<br />

Flotter im Schotter heißt die Devise für<br />

die weltbesten Rallye-Fahrer im mexikanischen<br />

Hochland. Extra-Highlight:<br />

Die verwinkelten Schotterstraßen<br />

f ühren auf bis zu 2700 Meter Höhe.<br />

22<br />

Februar LIVE<br />

RED BULL<br />

ICE CROSS<br />

Auch in Quebec gilt: Wer vier stramme<br />

Athleten zugleich in einen engen Eiskanal<br />

steckt, erlebt einen Kampf um jeden Zentimeter<br />

– sehr zur Freude der Zuseher.<br />

MOTOGP-<br />

AUFTAKT<br />

8<br />

<strong>März</strong><br />

LIVE<br />

Dröhnende Motoren,<br />

spektakuläre Überholmanöver,<br />

frenetische<br />

Fans: Endlich startet<br />

die MotoGP in die neue<br />

Saison. Traditionell<br />

steigt das erste Rennen<br />

in Katar, auf das<br />

Qualifying (7. 3.) folgt<br />

der Grand Prix (8. 3.).<br />

Für Champion Marc<br />

Márquez (Bild) wird es<br />

im Repsol-Honda-Team<br />

familiär wie noch nie<br />

zugehen, ist Bruder<br />

Álex doch jetzt zweiter<br />

Fahrer. Bei ServusTV<br />

erwartet Zuschauer<br />

geballte Motorsportkompetenz:<br />

Neben<br />

Motorradlegende Gustl<br />

Auinger und Ex-Moto-<br />

GP-Pilot Alex Hofmann<br />

ergänzt Moto2-<br />

Weltmeister<br />

Stefan Bradl das<br />

Expertenteam.<br />

REINSCHAUEN:<br />

SERVUSMOTOGP.COM<br />

THE RED BULLETIN 95


IMPRESSUM<br />

THE RED<br />

BULLETIN<br />

WELTWEIT<br />

Aktuell erscheint<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

in sechs Ländern. Auf<br />

dem Cover unserer<br />

Frankreich-Ausgabe ist<br />

diesen Monat Franck<br />

Gastambide zu sehen,<br />

der vom Hunde trainer zu<br />

einem der angesagtesten<br />

Schauspieler und Filmemacher<br />

des Landes<br />

aufstieg.<br />

Mehr Storys abseits des<br />

Alltäglichen gibt’s auf:<br />

redbulletin.com<br />

Chefredakteur<br />

Alexander Macheck<br />

Stv. Chefredakteure<br />

Andreas Rottenschlager, Nina Treml<br />

Creative Director<br />

Erik Turek<br />

Art Directors<br />

Kasimir Reimann (stv. CD),<br />

Miles English, Tara Thompson<br />

Head of Photography<br />

Eva Kerschbaum<br />

Deputy Head of Photography<br />

Marion Batty<br />

Photo Director<br />

Rudi Übelhör<br />

Textchef<br />

Andreas Wollinger<br />

Chefin vom Dienst<br />

Marion Lukas-Wildmann<br />

Managing Editor<br />

Ulrich Corazza<br />

Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina<br />

de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz<br />

Fotoredaktion<br />

Susie Forman, Ellen Haas, Tahira Mirza<br />

Head of Commercial & Publishing Management<br />

Stefan Ebner<br />

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Publishing Management Sara Varming (Ltg.),<br />

Ivona Glibusic, Bernhard Schmied,<br />

Melissa Stutz, Mia Wienerberger<br />

B2B-Marketing & -Kommunikation<br />

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Stefan Portenkirchner<br />

Executive Creative Director Markus Kietreiber<br />

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Marchart<br />

Commercial Design<br />

Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch,<br />

Simone Fischer, Martina Maier, Florian Solly<br />

Anzeigenservice<br />

Manuela Brandstätter, Monika Spitaler<br />

Herstellung Veronika Felder<br />

Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba,<br />

Sabine Wessig<br />

Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.),<br />

Claudia Heis, Sandra Maiko Krutz,<br />

Nenad Isailović, Josef Mühlbacher<br />

MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler<br />

Operations Alexander Peham, Yvonne Tremmel<br />

Assistant to General Management<br />

Patricia Höreth<br />

Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus<br />

Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb),<br />

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96 THE RED BULLETIN


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SERVUS MotoGP TM !<br />

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AB SONNTAG | 08. MÄRZ<br />

Einfach gut fernsehen.


Perfekter Abgang<br />

Cloud Hopping<br />

Sein Reich sind städtische Straßen und Parks. BMX-Profi Matthias Dandois hat sich auf<br />

Flatland spezialisiert: Tricks auf ebenen Flächen ohne Rampen, Sprünge oder Grind Rails.<br />

Aber der Franzose steckt sich hohe Ziele. Und so zog es den vielfachen Champion auf<br />

den 3226 Meter hohen Gipfel der Aiguille Rouge in den Alpen: Video auf redbull.com<br />

Die nächste<br />

Ausgabe des<br />

RED BULLETIN<br />

erscheint am<br />

10. <strong>März</strong><br />

<strong>2020</strong>.<br />

ANDYPARANT.COM<br />

98 THE RED BULLETIN


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du ein<br />

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jeder 10. Blutkrebspatient in Deutschland keinen geeigneten Spender.<br />

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