05.03.2020 Aufrufe

Wagnersche - Stierle Magazin No. 10

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Neu:<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

Wagner<br />

zweimalı˙g<br />

03.2020<br />

#<strong>No</strong>. <strong>10</strong><br />

Das Buchmagazin der<br />

Buchhandlungen<br />

Wagner’sche<br />

Innsbruck<br />

Bücher <strong>Stierle</strong><br />

Salzburg


Impressum<br />

Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />

Wagner’sche Universitätsbuchhandlung, Medici Buchhandels GmbH,<br />

Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />

info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />

Redaktion: Robert Renk<br />

© der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren<br />

Grafische Ausstattung: himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />

Fotografie (so nicht anders angegeben): Thomas Schrott<br />

© der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern<br />

Titelbild: Thomas Schrott<br />

Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />

© 03.2020 – alle Rechte vorbehalten<br />

2 Wagner’sche.<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Dieses <strong>Magazin</strong> ist für<br />

uns ein ganz besonderes,<br />

da wir mit der <strong>10</strong>. Nummer<br />

von „Wagner einmalig“ die<br />

Grenzen unseres Bundeslandes<br />

überschreiten und<br />

dieses auch in Salzburg Verbreitung<br />

findet. Seit Jänner<br />

betreiben wir dort nämlich<br />

die Buchhandlung <strong>Stierle</strong>.<br />

Mit diesem <strong>Magazin</strong> begrüßen<br />

wir nun also offiziell<br />

unsere neuen Kolleginnen,<br />

die in Salzburg schon in den<br />

vergangenen Jahren mit der<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong> ein<br />

kleiner Leuchtturm im österreichischen<br />

Buchhandel<br />

waren. Ihre Leidenschaft<br />

zum Buch teilen sich die vier<br />

Kolleginnen mit uns und wir<br />

freuen uns, die Damen im<br />

Team der Wagner’schen willkommen<br />

heißen zu können.<br />

Es wird daher unsere Leserinnen<br />

und Leser nicht verwundern,<br />

dass wir in dieser<br />

Ausgabe auch einen größeren<br />

Salzburg-Schwerpunkt<br />

bringen, damit wir auch hier<br />

zeigen können, was unsere<br />

Ideen und Ambitionen im<br />

Buchhandel sind und was<br />

die Wagner’sche von anderen<br />

Buchhandlungen abhebt.<br />

Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />

Inhalt<br />

4 Markus Renk über<br />

große Neuerungen<br />

Filiale in Salzburg und Freytag & Berndt in der Wagner’schen<br />

8 Neues aus unserem Buchverlag<br />

Weitere Bücher aus der beliebten Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“<br />

12 Salzburg trifft Innsbruck<br />

Die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> lädt zum Literaturreigen<br />

22 Poznanski × 2<br />

Die österreichische Krimiqueen in Innsbruck + Salzburg zu Gast<br />

24 Musikalisches Speeddating<br />

11 MusikerInnen an einem Abend: Leash the dog stellt sich vor<br />

26 Tiroler Landestheater<br />

Vergessenes gemeinsam wiederbeleben<br />

30 Eva-Maria Gintsberg<br />

und ihr großartiges und bedachtes Debüt „Die Reise“<br />

32 Monika Helfer<br />

mit „Die Bagage“ zu Gast; Moderation: Nicola Steiner!<br />

34 43. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche<br />

Zum Thema Film diskutieren neun AutorInnen, mit Peter S. Jungk<br />

38 18. Prosafestival<br />

12 AutorInnen in Innsbruck zu Gast, u.a. María Cecilia Barbetta<br />

42 W:ORTE feiert Frauenpower<br />

Das Lyrikfestival wird sechs, in der Wagner’schen liest u. a. Monika Rinck<br />

46 Ein Blick ins Glücksland<br />

Ha Vinh Tho – der Glücksminister über Bhutan<br />

48 Ilija Trojanow<br />

Sein sensationeller neuer Roman rund um einen Whistleblower<br />

wird für Gesprächsstoff sorgen!<br />

50 Leipzig feiert Südosteuropa<br />

Robert Prosser hat die literarischen Tipps dazu<br />

52 Mit den besten Empfehlungen<br />

54 3×7 Best aber Seller


Die Wagner’sche –<br />

ein Leuchtturm im Buchhandel<br />

Wir expandieren und wachsen weiter<br />

© Andreas Friedle<br />

Die Pflege von<br />

Traditionen<br />

ist nicht einfach<br />

ein stures<br />

Festhalten<br />

an Altem.<br />

Markus Renk<br />

Bücher seit 1639<br />

Die Wagner’sche Buchhandlung ist eine der<br />

ältesten Buchhandlungen Europas, aber die<br />

Pflege von Traditionen ist nicht einfach ein<br />

stures Festhalten an Altem, sondern das<br />

ständige Gehen neuer innovativer Wege.<br />

Das Setzen auf Nachhaltigkeit ist uns hier<br />

besonders wichtig!<br />

Wie die Wagner’sche CO 2<br />

Emissionen vermeidet<br />

& vermindert und warum<br />

5<br />

Im Oktober 2015 haben wir die Innsbrucker<br />

Traditionsbuchhandlung Wagner’sche übernommen<br />

und bewusst wieder als regionale<br />

Buchhandlung positioniert. Bereits mit<br />

unserem Slogan „Alt aber neu“ wollten<br />

wir darauf hinweisen, dass die Buchhandlung<br />

zwar bis zum 30-jährigen Krieg<br />

zurückreicht, aber voll in der Zukunft<br />

angekommen ist. Das Thema Nachhaltigkeit<br />

war uns dabei von Beginn an sehr<br />

wichtig. Unsere Gastronomie baut ihr Gemüse,<br />

ihre Kräuter selbst in Hochbeeten<br />

auf der Terrasse an. Bei der Buchauswahl<br />

ist das Thema Nachhaltigkeit – Green<br />

Living – eines unserer Kernsortimente.<br />

Mit unserem Fahrradkurier-Service stellen<br />

wir Kundenbestellung kostenlos, schnell<br />

und ökologisch zu. Natürlich gibt es keine<br />

Plastiktragtaschen und wir verschenken<br />

auch keine Papiertragtaschen. Im Kaffeebereich<br />

arbeiten wir mit Porzellangeschirr<br />

und bewusst nicht mit Wegwerf-Bechern.<br />

Unsere hauseigenen Verlagsprodukte sind<br />

nicht eingeschweißt und unser Wimmelbuch<br />

ist das erste in Tirol herausgegebene Hardpapp-Bilderbuch<br />

im umweltfreundlichen<br />

Cradle-to-Cradle-Verfahren. Sämtliche<br />

Inhaltsstoffe der Druckprodukte wurden so<br />

optimiert, dass sie für Natur und Mensch<br />

völlig unbedenklich sind. Das gilt für das<br />

Papier genauso wie für die Druckfarben.<br />

Aber wir wollten es genau wissen und<br />

haben mit der Firma ReGreen GmbH unseren<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck analysiert. Wir haben<br />

einerseits unsere Arbeitswege, die Verkehrsmittelwahl,<br />

andererseits den Stromverbrauch,<br />

den Abfall und manches mehr angesehen<br />

und nach Verbesserungen gesucht.<br />

Ziel war eine Reduzierung des CO 2<br />

-Fußabdrucks.<br />

Nachdem wir natürlich nicht<br />

alle Emissionen vermeiden konnten, wurde<br />

der Rest mit Hilfe des Start-Ups ReGreen<br />

in Projekte investiert, um diese Werte zu<br />

kompensieren. Somit ist die Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung in Innsbruck<br />

die erste CO 2<br />

- und klimaneutrale Buchhandlung<br />

Österreichs! Manche Menschen<br />

betrachten dies allerdings als populistische<br />

Marketingmaßnahme und haben uns dafür<br />

kritisiert, aber wir wollten uns bewusst mit<br />

diesem Thema auseinandersetzen und uns<br />

selbst sensibilisieren. Und es freut uns,<br />

dass wir in vielen Bereichen schon sehr<br />

gut unterwegs waren. So verbrauchen alle<br />

22 Kolleginnen und Kollegen zusammen<br />

im Jahr 3,9 Tonnen CO 2<br />

für ihren täglichen<br />

Arbeitsweg, was bei manchen Berechnungsmodellen<br />

im Durchschnitt für eine Person<br />

geschätzt wird. Unabhängig davon, auf<br />

welcher Seite man derzeit bei der Klima-<br />

Debatte steht, wir wollen einen kleinen<br />

Beitrag leisten, der wohl das Weltklima<br />

nicht beeinflussen wird, aber ebenso wenig<br />

schaden kann.<br />

Jeggle in der Wagner’schen<br />

Aber was hat sich – neben unserem<br />

380-Jahr-Jubiläum – 2019 sonst noch<br />

alles in der Wagner’schen getan? Eines der<br />

schönsten Geburtstagsgeschenke haben<br />

wir uns wohl selbst gemacht, mit der<br />

Eröffnung des Jeggle Grußkartenshops im<br />

Eingangsbereich. Einerseits haben wir mit<br />

Clemens Bruch einen wunderbaren Kollegen<br />

bekommen, andererseits ist das Echo<br />

der Kunden überwältigend, was uns außerordentlich<br />

freut. Und wer bekommt schon<br />

so viele Glückwunschkarten zu seinem<br />

Geburtstag? Gut, es war ja auch der 380.<br />

Wagner’sche, die Startrampe<br />

in fremde Welten<br />

Aufgrund der guten Erfahrung mit diesem<br />

Modell haben wir gleich das Gespräch mit<br />

Wolfgang Finger gesucht, er ist Besitzer<br />

der Buchhandlung Freytag & Berndt in<br />

der Wilhelm-Greil-Straße und noch so<br />

nebenbei wohl der ausgewiesene Experte<br />

für Reiseliteratur in Tirol. Es freut uns sehr,<br />

dass er mit 1. März sein Fachwissen in<br />

der Wagner’schen zum Besten gibt und<br />

er, aber auch seine treuen Kunden bei uns<br />

eine neue Heimat gefunden haben. Das<br />

deutlich vergrößerte Reisesortiment in der<br />

Wagner’schen bildet somit einen weiteren<br />

Sortiments-Schwerpunkt in der<br />

Innsbrucker Traditionsbuchhandlung.<br />

Willkommen Salzburg<br />

Aber nicht nur bei uns im Haus haben<br />

wir expandiert und unsere Geschäftstätigkeit<br />

erweitert. Seit 1. Jänner 2020<br />

segelt die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> unter dem<br />

Dach der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />

Innsbruck. Bereits Anfang des<br />

19. Jahrhunderts betrieb die Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung Filialen in Vorarlberg<br />

und Südtirol. Diese Tradition lassen<br />

wir mit der Übernahme der Buchhandlung<br />

<strong>Stierle</strong> wieder aufleben. Die Wagner’sche<br />

sieht sich als „Cirque Du Soleil“ des Buchhandels<br />

und möchte diesen emotional<br />

aufladen. Mit den Impulsen der letzten<br />

Jahre passt <strong>Stierle</strong> perfekt zum Konzept der<br />

Wagner’schen. Wer weiß, vielleicht gibt es<br />

bald mehrere Filialen der Wagner’schen in<br />

Österreich, die Zeit wird es weisen.<br />

Unser Verlag – eine<br />

Herzensangelegenheit<br />

Was wir auf alle Fälle ausbauen werden,<br />

ist – ein Alleinstellungsmerkmal unserer<br />

Buchhandlung – unser hauseigener<br />

Verlag, der sich großer Beliebtheit erfreut<br />

und Regionalia über Innsbruck und Tirol<br />

herausbringt. Bereits 15 Bücher sind z.B.<br />

in der Serie „Erinnerungen an Innsbruck“<br />

erschienen, auch heuer werden zahlreiche<br />

folgen. Mit dem Innsbrucker Wimmelbuch<br />

von Beatrix Egger und Maria Kittler haben<br />

wir im Weihnachtsgeschäft des letzten<br />

Jahres den absoluten Bestseller herausgebracht,<br />

der bereits in der dritten Auflage<br />

verfügbar ist. Heuer möchten wir die<br />

Anzahl unserer Publikationen stark erweitern<br />

und haben uns personell dafür<br />

besser aufgestellt. So sollen neue Serien<br />

kommen, aber auch das Thema Wimmelbuch<br />

wird weiter forciert. Mehr dazu<br />

finden Sie in diesem <strong>Magazin</strong>.<br />

Ihr Markus Renk


Freytag & Berndt<br />

jetzt in der Wagner’schen<br />

Wolfgang Finger übersiedelt mit seinem einmaligen<br />

Reise- und Bergsortiment in die Wagner’sche<br />

Zu reisen, um neue Orte zu entdecken, ist<br />

wahrhaftig eines der schönsten und aufregendsten<br />

Dinge im Leben.<br />

Der Reise-Profi<br />

Bereits vor vielen Jahren eröffnete Freytag<br />

& Berndt auch in Innsbruck eine Zweigniederlassung,<br />

die später an den damaligen<br />

Filialleiter Wolfgang Finger verkauft<br />

wurde. Dieser baute diese Buchhandlung<br />

zum beliebten Einkaufs-Treffpunkt für alle<br />

Reise-, Sport-, und Bergbegeisterte aus und<br />

bot in Innsbruck auch Unerwartetes wie<br />

Segelkarten oder ähnliches an. Dass dies<br />

über Jahrzehnte so gut funktioniert hat,<br />

ist wohl nicht der besonders guten Lage<br />

zu verdanken, sondern den profunden<br />

Fachkenntnissen von Wolfgang Finger, der<br />

in diesem Bereich wohl zu Recht als der<br />

führende Experte in Tirol gilt. Umso mehr<br />

freut es uns, dass Wolfgang Finger seit<br />

1. März unser Team in der Wagner’schen<br />

verstärkt und als Leiter für den Bereich<br />

Reise und Wandern fungiert. Die letzten<br />

Tage und Wochen hat er an der Ausweitung<br />

unseres Sortiments gebastelt, um wie in der<br />

Wilhelm-Greil-Straße auch in der Museumstraße<br />

besondere Bücher und Karten<br />

anzubieten und den einen oder anderen<br />

unerwarteten Insidertipp bei der Hand<br />

zu haben. So kann die Wagner’sche als<br />

Startrampe in fremde Welten dienen, nicht<br />

nur im Bereich der Literatur, wo Sie als<br />

LeserIn in Gedanken in eine fremde Welt<br />

eintauchen und zu diversen Abenteuern<br />

entführt werden, sondern auch bei echten<br />

Reisen in die Welt, wo die Vorbereitung in<br />

der Wagner’schen beginnt und Sie durch<br />

einen persönlich empfohlenen Reiseführer<br />

nichts Wichtiges übersehen und Ihre Reise<br />

hoffentlich zu einem ganz besonderen<br />

Erlebnis wird.<br />

© Markus Renk<br />

© Markus Renk<br />

Tradition trifft Tradition<br />

Vor 168 Jahre kam der aus der Nähe von<br />

Magdeburg stammende Gustav Freytag<br />

zur Welt. Bereits 1866 machte er sich auf<br />

den Weg nach Wien, um bei seinem Onkel<br />

die Lithografie zu erlernen. Nach Jahren<br />

in Leipzig, wo er bei Brockhaus arbeitete,<br />

kehrte er nach Wien zurück und gründete<br />

eine eigene kartografisch-lithografische Anstalt.<br />

Freytag spezialisierte sich zunehmend<br />

im Bereich der Hochgebirgskartografie<br />

der Alpen. Mit Hilfe des Kaufmanns<br />

Wilhelm Berndt finanzierte er die eigene<br />

Druckerei. Diese Zusammenarbeit sollte<br />

über 30 Jahre dauern, bis Berndt aus<br />

gesundheitlichen Gründen zurücktrat und<br />

Freytag den Anteil übergab. Freytag war in<br />

seinem Bereich sehr erfolgreich und zählte<br />

den kaiserlichen Hof zu seinen Kunden.<br />

1908 wurde er zum k.u.k. Hoflieferanten<br />

ernannt und durfte das Unternehmen<br />

fortan k.u.k. Hof-Kartographische Anstalt<br />

nennen. Bekannt wurde er für die Herstellung<br />

von Wanderkarten und später<br />

Straßenkarten. So begann der Aufstieg<br />

zu einem der wichtigsten Reise- und<br />

Kartenverlage Österreichs, der mehrere<br />

Niederlassungen führt und auch mit Buchhandlungen<br />

am Markt tätig ist.<br />

7<br />

Bücher seit 1639<br />

© Markus Renk


Aus dem Verlag der Wagner’schen<br />

Ein Buch zum Verlieben<br />

jetzt in klein, aber trotzdem<br />

komplett umweltfreundlich!<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Über 17.000 Bücher konnten wir alleine im letzten Jahr von<br />

unserem kleinen Regionalverlag verkaufen, das macht uns<br />

einerseits stolz, anderseits motiviert uns dies zu weiteren<br />

Projekten. So werden wir das Programm weiter ausbauen und<br />

neue Reihen entwickeln. Neben der beliebten Taschenbuchserie<br />

„Erinnerungen an Innsbruck“, werden wir auch stark<br />

auf das Thema Wimmelbuch setzen und hier weitere Bände<br />

herausgeben.<br />

Buchtipp:<br />

Peter Walder-Gottsbacher:<br />

Es war einmal in Innsbruck<br />

Verlag der Wagner’schen<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

160 S., € 19,95<br />

Erscheinungstermin: Juli 2020<br />

Peter Walder-Gottsbacher<br />

Es war einmal<br />

in Innsbruck<br />

Ein Spaziergang durch die Stadt<br />

in alten Bildern<br />

© Walder Gottsbacher Peter<br />

Es war einmal in Innsbruck<br />

Ein Spaziergang durch<br />

die Stadt in alten Bildern<br />

Wenn Peter Walder-Gottsbacher als sogenannter<br />

„Zugereister“ in die Innsbrucker<br />

Geschichte mit Hilfe alter Zeitungen einzutauchen<br />

versucht, erlebt er immer wieder<br />

Überraschungen. Seien es „Elektro-Lastwagen“<br />

in der Herzog-Friedrich-Straße,<br />

längst vergessene Hotels, Kaffee- und<br />

Wirtshäuser, Kaufleute und Geschäfte,<br />

oder andere „Merkwürdigkeiten“ – wie<br />

es in den alten Stadtführern heißt, die<br />

damals das Stadtbild prägten. Des Öfteren<br />

begegnen wir originellen bis seltsamen<br />

Gestalten und Begebenheiten, die zum<br />

Teil sogar den Stoff für einen Innsbrucker<br />

Krimi liefern könnten und uns die<br />

Kuriositäten dieser bewegten Zeit vor<br />

Augen führen.<br />

Dieser Bildband nimmt uns mit auf<br />

einen Spaziergang durch Innsbrucks Altund<br />

Innenstadt in zahlreichen Abbildungen,<br />

von Fotografien über Annoncen bis hin zu<br />

alten Stichen und Stadtplänen und lädt ein<br />

zum genauen Hinsehen und Eintauchen in<br />

eine Welt, die schon lange vergangen ist,<br />

aber noch immer bezaubern kann.<br />

Wir freuen uns über weitere Publikationen<br />

in der Serie „Es war einmal in<br />

Innsbruck“, diese werden in den nächsten<br />

Monaten folgen.<br />

Peter Walder-Gottsbacher studierte Bühnenbild<br />

und Kostüm in Salzburg und absolvierte eine<br />

Ausbildung zum Buchhändler und Galeristen.<br />

Er lebt seit Ende der 1990er-Jahre in Götzens bei<br />

Innsbruck. Und ist Abteilungsleiter der Fachbuchabteilung<br />

in der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />

Er sammelt seit vielen Jahren historische<br />

Fotografien und Ansichtskarten. Er ist Autor verschiedener<br />

Publikationen zur neueren Innsbrucker<br />

und Salzburger Stadtgeschichte.<br />

Knapp vor Weihnachten erschien das erste<br />

Innsbruck-Wimmelbuch, ein Hardpapp-Bilderbuch,<br />

hergestellt im umweltfreundlichen<br />

Cradle tor Cradle Verfahren. Sämtliche<br />

Inhaltsstoffe der Druckprodukte wurden so<br />

optimiert, dass sie für Natur und Mensch<br />

völlig unbedenklich sind. Das gilt für das<br />

Papier genauso wie für die Druckfarben.<br />

Rund 4.000 Innsbrucker und Tiroler sind<br />

schon stolze Besitzer dieses Buches und<br />

erfreuen sich der entzückenden und detailgetreuen<br />

Zeichnungen von den Innsbrucker<br />

Sehenswürdigkeiten. <strong>No</strong>ch dazu hat Bettina<br />

Egger jede Menge Suchspaß einfügt! Jetzt<br />

kommt das Buch in einer etwas kleineren<br />

Ausgabe und einer Suchleiste für noch mehr<br />

Spaß! Für Kinder ab 2 Jahren, aber auch<br />

für Erwachsene ein Hingucker!<br />

Bettina Egger hat in Frankreich bildende Künste<br />

studiert und das Comic Zeichnen gelernt. Gut zehn<br />

Jahre hat sie in Frankreich gelebt und dort auch<br />

(bisher) neun Comics in französischer Sprache<br />

veröffentlicht. Sie arbeitet mit verschiedenen Verlagen<br />

zusammen und war auch beizeiten selbst als<br />

Verlegerin tätig, namhaft für ein Comic-Projekt rund<br />

um Frank Zappa. Vor vier Jahren ist sie dann für ihr<br />

Doktorstudium an der Universität Salzburg wieder<br />

nach Österreich zurückgekehrt. Seit Abschluss ihres<br />

Studiums lehrt sie Comics an der Universität und<br />

ist natürlich weiterhin auch als Künstlerin tätig. Der<br />

Stil im Innsbruck-Wimmelbuch ist aufgrund ihrer<br />

Vorgeschichte stark vom Comic beeinflusst.<br />

Schritt für Schritt<br />

zum nächsten Buch<br />

Gernot Zimmermann ist der Paradetyp<br />

eines Couch-Potato und entscheidet sich<br />

spontan, eine Weitwanderung zu unternehmen.<br />

Weil ihm aber kein Ort eine solche<br />

Mühe wert ist, bleibt der 58-Jährige lieber<br />

gleich daheim. Und wandert stattdessen<br />

durch Innsbruck, ohne dabei auch nur eine<br />

einzige Straße oder Gasse auszulassen. Auf<br />

diesen über 360 Kilometern Fußmarsch<br />

erlebt Zimmermann „seine“ Stadt auf<br />

eine ganz spezielle Weise und er nimmt<br />

den Leser auf diese Erkundungstour mit.<br />

Vom Achselkopfweg bis zur Zollerstraße,<br />

von Igls bis zur Hungerburg, von Kranebitten<br />

bis ins Olympische Dorf – Gernot<br />

Zimmermann hat sich Innsbruck buchstäblich<br />

Schritt für Schritt erarbeitet und die<br />

Erlebnisse auf seiner „Ich-bin-dann-malnicht-weg“<br />

Weitwanderung in zahlreichen<br />

Anekdoten niedergeschrieben. Ein Buch für<br />

Einheimische und für all jene, die Innsbruck<br />

besser kennenlernen wollen.<br />

Gernot Zimmermann wurde 1962 in Innsbruck<br />

geboren und ist in den Stadtteilen Höttinger Au,<br />

Wilten, Reichenau und Amras aufgewachsen. Er<br />

war 24 Jahre als Taxifahrer unterwegs. Sein Buch<br />

„Eine Million Kilometer durch Innsbruck“ ist ein<br />

regionaler Bestseller.<br />

© Foto Ruth<br />

© Andreas Friedle<br />

ErinnE rungE n an Innsbruck<br />

Gernot Zimmermann<br />

Ich bin dann mal<br />

nicht weg<br />

362 Kilometer durch Innsbruck<br />

Buchtipp:<br />

Bettina Egger/Maria Kittler:<br />

Das kleine Innsbruck-<br />

Wimmelbuch<br />

16 S., € 14,95<br />

Erscheinungstermin: Mai 2020<br />

Buchtipp:<br />

Gernot Zimmermann:<br />

Ich bin dann mal nicht weg<br />

180 S., € 14,95<br />

Erscheinungstermin: Juli 2020


3 Fragen an Clemens Bruch<br />

Ein halbes Jahr ist er mit seinem ausgesuchten<br />

Kartensortiment nun in der Wagner’schen zuhause.<br />

Zeit für eine kurze Rückschau.<br />

Oase mitten in der Stadt<br />

Ab sofort dürfen wir uns – so das Wetter passt – wieder auf die<br />

Terrasse der Meierei freuen, das macht das Rückzugsgebiet mit<br />

Sonne und Natur mitten in der Stadt dann wieder komplett!<br />

Im Dezember hat Nina Rettenbacher übrigens eine besondere<br />

Auszeichnung bekommen: den Preis des Restaurant Guide<br />

Bazio als „das beste Restaurant Innsbrucks“.<br />

Es gibt kein uns bekanntes Restaurant,<br />

dass den Begriff „Zuhause“ mehr verkörpert<br />

als die Meierei. Angefangen mit der<br />

besonderen Lage, ein kleiner Rückzugsort<br />

versteckt in einer Buchhandlung, dem<br />

großen Holztisch an dem alle Gäste wie<br />

eine große Familie zusammen essen oder<br />

der offenen Küche, bei der man in direktem<br />

Kontakt mit der Köchin, dem wohl wichtigsten<br />

Faktor, steht. Zu fairem Preis kreiert<br />

Sie täglich neue, regionale und frische Gerichte,<br />

die in Komposition und Geschmack<br />

kaum zu übertreffen sind. Aber auch mit<br />

Ihrer bezaubernd fürsorglichen und liebenswürdigen<br />

Art schafft Sie es jedes Mal aufs<br />

Neue zu begeistern.<br />

© Thomas Schrott<br />

© Markus Huber<br />

Ninas Rezept:<br />

Seit September 2019 bist du<br />

mit deinem Kartensortiment in<br />

der Wagner’schen. Wie sind die<br />

Reaktionen?<br />

Ohne Übertreibung – alle sind glücklich!<br />

Meine früheren StammkundInnen<br />

von Jeggle haben mich Gott sei dank<br />

wiedergefunden und die KundInnen der<br />

Wagner’schen sehen das Angebot als tolle<br />

Ergänzung zum Buch.<br />

Wie funktioniert eigentlich die<br />

auserlesene Bestückung des Ladens?<br />

Postkarten und Billetts gibt es wie Sand am<br />

Meer. Die Kunst ist, die richtige Auswahl<br />

zu treffen. Jede Karte, jedes Billett wird von<br />

mir persönlich ausgewählt.<br />

Ein Bereich im Sortiment ist ja auch<br />

der Geschenkebereich?<br />

Ja, auch da bin ich immer auf der Suche<br />

nach besonderen, ausgefallenen, nutzbringenden,<br />

auch nach Möglichkeit<br />

nachhaltigen kleinen Geschenken für jeden<br />

Anlass.<br />

„Difficult“<br />

Autor: Javier Mayoral<br />

Verlag: InKognito<br />

„Coq au Vin“<br />

Autor: Jiri Sliva<br />

Verlag: InKognito<br />

<strong>10</strong><br />

Wagner’sche.<br />

Himbeer-Schokolade-Mohn-Topfenknöderl<br />

(<strong>10</strong> Stück)<br />

250 g Topfen 20 %<br />

1–2 EL Kristallzucker<br />

1 Prise Salz<br />

1 Prise Vanille<br />

1 Bio-Ei „M“<br />

2–3 EL Brösel<br />

3 EL Dinkelgrieß<br />

2–3 EL Dinkelmehl<br />

… alles mit einem Handmixer zu einem<br />

geschmeidigen Teig vermengen. Nach Bedarf<br />

noch Brösel zugeben, kühl stellen.<br />

2–3 EL gemahlenen Mohn in 1/8 l Sahne und 1 EL Staubzucker<br />

aufkochen, ca. 15 Minuten quellen lassen.<br />

Währenddessen ca. <strong>10</strong>0 g gute 70-%-Schokolade schmelzen und<br />

dann in Mohnmasse unterrühren, kalt werden lassen.<br />

<strong>10</strong> Stück frische Himbeeren jeweils mit Mohnmasse ummanteln<br />

und 4–6 Stunden ins Tiefkühlfach geben.<br />

… alles mit einem Handmixer zu einem geschmeidigen Teig<br />

vermengen. Nach Bedarf noch Brösel zugeben, kühl stellen.<br />

2–3 EL gemahlenen Mohn in 1/8 l Sahne und 1 EL Staubzucker<br />

aufkochen, ca. 15 Minuten quellen lassen.<br />

Währenddessen ca. <strong>10</strong>0 g gute 70-%-Schokolade schmelzen<br />

und dann in Mohnmasse unterrühren, kalt werden lassen.<br />

<strong>10</strong> Stück frische Himbeeren jeweils mit Mohnmasse ummanteln<br />

und 4–6 Stunden ins Tiefkühlfach geben.<br />

Gefrorene Himbeer-Mohn-Kugeln mit Topfenteig einwickeln, gut<br />

schließen. <strong>No</strong>ch ca. 1 Stunde in den Kühlschrank stellen.<br />

Salzwasser mit 4 cl Rum erhitzen, die Knödel aufkochen und<br />

anschließend <strong>10</strong>–12 Minuten bei leichter Hitze garen lassen.<br />

5 EL gemahlenen Mohn und 4 EL Staubzucker vermengen.<br />

Die fertigen Knödel darin wälzen und mit Vanille- oder<br />

Fruchtmarksauce servieren.<br />

Mahlzeit!


IndieBookDay –<br />

eine Ode an die Vielfalt<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

Der 21. März 2020 ist im Kalender vorzumerken.<br />

Auch dieses Jahr lädt die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> in Salzburg<br />

zu einem Fest der guten Seiten. Von Carmen Schwarz<br />

© Christof Decker<br />

… und<br />

irgendwo<br />

weit weg, im<br />

struppigen<br />

griechischen<br />

Feld, steht ein<br />

Olivenbaum<br />

und zittert.<br />

Birgit Müller-Wieland<br />

12<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

„Lesen Sie – lesen Sie – lesen Sie viel.<br />

Lesen Sie alles“ … auch fernab der<br />

aktuellen Bestsellerliste. Die Buchbranche<br />

ist bunt, facettenreich und manchmal ein<br />

bisschen verrückt. Buchmenschen sind<br />

nicht langweilig, introvertiert oder gar verstaubt.<br />

Sie sind gesellig, spontan und mal<br />

auch ein bisschen angriffslustig. Vielfalt<br />

und Austausch liegen ihnen am Herzen, sie<br />

lieben es, sich in die Materie zu vertiefen<br />

und stets wachsam zu bleiben, zu begeistern<br />

und neugierig zu machen. –<br />

Welch eine traurige Vorstellung wäre es<br />

also, in einer Verlagslandschaft ohne diese<br />

vielen kleinen Besonderheiten zu wandeln.<br />

Ganz klar, auch hier macht es die Mischung.<br />

Es gibt zum einen eine Heerschar<br />

an sich quasi selbst verkaufenden Topsellern<br />

großer Verlagshäuser, tolle Autoren<br />

und eine gewaltige Produktionsmaschinerie<br />

dahinter.<br />

Komplettiert wird die Buchwelt, in die<br />

wir jedoch eintauchen dürfen, sobald wir<br />

eine Buchhandlung oder Bibliothek betreten,<br />

erst von den vielen kleinen feinen<br />

Indie-Verlagen. Diese sind unabhängig und<br />

bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit<br />

und Zuwendung der Buchhändler und<br />

Leser. Bücher, die man entdecken, lesen und<br />

darüber sprechen möchte.<br />

Was aber ist jetzt dieser<br />

IndieBookDay?<br />

Das ist definitiv der Feiertag der unabhängigen<br />

Verlage. Gegründet vom in<br />

Hamburg ansässigen Mairisch Verlag 2013,<br />

um die Aufmerksamkeit auf die Schmankerln<br />

zu lenken, die leider viel zu oft unbeachtet<br />

nebst den Stapeltiteln untergehen.<br />

Inspiriert durch den Recordstore-Day,<br />

der im Musikbereich ebenfalls auf Gustostückerl<br />

aufmerksam macht und mittlerweile<br />

eine Institution ist.<br />

13<br />

Groß vorzumerken ist dieses Jahr der<br />

21. März, denn auch hier werden viele<br />

Buchhandlungen als Vermittler agieren.<br />

In Deutschland ist das bereits ein schönes<br />

Potpourri aus Gesprächen, Lesungen,<br />

Verlagspräsentationen und auch einer Vielzahl<br />

an Aktionen über Social-Media-Kanäle.<br />

So gibt es mittlerweile unter anderem die<br />

Indiebook-Challenge: Jeden Monat wird<br />

eine Kategorie vorgegeben, so zum Beispiel:<br />

Lese ein Buch aus einem unabhängigen<br />

Verlag, in dem der/die Protagonist/in rote<br />

Haare hat. Eine literarische Schnitzeljagd,<br />

bei der sich wahre Schätze auftun.<br />

Auch <strong>Stierle</strong> ist mit dabei<br />

Bereits zum dritten Mal, und als eine der<br />

ersten in Salzburg stellen wir auch heuer<br />

ein buntes Programm zusammen für<br />

alle Interessierten, für Leute, die zufällig<br />

vorbeikommen und als Freunde gehen,<br />

für Leseratten und auch für einfach gerne<br />

Lauschende.<br />

Es liegt uns sehr am Herzen, die Besonderheit,<br />

die Vielfältigkeit und auch die<br />

Nicht-Selbstverständlichkeit der Buch- und<br />

Verlagsbranche zu vermitteln.<br />

Von Lyrik, Reportagen, Poetryslam,<br />

Gesprächen mit Verlegern und klassischen<br />

Lesungen über ein Schaufensterkonzert bis<br />

zum Ausklang bei einem Getränk haben wir<br />

den Bogen gespannt; und wir können nur<br />

sagen, es hat unser Buchhändlerherz jedes<br />

Mal höherschlagen lassen.<br />

Dieses Jahr begehen wir den IndieBook-<br />

Day mit einer Lesung der wunderbaren<br />

Birgit Müller-Wieland, deren Bücher im<br />

Salzburger Otto Müller Verlag erscheinen.<br />

Das umtriebige Team von mosaik – Zeitschrift<br />

für Literatur und Kultur darf natürlich<br />

auch nicht fehlen.<br />

Stündlich werden wir auf unserem Instagram-Account<br />

unsere diesjährigen Lieblings-Indie-Bücher<br />

vorstellen. Und für alle,<br />

die sich nicht entscheiden können, welches<br />

Buch bei ihnen einziehen darf, für die haben<br />

wir eine Auswahl in Form eines „Blind<br />

Dates“ mit einem IndieBook parat.<br />

In diesem Sinne seid ihr herzlich<br />

eingeladen, mit uns zu feiern!<br />

Buchtipp:<br />

Birgit Müller-Wieland:<br />

Reisen Vergehen<br />

Otto Müller Verlag,<br />

80 S., € 20,60<br />

Veranstaltungstipp:<br />

IndieBookDay<br />

u. a. mit Birgit Müller-Wieland<br />

Begrüßung: Carmen Schwarz<br />

Sa., 21. März 2020, ganztägig,<br />

Lesung um 19:30 Uhr<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />

Eintritt frei!


Salzburg trifft Innsbruck …<br />

Laura Freudenthaler, in Salzburg geboren, Innsbruck-liest-<br />

Autorin und soeben mit dem Literaturpreis der Europäischen<br />

Union ausgezeichnet, trifft auf den Tiroler Robert Prosser,<br />

der das Literaturfest Salzburg ab heuer mitverantwortet.<br />

Wir stellten den beiden je drei Fragen …<br />

„Literatur muss übersetzt werden,<br />

damit die Welthaltigkeit (…) nicht auf<br />

eine Sprache beschränkt bleibt.“<br />

Laura Freudenthaler<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

© Marianne Andrea Borowiec<br />

© Gerald von Foris<br />

Buchtipp:<br />

Laura Freudenthaler:<br />

Geistergeschichte<br />

Droschl Verlag,<br />

168 S., € 20,–<br />

Welche Erinnerungen haben Sie<br />

an Innsbruck, was verbindet Sie<br />

literarisch mit dieser Stadt?<br />

Mein Roman „Die Königin schweigt“ war<br />

2019 Innsbruck-liest-Buch. Ich erinnere<br />

mich an einen zehnjährigen Buben, der<br />

sich das Buch in der Straßenbahn von mir<br />

signieren ließ und mir dann erzählte, er<br />

habe heute Geburtstag und dies sei nun sein<br />

Geschenk. Und er lese ein dickes Buch pro<br />

Woche.<br />

Sie haben gerade den Literaturpreis<br />

der Europäischen Union gewonnen,<br />

können Sie uns dazu etwas erzählen?<br />

Das Schönste an diesem Preis sind die vielen<br />

Übersetzungen, die dadurch befördert<br />

werden, dass die eigenen Bücher für nicht<br />

deutschsprachige Kollegen und Menschen<br />

von Indien bis in die arabischsprachigen<br />

Länder lesbar werden. Literatur muss<br />

übersetzt werden, damit die Welthaltigkeit,<br />

die sie im besten Fall hat, nicht auf eine<br />

Sprache beschränkt bleibt.<br />

Wie sehen Sie die Buchhandlungsszene<br />

in der Stadt Salzburg?<br />

Über die Szene habe ich keinen Überblick,<br />

ich lebe ja schon lange nicht mehr in<br />

Salzburg. Zu hoffen und wünschen ist, in<br />

Salzburg wie anderswo, dass es weiterhin<br />

viele kundige und leidenschaftliche Buchhändler<br />

gibt, die sich für die Literatur und<br />

das Lesen einsetzen.<br />

Die Fragen stellte<br />

Katharina J. Ferner<br />

Welche Erinnerungen hast du<br />

an Salzburg, was verbindet dich<br />

literarisch mit der Stadt?<br />

Es verschlägt mich mit meiner literarischen<br />

Arbeit immer wieder an die Salzach und<br />

so wunderbar die bisherigen Auftritte<br />

waren, so spannend gestalteten sich die<br />

verschiedensten Kollaborationen mit dem<br />

Salzburger Verlagskollektiv Mosaik.<br />

Du hast gerade – gemeinsam mit<br />

Josef Kirchner – das Literaturfest<br />

Salzburg übernommen, kannst du uns<br />

darüber etwas erzählen?<br />

In der Programmierung wollen wir uns<br />

stärker auf performative, feministische<br />

und interdisziplinäre Aspekte fokussieren.<br />

Unser Anliegen ist ein Neustart, der auf<br />

den bisherigen zwölf Jahren aufbaut und<br />

einen Sprung ins Unerwartete macht, eine<br />

im positiven Sinne fordernde Aufgabe.<br />

Wie siehst du die<br />

Buchhandlungsszene in<br />

der Stadt Salzburg?<br />

Jede Stadt hat sich mehr Buchhandlungen<br />

verdient, das hiesige Angebot aber deckt die<br />

Ansprüche, sowohl was Auswahl als auch<br />

Beratung betrifft. Egal, ob antiquarisch<br />

oder Neuerscheinung, in den Salzburger<br />

Gassen gibt es einiges zu entdecken.<br />

Die Fragen stellte<br />

Robert Renk<br />

Buchtipp:<br />

Robert Prosser:<br />

Gemma Habibi<br />

Ullstein fünf,<br />

224 S., € 23,30<br />

Lesung:<br />

Laura Freudenthaler &<br />

Robert Prosser<br />

Moderation: Katharina J. Ferner<br />

& Robert Renk<br />

Mi., 25. März 2020, 19:30 Uhr<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />

Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />

begrenzte Teilnehmerzahl!)


© Fotowerk Aichner<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

Eine starke<br />

Frauenfigur<br />

ist für mich<br />

um so viel<br />

reizvoller.<br />

Bernhard Aichner<br />

16<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Was sind deine letzten Erfahrungen<br />

in Salzburg gewesen?<br />

Ich war in einem Escape Room und stand<br />

wahnsinnig unter Druck. Ich dachte, dass<br />

ich da nie wieder rauskomme und für<br />

immer in Salzburg bleiben darf. Meine<br />

Frau war am Ende aber dann doch schlau<br />

genug, um die Rätsel innerhalb der Zeit<br />

zu lösen. Innsbruck hat mich also wieder,<br />

aber in manchen Nächten träume ich noch<br />

von dieser wunderbaren Stadt. Sprich: Ich<br />

freu mich schon sehr auf die Lesung in der<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong>.<br />

Dein Liebesroman „Kaschmirgefühl“<br />

wird gerade in Innsbruck am<br />

Kellertheater mit großem Erfolg<br />

aufgeführt. Auch früher schon hast<br />

du Stücke geschrieben. Wie wäre<br />

es mit einem Aichnerstück bei den<br />

Salzburger Festspielen?<br />

Wer weiß, was alles noch kommt. Wäre<br />

natürlich schon cool, wenn man den Jedermann<br />

endlich absetzen und etwas Spannendes<br />

spielen würde. (Lacht)<br />

Bernhard<br />

Aichner<br />

Der Krimiexportschlager<br />

aus Tirol<br />

kommt in die Buchhandlung<br />

<strong>Stierle</strong><br />

nach Salzburg.<br />

Ein Gespräch<br />

mit Robert Renk<br />

17<br />

Die Figurenzeichnung eines Stückes<br />

kann man gut auf den Plot eines<br />

Thrillers übertragen, in kurzer Zeit<br />

müssen die Figuren plastisch werden,<br />

begreifbar. Du beherrschst das<br />

perfekt. Woher kommt’s?<br />

Bauchgefühl. Ich höre in mich hinein und<br />

schreibe. Die Liebe zu meinen Figuren ist<br />

mir sehr wichtig. Egal ob Theater, Thriller<br />

oder Hörspiel. Es gibt (neben dem<br />

Schmusen) nichts Schöneres für mich, als<br />

Geschichten zu erzählen, ich möchte unterhalten<br />

und meine Leser fesseln. Das gelingt<br />

aber nur, wenn man meine Figuren mag,<br />

wenn man ihnen gerne folgt, wenn ich als<br />

Autor das Innenleben der Figuren spürbar<br />

mache. Ich setze ganz stark auf Emotion,<br />

meine Bücher sollen berühren.<br />

Nicht nur ist dir die Liebe in jedem<br />

Roman ein wichtiger Seiten- oder<br />

Hauptstrang, auch bei den richtig<br />

bösen Jungs gelingt es dir immer,<br />

sie differenziert zu zeigen. Sie haben<br />

Schwächen, können wahnsinnig<br />

charmant sein und sind gleichzeitig<br />

machtbesessene Monster, bei denen<br />

einem das Blut stockt. Auch in „Der<br />

Fund“ wird man einem solchen<br />

wieder begegnen. Wie viel Spaß<br />

machen Monster?<br />

Niemand von uns ist nur gut. Wir haben<br />

alle auch etwas Böses in uns, könnten alle<br />

zu Mördern werden. Die Auseinandersetzung<br />

mit den Tätern in meinen Büchern<br />

finde ich deshalb genauso spannend wie<br />

die mit den Opfern. Die Frage nach dem<br />

Warum treibt mich an. Was muss passieren,<br />

damit sich der Schalter im Kopf umlegt?<br />

Wie ist ein Mensch, der tötet? Kann ein<br />

Mörder tatsächlich auch liebenswert sein?<br />

Es macht mir große Freude, die „Bösen“<br />

in meinen Geschichten zu zeichnen, mit<br />

den Jahren sind sie immer besser geworden.<br />

Meine Sammlung an Monsterchen ist<br />

mittlerweile ganz schön ordentlich.<br />

Du hast wieder eine außergewöhnliche<br />

Heldin am Start.<br />

Rita Dalek. Warum erzählst du<br />

als Mann eigentlich so gerne von<br />

starken Frauen?<br />

Lange Zeit war die Kriminalliteratur von<br />

männlichen Helden dominiert, das hat mich<br />

immer gestört. Eine starke Frauenfigur ist<br />

für mich um so viel reizvoller. Warum? Weil<br />

ich Frauen liebe. Sie sind bedächtiger, klüger,<br />

emotionaler, und sie können zaubern.<br />

Was ist neu an diesem Thriller?<br />

„Der Fund“ ist ein klassischer „Aichner“,<br />

aber zugleich auch völlig anders. Vertraut<br />

sind der Sound und der Sog. Neu ist<br />

die Konstruktion, das Setting, ich habe<br />

versucht, völlig anders zu erzählen, so zu<br />

komponieren, dass ich die Leserin und den<br />

Leser auf jeder neuen Seite bis zum Schluss<br />

überraschen kann.<br />

Darf man sich zukünftig wieder<br />

auf eine Reihe mit einer festen<br />

Hauptfigur wie bei der Totenfrau-<br />

Trilogie oder den Max-Broll-Krimis<br />

freuen oder wird es vorerst bei<br />

Einzeltitel bleiben?<br />

Volltreffer. Ich schreibe gerade am Auftakt<br />

einer neuen Reihe. Ein großartiges Team<br />

wird 2021 an den Start gehen. Figuren, die<br />

mir bereits jetzt sehr ans Herz gewachsen<br />

sind. Schön wird das!<br />

Bernhard Aichner, geboren 1972, lebt als Schriftsteller<br />

und Fotograf in Innsbruck. Er schreibt<br />

Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine<br />

Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen<br />

und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem<br />

Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Cologne<br />

Award 2015 und dem Friedrich-Glauser-Preis 2017.<br />

Mit der Totenfrau-Trilogie und „Bösland“ feierte er<br />

internationale Erfolge. Zuletzt im Haymon Verlag:<br />

„Kaschmirgefühl“ (2019).<br />

Buchtipp:<br />

Bernhard Aichner:<br />

Der Fund<br />

btb Verlag, 352 S., € 21,20<br />

Lesung:<br />

Bernhard Aichner liest aus<br />

„Der Fund“<br />

Moderation: Robert Renk<br />

Do., 26. März 2020, 19:30 Uhr<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />

Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />

begrenzte Teilnehmerzahl!)


© Ingo Pertramer<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

… mit allen<br />

Nuancen des<br />

Wasserfarbenkastens<br />

erzählen …<br />

Vea Kaiser<br />

18 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Was sind deine letzten Erfahrungen<br />

in Salzburg gewesen?<br />

Zuletzt war ich Anfang Jänner in Salzburg-<br />

Land zum Skifahren mit der Großfamilie.<br />

Wir hatten richtig Glück mit Wetter wie<br />

Schnee, und da meine chinesische Schwägerin<br />

und mein süditalienischer Ehemann<br />

zum ersten Mal Skifahren waren, wurden es<br />

auch sehr lustige Tage. Die Welt der Berge<br />

durch die Perspektive von Bergneulingen<br />

zu erleben, hat einen ganz besonderen Reiz.<br />

Der Blick meiner Schwägerin, als sie das<br />

erste Mal einen Germknödel vor sich hatte:<br />

unbezahlbar.<br />

In den ersten zwei Romanen war<br />

deine Liebe zur griechischen<br />

Geschichte und Philosophie stark<br />

herauslesbar. Im neuen Roman lernt<br />

man die „alte“ Lateinerin Vea Kaiser<br />

kennen. Schwenkst du um?<br />

Im Studium „Klassische Philologie“ beschäftigt<br />

man sich sowohl mit den Griechen<br />

als auch mit den Römern. Das ist ein<br />

gewaltiger Fundus, aus dem ich das Glück<br />

Vea<br />

Kaiser<br />

Ihr Roman „Rückwärtswalzer“<br />

zeigt,<br />

dass Unterhaltung<br />

und literarischer<br />

Anspruch kein<br />

Gegensatz sind!<br />

Ein paar Fragen zur<br />

Salzburg-Lesung<br />

von Robert Renk<br />

19<br />

habe, schöpfen zu können. Ob und in<br />

welcher Form die Antike in meinen Texten<br />

vorkommt, hängt aber von den jeweiligen<br />

Texten ab. Der römische Totenkult und<br />

die römischen Jenseitsmythen haben sich<br />

jedenfalls für diese Geschichte angeboten.<br />

Geplant war das nicht.<br />

Dein erster Roman „Blasmusikpop“<br />

wird in einem Jahr an den Vereinigten<br />

Bühnen Bozen groß herausgebracht<br />

(u. a. mit eigener Blasmusikkombo).<br />

Wie wäre es mit einem Vea-Kaiser-<br />

Stück bei den Salzburger Festspielen?<br />

Ich freu mich riesig auf die Premiere am<br />

01.01.2021 in Bozen, muss aber dazu sagen,<br />

dass ich in die Produktion nicht involviert<br />

bin. Da wirken großartige und tolle Leute<br />

mit und ich bin sehr vorfreudig und aufgeregt,<br />

was die auf die Bühne bringen.<br />

Ich selbst allerdings verspüre wenig Drang,<br />

für das Theater zu schreiben. Vor allem,<br />

seit ich nachgerechnet habe, dass ich,<br />

schreibe ich im bisherigen Tempo weiter,<br />

maximal noch 17 Romane schreiben kann.<br />

Dann ist es vorbei. Da ich aber mehr<br />

Roman-Ideen als Zeit hab, muss ich mich<br />

also ein bisserl beeilen.<br />

Den Grund für die Reise deuten wir<br />

nur an, er fußt auf einer berührenden,<br />

traurigen Geschichte, einem<br />

Familiengeheimnis (und hat auch mit<br />

einem veganen Onlineshop zu tun<br />

…). Glaubst du, dass das ein Teil<br />

deines Erfolges ist, dass du reichlich<br />

Humor und deftige Schilderungen<br />

mit so eingehenden und zarten Seiten<br />

verknüpfen kannst?<br />

Ich möchte mir wirklich nicht anmaßen zu<br />

wissen, was den vielen verschiedenen Menschen,<br />

die meine Bücher lesen, darin gefällt.<br />

Wenn ich mir jedoch die deutschsprachige<br />

Literatur der letzten vierzig Jahre ansehe,<br />

dann fällt auf, wie wenig Autoren sich trauen,<br />

auch witzige Passagen in ihren Büchern<br />

zuzulassen. Früher gab es diesen absurden<br />

Anspruch, nur ernste, schwere Kost sei<br />

Literatur. Dass das Blödsinn ist, wissen<br />

die Leser und Leserinnen glücklicherweise,<br />

dennoch gibt es meiner Meinung nach<br />

noch zu wenige Autoren, die nicht nur<br />

schwarz oder weiß, sondern mit allen Nuancen<br />

des Wasserfarbenkasten erzählen.<br />

Deine Buchpräsentationen<br />

unterscheiden sich oft von dem,<br />

was man sich von einer reinen<br />

Buchpräsentation erwartet. Es wird<br />

meist mehr erzählt als gelesen.<br />

Wie wichtig ist dir der persönliche<br />

Kontakt zum Publikum und kommt<br />

daher auch die Überlegung, Lesungen<br />

auch einmal anders zu machen?<br />

Bevor ich selbst Schriftstellerin wurde,<br />

besuchte ich viele Lesungen und war oft<br />

unglücklich, nicht selten langweilte ich<br />

mich auch, wenn Autoren nichts anderes<br />

machten, als sich auf die Bühne zu setzen,<br />

drei Sätze zu sagen und dann monoton<br />

vorzulesen. Ich verstand nie, was der<br />

Mehrwert davon ist. Sicher ist es schön,<br />

AutorInnen lesend zu erleben, aber dazu<br />

reichen auch <strong>10</strong> Minuten. Wenn ich selbst<br />

auf eine Lesung gehe, will ich Autorinnen<br />

und Autoren kennenlernen, will wissen, was<br />

sie inspiriert, motiviert, ängstigt, wie sie<br />

das Buch schrieben, welche Hintergrundgeschichten<br />

vielleicht nicht drin stehen – ich<br />

wünsche mir ein Erlebnis, das ich eben<br />

nicht habe, wenn ich das Buch zuhause mit<br />

dem Hund am Schoss und dem Rotwein<br />

in der Hand lese. Und daher versuche ich,<br />

meine Lesungen auch dementsprechend<br />

zu gestalten. Ich stelle mir immer vor, was<br />

würde ich jetzt hören wollen, wäre ich im<br />

Publikum?<br />

Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien, wo<br />

sie Altgriechisch, Latein und Germanistik studierte.<br />

Mit 23 Jahren veröffentlichte sie ihren Debütroman<br />

„Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die<br />

Berge kam“, der ebenso wie ihr Zweitling „Makarionissi<br />

oder Die Insel der Seligen“ zum Bestseller<br />

avancierte und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.<br />

„Rückwärtswalzer“ ist ihr dritter Roman.<br />

Buchtipp:<br />

Vea Kaiser:<br />

Rückwärtswalzer oder Die<br />

Manen der Familie Prischinger<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

432 S., € 23,30<br />

Buchpräsentation:<br />

Vea Kaiser präsentiert<br />

„Rückwärtswalzer“<br />

Fr., 27. März 2020, 19:30 Uhr<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />

Moderation: Robert Renk<br />

Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />

begrenzte Teilnehmerzahl!)


Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Salzburg<br />

Helminger versus Fallwickl<br />

Das beliebte Bücher-Battle geht in die vierte Runde.<br />

Literatur mit<br />

Spannung<br />

und Spaß<br />

ans Publikum<br />

vermitteln<br />

Bernhard Helminger, Verleger und<br />

ehemaliger Inhaber der Buchhandlung<br />

<strong>Stierle</strong>, und die Autorin Mareike Fallwickl<br />

haben vor einiger Zeit ein neues Format<br />

begründet, um Literatur mit Spannung<br />

und Spaß ans Publikum zu vermitteln.<br />

Die zwei matchen sich in verschiedenen<br />

Buchkategorien um die Gunst des Publikums.<br />

Dabei wird einmal vielleicht über<br />

Sachbücher, Ratgeber, über Bücher zur<br />

politischen Lage in den USA oder dem<br />

Brexit gesprochen, dann wieder über<br />

Liebesromane oder Kinderbücher.<br />

Beide haben wenige Minuten Zeit, das<br />

jeweilige Buch vorzustellen und eine<br />

kleine Passage daraus zu lesen. Dann wird<br />

argumentiert. Das Publikum bewertet<br />

nach jeder Runde und kürt zum Schluss<br />

den Sieger. Wobei es bei den drei bisherigen<br />

Bücher-Battles nur eine Siegerin<br />

gab, das allererste Match entschied<br />

Schriftstellerin Mareike Fallwickl für sich,<br />

die weiteren gingen jeweils ex aequo aus.<br />

Man darf also gespannt sein, was sich<br />

Bernhard Helminger für diesmal einfallen<br />

lässt.<br />

Veranstaltungstipp:<br />

Bücher-Battle<br />

(Helminger/Fallwickl)<br />

Sa., 18. April 2020, 19:30 Uhr<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />

Eintritt: € <strong>10</strong>,–<br />

Bernhard Helminger<br />

© Marianne Andrea Borowiec<br />

20<br />

Wagner’sche.


© Gaby Gerster<br />

Man darf<br />

sich viel<br />

Friedhofsatmosphäre<br />

erwarten.<br />

Ursula Poznanski<br />

22<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Nach einem folgenreichen Ausflug<br />

nach München kehrt deine<br />

Hauptfigur wieder zurück nach Wien.<br />

Ist es leichter oder schwieriger, über<br />

die Stadt zu schreiben, in der man<br />

selbst wohnt?<br />

Es fühlt sich an wie ein Heimspiel, es<br />

kommen keinerlei Unsicherheiten auf. In<br />

dieser Hinsicht ist es also sicher einfacher.<br />

Aber eine Stadt, in der ein Buch verortet ist,<br />

macht ja nur einen kleinen Teil vom großen<br />

Ganzen aus. Insgesamt war „Vanitas – Grau<br />

wie Asche“ aber ein Roman, der mir tatsächlich<br />

leicht von der Hand gegangen ist.<br />

Der Spielort deines neuen Romans<br />

ist der Wiener Zentralfriedhof.<br />

Ein eigentlich idealer Spielort<br />

für Thriller. Warum ist das noch<br />

niemandem eingefallen?<br />

Ist es das tatsächlich noch nicht? Mir fällt<br />

zwar jetzt auf Anhieb auch kein Zentralfriedhofs-Roman<br />

ein, aber es würde<br />

mich sehr wundern, wenn es nicht längst<br />

einen gäbe.<br />

Die österreichische<br />

Thrillerqueen<br />

kommt gleich 2×<br />

zu uns: nach Innsbruck<br />

und nach<br />

Salzburg. Mit dabei<br />

ihr Krimi „Vanitas<br />

– Grau wie Asche“.<br />

Ein paar Fragen<br />

von Robert Renk<br />

In deinem Roman pflegst du die<br />

Sprache der Blumen. Kommuniziert<br />

wird über Blumensträuße und die<br />

Bedeutungen, die Blumen haben.<br />

Wie bist du darauf gekommen?<br />

Ich wollte Carolin in ihrem zweiten, ihrem<br />

neuen Leben eine Beschäftigung geben, die<br />

möglichst diametral entgegengesetzt ist zu<br />

all dem, was sie vor ihrem angeblichen Tod<br />

getan und erlebt hat. Also einfach etwas<br />

Schönes, Friedliches. Da war Blumenhändlerin<br />

das erste, was mir eingefallen<br />

ist, und es hat sich richtig angefühlt. Von<br />

dieser Entscheidung bis zur Idee mit der<br />

Blumensprache war es dann nur noch<br />

ein kleiner Schritt.<br />

Überhaupt spielt Kommunikation auf<br />

sehr verschiedene Arten eine große<br />

Rolle in „Vanitas – Schwarz wie<br />

Erde“. Lippenlesen, Brailleschrift<br />

und die Blumensprache. Was<br />

fasziniert an ungewöhnlichen<br />

Kommunikationsarten?<br />

Ursula<br />

Poznanski<br />

23<br />

Dass sie nicht jedem zugänglich sind. Dass<br />

man sich mit „Eingeweihten“ austauschen<br />

kann, ohne dass der Rest der Anwesenden<br />

etwas davon mitbekommt oder gar versteht.<br />

Finde ich reizvoll.<br />

Deine Hauptfigur Carolin lebt<br />

inkognito in Wien, immer in der<br />

Angst, entlarvt zu werden. Was darf<br />

man sich vom zweiten Teil erwarten?<br />

Dass es für Carolin immer enger wird,<br />

aber wir lernen gleichzeitig auch ganz neue<br />

Seiten an ihr kennen. Sie hat bei aller Angst<br />

und allem Trauma etwas Unzerstörbares<br />

an sich. Außerdem darf man sich viel Friedhofsatmosphäre<br />

erwarten, bei Tag und bei<br />

Nacht. Und ein paar interessante Rätsel.<br />

Es sind Lesungen in Innsbruck und<br />

Salzburg fixiert. Kannst du kurz<br />

schildern, welche Erinnerungen du an<br />

diese zwei Städte hat?<br />

Bei Innsbruck denke ich zuallererst an<br />

das Tiroler Krimifest, bei dem ich bisher<br />

jedes Mal lesen durfte und das mit der<br />

schönste Krimievent ist, den ich bisher<br />

kennengelernt habe. Ganz stark ist natürlich<br />

auch die Erinnerung daran, dass ich<br />

in Innsbruck 2018 den Österreichischen<br />

Krimipreis bekommen habe. Darüber<br />

hinaus ist es eine extrem schöne Stadt,<br />

und jedes Mal, als ich bisher da war,<br />

war schönes Wetter.<br />

Schönes Wetter ist in Salzburg nicht so<br />

an der Tagesordnung, aber dort bin ich<br />

schon als Kind sehr oft gewesen und es<br />

fühlt sich für mich fast wie zu Hause an.<br />

Ich verbringe jeden Sommer einen Monat<br />

an einem See in der Nähe und bin dann<br />

natürlich auch immer wieder in der Stadt.<br />

Und nicht zuletzt habe ich vier Bücher<br />

geschrieben, die dort spielen.<br />

Ursula Poznanski, 1968 in Wien geboren. 20<strong>10</strong><br />

startete sie mit ihrem ersten Jugendbuch Erebos<br />

durch und wurde bald eine der erfolgreichsten<br />

deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen. Mittlerweile<br />

zählt sie auch bei Thrillern für Erwachsene<br />

zu den absoluten Must-Reads. Sie wurde vielfach<br />

ausgezeichnet, zuletzt 2018 mit dem Österreichischen<br />

Krimipreis.<br />

Buchtipp:<br />

Ursula Poznanski:<br />

Vanitas – Grau wie Asche<br />

Knaur Verlag, 400 S., € 16,<strong>10</strong><br />

Lesungen:<br />

Ursula Poznanski<br />

liest aus „Vanitas“<br />

am Mi., 13. Mai um 19:30 Uhr,<br />

in der Wagner’schen in<br />

Innsbruck<br />

Moderation: Robert Renk<br />

Eintritt: € 9,– / 7,–<br />

(mit Ö1- oder Wagner-Card)<br />

am Do., 14. Mai um 19:30 Uhr<br />

bei <strong>Stierle</strong> in Salzburg<br />

Begrüßung: Carmen Schwarz<br />

Eintritt: 7,– (Achtung:<br />

begrenzte Teilnehmerzahl!)


Musikalisches Speeddating<br />

in der Wagner’schen!<br />

Onkel Frieda<br />

Simon K.<br />

Ein musikalischer Abend mit Verkaufsabsicht …<br />

Melodiven<br />

2015 gründete sich das Innsbrucker Label<br />

„Leash the dog“, seitdem haben über 20<br />

Tonträger das Licht der Welt erblickt, und<br />

das faktisch ausschließlich mit heimischen<br />

MusikerInnen. Stefan Wolf – einer der drei<br />

headmasters – gibt Auskunft.<br />

Auf die Frage, was man sich unter einem<br />

musikalisches Speeddating vorstellen kann,<br />

meint Stefan Wolf: „Eine trendige Möglichkeit,<br />

in kürzester Zeit neue musikalische<br />

Vielfalt kennenzulernen. Quasi als Shortcut<br />

ein Song pro KünstlerIn.“<br />

Die Wagner’sche ist nicht nur Ö1-Buchhandlung,<br />

sondern auch Partnershop<br />

des Labels „Leash the dog“. Wenn schon<br />

CD-Verkauf, dann richtig. Und richtiger<br />

als mit dem Label des heimischen Studios<br />

InnTimeMusic (www.inntimemusic.com)<br />

kann man in Tirol nicht liegen. MusikerInnen<br />

haben ihre Tonträger dort produziert<br />

und werden an diesem Abend in unserer<br />

Buchhandlung aufspielen!<br />

Aber alles hat vor exakt 20 Jahren begonnen.<br />

Damals haben sich Stefan Wolf<br />

und Simon Kräutler gefunden, um als<br />

Duo „Two in Time“ die heimische Szene<br />

zu bereichern. Vor <strong>10</strong> Jahren gründeten sie<br />

– gemeinsam mit Alexander Goidinger –<br />

InnTimeMusic, samt eigenem Studio, und<br />

exakt vor 5 Jahren gründeten die Drei dann<br />

das Label „Leash the dog“ – ein Trippel-Jubiläum<br />

sozusagen. Das gehört gefeiert und<br />

die CDs gehören gehört. An diesem Abend<br />

auch live, supported by Sardinien Produkte.<br />

Es geht also nach den 11 Kurzkonzerten<br />

an der Bar weiter, man kann ins Gespräch<br />

kommen, CDs und Bücher kaufen und<br />

einen feinen Abend haben im gemütlichsten<br />

Wohnzimmer der Stadt.<br />

Zum Einhören gibt es auf unserer homepage<br />

(www.wagnersche.at) einen welcomesampler,<br />

der extra zusammengestellt wurde<br />

und – legal + gratis – zum Downloaden<br />

bereitgestellt ist!<br />

Toi<br />

Stefan Abermann<br />

DiETz<br />

Lania<br />

Reeds & Strings<br />

Die Wohngemeinschaft<br />

Veranstaltungstipp:<br />

Christine Abdel-Halim<br />

Gary Laowai & Friends<br />

24<br />

Wagner’sche.<br />

© Leash the dog<br />

Label Präsentation<br />

Musikalisches Speeddating mit<br />

„Leash the dog“<br />

(www.leashthedog.at)<br />

Es spielen, singen und sprechen:<br />

Stefan Abermann * Lania *<br />

Onkel Frieda * Gary Laowai *<br />

Melodiven * Reeds & Strings<br />

* Wohngemeinschaft * Dietz<br />

* Simon K. * Toi * Christine<br />

Abdel-Halim<br />

Durch den Abend führt:<br />

Simon Kräutler<br />

Featured by Sardinien Produkte<br />

(www.sardinienprodukte.at)<br />

Mi., 18. März 2020, ab<br />

19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei<br />

sardinienprodukte


Landestheater liest<br />

Bei der neuen Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der<br />

Wagner’schen steht die Lust am Lesen im Mittelpunkt.<br />

Von Christina Alexandridis<br />

© TLT/Larl<br />

Wer Bücher<br />

liest, schaut in<br />

die Welt, und<br />

nicht nur bis<br />

zum Zaune.<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

26 27<br />

Szenenfoto aus der Faust-Inszenierung des<br />

Intendanten Johannes Reitmeier, Spielzeit 2017.18.<br />

Kristoffer <strong>No</strong>wak (Wagner) und Andreas Wobig (Faust)<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Allen Unkenrufen und Kulturpessimisten<br />

zum Trotz gibt es sie immer noch, die<br />

Buchhandlungen und Theater – obwohl<br />

Netflix, Smartphone, YouTube & Co immer<br />

länger unsere Zeit in Anspruch nehmen.<br />

Aber was genau ist nach wie vor die Faszination<br />

für viele, sich stundenlang auf eine<br />

Sache zu konzentrieren? Warum setzt man<br />

sich dieser scheinbaren Anstrengung aus?<br />

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich<br />

ein Theater mit Literatur beschäftigt und<br />

das geschriebene Wort auf die Bühne<br />

bringt. Aber wie sieht es generell mit dem<br />

Lesen aus?<br />

Handlungen in anderen<br />

Lebenswelten …<br />

Eine nicht repräsentative Umfrage in<br />

Landestheaterkreisen hat ergeben, dass<br />

Lesen vor allem die Möglichkeit bietet,<br />

sich andere Lebenswelten zu eröffnen, die<br />

man sonst nie hätte betreten können – und<br />

das in einem ganz eigenen Tempo mit viel<br />

Raum für die eigene Phantasie. So kann<br />

die Imagination entstehen, selbst Teil der<br />

Handlung zu sein, mit der „Gefahr“, dass<br />

die Protagonisten zu Bekannten und Freunden<br />

werden, die man am Ende eines Buches<br />

vermisst. Und wer sich in Situationen begibt,<br />

die weit weg von der eigenen Lebensrealität<br />

liegen, gewinnt den Eindruck, dem<br />

großen Ganzen ein bisschen näher zu sein<br />

und Zusammenhänge besser verstehen zu<br />

können. Jede neue Welt fügt sich dabei in<br />

das Farbspektrum der (Un-)Möglichkeiten<br />

ein. Wahrhaftige Bücher lassen einen das<br />

Unglück verstehen – das eigene, kleine<br />

Unglück wie das große Unglück aller. Oft<br />

sind diese Bücher bevölkert mit Verlorenen,<br />

die der Vergeblichkeit auf ihre Art Sinn<br />

abzutrotzen versuchen. So schafft Lesen<br />

auch Gemeinschaft und die Gewissheit,<br />

dass man mit seinen Gedanken und<br />

Gefühlen nicht alleine ist. Außerdem übt<br />

die Kunst der geschliffenen Formulierung<br />

eine große Faszination aus – die Fähigkeit,<br />

Gedanken, Geschehnisse, Gefühle treffend<br />

und nuancenreich zu Papier zu bringen, in<br />

einer Sprache, die überrascht, die im eigenen<br />

Kopf Bilder entstehen und auch zwischen<br />

den Zeilen Raum für Interpretationen<br />

lässt. Bücher können erfüllen und eine allzu<br />

eindeutige Welt mit Sinn anreichern.<br />

„Kindern erzählt man<br />

Geschichten zum<br />

Einschlafen –<br />

Erwachsenen, damit<br />

sie aufwachen“<br />

(Jorge Bucay)<br />

„Kindern erzählt man Geschichten zum<br />

Einschlafen – Erwachsenen, damit sie<br />

aufwachen“, sagt der argentinische Autor<br />

und Psychiater Jorge Bucay. Und so ist es<br />

gerade in Zeiten, in denen die einfachen<br />

Erklärungen und Lösungsversprechen für<br />

komplexe Probleme Konjunktur haben,<br />

geradezu lebensnotwendig, die Fähigkeit<br />

zu trainieren, Mehr- oder Vieldeutigkeit<br />

auszuhalten. Denn Lesen baut nicht<br />

nur auf sprachlicher, sondern auch auf<br />

zwischenmenschlicher Ebene Brücken.<br />

Wer sich auf Bücher einlässt, der übt sich<br />

in der Fähigkeit, die Perspektive anderer<br />

Menschen einzunehmen, ihre Emotionen,<br />

Träume, Hoffnungen und Wünsche zu verstehen,<br />

ihre Ansichten und Gedankengänge<br />

nachzuvollziehen. Die Handlungen der<br />

Romanfiguren gehen im besten Fall direkt<br />

unter die Haut. Oder wie Franz Kafka es<br />

formuliert hat: „Ein Buch muss die Axt sein<br />

für das gefrorene Meer in uns.“ Und was<br />

ermöglicht es, dieses ganz individuelle<br />

Erlebnis in Gemeinschaft zu genießen?<br />

Das Vorlesen!<br />

In der Reihe Landestheater liest stellen<br />

Mitglieder des Schauspielensembles dem<br />

Publikum nicht nur ihre LieblingsautorInnen<br />

vor, auch (halb)vergessenen SchriftstellerInnen<br />

möchten sie mit ihren Stimmen<br />

eine Stimme verleihen. Von Charles<br />

Bukowski über Erich Maria Remarque bis<br />

hin zu Irmgard Keun oder Franz Werfel<br />

– die Bandbreite der möglichen (Wieder-)<br />

Entdeckungen ist groß. Der erste Termin<br />

steht: Am Montag, dem 18. Mai 2020, heißt<br />

es um 20 Uhr im [K2] zum ersten<br />

Mal Landestheater liest!<br />

Im Herbst wird die Shortlist<br />

des Österreichischen<br />

Buchpreis vorgestellt …<br />

Im Herbst folgt dann in den Räumlichkeiten<br />

der Wagner’schen eine weitere, ganz<br />

besondere Lesung: Zwischen der Bekanntgabe<br />

der Shortlist zum Österreichischen<br />

Buchpreis 2020 und der Preisverleihung<br />

hat das Publikum die Möglichkeit, sich aus<br />

allen nominierten Titeln vorlesen zu lassen<br />

und sich dadurch eine ganz eigene Meinung<br />

über die Entscheidung der Jury zu bilden.<br />

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei<br />

– gerne können eigene Lieblingsbücher<br />

für eine nächste Lesung vorgeschlagen<br />

werden!<br />

Veranstaltungstipp:<br />

Auftakt zur Lesereihe<br />

Landestheater liest<br />

mit dem Ensemble des Tiroler<br />

Landestheaters, Büchertisch<br />

der Wagner’schen<br />

Mo., 18. Mai 2020, 20:00 Uhr<br />

im Haus der Musik, [K2]<br />

Eintritt frei!


© Peter Andreas Hassiepen<br />

… in der<br />

Kunst dafür:<br />

so viel<br />

jüdische Rache<br />

wie nötig …<br />

Max Czollek<br />

28 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Eine Evergreenfrage zu Beginn:<br />

Wie denkst du als Künstler und<br />

meinungsechauffierender Autor über<br />

die „Aufgaben“ von Kunst nach?<br />

Soll oder hat Kunst einen Auftrag,<br />

sich kritisch zu äußern und vielleicht<br />

sogar Meinungen und Diskussionen<br />

anzuregen?<br />

Ich würde sagen, dass Kunst nicht getrennt<br />

von der Gegenwart betrachtet werden kann.<br />

Sie ist ein Symptom der Zeiten, in denen sie<br />

entsteht und durch diesen Bezug erhält sie<br />

ihre Bedeutung. Denken Sie an die meisten<br />

Autor*innen, die wir heute noch lesen.<br />

Alle hatten etwas zu ihrer Gegenwart zu<br />

sagen, mischten sich ein und verarbeiteten<br />

diese Perspektiven in ihrer Kunst. Ich kann<br />

Kunst also nur als mehr oder weniger<br />

gelungene Gegenwartsbewältigung denken.<br />

Mit seinem Buch<br />

„Desintegriert<br />

euch!“ hat er die<br />

Gemüter erhitzt.<br />

Der streitbare<br />

Sachbuchautor<br />

und Lyriker im<br />

Gespräch mit<br />

Siljarosa<br />

Schletterer<br />

In welchem Verhältnis siehst du<br />

dabei Kunst und Desintegration und<br />

Frieden?<br />

Kunst und Kultur sind in Deutschland<br />

zumindest zentrale Orte gesellschaftspolitischer<br />

Debatten. Konservative<br />

Politiker*innen haben beispielsweise das<br />

Konzept der Leitkultur eingeführt, um<br />

die <strong>No</strong>twendigkeit und die Existenz einer<br />

dominanten Kultur zu behaupten.<br />

Konzepte wie Desintegration, wehrhafte<br />

Poesie oder postmigrantisches Theater<br />

sind Gegenentwürfe zu diesem Modell<br />

einer hierarchisch geordneten Gesellschaft<br />

mit den Mitteln der Kunst.<br />

Ist ein Frieden realistisch oder<br />

sind mehrere Formen von Frieden<br />

realistischer?<br />

Hm, das Wort ist nicht so zentral für mich,<br />

und ich kann es mir vermutlich nur als<br />

Zustand kontrollierter Konfliktaustragung<br />

denken. Das Versprechen der pluralen<br />

Demokratie ist nicht Harmonie, sondern<br />

eine Gesellschaft, in der man ohne Angst<br />

verschieden sein kann. Das bedeutet aber<br />

nicht, dass alle Freund*innen werden.<br />

Brauchen wir vielleicht eine neue<br />

Streitkultur, um „einem“ Frieden<br />

Max Czollek<br />

29<br />

näher zu kommen? Du schreibst<br />

ja von Rache als Weg der neuen<br />

Selbstermächtigung – Rache für den<br />

Frieden?<br />

Ich würde sagen, die Kunst ist der Ort, an<br />

dem wir Dinge thematisieren, gerade damit<br />

wir sie nicht als politische realisieren müssen.<br />

Aggression und Rachegefühle gehören<br />

für mich zum Mensch-Sein dazu, aber sie<br />

sollten so wenig wie möglich Teil der Politik<br />

sein. Eine jüdische RAF wäre ja doof. Aber<br />

in der Kunst dafür: so viel jüdische Rache<br />

wie nötig.<br />

Im Gedicht edikt von thessaloniki in<br />

deinem neuen Lyrikband Grenzwerte<br />

schreibst du „ich habe immer nur<br />

geschrieben / um einen ausweg“ –<br />

Kann Dichtung ein Ausweg sein?<br />

Darf oder kann es überhaupt einen<br />

Ausweg aus der Geschichte geben?<br />

Die Zeile geht ja noch weiter „… um einen<br />

ausweg für die vergangenheit // den deutschen<br />

soldaten aus dem bild zu reißen /<br />

für das knacken jedes seiner knochen<br />

unter dem stift“. Worum es mir in den<br />

Grenzwerten auch geht, ist die Suche nach<br />

kontrafaktischen Erzählungen, die es uns<br />

erlauben, mutiger, mächtiger und wütender<br />

zu sein, als wir können oder dürfen.<br />

Da ist das Schreiben vielleicht auch die<br />

Suche nach einem Gegengewicht zur<br />

erdrückenden Evidenz der Geschichte, dass<br />

wir nicht stark genug gewesen sind. Und<br />

es vielleicht auch beim nächsten Mal nicht<br />

sein werden.<br />

Max Czollek, geboren 1987 in Berlin, lebt ebenda.<br />

Promotion am Zentrum für Antisemitismusforschung,<br />

TU Berlin. Seit 2009 Mitglied des<br />

Lyrikkollektivs G13 und Mitherausgeber des<br />

<strong>Magazin</strong>s Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart.<br />

Gemeinsam mit Sasha Marianna Salzmann Initiator<br />

von Desintegration. Ein Kongress zeitgenössischer<br />

jüdischer Positionen (2016) sowie der Radikalen<br />

Jüdischen Kulturtage (2017) am Maxim Gorki<br />

Theater Berlin, Studio . 2018 wurde das Sachbuch<br />

„Desintegriert Euch!“ im Carl Hanser Verlag veröffentlicht,<br />

der Nachfolgeband ist für den Herbst<br />

2020 geplant. Die Gedichtbände „Druckkammern“<br />

(2012) und „Jubeljahre“ (2015) sowie „Grenzwerte“<br />

(2019) erscheinen im Verlagshaus Berlin.<br />

Buchtipp:<br />

Max Czollek:<br />

Grenzwerte<br />

Verlagshaus Berlin,<br />

116 S., € 18,40<br />

Veranstaltungstipps:<br />

Im Rahmen des Osterfestivals<br />

(www.osterfestival.at)<br />

Di., 31. März 2020,<br />

15:00 –15:30 Uhr;<br />

Wagner’sche – 40 ORTE:<br />

Lesung von Max Czollek<br />

mit Musik von<br />

Raphael Niederstätter<br />

Mi., 1. April 2020, 19:00 Uhr;<br />

Treibhaus: im Wandel<br />

Gesprächslesung von Aleida<br />

Assmann & Max Czollek<br />

Moderation: Brigitte<br />

Schwens-Harrant


Martin Sailer, ORF Tirol<br />

9 783903 667006<br />

© Thomas Schrott<br />

Alle Blicke<br />

richteten sich<br />

auf sie, aber<br />

sie schien<br />

ganz woanders<br />

zu sein.<br />

Eva Maria Gintsberg<br />

30 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Die Tiroler Schauspielerin Eva Maria<br />

Gintsberg legt mit „Die Reise“ (editionhimmel)<br />

ein fein ziseliertes literarisches<br />

Debüt vor und verwebt dabei mehrere<br />

Frauenschicksale zu einem dichten, fast<br />

magisch anmutenden Schicksalsgeflecht.<br />

Es geht um Schuld, Missbrauch, Todesangst<br />

und die allgemeine Sprachlosigkeit,<br />

insbesondere der Kriegs- und Nachkriegsgeneration.<br />

Das Schweigen, die nicht<br />

bewältigten Verletzungen, aber auch die<br />

Gefühlsarmut, so die Autorin, sollen<br />

aufgebrochen und in Worte gefasst werden.<br />

Du arbeitest seit Jahrzehnten<br />

erfolgreich als Schauspielerin –<br />

wie bist du auf die Idee gekommen,<br />

nun selbst zu schreiben?<br />

Ich wollte bereits als junge Frau Literaturwissenschaft<br />

studieren, aber durch Umwege<br />

kam es nicht dazu und ich wurde Schauspielerin.<br />

Vor ein paar Jahren habe ich das<br />

dann nachgeholt und Germanistik studiert.<br />

Über das Schreiben wissenschaftlicher<br />

Mit der Erzählung<br />

„Die Reise“ fasst sie<br />

die Sprachlosigkeit<br />

einer Generation<br />

in Worte. Ein<br />

Gespräch mit<br />

Bernd Schuchter<br />

Arbeiten kam ich schließlich zum<br />

literarischen Schreiben.<br />

Wie kann man sich das vorstellen?<br />

Die Universität ist derzeit ja nicht<br />

gerade bekannt dafür, Autoren<br />

hervorzubringen …<br />

Das stimmt in jedem Fall. Meine Seminararbeiten<br />

waren den Lehrenden dann auch<br />

oft zu literarisch (lacht). Aber es war<br />

tatsächlich so: Erst über das regelmäßige<br />

Schreiben habe ich gemerkt, dass es mir<br />

immer wichtiger wird. Ich habe gemerkt,<br />

da bin ich daheim, im Schreiben bin ich<br />

endlich angekommen.<br />

Eine Sehnsucht, die auch deine<br />

Figuren in gewisser Weise<br />

umtreibt. Sie alle irren ein wenig<br />

orientierungslos in einem kleinen<br />

Boot auf dem unüberschaubaren<br />

Ozean des Schicksals, sind<br />

zahlreichen Stürmen ausgesetzt.<br />

Eva Maria<br />

Gintsberg<br />

31<br />

So ist wohl das Leben: Es scheint<br />

manchmal zufällig zu sein, manchmal<br />

nicht. Es ist die Erfahrung im Leben,<br />

dass alles mit allem zusammenhängt.<br />

Einiges bleibt in dieser Reise bewusst<br />

Eva Maria Gintsberg ist Schauspielerin<br />

mit Engagements an<br />

offen. Es schieben sich die verschiedenen<br />

Theatern in Österreich, Südtirol,<br />

und in der Schweiz sowie in<br />

Film- und Fernsehrollen. Als<br />

»Vorleserin« erarbeitete sie<br />

Ebenen der unterschiedlichen Biografien<br />

zahlreiche literarisch-musikalische<br />

Programme. Studium der<br />

Germanistik. Ihre literarischen<br />

Arbeiten umfassen Lyrik, Prosa<br />

mehr und mehr ineinander. Indem und Drama. Sie lebt und man<br />

arbeitet<br />

am Wilden Kaiser in Tirol.<br />

sehr nahe an den Figuren dranbleibt,<br />

kann man den Lesenden mitnehmen<br />

und ihn wie einen stillen Beobachter in<br />

die Geschichte hineinziehen.<br />

Das hat eine fast magische<br />

Komponente, war mein Eindruck.<br />

Vor allem auch die raffinierte<br />

Erzählweise, da du eine zentrale<br />

Stelle der Reise – eine Zugfahrt –<br />

aus der Perspektive mehrerer<br />

Figuren erzählst. Das öffnet meiner<br />

Meinung nach die Wahrnehmung<br />

für die Vielfältigkeit der Welt.<br />

Das ist eine gute Beschreibung. Es<br />

geht in meinem Schreiben um Wahrnehmung,<br />

um die Körperlichkeit der<br />

Sprache, auch um eine assoziative Beschreibung<br />

von Wirklichkeit, es geht um<br />

Gerüche, Eindrücke, Kleinigkeiten.<br />

Dabei werden vornehmlich<br />

schwere Themen verhandelt, es<br />

geht um Selbstbeschädigungen<br />

und das Schweigen. Wie aktuell<br />

empfindest du dieses Leiden an der<br />

Sprachlosigkeit der Kinder von<br />

Eltern der Kriegsgeneration?<br />

Leider sehr aktuell. Geredet wird zwar<br />

sehr viel, aber es bleibt häufig an der Oberfläche.<br />

Wir leben heute in einer Art von<br />

Erwartungsgesellschaft, in der wir uns<br />

mit unserem ständigen Konsum selbst<br />

beschädigen, weil diese Erwartungen natürlich<br />

nie und nimmer erfüllt werden können.<br />

Mehr Langsamkeit, mehr Innehalten und<br />

mehr Zuhören wären da wünschenswert.<br />

Bleibt die Frage nach den<br />

literarischen Vorbildern; einige<br />

Autorinnen und Autoren blinzeln<br />

durch die Zeilen deines Buches.<br />

Vor allem Cees <strong>No</strong>oteboom und seine<br />

Kunst, die verschiedenen Zeiten und<br />

Ebenen in seinen Geschichten miteinander<br />

zu verschränken. Annie Ernaux ist mir<br />

wichtig, und natürlich Selma Merbaum.<br />

Es ist erstaunlich, welche Kraft in einem<br />

so zarten Alter im Körper dieser<br />

Schriftstellerin schlummerte.<br />

Was bedeuten die Buchstaben „I.L.F.“,<br />

die eine junge Frau in der Kriegskorrespondenz<br />

ihres verstorbenen<br />

Vaters fand? Er hat sein Leben lang nie<br />

mit ihr über seine Erfahrungen in dieser<br />

Zeit gesprochen. War da eine andere<br />

Frau? Etwas Ungeheures, das nicht<br />

ausgesprochen werden durfte? Franz war<br />

Kamerad ihres Vaters im Feld, er könnte<br />

das Geheimnis der drei Lettern kennen.<br />

Zu ihm ist sie nun im Zug unterwegs.<br />

»Eva Maria Gintsbergs Prosa ist von großer Ruhe<br />

getragen, von sensiblem, genauem Blick gespeist.<br />

So werden Schicksale fühlbar – in ihrem Offensichtlichen<br />

genauso wie in ihren Geheimnissen. Da wird nichts<br />

verkünstelt, da führt Sprache ohne falsche Schnörkel<br />

zur Wirklichkeit – und es ist beim Lesen, als säße man<br />

persönlich der Autorin gegenüber, die erzählt.«<br />

bäng #001<br />

isbn 978-3-903667-00-6<br />

Eva Maria Gintsberg, geboren 1966 in Tirol,<br />

Schauspielerin und Schriftstellerin. Schauspielstudium<br />

u.a. bei Rolph Sarkis in Zürich, in Wien<br />

und in Innsbruck. Seit der Mitte der Achtzigerjahre<br />

zahlreiche Engagements als Schauspielerin und<br />

Regisseurin. Als „Vorleserin“ bekannt mit zahlreichen<br />

literarisch-musikalischen Programmen<br />

zu unterschiedlichsten Themen. „Die Reise“ ist<br />

ihr literarisches Debüt.<br />

Eva Maria Gintsberg Die Reise<br />

Eva<br />

Maria<br />

Gintsberg<br />

Die<br />

Reise<br />

Erzählung<br />

Buchtipp:<br />

Eva Maria Gintsberg:<br />

Die Reise<br />

editionhimmel, 76 S.,<br />

€ 17,90<br />

Lesung:<br />

„Die Reise“<br />

Mit Eva Maria Gintsberg<br />

Moderation: Robert Renk<br />

Do., 23. April 2020, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt: € 9,– / 7,–<br />

(mit Ö1- oder Wagner-Card)


© IsoldeOhlbaum<br />

Die Wahrheit<br />

dauert<br />

maximal<br />

zwanzig<br />

Zeilen.<br />

Monika Helfer<br />

32 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Du hast an die 20 Bücher publiziert,<br />

Romane, Erzählungen, Kinderbücher.<br />

Der Roman „Die Bagage“ scheint<br />

mir der erste zu sein, in dem du<br />

direkt aus deiner Familiengeschichte<br />

schöpfst. Irre ich mich? Und wie<br />

kam es dazu?<br />

Ich habe immer wieder Splitter aus meiner<br />

Familiengeschichte verwendet. Mit<br />

diesem Roman habe ich gewartet, bis die<br />

Hauptpersonen nicht mehr unter den<br />

Lebenden sind, ich wollte niemanden<br />

kränken, auch wenn das Ganze in einen<br />

Roman eingebunden ist und die Wahrheit<br />

maximal zwanzig Zeilen dauert.<br />

Du erzählst die Geschichte deiner<br />

Großmutter, deren Fehler es war,<br />

dass sie so schön war. Deine Mutter<br />

hat dich oft mit ihr verglichen. War<br />

dir das unangenehm und ist Schönheit<br />

auch in unseren Zeiten ein Nachteil?<br />

Erstens war ich niemals so schön wie sie,<br />

zweitens war auf dem Dorf Schönheit,<br />

beziehungsweise Anderssein eine schwierige<br />

Monika<br />

Helfer<br />

Die Fürstin der<br />

österreichischen<br />

Literatur hat nun<br />

einen berührenden<br />

Roman über<br />

ihre Großmutter<br />

geschrieben.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Robert Renk<br />

33<br />

Sache, da gab es Neid und Missgunst,<br />

die Frauen sagten sich, warum nicht ich,<br />

die Männer sagten sich, warum gehört<br />

sie dem Josef, ihrem Mann, und nicht mir.<br />

Wie viele Gespräche waren nötig und<br />

was war das Überraschendste, das du<br />

über deine Familie erfahren hast?<br />

Ich hatte nur mit meiner Tante geredet,<br />

da war sie schon über neunzig, und sie,<br />

wenn sie so richtig in Fahrt war, konnte<br />

phantasieren und glaubte dabei, es sei<br />

die Wahrheit.<br />

In „Die Bagage“ beschreibst du auch<br />

sehr schön das Charakteristische am<br />

Dorfleben. Einen Satz habe ich mir<br />

dick angestrichen, der das Ganze,<br />

Neid & Vorurteile, die so schnell<br />

entstehen – meines Erachtens –<br />

auf den Punkt bringt: „Das sagte<br />

alles, obwohl keiner genau<br />

wusste, was es sagte.“ Hast du die<br />

Erfahrung gemacht, dass sich da<br />

etwas verändert hat?<br />

Ich lebe ja nicht mehr auf dem Dorf,<br />

fast bin ich versucht zu sagen, zum Glück.<br />

Wenn man so eng aneinander lebt, weiß<br />

jeder alles von jedem, und wenn man nicht<br />

alles weiß, wird dazuerfunden.<br />

Der Roman ist auch ein Roman über<br />

Sprache, nicht nur, weil er sprachlich<br />

ganz einzigartig, ebenso einfach wie<br />

kunstvoll gearbeitet ist. Es ist auch<br />

ein Roman über den Dialekt und das<br />

Hochdeutsche. Im Dialekt, schreibst<br />

du, gibt es keine Möglichkeit „Ich<br />

liebe Dich“ zu sagen. Die Sprache<br />

war mit ein Grund, warum sich<br />

deine Großmutter in den Georg aus<br />

Hannover verschaut hat. Jetzt bist<br />

du selbst in einer Gegend<br />

aufgewachsen, wo ein durchaus<br />

intensiver Dialekt gebräuchlich ist.<br />

Wie stehst du zum Dialekt?<br />

Ich finde Dialekt, wenn er nicht verfälscht<br />

ist, schön. Wir reden zu Hause im Dialekt.<br />

Viele deiner Romane werden aus der<br />

Sicht von Kindern geschildert, auch<br />

in „Die Bagage“ spielen Kinder und<br />

deren Sichtweise des Ganzen eine<br />

schöne Rolle. Warum ist es dir so<br />

wichtig, den Kinderblick ernsthaft in<br />

Erwachsenenromane zu hieven?<br />

Ich war immer von Kindern umgeben, und<br />

glaube deshalb, dass ich sie gut verstehe.<br />

Danke für das Gespräch.<br />

Ich bedanke mich ebenso.<br />

Monika Helfer, geboren 1947 in Au/Bregenzerwald,<br />

lebt als Schriftstellerin mit ihrer Familie in<br />

Vorarlberg. Sie hat Romane, Erzählungen und<br />

Kinderbücher veröffentlicht, darunter: „Kleine<br />

Fürstin“ (1995), „Wenn der Bräutigam kommt“<br />

(1998) u.v.m. Gemeinsam mit ihrem Mann Michael<br />

Köhlmeier veröffentlichte sie 20<strong>10</strong> das Kinderbuch<br />

„Rosie und der Urgroßvater“ sowie „Der Mensch ist<br />

verschieden. 33 Charaktere“ (Haymon Verlag 2017).<br />

Für ihre Arbeiten wurde sie unter anderem mit dem<br />

Robert-Musil-Stipendium und dem Österreichischen<br />

Würdigungspreis für Literatur ausgezeichnet. Mit<br />

ihrem letzten Roman „Schau mich an, wenn ich mit<br />

dir rede“ (2017) war sie für den Deutschen Buchpreis<br />

nominiert.<br />

Buchtipp:<br />

Monika Helfer:<br />

Die Bagage<br />

Hanser Verlag, 160 S.,<br />

€ 20,20<br />

Buchpräsentation:<br />

„Die Bagage“<br />

Mit Monika Helfer<br />

Moderation: Nicola Steiner<br />

Mo., 27. April 2020, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt: € 9,– / 7,–<br />

(mit Ö1- oder Wagner-Card)<br />

Moderation:<br />

Nicola Steiner<br />

(SFR)<br />

© Mirjam Kluka


© Isabell Schatz<br />

Das Spiel<br />

mit der<br />

Sprache,<br />

die Prosa<br />

fehlt mir<br />

manchmal …<br />

Kathrin Resetarits<br />

34 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Frau Resetarits, die 43. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche beschäftigen<br />

sich mit dem Thema „Film“. –<br />

Zum Film haben Sie viele Zugänge:<br />

als Schauspielerin, Dramaturgin,<br />

Drehbuchautorin und Regisseurin;<br />

in welcher Rolle fühlen Sie sich<br />

am wohlsten?<br />

Jede dieser Funktionen hat ihre Vor- und<br />

Nachteile. Beim Schreiben ist man vorerst<br />

einmal alles – Schauspielerin, Kamerafrau,<br />

Regisseurin, Ausstatterin … weil man ja<br />

einen Film im eigenen Kopf macht. Man<br />

hat also in dieser Phase größte Gestaltungsfreiheit,<br />

dafür fehlt einem aber das Arbeiten<br />

am Set, das eigentliche Wunder des Filmemachens,<br />

wenn sich unkontrollierbare<br />

Realität mit den eigenen Vorstellungen<br />

vermischt, und im besten Fall etwas Größeres<br />

rauskommt, das einen überraschen und<br />

verzaubern kann.<br />

Sie sind – seit der Klavierspielerin<br />

(2001) – künstlerische Assistentin<br />

von Michael Haneke. Wie sieht<br />

Kathrin<br />

Resetarits<br />

Über das Spiel mit<br />

der Sprache, das<br />

Wunder des Filmemachens<br />

und die<br />

Wirkmächtigkeit<br />

bewegter Bilder.<br />

Ein Gespräch mit<br />

Joe Rabl<br />

35<br />

die Zusammenarbeit mit Michael<br />

Haneke konkret aus?<br />

Michael leistet sich mit mir quasi den<br />

Luxus einer zweiten Meinung. Beim Drehen<br />

sitze ich meistens vor dem Monitor, auf<br />

dem zu sehen ist, was gerade gedreht wird,<br />

und mach mir meine eigenen Gedanken<br />

dazu. Er ist bei den Schauspielern und<br />

kommt dann wieder zu mir, um die<br />

Einstellungen zu sichten und sich mit mir<br />

auszutauschen. Wir arbeiten gerne und<br />

gut zusammen, auch wenn wir naturgemäß<br />

nicht immer einer Meinung sind<br />

– wenn dem so wäre, könnte er sich mich<br />

auch sparen.<br />

Sie sind Gründungsmitglied des<br />

Vereins „FC Gloria – Frauen<br />

Vernetzung Film“. Was macht der<br />

Verein und was sind die dringlichsten<br />

Anliegen?<br />

FC Gloria setzt sich für die Wahrnehmung<br />

der Interessen von Frauen in der österreichischen<br />

Filmbranche ein, um zu einer<br />

geschlechtergerechten Zukunft beizutragen.<br />

Der Frauenanteil hinter der Kamera ist<br />

nach wie vor erschreckend gering, das<br />

wollen wir ändern.<br />

Unter anderem geht es darum,<br />

eine höhere Diversität der erzählten<br />

Geschichten zu erreichen. Film ist ein<br />

sehr wirkmächtiges Medium, wer wessen<br />

Geschichten in welcher Form erzählt, bestimmt<br />

unsere Gesellschaft stark. Es gibt<br />

ein afrikanisches Sprichwort, das ungefähr<br />

so lautet: Solange die Löwen keine Geschichte(n)<br />

haben, werden Geschichten<br />

über die Jagd immer die Jäger glorifizieren.<br />

Sie unterrichten Drehbuch an<br />

der Filmakademie Wien. Was ist<br />

das Wichtigste, das Sie an die<br />

Studierenden dort weitergeben<br />

können?<br />

Das Wichtigste zu benennen fällt mir<br />

schwer bei etwas, das mir so wichtig ist.<br />

Aber unter anderem möchte ich vermitteln,<br />

wie entscheidend es fürs Erzählen<br />

ist, von sich selbst auszugehen, sich<br />

selbst zu erkunden und mit einer gewissen<br />

Offenheit und Aufrichtigkeit ins Erzählen<br />

zu gehen. Sich auf sich selbst anstatt auf<br />

Schablonen und Klischees zu verlassen.<br />

Die eigenen Erfahrungen mit der Welt<br />

ernst zu nehmen und sie mitzuteilen<br />

erfordert Mut, Forschergeist und ein<br />

Bedürfnis, die eigene Einsamkeit aufzulösen,<br />

es lohnt aber auf allen Ebenen.<br />

Vor Jahren haben Sie auch<br />

als Autorin debütiert, mit dem<br />

Prosaband „Vögel sind zu Besuch“<br />

(Czernin Verlag, 2007). Danach gab<br />

es nur noch sporadische literarische<br />

Veröffentlichungen. Warum?<br />

Ja, warum eigentlich? Vielleicht sollte ich<br />

wieder mehr Zeit dafür schaffen. Beim<br />

Drehbuchschreiben geht es ja darum, eine<br />

möglichst verständliche Vorlage für das<br />

eigentliche Werk, den Film, zu schaffen,<br />

dadurch liegt der Fokus mehr auf den<br />

Bildern und Tönen, die entstehen sollen,<br />

weniger auf der Sprache an sich. Und das<br />

Spiel mit der Sprache, die Prosa fehlt mir<br />

manchmal. Wahrscheinlich schreibe ich<br />

deswegen so gerne Dialoge …<br />

Literatur und Film haben, bei allen<br />

formalen Unterschieden, auch<br />

viele Gemeinsamkeiten. Was ist<br />

wirkmächtiger – Worte oder Bilder?<br />

Bücher oder Filme?<br />

Was den Mainstream betrifft, mittlerweile<br />

sicher Filme und Serien, weil die noch<br />

angeschaut werden. Bewegte Bilder sind<br />

attraktiv, und man muss nicht lesen<br />

lernen, um sich von ihnen unterhalten<br />

zu lassen.<br />

Kathrin Resetarits, geboren 1973 in Wien, studierte<br />

Theaterwissenschaft und Philosophie an der<br />

Universität Wien und Regie an der Wiener Filmakademie.<br />

Autorin, Dramaturgin, Regisseurin<br />

und Schauspielerin (u.a. Böse Zellen, Crash Test<br />

Dummies, Fallen, L’Animale); künstlerische Assistentin<br />

von Michael Haneke; Co-Autorin der Kabarettprogramme<br />

ihres Vaters Lukas Resetarits. Veröffentlichte<br />

Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien<br />

sowie 2007 den Band „Vögel sind zu Besuch“ im<br />

Czernin Verlag. Kurz-, Dokumentar- und Essayfilme<br />

(Regie und Buch): Ägypten (1997), Fremde (1999),<br />

Ich bin ich (2006). Ihr Drehbuch zu Licht (R: Barbara<br />

Albert) wurde mit dem Thomas-Pluch-Drehbuchpreis<br />

2018 ausgezeichnet. Unterrichtet Drehbuch an<br />

der Filmakademie Wien und als Gastdozentin an der<br />

Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.<br />

Veranstaltungstipp:<br />

Kathrin Resetarits ist bei den<br />

43. Innsbrucker Wochenendgesprächen<br />

vom 7. bis 9. Mai<br />

2020 zu Gast.


43. Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche<br />

7. bis 9. Mai 2020<br />

Do., 7.5.2020<br />

20.15 Uhr: ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />

Lesung: Peter Stephan Jungk, Julya Rabinowich, Dimitré Dinev,<br />

Cornelia Travnicek, Kurt Palm; Moderation: Birgit Holzner<br />

Fr., 8.5.2020<br />

Gespräche im Haus der Musik, 5. Stock, Vorlesungssaal 05.07.11<br />

<strong>10</strong>.00 –12.00 Uhr: Clemens Aufderklamm, Lorenz Langenegger,<br />

Kathrin Resetarits<br />

15.00 –17.00 Uhr: Thomas Ballhausen, Cornelia Travnicek,<br />

Herbert J. Wimmer<br />

Moderation: Peter Stephan Jungk<br />

Sa., 9.5.2020<br />

Gespräche im Haus der Musik, 5. Stock, Vorlesungssaal 05.07.11<br />

<strong>10</strong>.00 –12.00 Uhr: Dimitré Dinev, Kurt Palm, Julya Rabinowich<br />

15.00 –17.00 Uhr: Gespräch mit allen Autorinnen und Autoren<br />

Moderation: Peter Stephan Jungk<br />

20.15 Uhr: ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />

Lesung: Clemens Aufderklamm, Kathrin Resetarits,<br />

Thomas Ballhausen, Herbert J. Wimmer, Lorenz Langenegger;<br />

Moderation: Joe Rabl<br />

Corporate Design<br />

Fotografie<br />

Packaging<br />

Buchgestaltung<br />

Informationsdesign<br />

Editorial<br />

Ausstellungen<br />

Specials<br />

www.himmel.co.at<br />

© Familie Suschitzky<br />

Literatur und Film – zwei Medien, die mit<br />

unterschiedlichen Mitteln dasselbe wollen:<br />

Geschichten erzählen. Geschichten, die<br />

unser Denken verändern, unseren Blick<br />

auf uns selbst und auf andere hinterfragen<br />

und erweitern. Aber was sind die formalen<br />

Mittel und Strategien von Film und/oder<br />

Literatur? Was ist ihnen gemeinsam und<br />

was unterscheidet sie? Wie beeinflussen sie<br />

sich gegenseitig? Und wie lassen sich Stilmittel<br />

des jeweils anderen Mediums für die<br />

eigene Arbeit nutzbar machen?<br />

Der Film als Quelle der Inspiration für die<br />

Literatur – vice versa – ist Thema der 43.<br />

Innsbrucker Wochenendgespräche. Der<br />

Fokus der Veranstaltung liegt neben den<br />

Lesungen bei den Diskussionen, weshalb<br />

über Film und Literatur in allen Facetten<br />

gesprochen werden wird.<br />

Unter der Leitung von Peter Stephan<br />

Jungk, der einen bewegenden Film über<br />

seine Großtante, die Fotografin, Spionin<br />

für die Sowjetunion und alleinerziehende<br />

Mutter Edith Tudor-Hart, gedreht hat,<br />

diskutieren:<br />

Clemens Aufderklamm, Thomas Ballhausen,<br />

Dimitré Dinev, Lorenz Langenegger,<br />

Kurt Palm, Julya Rabinowich, Kathrin<br />

Resetarits, Cornelia Travnicek und Herbert<br />

J. Wimmer.<br />

Fotoprojekt:<br />

Chemical Aesthetics (2020)


© Marcus Höhn<br />

Buchtipp:<br />

María Cecilia Barbetta:<br />

Nachtleuchten<br />

S. Fischer Verlag, 528 S., € 13,40<br />

Die<br />

Imagination<br />

ähnlich wie<br />

der Glaube<br />

versetzt Berge.<br />

María Cecilia Barbetta<br />

38<br />

Wagner’sche.<br />

Du hast zwei Romane geschrieben,<br />

beide spielen in Stadtteilen von<br />

Buenos Aires. „Änderungsschneiderei<br />

Los Milagros“ spielt in Almagro,<br />

dein letztes Buch „Nachtleuchten“<br />

in einem Stadtteil, in dem du<br />

aufgewachsen bist, in Ballester.<br />

Dennoch schreibst du deine Romane<br />

auf Deutsch. Warum?<br />

Weil die Durchdringung beider Welten, zu<br />

denen ich mich zugehörig fühle, für mein<br />

Schreiben wesentlich ist. Auch wenn die<br />

beiden Romane, die ich bis jetzt geschrieben<br />

habe, in Argentinien spielen, sind sie vollständig<br />

auf Deutsch gedacht und zum Teil<br />

von Deutschland inspiriert. Das betrifft weniger<br />

die Figurenzeichnung als vielmehr das<br />

Lokalkolorit, mit dem ich mein Argentinien<br />

anreichere. Die Änderungsschneiderei, der<br />

Laden, der mich zu meinem ersten Buch<br />

animierte, stand damals in Berlin, nicht<br />

im Stadtviertel Almagro, wie die Fiktion<br />

uns glauben lässt. Ähnlich verhält es sich<br />

mit der Bar Tolucci oder dem Friseursalon<br />

Ewige Schönheit in „Nachtleuchten“,<br />

Sie war die Entdeckung<br />

bei den<br />

Festivals in<br />

Leukerbad und<br />

Hausach, und<br />

nun liest sie<br />

auch in Tirol.<br />

Und das gleich<br />

zweimal!<br />

Ein Gespräch mit<br />

Robert Renk<br />

die in Wahrheit aus Berlin stammen. Ich<br />

verpflanze sie einfach von einer Stadt in<br />

die andere, von Europa nach Südamerika.<br />

Aus der Science-Fiction kennt man den<br />

Begriff der Teleportation, den ich mir<br />

ausleihe, um daran zu erinnern, dass die<br />

Übertragung von Materie, von Information<br />

oder was auch immer von einem Ort<br />

zum anderen – nicht bloß über Räume,<br />

sondern auch über Zeiten hinweg – jedes<br />

Mal möglich ist, wenn wir unsere Phantasie<br />

als Motor einsetzen. Das schöne deutsche<br />

Wort Vorstellungskraft ruft das Vermögen<br />

ins Gedächtnis, das unseren Gedanken<br />

innewohnt. Die Imagination ähnlich wie<br />

der Glaube versetzt Berge im wortwörtlichen<br />

Sinne des Wortes. Aber auch so lässt<br />

sich nicht alles von der zweiten in die erste<br />

Heimat übertragen. Das meiste entsteht im<br />

Reich der Fiktion, in dem es ohnehin keine<br />

Ländergrenzen gibt.<br />

Du beschreibst einmal deine argentinische<br />

Herkunft und deine Liebe<br />

zur deutschen Sprache und Kultur mit<br />

María Cecilia<br />

Barbetta<br />

dem Bild von Pegasus. Was können<br />

wir uns darunter vorstellen?<br />

Das Bild stammt leider nicht von mir,<br />

ich leihe es mir von dem Literaturwissenschaftler<br />

Wolfgang Iser aus. Er erinnert<br />

daran, dass der Pegasus das Symbol<br />

der Einbildungskraft ist, um dann zu<br />

behaupten, dass weder die Flügel noch<br />

der Körper dieses Fabelwesen ausmachen,<br />

sondern die besondere Stelle, in der die<br />

Flügel in den Körper des Pferdes übergehen.<br />

Diesen magischen Schnittpunkt gilt<br />

es also, unter die Lupe zu nehmen, denn<br />

dort sitzt die Einbildungskraft. Genau<br />

an dieser Schnittstelle verortet, liegt das<br />

Argentinien meiner Bücher.<br />

Dein Roman „Nachtleuchten“, der<br />

soeben als Taschenbuch erschienen<br />

ist, spielt in einer dunklen Zeit der<br />

argentinischen Geschichte, dennoch<br />

bringst du in dieser Zeit auch Dinge<br />

zum Leuchten. Was war das für eine<br />

schwierige, dunkle Zeit? War es<br />

dir wichtig, dass die Leute, die du<br />

beschreibst, dennoch den Glauben<br />

an die Zukunft, an das Licht nicht<br />

verlieren?<br />

Der Roman spielt am Vorabend der<br />

Militärdiktatur, in einer Übergangszeit, in<br />

der sich trotz Demokratie bereits einiges<br />

anbahnt, was später leider tragischer Alltag<br />

wird. Wenngleich die politische Dimension<br />

der Bedrohung im Laufe des Romans<br />

immer konkreter wird, habe ich Figuren<br />

entworfen, die das Leben achten und in<br />

Ehren halten, indem sie – aller Gefahr zum<br />

Trotz – Freundschaften pflegen, Träume<br />

und Zukunftsbilder nicht verraten. Ich<br />

wollte nicht das Trauma in den Vordergrund<br />

stellen, sondern Helden, die dagegen<br />

ankämpfen und sich behaupten, indem sie<br />

unspektakulär menschlich bleiben.<br />

Im Roman spielt auch eine<br />

Autowerkstatt eine wichtige Rolle.<br />

Sie heißt „AUTOPIA“. Diesem Ort<br />

zu Ehren wird deine Lesung in Telfs<br />

auch extra in einer Autowerkstatt<br />

stattfinden. Hat es da persönliche<br />

Gründe?<br />

Mein Großvater mütterlicherseits, der<br />

Pate gestanden hat für die Figur von<br />

Julio El Haddad im Roman, war Automechaniker.<br />

Er hatte eine Autowerkstatt in<br />

Ballester, und dort habe ich mich als Kind<br />

liebend gern umgetrieben.<br />

Hattest du schon einmal eine Lesung<br />

in einer Autowerkstatt?<br />

Trotz meiner Nähe zum Setting: absolute<br />

Weltpremiere! Riesige Vorfreude!<br />

María Cecilia Barbetta wurde 1972 in Buenos Aires<br />

geboren, wuchs in dem Einwandererviertel Ballester,<br />

in dem ihr Roman „Nachtleuchten“ spielt, auf und<br />

besuchte dort die deutsche Schule. 1996 zog sie nach<br />

Berlin und blieb. Ihr erster Roman, „Änderungsschneiderei<br />

Los Milagros“ (2008), wurde unter anderem<br />

mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet.<br />

María Cecilia Barbetta schreibt auf Deutsch. Ihr<br />

zweiter Roman über den Vorabend eines politischen<br />

Umsturzes, „Nachtleuchten“ (2018), wurde mit dem<br />

Alfred-Döblin-Preis geehrt, dem Chamisso-Preis/<br />

Hellerau und stand auf der Shortlist für den<br />

Deutschen Buchpreis.<br />

Lesungen:<br />

María Cecilia Barbetta liest aus<br />

„Nachtleuchten“<br />

am 31.3.2020 um 19:30 Uhr<br />

im Autohaus Neurauter<br />

(Saglstraße 78 – Telfs)<br />

Moderation: Robert Renk<br />

am 3.4.2020 um 19:30 Uhr in der<br />

Wagner’schen, im Rahmen des<br />

18. Prosafestivals, gemeinsam<br />

mit Simone Lappert,<br />

Dominik Barta und Fee Brembeck<br />

Eintritt: frei


Volljährig – das<br />

18. Innsbrucker Prosa Festival<br />

Von Liechtenstein über Argentinien zur Jüdischen<br />

Weltverschwörung: Literatur bringt einen überall hin.<br />

Bitte einsteigen … Von Markus Köhle & Robert Renk<br />

Do, 2. April, 20 Uhr<br />

Stadtbibliothek<br />

1 Markus Orths (D)<br />

2 David Fuchs (A)<br />

3 Ulrike Ulrich (CH)<br />

4 Lorenz Langenegger (CH)<br />

© 8ung Kultur<br />

Fr, 3. April, 20 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

1 María Cecilia Barbetta<br />

(ARG/D)<br />

2 Dominik Barta (A)<br />

3 Simone Lappert (CH)<br />

4 Fee Brembeck (D)<br />

Hurra! Wir sind erwachsen! Wir haben<br />

es amtlich, wir sind mündig und nehmen<br />

es einmal mehr schriftlich. Denn wir<br />

sind verschossen in Literatur. Wir lesen<br />

und lassen vorlesen. Das Innsbrucker Prosa<br />

Festival ist sich seiner Großjährigkeit<br />

bewusst und nimmt die Verantwortung,<br />

gut gewählte Literatur zu verbreiten,<br />

gerne an. Der Verein 8ungKultur macht<br />

das erneut möglich.<br />

Das heißt: Auch dieses Jahr dürfen wir<br />

Ihnen 12 Autorinnen und Autoren aus<br />

dem gesamten deutschen Sprachraum (und<br />

darüber hinaus) präsentieren, die aus den<br />

unterschiedlichsten Gründen in der gegenwärtigen<br />

Literaturlandschaft herausragend<br />

sind. Drei Tage, drei Orte, drei Moderatoren,<br />

12 Autorinnen und Autoren. Das reimt<br />

sich noch immer und ist wie immer gut,<br />

wird aber noch besser durch Sie, durch<br />

Ihr Dabeisein.<br />

Diesmal gibt es ein musikalisches Plus<br />

der Sonderklasse: Die Singer-Songwriterin<br />

Nnella wird jeden Abend für das passende<br />

Intro sorgen und garantiert verzaubern.<br />

Der Auftakt findet am Donnerstag,<br />

den 2. April in der neuen Stadtbibliothek<br />

(Amraser Straße 2) statt. Am Freitag, den<br />

3. April ist die Wagner’sche Buchhandlung<br />

(Museumstraße 4) Gastgeber und am<br />

Samstag, den 4. April 2018 besiegeln wir<br />

den Dreitage-Literatur-Staffellauf<br />

im BRUX – Freies Theater Innsbruck<br />

(Wilhelm-Greil-Straße 23) mit Musik von<br />

DJ Martin Fritz sowie Tanz und Ekstase<br />

von allen Beteiligten.<br />

Sa, 4. April, 20 Uhr<br />

BRUX<br />

1 Thomas Meyer (CH)<br />

2 Irmgard Fuchs (A)<br />

3 Tonio Schachinger (A)<br />

4 Benjamin Quaderer (FL)<br />

Robert Renk, Markus Köhle und<br />

Martin Fritz moderieren, führen einleitende<br />

Gespräche mit den Autorinnen<br />

und Autoren, beschenken diese textmotiviert<br />

und haben wie immer einen<br />

schillernden Querschnitt der aktuell<br />

schreibenden Zunft eingeladen. Carmen<br />

Sulzenbacher sorgt für die Organisation<br />

und Betreuung aller.<br />

Lesen macht nicht nur erwachsen, es hält<br />

auch jung. Das ist nicht paradox, das ist<br />

das sogenannte Lektürewunder. Jedes Buch<br />

ist eine geistige Frischzellenkur. Andere<br />

mögen sich Kurschatten halten, Leserinnen<br />

und Leser halten sich Bücher. Kurschatten<br />

sind ephemere Phänomene, Bücher sind<br />

bleibende Werte. Zurecht nimmt niemand<br />

einen Kurschatten mit nach Hause. Bücher<br />

aber lassen sich nur zu gerne mit nach<br />

Hause nehmen. Mit Büchern kann man<br />

bedenkenlos ist Bett gehen. Bücher tun<br />

selten physisch wirklich weh, einschlafbedingte<br />

Buchkantendruckstellen da und<br />

dort sind schöne Erinnerungsmerkmale.<br />

Bücher lassen sich aber auch gut ins Regal<br />

stellen. Und wer nicht lesen will, kann<br />

trotzdem kaufen und verschenken. Und wer<br />

nicht lesen will, kann sich auch vorlesen<br />

lassen und zwar von Meisterinnen und<br />

Meistern ihres Faches, die es verstehen, die<br />

Nacht leuchten und ein Jahr ohne Winter<br />

vergehen zu lassen. Die Picknicken im<br />

Dunkeln und den Sprung wagen. Denn in<br />

der Literatur gilt wie immer: Hier ist noch<br />

alles möglich.<br />

Ihr Team Robert Renk, Markus Köhle,<br />

Martin Fritz & Carmen Sulzenbacher<br />

Wir befinden uns auf einer<br />

Dachterrasse. Dort feiert Alexa<br />

ihren Geburtstag mit 40 Freunden,<br />

einer bunten Mischung<br />

aus Einheimischen und Ausländern<br />

mitten in der schönen<br />

Schweiz. Und natürlich läuft<br />

dabei einiges aus dem Ruder.<br />

„Wer erfahren will, wie sich das<br />

Leben (…) in einem der Herzen<br />

des Kapitalismus anfühlt (…)<br />

und wie die große Politik auf<br />

die private Liebe wirkt, der<br />

sollte diesen rasanten, bitteren<br />

und immer wieder komischen<br />

Roman lesen“. Diesen Worten<br />

von Büchner-Preisträger<br />

Bärfuss ist nichts hinzuzufügen.<br />

Robert Renk<br />

Ulrike Ulrich:<br />

Während wir feiern<br />

Berlin Verlag, 272 S., € 22,70<br />

Wolkenbruch ist wieder da. Die<br />

Fortsetzung hebt ab und holt<br />

aus: Der orthodoxe Jude Motti<br />

wird Teil der Gruppe „Verlorene<br />

Söhne Jerusalems“, die<br />

die jüdische Weltverschwörung<br />

im Sinn hat. Aber die Nazis in<br />

der Alpenfestung wissen sich<br />

auch zu helfen. Sie werfen die<br />

Hassmaschine an, setzen eine<br />

Agentin auf Motti an und<br />

starten die Reichsflugscheibe.<br />

Die Welt stünde wohl nicht<br />

mehr lange, wenn die Mamme<br />

nicht wäre. Ein phantasie- und<br />

humorvolles Leseereignis!<br />

Markus Köhle<br />

Thomas Meyer:<br />

Wolkenbruchs waghalsiges<br />

Stelldichein mit der Spionin<br />

Diogenes Verlag, 275 S., € 24,70<br />

Wer träumt nicht davon, sich<br />

im Alter mit Gleichgesinnten in<br />

eine Alten-WG zu begeben. Das<br />

stellen wir uns fein & lustig vor.<br />

Doch die Realität kann ganz<br />

anders ausschauen, das beschreibt<br />

David Fuchs in seinem<br />

neuen Roman eindringlich.<br />

Daniel, der nur kurz seine Verwandten<br />

besucht, ist erschüttert<br />

über die spezielle WG, die er<br />

vorfindet. Dementer Onkel,<br />

krebskranker Nachbar und eine<br />

völlig überforderte Tante. Daniel<br />

versucht zu helfen, das geht<br />

aber manchmal nach hinten los.<br />

Sehr eindrücklich!<br />

Robert Renk<br />

David Fuchs:<br />

Leichte Böden<br />

Haymon Verlag, 208 S., € 19,90<br />

Egal ob er realen Figuren nachschreibt<br />

(„Max“) oder ganze<br />

Universen erfindet („Alpha<br />

und Omega“), immer sind seine<br />

Romane bestens recherchiert<br />

und unglaublich lustig. Nun<br />

bringt Markus Orths – der<br />

Mann der <strong>10</strong>00 Ideen – zwei<br />

Figuren in eine unmögliche<br />

Situation. Nicht nur, dass Stan<br />

Laurel plötzlich auf Thomas<br />

von Aquin trifft, passiert das in<br />

einem Tunnelsystem in vollkommener<br />

Finsternis. Um so<br />

erhellender sind die Gespräche,<br />

die unsere zwei Helden führen.<br />

Großartig!<br />

Robert Renk<br />

Markus Orths:<br />

Picknick im Dunkeln<br />

Hanser Verlag, 240 S., € 22,70<br />

Jakob Walter wieder auf Reisen.<br />

Diesmal hat es ihn nach<br />

Australien verschlagen. Er hat<br />

dort seine Ex-Frau zu suchen.<br />

Jakob stellt sich viele Lebensfragen<br />

und stellt sich schließlich<br />

auch der Konfrontation<br />

mit seiner Ex. Vorher aber gilt<br />

es, Kontakt mit geheimnisvollen<br />

Ureinwohnern, skurrilen<br />

Exil-Deutschen und einem<br />

charismatischen Guru auf- und<br />

viel Ungewissheit in Kauf zu<br />

nehmen. Es geht also um alles,<br />

um das Leben an sich. Poetisch<br />

und witzig gleichermaßen.<br />

Markus Köhle<br />

Lorenz Langenegger:<br />

Jahr ohne Winter<br />

Jung und Jung Verlag, 160 S., € 20,–<br />

Benjamin Quaderer hat sich für<br />

seinen Debütroman inspirieren<br />

lassen vom großen internationalen<br />

Steuerskandal, in<br />

den sein Heimatland Liechtenstein<br />

2008 verwickelt war.<br />

Johann Kaiser heißt im Roman<br />

der Datendieb, der die Affäre<br />

ins Rollen brachte. Kaiser selbst<br />

erzählt seine turbulente Lebensgeschichte<br />

und damit seine<br />

Motivation zu handeln. Dies ist<br />

ebenso spannend zu lesen wie es<br />

spannend ist, sich beim Lesen<br />

dabei zu ertappen, wie wir dem<br />

geschickten Erzähler immer<br />

wieder auf den Leim gehen.<br />

Martin Fritz<br />

Benjamin Quaderer:<br />

Für immer die Alpen<br />

Luchterhand Verlag, 592 S., € 22,70<br />

Was idyllisch beginnt, führt<br />

zu bösem Erwachen: Theresa<br />

Weichselbaum, Bauersfrau in<br />

oberösterreichischer Provinz,<br />

hat sich im sechzigsten Lebensjahr<br />

direkt ins Herz geschossen.<br />

Warum weiß keiner so recht,<br />

dabei hat sie es ihm gesagt:<br />

„Ich habe keine psychische<br />

Krankheit. Ich habe ein viel<br />

schlimmeres Problem. Ich liebe<br />

dich nicht.“ Herzschmerz! „Das<br />

Familiäre war das Mafiöse, das<br />

Verhängnisvolle, das Penetrante“,<br />

seziert der Ich-Erzähler<br />

dieses Debütromans: rau, rissig,<br />

unversöhnlich.<br />

Bernhard Sandbichler<br />

Dominik Barta:<br />

Vom Land<br />

Paul Zsolnay Verlag, 164 S., € 18,50<br />

Ivo ist ein Star, ja, aber oft ist<br />

das Leben selbst für einen Bugatti-Fahrer<br />

und Jetsetter mehr<br />

Dschungel Camp als Ponyhof.<br />

Ivo hassliebt Österreich, kickt<br />

international, kommt von<br />

überall her und ist im Stadion<br />

daheim. Eine Familie ist für ein<br />

Kaliber wie Ivo natürlich nicht<br />

genug. Ivo will mehr und muss<br />

erkennen, dass der direkte Weg<br />

aufs Tor nicht in allen Lebenslagen<br />

zum Erfolg führt. Ivo<br />

Trifunovič hat das Zeug, zum<br />

Holden Caulfield der Millennials<br />

zu werden. Ein Debüt wie<br />

ein Schuss ins Kreuzeck.<br />

Markus Köhle<br />

Tonio Schachinger:<br />

Nicht wie ihr<br />

Kremayr & Scheriau Verlag,<br />

302 S., € 22,90


© Gene Glover/Agentur Focus.<br />

Raum<br />

für<br />

das<br />

Glück<br />

der<br />

Begeisterung …<br />

Monika Rinck<br />

42<br />

Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Würdest du dich als Lyrikerin<br />

bezeichnen?<br />

Meistens sage ich Autorin, manchmal<br />

auch Dichterin. Eigentlich interessiert es<br />

mich nicht, die Trennung zwischen Prosa<br />

und Lyrik weiter zu bearbeiten. Interessanter<br />

ist es, die Gattungsbezeichnung als<br />

Lektüre-Anweisung zu nehmen: Lies dies<br />

als Roman. Lies dies als Gedicht. Lies dies,<br />

als handelte es sich um: „Neues mexikanisches<br />

Kino“, wie ein Langgedicht des<br />

argentinischen Dichters Luis Felipe Fabre<br />

heißt, dessen erstes Kapitel genre-gemäß<br />

mit einem reißerischen Trailer in Form<br />

eines Gedichtes eröffnet wird. Auch Kommentare,<br />

Skizzen, Zeichnungen, Listen,<br />

Fußnoten, Kurzprosa, Traumprotokolle,<br />

Mikro-Essays, transkribierte Polyloge, alle<br />

Formen von Metatext können dazugehören,<br />

mich interessieren die Mischgebiete.<br />

Wann weißt du, dass ein Gedicht<br />

publikationsreif ist?<br />

Wenn ich den Eindruck habe, dass es ab<br />

jetzt nicht mehr besser wird, dass weitere<br />

Monika<br />

Rinck<br />

Sie gilt als<br />

„Monarchin einer<br />

neuen Lyrikaristokratie“<br />

und ist in<br />

Theorie und Praxis<br />

eine der großen<br />

Stimmen der<br />

deutschen Lyrik.<br />

Ein Gespräch mit<br />

José F.A. Oliver<br />

43<br />

Überarbeitungen eher schaden, oder wenn<br />

das Interesse an dem Thema nachlässt, oder<br />

ich unterbrochen werde, oder mich lieber<br />

etwas anderem zuwende, oder der Abgabetermin<br />

naht – dann ist es entweder fertig<br />

oder verloren.<br />

Was erwartest du von einem Gedicht?<br />

Ich mache mir lieber keine Erwartungen.<br />

Höchstens: Realismus. Nicht resignativ<br />

gesagt, sondern mit einer erwartungsarmen<br />

Offenheit gegenüber dem Anderen. „Das<br />

Motiv für Realismus ist nie Bestätigung der<br />

Wirklichkeit, sondern Protest.“ (A. Kluge)<br />

Insofern wäre auch Meta-Realismus oder<br />

Surrealismus nicht auszuschließen.<br />

In „Weiterschwimmen. Eine<br />

Rekonstruktion nach sehr vielen<br />

Monaten, Jahren, Jahrzehnten“ sagst<br />

du: „Die guten Texte eröffnen einen<br />

Raum, der größer ist als sie.“ Was<br />

bedeutet dieser Raum?<br />

Ja, das ist der Raum für das Glück der<br />

Begeisterung, ausgelöst zum Beispiel durch<br />

neue Gedichte, die man erstmals auf einer<br />

Lesung hört, oder die man für sich selbst<br />

still liest – sie erschaffen diesen Raum<br />

um sie herum mit. Man kann sich darin<br />

aufhalten, plötzlich ist Platz. Ich kann woanders<br />

hindenken. Dieser Raum erneuert<br />

auch den Wunsch dabei zu sein, dabei zu<br />

bleiben. Er erinnert an Dinge, die man noch<br />

nicht kennt. Es ist der Raum, in dem etwas<br />

gemacht werden kann, den es ohne die anderen<br />

nicht gäbe. Das ist wichtig, es ist ein<br />

gemeinsamer Raum, der zum Teil fremd<br />

ist. Wenn ich lange nichts hörte, was mir<br />

gefällt, dann verkleinert sich dieser Raum.<br />

Deine Gedichte sind Kompass für<br />

viele Lyriker*innen – woher nimmst<br />

du deine Orientierung ins Schreiben?<br />

Oh, das weiß ich nicht genau. Ich versuche,<br />

mich nicht zu wiederholen. Ich bin<br />

skeptisch, wenn mir die Dinge zu einfach<br />

von der Hand gehen. Aber natürlich auch<br />

dann, wenn es gar nicht vorangeht. Ich<br />

lese so viel wie möglich und oft führt ein<br />

Buch zu einem anderen, das ich dann auch<br />

lese. Ich versuche, anregende Bücher ausfindig<br />

zu machen, die meinen Blick auf das<br />

Gegebene ändern, die meine Perspektive<br />

vergrößern. Nicht immerzu das Gleiche<br />

tun, nicht immerzu die Gleichen lesen. Da<br />

helfen mir auch kluge Leute auf Twitter<br />

weiter, mit Hinweisen, denen ich nachgehe.<br />

Ich versuche gegenwärtig zu sein und sage<br />

mir gleichzeitig einen Satz von Charlotte<br />

Wiedemann vor: „Wir halten für normal,<br />

wovon wir die Vorgeschichte auslassen.“ Die<br />

Vorgeschichte gehört zur Gegenwart dazu.<br />

„(…) das gedicht beschwert sich /<br />

bei der welt, dass sie nicht seinen<br />

ansprüchen entspricht“, heißt es in<br />

einem Gedicht von Max Czollek.<br />

Empfindest du das auch so?<br />

Hm, was sind die Ansprüche des Gedichtes?<br />

Jede ästhetische Setzung sagt in gewisser<br />

Weise nein zum Gegebenen. Das ist<br />

aber auch eine Sache der Deutung, und eine<br />

inhaltliche Frage: Mit welchen Ansprüchen<br />

habe ich es zu tun?<br />

Wenn du eine Frage an die Literatur<br />

im Allgemeinen und an die Lyrik<br />

im Besonderen stellen dürftest, wie<br />

würde sie lauten?<br />

Woher kommt die Lust an Selbstzerstörung<br />

und Zerstörung des Anderen – und wie<br />

wird man sie los? Wobei die zweite Frage<br />

ungleich wichtiger ist als die erste.<br />

Monika Rinck, geboren 1969 in Zweibrücken, Studium<br />

der Religionswissenschaft, lebt als Autorin in<br />

Berlin. Sie publizierte mehrere Gedichtbände, Essays<br />

und Prosabücher und gilt als eine der wichtigsten<br />

Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Zuletzt<br />

erschienen: „Champagner für die Pferde“ (S. Fischer<br />

2017), „Alle Türen“ (kookbooks 2019).<br />

Buchtipp:<br />

Monika Rinck:<br />

Champagmer für die Pferde<br />

S.Fischer Verlag, 528 S.,<br />

€ 25,30<br />

Veranstaltungstipp:<br />

Im Rahmen von W:ORTE –<br />

6. Lyrikfestival Tirol<br />

Mit Monika Rinck (gem. u. a.<br />

mit Barbara Hundegger)<br />

Fr., 5. Juni 2020, 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt frei!


W:ORTE – 6. Lyrikfestival<br />

Unaufhaltsam breitet sich die Lyrik im Juni über Tirol aus –<br />

und das ist gut so … Von Robert Renk.<br />

Veranstaltet von 8ungKultur, dem Literaturhaus am Inn<br />

und der Bücherei Telfs von 3. bis 8. Juni 2020.<br />

Programm:<br />

Dienstag, 2. Juni 2020 um 19:00 Uhr<br />

Literaturhaus am Inn, Josef-Hirn-Straße 5<br />

VOR W:ORTE: Vernissage der Ausstellung<br />

von Antonia Zennaro & Arno<br />

Dejaco „Die Königin der Worte“<br />

Mittwoch, 3. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />

Stadtbibliothek Innsbruck, Amraserstraße 2<br />

ERÖFFNUNGSW:ORTE<br />

Stephen J. Fowler (GB)<br />

Robert Prosser (A)<br />

Yasmin (Yasmo) Hafedh (A)<br />

Doris (Mieze Medusa) Mitterbacher (A)<br />

Donnerstag, 4. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />

Literaturhaus am Inn, Josef-Hirn-Straße 5<br />

Alexandru Bulucz (RUM/D)<br />

Eva Maria Leuenberger (CH)<br />

Undine Materni (D)<br />

Mati Shemoelof (ISR/D)<br />

Moderation: Siljarosa Schletterer /<br />

Anna Rottensteiner<br />

Freitag, 5. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />

Wagner’sche Universitätsbuchhandlung,<br />

Museumstraße 4<br />

Monika Rinck (D)<br />

Barbara Hundegger (A)<br />

Moderation: José F. A. Oliver<br />

Sa., 6. Juni 2020 20.15 Uhr<br />

ORF Landesstudio Tirol, Rennweg 14<br />

klang_sprachen<br />

„durchgehen“<br />

Anja Utler: Texte / Lesung mit dem<br />

Tiroler Kammerorchester InnStrumenti<br />

(Leitung: Gerhard Sammer)<br />

Uraufführungen von:<br />

Maria Gstättner, Chris <strong>No</strong>rz,<br />

Andreas Trenkwalder, Klex Wolf,<br />

Alexandra Karastoyanova-Hermentin<br />

Low Potion: Anna Widauer, Gesang &<br />

Chris <strong>No</strong>rz, Perkussion & Elektronik<br />

Moderation: Martin Sailer & Patrizia Jilg<br />

Montag, 8. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />

Villa Schindler, Obermarkt 45, Telfs<br />

Mikael Vogel (D)<br />

Raoul Schrott (A)<br />

Fransenmusik<br />

(Hannes Sprenger & Klex Wolf)<br />

Moderation: José F. A. Oliver<br />

Genaues Programm ab<br />

Mitte März zu sehen unter:<br />

Lyrikfestival.wordpress.com<br />

www.wagnersche.at<br />

www.literaturhaus-am-inn.at<br />

www.literaturtirol.at<br />

Der Gedichtband des deutschsprachigen<br />

Lyrikers, Übersetzers<br />

und Herausgebers<br />

rumänischer Herkunft<br />

Alexandru Bulucz ist ein Buch<br />

der Begegnungen und der<br />

Dialoge mit anderen Dichtern<br />

und Dichterinnen, vor allem<br />

aber ein großes poetisches Gebilde,<br />

in dem die existentiellen<br />

Fragen in formal vollendeten<br />

Langgedichten wie jene nach<br />

dem Ende und dem Schreiben<br />

von eben diesem her sprachgewaltig<br />

freigelegt werden. Das<br />

Gedicht: eine angelehnte Tür,<br />

um mit dem Anderen in Kontakt<br />

zu treten. Anna Rottensteiner<br />

Alexandru Bulucz:<br />

Was Petersilie über die Seele weiß<br />

Schöffling Verlag, <strong>10</strong>0 S., € 20,60<br />

Mati Shemoelof schreibt sich in<br />

Herzkammern ein! Hoch gesellschaftspolitisch<br />

und engagiert.<br />

Shemoelof, eine der führenden<br />

hebräischen Stimmen arabischer<br />

Juden und Mitbegründer<br />

der Guerilla Culture-Bewegung<br />

in Israel, schreibt den ersten hebräisch-deutschen<br />

Gedichtband<br />

in Berlin nach viel zu langer<br />

Zeit. Eine Poesie, die wachrüttelt<br />

und allen Mauern trotzt:<br />

„I create words. […] They resist<br />

the borders of our national<br />

identities […]“. Siljarosa Schletterer<br />

Mati Shemoelof:<br />

Bagdad – Haifa – Berlin<br />

AphorismA Verlag, 92 S., € 15,50<br />

Der neue Gedichtband von<br />

Barbara Hundegger, „[anich.<br />

atmosphären.atlas]“, wird<br />

Tiroler Literatur/Geschichte<br />

schreiben: In ihm zeichnet sie<br />

episodenhaft wesentliche Stationen<br />

im Leben des <strong>No</strong>rdtiroler<br />

Kartographen Peter Anich<br />

nach und komponiert dadurch<br />

einen erzählerischen Bogen, der,<br />

formal innovativ und sprachlich<br />

präzise, einen poetischen<br />

Kosmos aufspannt, der weit<br />

über eine biografische Annäherung<br />

hinausgeht und der<br />

Anich in seiner Zerrissenheit als<br />

modernen Menschen darstellt.<br />

Anna Rottensteiner<br />

Barbara Hundegger:<br />

[anich.atmosphären.atlas]<br />

Haymon Verlag, 208 S., € 20,50<br />

Anne Carson, Emily Dickinson,<br />

aber auch Frau Elling<br />

und Herr Tollund, die beiden<br />

Moorleichen aus Dänemark,<br />

sind Bezugskoordinaten in<br />

Eva Maria Leuenbergers<br />

bildstarkem Debüt-Gedichtband,<br />

für den sie mit dem<br />

bedeutenden Basler Lyrikpreis<br />

ausgezeichnet wurde. Naturlyrik<br />

wird ins 20. Jahrhundert<br />

geholt und erzählt durch die<br />

poetische Verbindung und<br />

Variation von Motiven und<br />

Themen Geschichten, in denen<br />

Körperlichkeit, Sprache und<br />

die ewige Bewegung der Natur<br />

eine eigene Zeit erfinden.<br />

Anna Rottensteiner<br />

Eva Maria Leuenberger:<br />

dekarnation<br />

Droschl Verlag, 88 S., € 19,–<br />

© 8ungKultur<br />

Bei kaum einer anderen Kunstpräsentation<br />

ist das Liveerlebnis so markant wie bei<br />

Lyrik. Wenn gleich mehrere LyrikerInnen<br />

an einem Abend lesen, kann man mehrfach<br />

sicher sein, etwas Wertvolles mit nach Hause<br />

zu nehmen.<br />

Denn die Lesungen sind begleitet von<br />

Gesprächen, tauchen intensiv und kurz in<br />

schöne Welten und akute Problemfelder ein,<br />

geben uns Bilder und Worte für Unerhörtes<br />

und bis dato Ungeschautes, nehmen uns an<br />

der Hand und tauchen mit uns wieder an<br />

die frische Luft.<br />

Außergewöhnliche Momente erwarten<br />

einen an so einem Abend.<br />

Man merkt es auch am Büchertisch.<br />

Dort verkauft sich – im Verhältnis – fast<br />

doppelt so viel wie bei vergleichbaren<br />

Events. Und das nicht nur, weil LyrikerInnen<br />

ein eingeschworenes Völkchen sind, das<br />

sich gerne auch mal gegenseitig beschenkt<br />

und dazu oft einen beträchtlichen Teil des<br />

Honorars am Ladentisch lässt.<br />

Das W:ORTE-Team hat von Mittwoch,<br />

den 3. bis Montag, den 8. Juni 2020<br />

wieder ein Programm zusammengestellt,<br />

das sich im deutschsprachigen Kontext<br />

wirklich sehen lassen kann. Allein schon<br />

die Kooperation mit dem Tiroler Kammerorchester<br />

InnStrumenti macht ja das<br />

Festival einzigartig!<br />

44<br />

Wagner’sche.<br />

„Wünschen und Wollen“ ist ein<br />

Band, der berührt und nicht<br />

mehr loslässt. Undine Materni<br />

zeige, wie Gedichte das völlig<br />

nackte Geräusch der Poesie<br />

aufleben lassen, sagte José<br />

Oliver über die Dichterin, die<br />

uns beeindruckend unaufgeregt<br />

und feinfühlig zugleich die<br />

klanglichen und rhythmischen<br />

Zwischenzeilen vor Ohren,<br />

Augen und Herzen malt. Tiefgründig.<br />

Ergreifend. Und voller<br />

Musik. Siljarosa Schletterer<br />

Undine Materni:<br />

Wünschen und Wollen<br />

edition HELLOPOETRY!,<br />

1<strong>10</strong> S., € <strong>10</strong>,–<br />

Einfach großartig, wenn<br />

Lektüre sprachlos macht und<br />

genau deshalb Worte schenkt,<br />

die trösten. Ein fulminantes<br />

Requiem wider jeglichen Gedächtnisverlust..<br />

Mit poetischer<br />

Wucht vollbracht. Ich Tier, Du<br />

Mensch! Ich Mensch, Du Tier!<br />

Zärtlich schier. Im Tonfall radikalen<br />

Benennens. Ein Trance-<br />

Sound, um aus dem Unsäglichen<br />

W:orte zu schöpfen, die<br />

immer auch uns meinen; die wir<br />

letzten Endes immer sind – Zerstörer*innen.<br />

Ein aufrüttelndes<br />

Geschichtskompendium in<br />

Versen, die Wegmarken des<br />

Erinnerns setzen. José F.A. Oliver<br />

Mikael Vogel:<br />

Dodos auf der Flucht<br />

Verlagshaus Berlin, 252 S., € 18,40<br />

Gedichte aus allen bisher von<br />

ihr erschienenen Lyrikbänden,<br />

Essays und Kurzprosa vereint<br />

dieser starke Band, den die<br />

Autorin zusammen mit ihrer<br />

Verlegerin Daniela Seel für<br />

S. Fischer zusammengestellt<br />

hat. Erstmals findet sich auch<br />

Rincks Münster’sche Poetikvorlesung<br />

aus dem Jahre 2015<br />

abgedruckt. Über 500 Seiten<br />

breiten sich funkelnd die Texte<br />

der „Monarchin einer neuen<br />

Lyrikaristokratie“ (Zitat: Christian<br />

Metz) aus, eine Feier der<br />

Poesie! Robert Renk<br />

Monika Rinck:<br />

Champagner für die Pferde<br />

S. Fischer Verlag, 528 S., € 25,30<br />

Dort, „wo Artikulation als<br />

physisch-expressiver Vorgang<br />

beginnt“, setzt Anja Utler in<br />

ihrem Gedichtband an. Ganz<br />

dem Augenblick verpflichtet,<br />

rühren die Texte an jenem<br />

Grund, wo das Sprechen<br />

beginnt, wo das Fühlen, das<br />

Denken sich sammelt und<br />

körperlich umschlägt. Dann<br />

wieder schreibt sie mythischen<br />

Figuren nach, Daphne z. B.,<br />

oder Sibylle. Daphne, die in<br />

einen giftigen Busch verwandelt<br />

wird, um ihrem „Stalker“ zu<br />

entgehen, meint noch: iss!<br />

Hintergründiger Humor auch<br />

noch, wie wunderbar! Robert Renk<br />

Anja Utler:<br />

münden – entzüngeln<br />

Edition Korrespondenze,<br />

96 S., € 17,40


Ha Vinh Tho–<br />

der Glücksminister<br />

Der langjährige Leiter des Gross National Happiness Centre<br />

stellt am BFI Tirol sein neues Buch „Der Glücksstandard“ vor.<br />

Ein Beitrag von Othmar Tamerl<br />

Mitgefühl<br />

und Güte sind<br />

die Wurzeln<br />

des Glücks.<br />

Ha Vinh Tho<br />

Viele Jahre lang leitete Dr. Ha Vinh Tho, der<br />

in Wien aufgewachsen ist und in der Schweiz<br />

studierte, das Gross National Happiness<br />

Centre in Bhutans Hauptstadt Thimphu.<br />

Dort wurde bereits vor der Jahrtausendwende<br />

das Bruttoinlandsprodukt durch das<br />

sogenannte Bruttonationalglück ersetzt.<br />

In dem wirtschaftlich sonst eher schwachen<br />

Land hat sich das Konzept mittlerweile<br />

zum Exportschlager Nummer eins entwickelt.<br />

Experten aus aller Welt interessieren<br />

sich für die ungewöhnliche Denk- und<br />

Handlungsweise des kleinen Himalaya-<br />

Staates.<br />

Das alternative Entwicklungsmodell<br />

und Indikatorensystem für Wohlbefinden<br />

– Gross National Happiness (GNH, auf<br />

Deutsch Bruttonationalglück) – bietet<br />

einen ganzheitlichen Bezugsrahmen, der<br />

auf dem Glück und Wohlbefinden aller<br />

Menschen und Lebewesen beruht. „Man<br />

kann die Wirtschaft so gestalten, dass sie im<br />

Dienst der Menschen steht und nicht nur<br />

im Dienste des Gewinns“, hat Ha Vinh Tho<br />

in einem Interview erläutert. Mittlerweile<br />

beschäftigen sich sogar internationale Organisationen<br />

mit den Aspekten Glück und<br />

Wohlbefinden und unterstreichen damit die<br />

vorrangige Bedeutung.<br />

So wurden diese beiden Werte zum<br />

Beispiel von den Vereinten Nationen in<br />

ihre Nachhaltigkeitsziele aufgenommen.<br />

Die UNESCO veröffentlichte mit den<br />

„Happy Schools“ vor wenigen Jahren ein<br />

neues Bildungsprogramm. Die UN-Hauptversammlung<br />

erklärte 2012 den 20. März<br />

zum offiziellen „Weltglückstag“ und verbindet<br />

damit auch weltweite Politikziele.<br />

In Deutschland sind neben Wirtschaftsunternehmen<br />

auch Schulen, Universitäten,<br />

Gemeinden und Städte sowie zahlreiche<br />

Organisationen der Zivilgesellschaft auf<br />

der Suche, wie sie die Prinzipien des GNH<br />

in ihren jeweiligen Kontexten als neues<br />

Entwicklungsparadigma einbringen und<br />

implementieren könnten.<br />

Der ehemalige „Glücksminister“, wie er<br />

in den Medien immer noch genannt wird,<br />

stellte sich nach seiner Rückkehr nach<br />

Europa die Frage, ob und wie sich seine Erkenntnisse<br />

aus Bhutan auf die Lebenswelt<br />

des Individuums herunterbrechen lassen. In<br />

seinem neuen Buch „Der Glücksstandard“<br />

leitet er die Leser zur Reflexion und zur<br />

Achtsamkeit an, die in einem sinnvollen<br />

und freudvollen Leben und Miteinander<br />

resultieren sollen. Er untersucht dabei auch<br />

übergeordnete Ebenen wie Unternehmen<br />

und Schulen.<br />

Das BFI Tirol als Aus- und Weiterbildungsinstitut<br />

pflegt seit vielen Jahren eine<br />

enge Kooperation mit der Wagner’schen<br />

Buchhandlung. Die Themen Bildung und<br />

Literatur sind untrennbar miteinander verbunden.<br />

Daher ist es uns auch ein Anliegen,<br />

gemeinsam Veranstaltungen zu initiieren,<br />

die aktuelle Gesellschafts- und Bildungsthemen<br />

beleuchten. Die Buchvorstellung<br />

von Ha Vinh Tho in unserem Haus ehrt<br />

uns. Den renommierten Autor am BFI<br />

Tirol begrüßen zu können, der als Glücksminister<br />

weltweite Bekanntheit erlangte,<br />

ist ein Highlight in unserem Veranstaltungsprogramm.<br />

In seinem neuen Buch widmet er sich<br />

unter anderem dem Thema Bildung. Ha<br />

Vinh Tho kritisiert am Bildungssystem vor<br />

allem, dass es an Lerninhalten mangelt, die<br />

auch soziale und emotionale Kompetenzen<br />

vermitteln. Diesen Mangel versucht in<br />

Österreich die Erwachsenenbildung etwas<br />

auszumerzen und bietet verschiedenste<br />

Seminare und Lehrgänge zur Persönlichkeitsentwicklung<br />

an. Ob es damit auch<br />

gelingt, Glückskompetenzen zu vermitteln,<br />

ist fraglich. Aber verschiedene Angebote,<br />

zum Beispiel zum Thema Resilienz, zielen<br />

in diese Richtung. Das BFI Tirol bedankt<br />

sich bei der Wagner’schen für die gute und<br />

langjährige Kooperation und wünscht viel<br />

Freude mit dem neuen Buch von Ha Vinh<br />

Tho und seinen Glücksstandards.<br />

Ha Vinh Tho: Leiter des Gross National Happiness<br />

(GNH) Center in Buthan. Ist als Sohn eines<br />

vietnamesischen Diplomaten und einer französischen<br />

Mutter in Paris aufgewachsen. Bevor er seine<br />

jetzige Aufgabe in Bhutan übernahm studierte<br />

er Heileurythmie in Dornach und baute mehrere<br />

heilpädagogische Lebensgemeinschaften in<br />

verschiedenen Ländern auf. Anschließend war er<br />

Direktor der Ausbildungssektion des Internationalen<br />

Roten Kreuzes. Seit einigen Jahren arbeitet er im<br />

Auftrag der Regierung in Bhutan an der Umsetzung<br />

des Bruttonationalglückes.<br />

Buchtipp:<br />

Ha Vinh Tho:<br />

Der Glücksstandard<br />

O. W. Barth Verlag,<br />

320 S., € 19,<strong>10</strong><br />

Lesung:<br />

Der Glücksstandard<br />

Mit Ha Vinh Tho<br />

Begrüßung: Judith Rieser-Reindl<br />

Mi. 6. Mai um 19:30 Uhr<br />

Im BFI Tirol,<br />

Ing.-Etzel-Straße 7,<br />

6020 Innsbruck<br />

© privat<br />

46 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

47


© Thomas Dorn<br />

Es braucht<br />

gar keine<br />

Verschwörungstheorien,<br />

wenn<br />

die Tatsachen<br />

so evident sind.<br />

Ilija Trojanow<br />

48 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

In „Doppelte Spur“ (S. Fischer) geht es um<br />

einen Journalisten, der mit zwei Whistleblowern<br />

zusammenarbeitet. Dabei wird<br />

im Roman ausschließlich mit Tatsachen<br />

gearbeitet, mit wahren Namen, wahren<br />

Skandalen, so dass der Roman selbst ein<br />

Whistleblowerdokument ist, das „die Piratisierung<br />

der Wirtschaft“ aufzeigt.<br />

In deinem neuen Roman<br />

„Doppelte Spur“, der im Juni<br />

bei S. Fischer herauskommt, wird<br />

ein kritischer Journalist von<br />

zwei GeheimdienstmitarbeiterInnen<br />

kontaktiert. Es wird ihm brisantes<br />

Material zugespielt, das beweisen<br />

soll, wie sehr die internationale<br />

Politik unter dem Scheffel von<br />

Oligarchen, Finanzmogulen und<br />

der Mafia steht. „Demokratie oder<br />

Kleptokratie, das ist die Wahl, vor<br />

der wir stehen“, meint z. B. eine<br />

Mitarbeiterin des amerikanischen<br />

Geheimdienstes. Ist es wirklich schon<br />

so schlimm?<br />

Ilija<br />

Trojanow<br />

Im Juni erscheint<br />

sein neuer Roman<br />

„Doppelte Spur“.<br />

Die Wagner’sche<br />

wird ihn als Österreichpremiere<br />

präsentieren. Das<br />

Gespräch führte<br />

Robert Renk.<br />

49<br />

Oh ja, der Roman besteht ja aus lauter<br />

faktischen Bausteinen, auch wenn er mit<br />

allen Spielregeln der Spannungsliteratur<br />

gewaschen ist, und diese Tatsachen zeigen<br />

auf, wie frei das kriminelle Kapital sich<br />

bewegt, wie mächtig es ist. Ich habe zwar<br />

intensiv recherchiert, aber man findet<br />

alles in Büchern, Artikeln, im Internet.<br />

Nur leben wir in Zeiten, in denen die<br />

Informationsfülle uns überwältigt und<br />

die Medien unter permanenter Amnesie<br />

leiden – was kümmert uns der Skandal von<br />

gestern.<br />

Kommen wir zum Wahrheitsgehalt<br />

des Romans, zum einen heißt der<br />

Journalist Ilija Trojanow und wohnt<br />

in Wien. Zum anderen werden Werke<br />

von ihm beschrieben, die es so nicht<br />

gibt. Ein Spiel?<br />

Es ist naheliegend, dass ein Roman, der sich<br />

dem Thema „der Untergang der Wahrheit“<br />

(oder: fake news) widmet, mit einem Alter<br />

Ego operiert, der gewisse Erfahrungen mit<br />

mir teilt (ihm wurde etwa auch die Einreise<br />

in die USA verweigert), andererseits<br />

aber ganz anders ist (seine Großmutter war<br />

Wahrsagerin, sein Großvater Partisane und<br />

er hat das Zweite Gesicht, was ich nicht<br />

habe). Meine gesamte Lebenserfahrung im<br />

Umgang mit Archiven der Staatssicherheit,<br />

mit Recherche, ob konspirativ oder<br />

nicht, mit der Sprache der Medien und der<br />

Sprache der Macht, ist natürlich in den<br />

Roman eingeflossen, insofern ist der Autor<br />

Trojanow hoffentlich ähnlich professionell<br />

wie der beschriebene Journalist Trojanow.<br />

Die Figuren im Roman, die in<br />

den diversen Leaks vorkommen,<br />

gibt es wiederum alle, sie werden<br />

beim Namen genannt. Allein die<br />

gebündelte Auflistung aller derer,<br />

die im Trump Tower wohnen und mit<br />

Trump paktieren, allesamt Ganoven<br />

und Strippenzieher vor allem aus dem<br />

Osten, das ist schauderhaft.<br />

Das ist ein zeitgemäßes Dramatis personae.<br />

25 Gangster von Format haben im<br />

Trump Tower gelebt oder gearbeitet, viele<br />

von ihnen sind beteiligt an wichtigen Ereignissen<br />

und Entwicklungen der Zeitgeschichte<br />

sowie der Biografie Trumps. Es<br />

braucht gar keine Verschwörungstheorien,<br />

wenn die Tatsachen so evident sind, ich<br />

musste nur einige Wochen recherchieren<br />

(inklusive Klatschspalten), um diese Informationen<br />

zusammenzutragen.<br />

Ist das nun ein Roman oder ein in<br />

Romanform getarntes Whistleblower-<br />

Dokument?<br />

Beides und einiges andere mehr. Wir müssen<br />

uns den Roman als enorm flexibles und<br />

vielseitiges Genre vorstellen, nicht nur als<br />

Liebesgeschichte süß-sauer, oder als Chili-<br />

Krimi.<br />

Bei dieser Thematik kommen wir<br />

nicht um eine Figur umhin, die<br />

z. Z. wieder in aller Munde ist: Julian<br />

Assange. Deine Meinung dazu?<br />

Was ihm widerfährt ist der Versuch der<br />

Macht, kritische Stimmen einzuschüchtern.<br />

Er hat Kriegsverbrechen öffentlich gemacht,<br />

keiner der Verbrecher wurde<br />

bestraft, er hingegen wird in Isolationshaft<br />

gehalten wegen Verstoß gegen die<br />

Kautionsbedingungen. Und sollte er in die<br />

USA ausgeliefert werden, wird er dort keinen<br />

fairen Prozess erhalten. Der sehr seriöse<br />

UN-Sonderberichterstatter über Folter Nils<br />

Melzer bezeichnet seine Behandlung als<br />

unrechtmäßig und als Folter.<br />

Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner<br />

Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach<br />

Deutschland. Nach den Stationen Kenia, Paris,<br />

München, Mumbai und Kapstadt lebt er heute in<br />

Wien. Seine Romane und Reisereportagen sind gefeierte<br />

Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen<br />

ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei S. Fischer und<br />

Argon „Macht und Widerstand“, der Sachbuch-<br />

Bestseller „Meine Olympiade“ sowie der autobiographisch-politische<br />

Essay „Nach der Flucht“.<br />

Buchtipp:<br />

Ilija Trojanow:<br />

Doppelte Spur<br />

S. Fischer Verlag, 288 S., € 22,70<br />

Lesung:<br />

Österreichpremiere!<br />

„Doppelte Spur“<br />

Mit Ilija Trojanow<br />

Moderation: Klaus Zeyringer<br />

Di., 1. September 2020,<br />

19:30 Uhr<br />

Wagner’sche<br />

Universitätsbuchhandlung<br />

Eintritt: € 9,– / 7,–<br />

(mit Ö1- oder Wagner-Card)


Die gemeinsame Vielfalt<br />

Literatur aus Südosteuropa bei der Leipziger Buchmesse.<br />

Von Robert Prosser<br />

© Shutterstock/Zabotnova Inna<br />

Common Ground nennt sich eine Initiative,<br />

die im Rahmen der Leipziger Buchmesse<br />

die Literatur des südosteuropäischen Raums<br />

in den Fokus rücken möchte. Als Partner<br />

wirkt TRADUKI, jenes Netzwerk, das sich<br />

seit Jahren darum verdient macht, gegenwärtigem<br />

literarischen Schaffen aus den<br />

Balkanländern zu Übersetzungen zu<br />

verhelfen.<br />

Momentan fällt es schwer, von diesem<br />

geografischen Raum zu schreiben, ohne die<br />

hitzige Debatte um Peter Handkes Ehrung<br />

mit dem <strong>No</strong>belpreis zu erwähnen; Handkes<br />

Aussagen und Texte zu Jugoslawien<br />

im Allgemeinen und dem Bosnienkrieg<br />

im Besonderen regen nach wie vor auf.<br />

Abgesehen von der Grundsatzdiskussion,<br />

ob – und wenn ja, wie sehr – Literatur nach<br />

moralischen Maßstäben behandelt werden<br />

darf, zeigten Berichterstattung und die im<br />

Feuilleton und auf Social Media geführten<br />

Streitigkeiten eines auf: Wie wenig man<br />

hierzulande von den Geschehnissen während<br />

der Kriege in den 1990ern und von der<br />

gegenwärtigen Situation am Balkan weiß.<br />

Was an Handkes spezifischen Texten eine<br />

Verharmlosung von Kriegsverbrechern ist,<br />

was eine serbisch-nationalistische Argumentation,<br />

erschließt sich nur jemandem,<br />

der über profunde Kenntnisse der jüngeren<br />

Geschichte Ex-Jugoslawiens verfügt. Auch<br />

um diese Komplexität der Kriegsvergangenheit<br />

freizulegen, ein Gespür für deren Fortbestehen<br />

zu entwickeln, lohnt sich ein Blick<br />

auf aktuelle Publikationen. „Zwei Jahre<br />

Nacht“ von Damir Ovčina beispielsweise<br />

führt ins belagerte Sarajevo. In knappen,<br />

von Mascha Dabić übersetzten Sätzen<br />

erzählt Ovčina von einem 18-Jährigen, der<br />

in einem serbisch kontrollierten Viertel<br />

Sarajevos eingeschlossen wird und zwei<br />

Jahre lang versucht, aller Anfeindungen,<br />

Demütigungen und Drohungen zum Trotz<br />

zu überleben. Zurecht wurde das Original<br />

2016 mit dem Hasan-Kaimija-Preis für das<br />

beste Prosawerk Bosnien-Herzegowinas<br />

ausgezeichnet.<br />

Ein positiver Nebeneffekt der Diskussion<br />

um Handke war, dass dem heimischen<br />

Publikum Autor*innen vergegenwärtigt<br />

wurden, die den <strong>No</strong>belpreis ebenso verdient<br />

hätten, Bora Ćosić etwa oder Dževad<br />

Karahasan. Von Letzterem erschien jüngst<br />

bei Suhrkamp „Ein Haus für die Müden.<br />

Fünf Geschichten“, die die Verzahnung von<br />

gesellschaftlicher Misere und individuellem<br />

Schicksal gekonnt offenlegen. Von Flüchtlingen<br />

und Migranten schreibt Dubravka<br />

Ugrešić. Sie, eine wichtige Stimme europäischer<br />

Literatur, verarbeitet die persönlichen<br />

Erfahrungen des kriegserzwungenen Exils<br />

und des Zerfalls Jugoslawiens zu Romanen<br />

und Essays von bestechender Qualität,<br />

z. B. „Das Museum der bedingungslosen<br />

Kapitulation“. Ähnliches gilt für die 2018<br />

verstorbene Schriftstellerin Daša Drndić.<br />

„Sonnenschein“ und „Belladonna“<br />

sind 2015, resp. 2018 bei Hoffmann und<br />

Campe erschienen. Ihre Bücher überzeugen<br />

als sprachlich anregendes Spiel,<br />

das die Schrecknisse des 20. Jahrhunderts<br />

als Hintergrund für ebenso schräge wie<br />

nachhallende Geschichten nützt. Wie<br />

sich im Zweiten Weltkrieg die Wege von<br />

Partisanen und SS-Schergen kreuzen, davon<br />

handelt „Wenn die Liebe ruht“ von Drago<br />

Jančar (übersetzt von Daniela Kocmut, bei<br />

Zsolnay publiziert). Der Roman leuchtet<br />

aus, wie Beziehungen zerbrechen oder neu<br />

geflochten werden, wie Ideologien bis in die<br />

innersten Bereiche eines Lebens vordringen.<br />

Ein Buch, das von der Kritik als Meisterwerk,<br />

ja Weltliteratur gefeiert wird.<br />

Ein solches Urteil gilt auch für Danilo<br />

Kiš, wichtiger Referenzpunkt für etliche der<br />

hier genannten Autor*innen. „Psalm 44“<br />

ist im vergangenen Herbst zum 30. Todestag<br />

des Autors bei Hanser veröffentlicht<br />

worden, erstmalig in deutscher Übersetzung.<br />

Es lässt sich nicht leugnen, dass<br />

der Roman über Auschwitz-Überlebende<br />

innerhalb weniger Wochen als Wettbewerbseinreichung<br />

geschrieben wurde,<br />

Kiš selbst stand dem Text kritisch gegenüber.<br />

Doch das Frühwerk berührt bereits<br />

die wichtigen Themen in Kišs Schaffen, die<br />

Schrecken des Totalitarismus etwa. Eine<br />

immer empfehlenswerte Wahl ist es, auf den<br />

Sammelband Familienzirkus. Die großen<br />

Romane und Erzählungen zurückzugreifen,<br />

2014 unter Federführung von Ilma Rakusa<br />

ebenfalls bei Hanser erschienen.<br />

Anschreiben gegen das<br />

Vergessen …<br />

Ein gegenwärtig wirkender Chronist<br />

des Krieges ist Darko Cvijetić. Er lebt<br />

in Prijedor im <strong>No</strong>rden Bosniens; unweit<br />

befanden sich die bosnisch-serbischen<br />

Konzentrationslager Omarska, Trnopolje<br />

und Keraterm. Cvijetić schreibt dagegen<br />

an, dass diese Schrecken in Vergessenheit<br />

geraten. Sein Roman „Schindlers Lift“<br />

erscheint im Frühjahr erstmals in deutscher<br />

Übersetzung im Adocs Verlag. Anhand<br />

zweier Hochhäuser, die weniger als Orte<br />

denn als Protagonisten wirken, arbeitet der<br />

Text den Krieg in Prijedor auf. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass diese Publikation etwas daran<br />

ändert, dass Cvijetić außerhalb Bosnien-<br />

Herzegowinas kaum bekannt ist.<br />

Im März erscheint im eta Verlag „Nennt<br />

mich Esteban“ von Lejla Kalamujić, im<br />

Original 2016 für den European Union<br />

Prize for Literature nominiert. Ein Roman<br />

in Fragmenten, neunzehn Geschichten, die<br />

Kalamujić laut Verlag zu einer der brutalsten<br />

und mutigsten Vertreterinnen einer<br />

neuen Generation von Schriftsteller*innen<br />

machen – zweifellos vermittelt sie ein<br />

queeres Lebensgefühl und ein Bewusstsein<br />

für die absurde Realität in den Ländern des<br />

vormaligen Jugoslawiens.<br />

Dafür hat auch Aleksandar Hemon ein<br />

Gespür. Zu Beginn der 1990er in Chicago<br />

gestrandet, schreibt der gebürtige Bosnier<br />

Romane, die ihre Kraft oft aus der angeknacksten,<br />

schwarzhumorigen Identität<br />

eines Migranten beziehen. Hemon ist<br />

auf beiden Seiten des Atlantiks als Autor<br />

etabliert, im deutschsprachigen Raum aber<br />

haben seine bei Knaus erschienenen Werke<br />

erstaunlich wenig Reichweite. Dem serbischen<br />

Autor Saša Ilić – der gemeinsam mit<br />

der kroatischen Literaturwissenschaftlerin<br />

Alida Bremer und dem kosovarischen<br />

Theaterautor Jeton Neziraj in Prishtina<br />

das internationale Literaturfestival POLIP<br />

veranstaltet – wurde gerade die wichtigste<br />

Auszeichnung für ein Prosawerk zuerkannt:<br />

Der NIN-Literaturpreis für den besten<br />

Roman des Jahres. Das bepreiste Werk<br />

„Pas i kontrabas“ wartet noch auf eine<br />

Übersetzung, bisher gibt es ein Buch von<br />

ihm auf Deutsch: „Das Berliner Fenster“,<br />

voriges Jahr bei eta veröffentlicht. Ein Aufenthalt<br />

in Berlin dient darin als Startpunkt<br />

einer Erzählung, die Schicksale aus dem<br />

Dritten Reich, der DDR und Jugoslawien<br />

zu verweben weiß.<br />

Eine Initiative wie Common Ground und<br />

ein Netzwerk wie TRADUKI, soviel lässt<br />

sich mit Blick auf das aktuelle Literaturgeschehen<br />

sagen, sind nötig und gefragt. Es<br />

zeichnet den schwer fassbaren Balkan aus,<br />

dass es aktuelle und auch ältere Titel gibt,<br />

deren Übersetzung der deutschsprachigen<br />

Leserschaft zu wünschen wäre: Sei es<br />

Ognjen Spahić, dessen Roman „Hansenova<br />

djeca“ („Hansens Kinder“) 2004 als bester<br />

Roman ausgezeichnet wurde, Selvedin<br />

Avdić, dessen Debüt immerhin auf Englisch<br />

unter dem Titel „Seven Terrors“ erhältlich<br />

ist, oder Lana Bastašić, der „Uhvati Zeca“<br />

(„Fang den Hasen“) eine <strong>No</strong>minierung für<br />

den NIN-Literaturpreis einbrachte: Allesamt<br />

Werke von Autor*innen, die eigenwillig<br />

und schonungslos von ihren jeweiligen<br />

Gesellschaften schreiben, von Ländern,<br />

die nahe liegen und doch weit entfernt<br />

scheinen.<br />

Buchtipps:<br />

Saša Ilić:<br />

Das Berliner Fenster<br />

eta Verlag, 312 S., € 25,20<br />

Lejla Kalamujić:<br />

Nennt mich Esteban<br />

eta Verlag, 120 S., € 18,40<br />

Dževad Karahasan:<br />

Ein Haus für die Müden.<br />

Fünf Geschichten<br />

Suhrkamp Verlag,<br />

239 S., € 25,30<br />

Danilo Kiš:<br />

Psalm 44<br />

Hanser Verlag,<br />

136 S., € 20,60<br />

Daša Drndić:<br />

Sonnenschein<br />

Hoffmann und Campe Verlag,<br />

400 S., € 25,30<br />

Drago Jančar:<br />

Wenn die Liebe ruht<br />

Zsolnay Verlag,<br />

400 S., € 26,30<br />

Damir Ovčina:<br />

Zwei Jahre Nacht<br />

Rowohlt Verlag,<br />

752 S., € 27,40<br />

Aleksandar Hemon:<br />

Zombie Wars<br />

Knaus Verlag,<br />

320 S., € 20,60


Jung,<br />

aber<br />

oho!<br />

Bücher<br />

für<br />

Kinder<br />

und<br />

Jugend:<br />

Ist es normal, wenn man nicht<br />

schwimmen kann? Ist es normal,<br />

wenn Dad gestorben ist<br />

und Mum „Kopfschmerzen“<br />

hat und im Krankenhaus liegt?<br />

Cym, neunjähriger Viertklässler<br />

in Süd-London, „hat es nicht<br />

leicht“, wie sie in der Schule<br />

sagen – was nicht wirklich<br />

weiterhilft. Es ist, wie so viel<br />

von dem, was Erwachsene zu<br />

Kindern sagen: bloß die halbe<br />

Wahrheit. Mit seiner Mitschülerin<br />

Veronique Chang ist<br />

das schon was anderes. Gemeinsam<br />

gehen sie aufs Ganze:<br />

beherzt, berührend und für uns<br />

Leser*innen beglückend!<br />

Bernhard Sandbichler<br />

Adam Baron:<br />

Freischwimmen<br />

Hanser Verlag, 222 S., € 15,50<br />

Ab <strong>10</strong> Jahre<br />

Ein packender Jugendroman,<br />

der Dystopie, Sci-Fi und<br />

Romantik in sich eint: Nach<br />

der Vermengung der Welt<br />

durch Vortexe schützt sich die<br />

Menschheit durch High-Tech<br />

davor, mit ihrem Umfeld zu<br />

verschmelzen. Vortex-Läufer<br />

sind dabei ihre Speerspitze; und<br />

die ehrgeizige, junge Elaine ist<br />

eine von ihnen. Doch alsbald<br />

zerrt die Wahrheit hinter den<br />

Vortexen sie in ein Geflecht<br />

aus Machtspielen, Gefühlen<br />

und letztlich den Kampf ums<br />

Überleben. Band 1 der vielversprechenden<br />

Debütreihe von<br />

Anna Benning! Jenni Zeller<br />

Anna Benning:<br />

Vortex – Der Tag, an dem<br />

die Welt zerriss<br />

Fischer KJB Verlag, 496 S., € 18,<strong>10</strong><br />

Ab 12 Jahre<br />

Ein berührendes, schönes<br />

und interessantes Buch über<br />

Rassismus im Alltag. Frank<br />

Li ist der Sohn koreanischer<br />

Einwanderer. Diese sind sehr<br />

konservativ. Was als eine<br />

Geschichte über Franks Plan<br />

beginnt, dem Mädchen, das<br />

er liebt, zu folgen, ohne seine<br />

Eltern zu enttäuschen, wird zu<br />

einer Geschichte über Opfer,<br />

Erwartungen und Fragen der<br />

Identität. Die Charaktere sind<br />

tief und einzigartig. Ich weinte<br />

und lächelte. Yoons Prosa hat<br />

die Fähigkeit, direkt ins Herz zu<br />

stechen, und gleichzeitig weist<br />

sie so viel feinen Humor auf.<br />

Lena Walder<br />

David Yoon:<br />

Frankly in Love<br />

CBJ Verlag, 496 S., € 19,60<br />

Ab 14 Jahre<br />

Kalifornien im 19. Jahrhundert,<br />

zur Zeit des Goldrauschs und<br />

Wilden Westens: Die stolze<br />

Tahnee ist ein Wildfang, der mit<br />

seinem Vater in der rauen Natur<br />

der Sierra Nevada aufwuchs.<br />

Tara lebt abgeschottet von der<br />

Außenwelt in einem noblen<br />

Anwesen nahe des Golden Gate<br />

mit ihrem Großvater. Im Wettlauf<br />

gegen die Zeit und Kopfgeldjäger<br />

wird der Mut dieser<br />

beiden jungen Mädchen auf<br />

den Prüfstand gestellt; und ihre<br />

bislang unbekannte schicksalhafte<br />

Verbindung enthüllt. Ein<br />

mitreißender Jugendroman.<br />

Jennifer Zeller<br />

Patrick Hertweck:<br />

Tara und Tahnee –<br />

Verloren im Tal des Goldes<br />

Thienemann Verlag, 219 S., € 15,50<br />

Ab <strong>10</strong> Jahre<br />

Eines Morgens verkündet Leo<br />

stolz, gar erleichtert: Ich heiße<br />

Jennifer. Bei den Erwachsenen<br />

stößt das auf Kopfschütteln<br />

und Ablehnung; doch bei<br />

Jennifers treuen Freunden und<br />

ihrer Katze nicht. Warum auch?<br />

Wenn Mädchen Hosen tragen<br />

können, wieso können Buben<br />

dann keine Kleider tragen?<br />

Warum sollte man sich für sich<br />

selbst schämen? Eine ehrliche,<br />

herzerwärmende Kindergeschichte<br />

über Transsexualität,<br />

Anderssein und Toleranz von<br />

Illustratorin Theresa Strozyk<br />

und dem Wiener Autor Franz<br />

Orghandl. Jennifer Zeller<br />

Franz Orghandl:<br />

Der Katze ist es ganz egal<br />

Klett Verlag, <strong>10</strong>4 S., € 13,40<br />

Ab 9 Jahre<br />

Man nehme Markus Köhle,<br />

Volksschulkinder, Sprachgewandtheit,<br />

kindliche Fantasie<br />

– et voilà: eine ganz besondere<br />

Anthologie, die auf Gedichtwünschen<br />

von Volksschülern<br />

basiert. Es treffen rabiate<br />

Zeilen zum Boxen auf sachte<br />

Worte über Familie, die mit<br />

Silben über Kekse und grüne<br />

Schafe ringen. Beim Lesen<br />

sind Schmunzeln und Grübeln<br />

garantiert; nicht zuletzt dank<br />

der netten Illustrationen Robert<br />

Göschls. Wichtig zum Thema<br />

Frühstück: „Honig ist die<br />

Frucht von Bienen; Müsli ist<br />

Gatsch mit Rosinen!“ Jenni Zeller<br />

Markus Köhle/Robert Göschl:<br />

Ganz schön frech<br />

luftschacht Verlag, 72 S., € 16,–<br />

Ab 6 Jahre<br />

52<br />

Wagner’sche.<br />

Wenn die größte Bedrohung<br />

für dein Leben dort lauert, wo<br />

du dich am sichersten fühlen<br />

solltest – in deinem Zuhause …<br />

Die 17-jährige Leighton und<br />

ihre zwei jüngeren Schwestern<br />

leben mit ihrem gewalttätigen<br />

Vater und ihrer schweigenden<br />

Mutter zusammen. Die Nachbarn<br />

sehen weg. Die Charaktere<br />

sind realistisch gezeichnet,<br />

sympathisch und haben mich zu<br />

Tränen gerührt. Ein sehr feinfühliges<br />

und berührendes Buch<br />

mit einem magischen Touch<br />

und wunderbaren Stilmitteln.<br />

Erzählt mit sehr viel Empathie,<br />

angemessen und sehr gut lesbar.<br />

Lena Walder<br />

Kyrie McCauley:<br />

You are (not) safe here<br />

dtv Verlag, 400 S., € 15,40<br />

Ab 14 Jahre<br />

Emily versteht die Welt nicht<br />

mehr – mysteriöse Briefe flattern<br />

in ihr Zuhause und dann verschwinden<br />

ihre Eltern auch<br />

noch spurlos. Entschlossen<br />

macht sie sich auf die Suche und<br />

findet sich kurz darauf in einem<br />

viktorianischen London wieder.<br />

Mit Hexen, Kobolden und anderen<br />

magisch-schaurigen Wesen.<br />

Dabei erlebt die 12-Jährige das<br />

größte Abenteuer ihres Lebens.<br />

Eine irrwitzige, magische und<br />

atmosphärische Geschichte, die<br />

junge LeserInnen begeistern<br />

wird! Ich jedenfalls freue mich<br />

schon auf weitere Abenteuer mit<br />

ihr. Lena Walder<br />

Benjamin Read:<br />

Die Mitternachtsstunde –<br />

Emily und die geheime Nachtpost<br />

Carlsen Verlag, 320 S., € 15,50<br />

Ab <strong>10</strong> Jahre<br />

Lea weiß, dass ihre krebskranke<br />

Mama sterben wird. Tief im<br />

Herzen, auch wenn sie es nicht<br />

wahrhaben will. Papa, Lea und<br />

Lukas versuchen in jeden noch<br />

so kleinen Moment ganz viel<br />

Liebe zu packen und ihre Zeit<br />

mit Mama zu genießen. ‚So<br />

viel Liebe‘ wird aus Leas Sicht<br />

mit kindlicher Logik erzählt<br />

und ist wirklich meisterhaft<br />

geschrieben. Diese absolut berührende<br />

Geschichte bringt den<br />

Leser zum Lachen, zum Weinen<br />

und hat ein wunderschönes und<br />

trauriges Ende, das noch lange<br />

nachklingt. Klaudia Grünfelder<br />

Moni Nilsson:<br />

So viel Liebe<br />

Carlsen Verlag, 128 S., € 12.40<br />

Ab <strong>10</strong> Jahre<br />

Die neue nervenzerreißende<br />

Reihe von „Young Sherlock<br />

Holmes“-Autor Andrew Lane!<br />

Ein Action-geladenes Buch<br />

voller Spannung, Adrenalin und<br />

einem coolen Protagonisten.<br />

Lukas Crowe wird Zeuge einer<br />

Entführung. Nun muss er seine<br />

Fähigkeiten als Secret Protector<br />

unter Beweis stellen. Eine wilde<br />

Verfolgungsjagd auf Motorrädern<br />

und ein spektakuläres<br />

Finale auf einer Gaming-Weltmeisterschaft<br />

in Dubai lassen<br />

einen beim Lesen den Atem<br />

anhalten. Ganz großes Kino,<br />

von dem man nicht genug<br />

bekommt. Lena Walder<br />

Andrew Lane:<br />

Secret Protector<br />

Ravensburger Verlag, 384 S., € <strong>10</strong>,30<br />

Ab 12 Jahre<br />

Anemona ist gut darin, verlorene<br />

Dinge wiederzufinden<br />

– eine echt langweilige Zauberkraft.<br />

Doch plötzlich steht die<br />

mächtigste Hexe von Immerda<br />

vor ihrer Tür und bittet sie um<br />

Hilfe. Jemand hat den letzten<br />

Dienstag weggezaubert und<br />

niemand in Immerda kann sich<br />

daran erinnern, was passiert<br />

ist! Also macht sich Anemona<br />

auf, den verlorenen Dienstag zu<br />

finden und erlebt das Abenteuer<br />

ihres Lebens. Ein charmanter,<br />

fantasievoller Roman voller<br />

Humor und ein Must-Read für<br />

Hexenfans! Maria Neumayr<br />

Dominique Valente:<br />

Der Zauber von Immerda<br />

Sauerländer Verlag, 304 S., € 15,50<br />

Ab 9 Jahre<br />

Biene ist nicht gleich Biene, wie<br />

dieses hochwertige Sachbuch<br />

beweist. LeserInnen bekommen<br />

wertvolle Einblicke in den<br />

Lebensraum der wildlebenden<br />

Honigbienen Mitteleuropas.<br />

Diese unterscheiden sich in<br />

vielerlei Hinsicht von ihren<br />

domestizierten, von Imkern betreuten<br />

Artgenossen. Neben den<br />

unglaublichen Nahaufnahmen<br />

von Naturfotograf Ingo Arndt<br />

glänzt dieses Buch auch mit<br />

neuen Erkenntnissen des Bienenforschers<br />

Jürgen Tautz, der<br />

die freilebenden Bienen untersucht<br />

und neue Impulse für die<br />

Bienenhaltung gibt. Maria Neumayr<br />

Ingo Arndt und Jürgen Tautz:<br />

Honigbienen – Geheimnisvolle<br />

Waldbewohner<br />

Knesebeck Verlag, 192 S., € 39,<strong>10</strong>


Kino<br />

Kino<br />

Kino<br />

7 x frisch verfilmt ist<br />

halb gelesen<br />

Eins<br />

Zwei<br />

Drei<br />

7 x literarische<br />

Zahlenspiele<br />

Go<br />

Boris<br />

go<br />

7 x literarisch Neues<br />

zum Brexit<br />

3×7<br />

Best<br />

aber<br />

Seller:<br />

54<br />

Wagner’sche.<br />

1<br />

2<br />

Unterleuten<br />

3<br />

Wolkenbruchs<br />

4<br />

Beale<br />

5<br />

Die<br />

6<br />

Auerhaus<br />

7<br />

Der<br />

Das Polykrates-Syndrom<br />

(„Glück gehabt“)<br />

Antonio Fian<br />

Droschl Verlag, € 19,60<br />

Juli Zeh<br />

btb Verlag, € 13,00<br />

wunderliche<br />

Reise in die Arme einer Schickse<br />

Thomas Meyer<br />

diogenes Verlag, € 13,00<br />

Street<br />

James Baldwin<br />

dtv Verlag, € 13,30<br />

zwei Päpste<br />

Anthony McCarten<br />

diogenes Verlag, € 24,70<br />

Bov Bjerg<br />

atb Verlag, € <strong>10</strong>,30<br />

Fall Collini<br />

Ferdinand von Schirach<br />

btb Verlag, € <strong>10</strong>,90<br />

1<br />

2<br />

Zwei<br />

3<br />

1794<br />

4<br />

Fünf<br />

5<br />

2084<br />

6<br />

1984<br />

7<br />

Fünf<br />

2<br />

Hideo Yokoyama<br />

Atrium Verlag, € 17,<strong>10</strong><br />

und zwei<br />

Hadley Tessa<br />

Kampa Verlag, € 23,20<br />

Niklas Natt och Dag<br />

Piper Verlag, € 18,<strong>10</strong><br />

Ursula Poznanski<br />

rororo Verlag, € <strong>10</strong>,90<br />

– Das Ende der Welt<br />

Boualem Sansal<br />

Merlin Verlag, € 25,30<br />

George Orwell<br />

ullstein Verlag, € 13,00<br />

plus Drei<br />

Arne Dahl<br />

Piper Verlag, € 18,<strong>10</strong><br />

1<br />

2<br />

Freiheiten<br />

3<br />

Federball<br />

4<br />

Middle<br />

5<br />

GRM<br />

6<br />

Schönes<br />

7<br />

Herbst<br />

Die Kakerlake<br />

Ian McEwan<br />

diogenes Verlag, € 19,60<br />

Zadie Smith<br />

Kiepenheuer&Witsch Verlag, € 27,40<br />

John leCarré<br />

Ullstein Verlag, € 25,30<br />

England<br />

Jonathan Coe<br />

Folio Verlag, € 25,60<br />

Sibylle Berg<br />

Kiepenheuer&Witsch Verlag, € 26,30<br />

neues England<br />

Sam Byers<br />

Tropen Verlag, € 25,30<br />

Ali Smith<br />

Luchterhand Verlag, € 22,70


Mit<br />

den<br />

besten<br />

Empfehlungen:<br />

„Dann wurde Eric Gott. Bis<br />

heute versucht er, sich davon zu<br />

erholen.“ – Keith Richards<br />

Eric Clapton, der am 30. März<br />

seinen 75. Geburtstag feiert,<br />

ist untrennbar mit dem Blues<br />

verbunden. Peter Kempers<br />

Biographie lässt seinen beeindruckenden<br />

Werdegang Revue<br />

passieren und zeigt auch viele<br />

Hintergründe. Ein spezielles<br />

Augenmerk richtet der Autor<br />

auf das große musikalische<br />

Vorbild Claptons, den sagenumwobenen<br />

Gitarristen Robert<br />

Johnson. Bewegend nicht nur<br />

für Gitarristen und Musiker …<br />

Stefan Wolf<br />

Peter Kemper:<br />

Eric Clapton – Ein Leben für den Blues<br />

Reclam Verlag, 272 S., € 24,70<br />

Der Reclam-Verlag und Ernst<br />

Hofacker legen hier ein wunderschön<br />

gestaltetes Buch über<br />

die 1970er vor. Vorwiegend<br />

geht es auf wunderbar subjektiven<br />

Wegen straight durch<br />

das Jahrzehnt, mit viel Wissen<br />

und Charme, ohne je besserwisserisch<br />

rüber zu kommen.<br />

Deutschland, England und die<br />

U.S.A. stehen im Mittelpunkt<br />

und feine Überraschungen begleiten<br />

den Leser, die Leserin.<br />

Wer weiß noch, wie Mitte der<br />

1970er Jahre von München<br />

aus die Clubmusik revolutioniert<br />

wurde (Stichwort Donna<br />

Summer & Giorgio Moroder)?<br />

Robert Renk<br />

Ernst Hofacker:<br />

Die 70er – der Sound eines Jahrzehnts<br />

Reclam Verlag, 350 S., € 28,80<br />

Ein Leben in Ketten, das kennt<br />

Hiram Walker, genannt Hi, und<br />

das hat er vor sich. Er ist zwar<br />

belesen und gebildet, da der<br />

Plantagenbesitzer sein Vater ist,<br />

dennoch wurde seine Mutter<br />

verkauft und er bleibt Sklave.<br />

Doch sie hat ihm eine besondere<br />

Gabe vererbt, die ihm vor dem<br />

Ertrinken rettet, und Hi beschließt<br />

endlich zu fliehen. Ein<br />

sprachlich wuchtiger Roman<br />

über Selbstermächtigung und<br />

das – noch immer währende –<br />

dunkle Kapitel der USA. Ein<br />

Leseerlebnis zwischen Colson<br />

Whitehead & James Baldwin.<br />

Nicht versäumen! Robert Renk<br />

Ta-Nehisi Coates:<br />

Der Wassertänzer<br />

Blessing Verlag, 544 S., € 24,70<br />

Im Zuge ihres Romanprojektes<br />

„GRM – Brainfuck“ hat Sibylle<br />

Berg zahlreiche Gespräche<br />

geführt. 17 Interviews mit<br />

renommierten internationalen<br />

Wissenschaftler*innen sind<br />

nun als neues Buch erschienen.<br />

Und dabei ist es wesentlich<br />

mehr, als nur ein Zusatzband<br />

zu „GRM“. Alle Themen des<br />

radikalen <strong>No</strong>-Futur-Romans<br />

werden hier wissenschaftlich abgeklopft,<br />

fundiert erläutert und<br />

mit scharfem Witz erhellend<br />

beschrieben. Und das auf die<br />

unnachahmliche Art und Weise,<br />

in der eben nur Frau Berg<br />

Fragen stellen kann. Robert Renk<br />

Sibylle Berg:<br />

Nerds retten die Welt<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

304 S., € 22,70<br />

Ein mitreißender, zeithistorisch<br />

interessanter Roman, mit einem<br />

Schuss Sardinienflair. Leo muss<br />

nach Sassari auf Sardinien<br />

flüchten, da er im Streit einen<br />

Faschisten getötet hat. Und das<br />

ist nicht gut im Jahre 1922, kurz<br />

vor der Machtergreifung Mussolinis.<br />

Auch nicht gut ist, dass<br />

er sich dort in die eigenwillige<br />

Tochter eines Mussolini-Anhängers<br />

verliebt. Die soll nämlich<br />

schon bald den Spross eines<br />

sardischen Pferdezuchtclans<br />

heiraten – und die Traditionen<br />

dieser Familie sind mörderisch!<br />

Robert Renk<br />

Grit Landau:<br />

Die sardische Hochzeit<br />

Droemer Verlag, 384 S., € 18,50<br />

Als ihr Mann ins Koma fällt,<br />

beginnt Margret, ihr ruhiges<br />

Leben zu hinterfragen. Durch<br />

die Tagebücher ihrer Mutter<br />

und das plötzliche Auftauchen<br />

ihrer Schwester bekommt sie<br />

neue Einsichten in ihre Familie<br />

und die Liebe. Einfühlsam und<br />

emotional erzählt Cornelia<br />

Achenbach die Geschichte einer<br />

Frau, die sich plötzlich mit<br />

ihren Entscheidungen, ihren<br />

Beziehungen und ihrem ganzen<br />

Leben auseinandersetzen<br />

muss. Ein trauriges, aber auch<br />

wunderschönes Buch.<br />

Maria Neumayr<br />

Cornelia Achenbach:<br />

Darüber reden wir später<br />

Wunderraum Verlag, 240 S., € 20,60<br />

56<br />

Wagner’sche.<br />

Christoph Leitl, ehemaliger<br />

Präsident der WKO, wagt<br />

einen Ausblick nach 2049 –<br />

das Jahr des <strong>10</strong>0. Geburtstags<br />

der Europäischen Union. Wie<br />

wird Europa dann im globalen<br />

Vergleich wirtschaftlich<br />

dastehen? China befindet sich<br />

aktuell auf direktem Weg<br />

an die Spitze der Weltwirtschaft<br />

und Europa hinkt nach.<br />

Leitl zeigt auf, wie es dazu<br />

gekommen ist, und findet neue<br />

und vor allem mutige Wege, wie<br />

Europa sich durch den Fokus<br />

auf individuelle Stärken auch<br />

weiterhin als Global Player<br />

positionieren kann. Helena Töchterle<br />

Christoph Leitl:<br />

China am Ziel! Europa am Ende?<br />

Ecowin Verlag, 168 S., € 20,60<br />

Wenn ein bekannter Fernsehmann<br />

wie Tarek Leitner ein<br />

Buch schreibt, dann erweckt<br />

das jedenfalls Neugierde. Als<br />

Leser ist man gespannt, was<br />

er uns über seinen Vater zu<br />

erzählen weiß, der zweimal –<br />

1939 und 1945 – von Berlin<br />

nach Linz gefahren ist. Anhand<br />

scheinbar belangloser Episoden<br />

lernt man mehr über die Zeit<br />

des kurzen <strong>10</strong>00-jährigen Reiches<br />

als aus den zahllosen Nazidokus<br />

in den dritten deutschen<br />

Fernsehprogrammen. Und gut<br />

geschrieben ist das Buch auch.<br />

Eine Entdeckung! Michael Carli<br />

Tarek Leitner:<br />

Berlin–Linz<br />

Brandstätter Verlag, 240 S., € 30,–<br />

Wie schön wäre es, sich einfach<br />

selbst heilen zu können …<br />

Gerhard Zallingers Methode<br />

des „vegetativen Trainings“ zielt<br />

genau auf das ab, dabei muss<br />

man nur auf einer Matte liegen<br />

und Atemübungen machen. Ein<br />

Scherz? Nein. Zallinger verhilft<br />

unter anderem der österreichischen<br />

Fußballnationalmannschaft<br />

dazu, besser zu<br />

werden. Unterfüttert wird das<br />

Buch mit Erfahrungsberichten<br />

und Ausflügen in die abendländische<br />

Geistesgeschichte von<br />

Galilei bis Descartes. Für alle<br />

Schmerzverbrämten einen<br />

Versuch wert! Bernd Schuchter<br />

Gerhard Zallinger:<br />

Die Macht in dir. Wie der Körper<br />

sich selbst heilt<br />

Ecowin Verlag, 184 S., € 18,99<br />

Was für ein kluges Buch, und<br />

hochaktuell! Lisz Hirn erklärt<br />

nicht nur den vielgebrauchten<br />

Begriff der „toxischen Männlichkeit“,<br />

den neurechte Autokraten<br />

wie Trump, Orban oder<br />

Putin für sich nutzen, um mit<br />

den Stimmen der abgehängten,<br />

weißen, männlichen Mittelschicht<br />

Wahlen zu gewinnen.<br />

Sie zeigt auch, dass praktische<br />

Philosophie unser Denken<br />

ändern kann; ein Lob der<br />

Vernunft und eine zum Teil<br />

erschreckende Analyse eines<br />

Kulturkampfs um hegemoniale<br />

Männlichkeit, der auch in<br />

Österreich tobt. Bernd Schuchter<br />

Lisz Hirn:<br />

Wer braucht Superhelden? Was wirklich<br />

nötig ist, um unsere Welt zu retten<br />

Molden Verlag, 160 S., € 22,–<br />

Hartmann geht in ihrem Apell<br />

von bekannten Problemen der<br />

ökologischen Krise aus, setzt<br />

sie aber in interessante neue<br />

Kontexte und macht daher<br />

die Problematik anschaulich.<br />

Wohlhabende haben das<br />

höchste Umweltbewusstsein<br />

– und gleichzeitig den größten<br />

ökologischen Fußabdruck.<br />

Man nennt das „Klimabesorgte<br />

Klimasünder“. Und das sind<br />

wir. Mal mehr, mal weniger. Es<br />

braucht noch mehr Bewusstsein<br />

dafür, das zeigt uns Kathrin<br />

Hartmann eindringlich.<br />

Robert Renk<br />

Kathrin Hartmann:<br />

Grüner wird’s nicht<br />

Blessing Verlag, 176 S., € 14,40<br />

Ein packender Justizkrimi, der<br />

diverse Grauzonen gut auslotet.<br />

Recht oder Gerechtigkeit,<br />

Gesetz oder Moral, und wie<br />

viel Berufsskandal verträgt eine<br />

Beziehung. Inspiriert von einem<br />

der großen Justizskandale<br />

Deutschlands, dem Fall Oury<br />

Jalloh in Dessau, breitet Markus<br />

Thiele seinen Fall rund um<br />

den Strafverteidiger Jansen<br />

aus, der einen Polizisten vertritt,<br />

der des Mordes an einem<br />

Asylbewerber angeklagt ist.<br />

Für Leser von Schirach oder<br />

Schlink! Robert Renk<br />

Markus Thiele:<br />

Echo des Schweigens<br />

Benevento Verlag, 408 S., € 22,60


In Arizona Ende des<br />

19. Jahrhunderts kämpft<br />

<strong>No</strong>ra inmitten von Dürre und<br />

Einsamkeit ums Überleben<br />

ihrer Familie. Und doch ist<br />

„Herzland“ kein Siedlerroman.<br />

Der Outlaw Lurie verdingt sich<br />

auf der Flucht als Kamelführer<br />

für die U.S. Army. Und doch<br />

ist der Roman kein Western.<br />

Beide Figuren verbindet ihre<br />

enge Beziehung zu Toten, die<br />

wunderbare Landschaft und die<br />

Geschichte des amerikanischen<br />

Südwestens nach dem Krieg mit<br />

Mexiko. Spannend vermischt<br />

Téa Obreht Fakten und Fiktion,<br />

Magisches und Realität.<br />

Claudia Daxner<br />

Téa Obreht:<br />

Herzland<br />

Rowohlt Verlag, 512 S., € 24,70<br />

Dieser Roman basiert auf wahren<br />

Begebenheiten des zweiten.<br />

Es geht um drei Frauen, die<br />

unterschiedlicher nicht sein<br />

könnten, aus drei Ländern,<br />

deren Wege sich an einem der<br />

dunkelsten Orte kreuzen. Von<br />

Fliegerangriffen, Deportationen<br />

und Ängsten wird nichts<br />

beschönigt. Über die „Kaninchen“,<br />

deren medizinische<br />

Versuche wirklich an Frauen gemacht<br />

wurden. Die Geschichte<br />

ist geprägt von Leid, aber auch<br />

Hoffnung. Schonungsloser, gut<br />

recherchierter, erschreckender<br />

Kriegsroman. Andrea Scheiber<br />

Martha Hall Kelly:<br />

Und am Ende werden wir frei sein<br />

Limes Verlag, 668 S., € 22,70<br />

Der 12-jährige Felix lebt mit<br />

seiner Mutter Fatou in Paris.<br />

Das kleine Café seiner Mutter<br />

ist seine heile Welt, prall gefüllt<br />

mit eigenwilligen Stammgästen<br />

und ihren Schrullen. Als die<br />

lebensfrohe Fatou plötzlich<br />

depressiv wird, gerät diese Welt<br />

aus den Fugen. Nur im Senegal,<br />

dort, wo Fatous Wurzeln sind,<br />

kann sie geheilt werden. Eine<br />

kleine, feine Nachtlektüre von<br />

Eric-Emmanuel Schmitt – über<br />

Freundschaft, Zusammenhalt,<br />

Familie, und Heimat. Psychologisch,<br />

dialogisch und flott<br />

geschrieben. Beatrix Rettenbacher<br />

Eric-Emmanuel Schmitt:<br />

Felix und die Quelle des Lebens<br />

C. Bertelsmann Verlag,<br />

224 S., € 20,60<br />

Elaine erinnert sich an Kindheitsbesuche<br />

in Grönland, an<br />

die zauberhaften Worte ihres<br />

Großvaters in der Inuitsprache,<br />

ihren Jugendfreund Dallas.<br />

Jahre später ist sie scheinbar<br />

als einzige Überlebende im Eis<br />

gefangen. Ihre Erinnerung und<br />

ihre langjährigen Erfahrungen<br />

mit der Kälte helfen ihr dabei,<br />

am Leben zu bleiben. Die<br />

packende, filmische Erzählweise<br />

birgt absoluten Suchtfaktor.<br />

Was manche schon wissen,<br />

bewahrheitet sich hier erneut:<br />

Michael Stavarič gehört zu den<br />

großen Erzählern unserer Zeit.<br />

Katharina J. Ferner<br />

Michael Stavarič:<br />

Fremdes Licht<br />

Luchterhand Verlag, 208 S., € 22,70<br />

Yokoyama gilt als japanischer<br />

Stieg Larsson. Natürlich ist uns<br />

die japanische Welt wesentlich<br />

fremder als das nahe Schweden.<br />

Psychologisch steht er bei der<br />

Figurenzeichnung dem zu früh<br />

Verstorbenen um nichts nach,<br />

ist fast noch einfühlsamer.<br />

Sochiro Kaji gilt als vorbildlicher<br />

Polizist, eines Tages<br />

gesteht er, seine Frau getötet zu<br />

haben. Alzheimerkrankheit in<br />

Endstadium, sie bat ihn darum.<br />

Kazumasa Shiki glaubt nicht so<br />

recht daran und taucht tief ein<br />

in die dunkle Geschichte eines<br />

Ehepaares, für das der Tod<br />

keine Sache des Zufalls war.<br />

Robert Renk<br />

Hideo Yokoyama:<br />

50<br />

Atrium Verlag, 368 S., € 22,70<br />

2020 jährt sich der 250.<br />

Geburtstag des bekannt-unbekannten<br />

Dichters: Oh ihr<br />

Musen, singt mir … Die Poesie<br />

spricht leise, darin gleicht sie<br />

der Liebe. Und nur Liebe und<br />

Poesie helfen gegen das Klirren<br />

der Fahnen, egal ob politische,<br />

existenzielle oder religiöse. In<br />

Hölderlins Dichtung zählt der<br />

Moment, jede einzelne Wunde<br />

des Seins: Wahrlich ein Rätsel<br />

diese Texte, das Leben, der<br />

ganze Rest. Im Irrgarten der<br />

Wörter liegt die Welt, manchmal<br />

gar Heil, immer aber Abgrund<br />

und Licht. Nehmt und lest!<br />

Florian Josef Rinderer<br />

Friedrich Hölderlin:<br />

Bald sind wir aber Gesang. Eine Auswahl<br />

von Navid Kermani<br />

C.H. Beck Verlag, 256 S., € 21,20<br />

In eine fremde, exotische,<br />

bitterarme und dennoch so<br />

bunte Welt entführt uns dieser<br />

Romanerstling von Deepa<br />

Anappara, der auf einer wahren<br />

Begebenheit beruht. Eine<br />

Gruppe von indischen Slumkindern<br />

rund um den neunjährigen<br />

Jai, der zu viele Polizei-Dokus<br />

schaut, macht sich selbst auf<br />

den Weg, um das Rätsel von<br />

verschwundenen Kindern zu<br />

klären. Denn in der Welt von<br />

Jai interessiert sich niemand<br />

für verschwundene Kinder. Die<br />

Figuren sind herzzerreißend geschildert,<br />

das Leben am Bhoot-<br />

Basar schonungslos. Grandios!<br />

Robert Renk<br />

Deepa Anappara:<br />

Die Detektive vom Bhoot-Basar<br />

Rowohlt Verlag, 400 S., € 24,70<br />

Es beginnt mit einem stillen<br />

Ausbruch. Fanni, die wir schon<br />

aus einem früheren Roman<br />

von Karin Peschka kennen,<br />

lässt mit 57 ihr altes Leben<br />

zurück. Das Gefühl, in einem<br />

normalen, festgefahrenen Leben<br />

einbetoniert zu sein, lässt sie<br />

ausreißen. Sie trifft ihre Jugendliebe,<br />

schließt neue Freundschaften<br />

und landet in einer<br />

ungewöhnlichen Wohngemeinschaft<br />

auf einer Pinzgauer Alm.<br />

Ein intensiver, lebensechter<br />

Roman mit untergründigem<br />

Humor und gekonntem<br />

Sprachwitz! Unbedingte Leseempfehlung!<br />

Robert Renk<br />

Karin Peschka:<br />

Putzt euch, tanzt, lacht<br />

Otto Müller Verlag, 300 S., € 23,–<br />

Ein literarisches Debüt, über<br />

<strong>10</strong>0 Jahre alt, aber im Sound<br />

von heute und übermorgen.<br />

Getarnt als Tagebuch schreibt<br />

es an gegen tristes Leben und<br />

feiert das eigene Ich. MacLane<br />

wütet gegen marktwirtschaftliches<br />

Denken, Bigotterie<br />

und Langeweile, preist dabei<br />

Natur, (Frauen-)Liebe und<br />

Größenwahn. Dabei ist sie<br />

Feministin, Ironikerin, exakte<br />

Beobachterin. Sie träumt, hofft,<br />

bleibt realistisch, sprachlich<br />

kühn. Ach ja, und dann ist da<br />

noch der Teufel. Damals ein<br />

Skandal, heute immens wichtig.<br />

Florian Josef Rinderer<br />

Mary MacLane:<br />

Ich erwarte die Ankunft des Teufels<br />

Reclam Verlag, 208 S., € 18,50<br />

Mal ein etwas anderer<br />

Kriminalroman. Ein Mann versucht<br />

eine etwas exotische, übelriechende<br />

Pflanze zu entfernen<br />

mit einer Motorsäge, womit er<br />

sich den Hals durchschneidet.<br />

Die Rückkehr des Carbonzeitalters<br />

stürzt Europa ins Chaos.<br />

Plötzlich gibt es wieder Libellen<br />

von der Länge eines Unterarmes<br />

oder Pflanzen, die seit<br />

Hunderten von Jahrmillionen<br />

ausgestorben sind und deren<br />

Düfte Menschen betören. Ein<br />

Roman, der unter die Haut geht<br />

und einen Einblick gibt in die<br />

zukünftige Menschheit.<br />

Andrea Scheiber<br />

Christian Mähr:<br />

Carbon<br />

braumüller Verlag, 304 S., € 24,–<br />

Ein Mann präpariert tote<br />

Tiere, eine Frau bricht aus, ein<br />

Künstler entdeckt die Liebe und<br />

die Lust. Aus diesen Zutaten<br />

hat die britische Schriftstellerin<br />

Elizabeth Macneal ihren Debütroman<br />

„The Doll Factory“<br />

gemixt. Ihre Bühne ist das viktorianische<br />

London um 1850,<br />

als die erste Weltausstellung<br />

entsteht. Eine Szenerie, die sich<br />

„am Schwellenstadium zwischen<br />

Schönheit und Grauen“<br />

(S. 29) befindet. Eine Welt,<br />

von der man als Leser nicht<br />

mehr lassen will. Macneals<br />

morbid-sinnlicher Sog ist<br />

unwiderstehlich. Robert Renk<br />

Elizabeth Macneal:<br />

The Doll Factory<br />

Eichborn Verlag, 416 S., € 22,70<br />

Der Maler Raffael Sanzio<br />

ist ein Ausnahmetalent und<br />

zählt in jungen Jahren schon<br />

zu den bekanntesten Künstlern<br />

der Renaissance. Dieser<br />

lebendige historische Roman<br />

gibt uns einen tollen Einblick<br />

in eine der wichtigsten Epochen.<br />

Geprägt von Intrigen,<br />

politischen Machtkämpfen<br />

und verheerenden Feldzügen.<br />

Natürlich erfährt man viel über<br />

Kunst und die Leidenschaft des<br />

Malens und über die Freundschaft<br />

mit Leonardo da Vinci<br />

sowie Michelangelo. Auch seine<br />

persönliche Liebesgeschichte<br />

spielt eine Rolle. Andrea Scheiber<br />

<strong>No</strong>ah Martin:<br />

Raffael – Das Lächeln der Madonna<br />

Droemer Verlag, 640 S., € 22,70<br />

Jeder kennt den Kirchturm,<br />

der am Reschensee aus dem<br />

Wasser ragt, es ist ein malerischer,<br />

aber zugleich auch ein<br />

deprimierender Anblick, vor<br />

allem, wenn man die Geschichte<br />

dahinter kennt. Vor siebzig Jahren<br />

wurden die Bewohner von<br />

Graun enteignet. Ein großer<br />

Staudamm sollte gebaut werden<br />

ohne Rücksicht auf Verluste.<br />

Unsere Protagonistin Trina<br />

erzählt uns, was ihre Familie<br />

damals schmerzvoll erlebt hatte.<br />

Sehr aufwändig recherchiert<br />

und nahe an historischer<br />

Realität. Ein Roman, der mich<br />

fasziniert hat. Andrea Scheiber<br />

Marco Balzano:<br />

Ich bleibe hier<br />

Diogenes Verlag, 288 S., € 22,70<br />

Chicago 1985: Yale ist dabei,<br />

Kunstwerke für die Galerie, für<br />

die er arbeitet, zu organisieren,<br />

als in Boystown die AIDS-Epidemie<br />

ausbricht. Paris 2015:<br />

Auf der Suche nach ihrer<br />

verschwundenen Tochter wird<br />

Fiona mit ihren Erinnerungen<br />

an die Schicksalsschläge der<br />

80er konfrontiert. Aus den beiden<br />

Zeitsträngen webt Rebecca<br />

Makkai eine Geschichte über<br />

Verlust und Liebe. Ein tragisches<br />

und berührendes Buch,<br />

das es nicht umsonst auf die<br />

Shortlist des Pulitzer Preises<br />

geschafft hat. Maria Neumayr<br />

Rebecca Makkai:<br />

Die Optimisten<br />

Eisele Verlag, 624 S., € 24,70<br />

Kensington, das Drogenviertel<br />

Philadelphias, ist das Revier der<br />

Schwestern Mickey und Kacey.<br />

Während Mickey als Cop durch<br />

die Straßen patrouilliert, steht<br />

dort die drogensüchtige Kacey<br />

und wartet auf Freier. Doch<br />

dann werden Frauen ermordet<br />

und Kacey verschwindet. Mickeys<br />

Suche nach ihrer Schwester<br />

wird eine Reise in eine<br />

Vergangenheit voller Lügen und<br />

in die korrupte Welt der Polizei.<br />

Ein wunderbarer Roman, so<br />

trist und wunderschön zugleich<br />

wie Springsteens Ballade Streets<br />

of Philadelphia. Andreas Hauser<br />

Liz Moore:<br />

Long Bright River<br />

C.H. Beck Verlag, 411 S., € 25,30<br />

Hinter „Panda Tage“ verbirgt<br />

sich die Geschichte des alleinerziehenden<br />

Vaters Danny.<br />

Seine Frau starb bei einem Unfall.<br />

Der gemeinsame Sohn Will<br />

weigert sich seitdem zu sprechen<br />

und zieht sich immer weiter<br />

zurück. Danny versucht alles,<br />

um seinen Sohn wieder glücklich<br />

zu sehen, auch wenn es ihm<br />

selbst nicht allzu gut geht. Ein<br />

Pandakostüm als Seelenrettung<br />

für den Sohn als auch für den<br />

Vater. Eine berührende und<br />

humorvolle Hommage an die<br />

Liebe zwischen Vater und Sohn,<br />

die beim Leser Spuren hinterlässt.<br />

Irene Gauglhofer<br />

James Gould-Bourn:<br />

Panda Tage<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

382 S., € 20,60


Eine verschlungene, ebenso<br />

traurige wie witzige Geschichte.<br />

Serpentine für Serpentine<br />

fährt einer zurück in die<br />

Vergangenheit seiner Familie.<br />

„Urgroßvater, Großvater, Vater.<br />

Ertränkt, erschossen, erhängt.<br />

Zu Wasser, zu Lande und in<br />

der Luft.“ Es gibt Familientraditionen,<br />

die dem Leben eine<br />

Schwere mitgeben, grandios,<br />

wie Bov Bjerg diese Autofahrt<br />

mit Leichtigkeit, mit sprachlicher<br />

Brillanz füllt, ohne die<br />

Figuren auf ihrer ernsthaften<br />

Suche im Stich zu lassen.<br />

Robert Renk<br />

Bov Bjerg:<br />

Serpentinen<br />

Claassen Verlag, 267 S., € 22,70<br />

Der große Wunsch, Polizist<br />

zu werden, wird Thomas vom<br />

Freund seines Vaters Strobel<br />

erfüllt. Als 1965 ein junges<br />

Mädchen tot aufgefunden wird,<br />

ermittelt die Polizei nicht so,<br />

wie es sich der junge strebsame<br />

Thomas vorstellt. Er ermittelt<br />

auf eigene Faust und stößt<br />

auf einen gleichen Fall von<br />

1939, damals wurde auch alles<br />

vertuscht. Hat es was mit der<br />

Gestapo zu tun? Dabei sticht er<br />

in ein Wespennest und bringt<br />

einiges ans Licht. Zeitgeschichtlicher<br />

Krimi, gibt einen tollen<br />

Einblick in die Polizeiarbeit<br />

unter Hitler.<br />

Andrea Scheiber<br />

Thomas Christos:<br />

1965 – Der erste Fall für Thomas Engel<br />

Blanvalet Verlag, 399 S., € 20,60<br />

Dieser Roman spielt sowohl<br />

in der Vergangenheit als auch<br />

in der Zukunft. Solene fällt<br />

nach einem beruflichen Schlag<br />

ins Burnout. Im „Haus der<br />

Frauen“, das 1925 von Blanche<br />

Peyron für obdachlose Frauen<br />

gegründet wurde, übernimmt<br />

sie Schreibarbeiten. Geschickt<br />

wir die Geschichte über beide –<br />

wie ich finde – starken Frauencharaktere<br />

erzählt. Das Buch<br />

hat viele traurige, aber auch<br />

schöne Augenblicke. Eine langsame<br />

Geschichte mit Spannung.<br />

Schicksale der Frauen werden<br />

gekonnt verknüpft.<br />

Andrea Scheiber<br />

Laetitia Colombani:<br />

Das Haus der Frauen<br />

S. Fischer Verlag, 256 S., € 20,60<br />

Prinzipiell eine glorreiche Idee,<br />

Parade inklusive: Der Präsident<br />

will den armen Süden mit dem<br />

wohlhabenderen <strong>No</strong>rden durch<br />

eine schön gerade Asphaltstraße<br />

verbinden. Nur: Fortschritt<br />

von außen ist nicht immer das,<br />

was zu sein er vorgibt. Was<br />

dem robusten, funktionierenden<br />

Kapitän der allmächtigen<br />

Asphaltiermaschine nach<br />

vollendeter Tat durch den<br />

Kopf geht, hat Dave Eggers<br />

zu einer knappen Parabel über<br />

Entwicklungshilfe gerafft: eine<br />

nachdenklich stimmende Botschaft,<br />

dramaturgisch rasant<br />

überbracht! Bernhard Sandbichler<br />

Dave Eggers:<br />

Die Parade<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

184 S., € 20,60<br />

Schon das stilvolle Cover und<br />

der Titel erzählen die halbe<br />

Geschichte: Wir begleiten die<br />

Schriftstellerin Virginia Woolf<br />

in ihren letzten Tagen des Jahres<br />

1941. Kumpfmüller beschreibt<br />

den außerordentlichen und<br />

gleichzeitig unausstehlichen<br />

Charakter dieser einst gefeierten<br />

Schriftstellerin. Virginia kämpft<br />

mit Depression, ihrer Angst,<br />

verrückt zu werden, und der<br />

Sehnsucht nach dem Tod – ein<br />

gelungenes Buch, in dem wir als<br />

allwissende BeobachterInnen<br />

Virginia durch ihre Höhen und<br />

Tiefen begleiten.<br />

Ágnes Czingulszki<br />

Michael Kumpfmüller:<br />

Ach Virginia<br />

Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />

240 S., € 22,70<br />

Grundsätzlich sollte man<br />

Krimis nicht beachten, das neue<br />

Werk von Dirk Kurbjuweit<br />

jedoch ist derart interessant,<br />

dass man getrost Prinzipien<br />

ruhen lassen kann. Haarmann<br />

erzählt den tatsächlichen Fall<br />

des spektakulärsten Serienmörders<br />

im Deutschland der<br />

1920er Jahre – und zwar aus<br />

der Perspektive des (fiktiven)<br />

Leiters der Ermittlungen. So<br />

ersteht ein Sozialpanorama<br />

der geschlagenen Nation, ihrer<br />

Verrohung und Misere, sowie<br />

das vielschichtige Charakterbild<br />

eines Weltkriegsfliegers, der hart<br />

auf dem Boden der Desillusion<br />

aufschlägt. Klaus Zeyringer<br />

Dirk Kurbjuweit:<br />

Haarmann<br />

Penguin Verlag, 320 S., € 22,70<br />

Paula, die ihren geliebten<br />

kleinen Bruder verloren hat,<br />

und Helmut, ein in die Jahre<br />

gekommener, sehr langsamer<br />

und schlecht gelaunter Herr,<br />

treffen bei einem Friedhofseinbruch<br />

aufeinander. So werden<br />

sie plötzlich zu einem nicht<br />

mehr wegzudenkenden Teil im<br />

Leben des Anderen und helfen<br />

einander dabei, sich mit dem<br />

Tod zu arrangieren. So traurig<br />

das Thema, so untröstlich die<br />

Figuren auch sind, so humorvoll<br />

und leicht ist der Schreibstil<br />

der Autorin. Und mit genau<br />

diesem bahnt sie sich den Weg<br />

in die Herzen ihrer LeserInnen.<br />

Sarah Caliciotti<br />

Jasmin Schreiber:<br />

Marianengraben<br />

Eichborn Verlag, 256 S., € 20,60<br />

Ein sehr brisantes Thema<br />

greift Jodi Picoult in ihrem<br />

neuen Buch auf, nämlich das<br />

Recht auf Leben von ungeborenen<br />

Kindern. Eines<br />

Tages wird Hugh McElroy<br />

zu einer Geiselnahme in eine<br />

Frauenklinik gerufen. Während<br />

der Verhandlungen mit dem<br />

Geiselnehmer, der fanatischer<br />

Gegner für Abtreibung ist und<br />

Vater einer Tochter, bekommt<br />

er Nachricht, dass sich auch<br />

seine Tochter unter den Geiseln<br />

befindet. Der Wettlauf mit der<br />

Zeit beginnt. Ein Buch, das sicher<br />

für Diskussionsstoff sorgt.<br />

Ein mutiges Buch.<br />

Andrea Scheiber<br />

Jodi Picoult:<br />

Der Funke des Lebens<br />

C. Bertelmann Verlag, 448 S., € 20,60<br />

Ein Buch, das nicht nur eine<br />

Geschichte erzählt, sondern<br />

auch eine hat. In Sasha Filipenkos<br />

„Rote Kreuze“ trifft<br />

Alexander, dessen Leben brutal<br />

entzweigerissen wurde, auf<br />

Tatjana Alexejewna, seine neue<br />

Nachbarin, bei der vor kurzem<br />

Alzheimer diagnostiziert wurde.<br />

Die alte Dame erzählt Alexander<br />

ihre Lebensgeschichte,<br />

die das ganze russische 20.<br />

Jahrhundert mit all seinen<br />

Schrecken umspannt. Ein einzigartiger<br />

Roman, der daran<br />

erinnern soll, dass Geschichte<br />

nicht in Vergessenheit geraten<br />

darf.<br />

Selina Kapferer<br />

Sasha Filipenko:<br />

Rote Kreuze<br />

Diogenes Verlag, 288 S., € 22,70<br />

Als Zögling im Zisterzienserstift<br />

Zwettl war Josef Haslinger von<br />

seinen Erziehern gequält und<br />

sexuell missbraucht worden.<br />

Erfahrungen, die er literarisch<br />

wiederholt verarbeitet hatte,<br />

konnte er erst jetzt jenseits der<br />

Fiktion öffentlich machen.<br />

Dabei ist „Mein Fall“ weniger<br />

Anklage oder Abrechnung als<br />

vielmehr die sorgsam rekonstruierende<br />

Annäherung ans<br />

eigene jugendliche Ich und die<br />

Reflexion über die Jahrzehnte<br />

währenden Mühen und Strategien,<br />

mit den Folgen dieser Beschädigung<br />

zurechtzukommen.<br />

Klaus Nüchtern<br />

Josef Haslinger:<br />

Mein Fall<br />

S. Fischer Verlag, 144 S., € 20,60<br />

Vor vielen Jahren wurde Nadja<br />

verurteilt, nachdem sie ein grausames<br />

Verbrechen beging. Jetzt<br />

möchte sie ein normales Leben<br />

führen, aber wieder geschieht<br />

ein Mord und eine Mörderin<br />

muss gefunden werden. In einer<br />

kleinen Hütte beginnt dann<br />

der ganze Alptraum. Wenn sie<br />

flieht, sterben andere. Als die<br />

Flucht gelingt, möchte der Entführer<br />

sich zurückholen was,<br />

ihm gehört. „ Hab dich, und<br />

jetzt spielen wir. Wir spielen Gericht.“<br />

Ein wahrlich schockierender<br />

Psychothriller, der unter<br />

die Haut geht.<br />

Andrea Scheiber<br />

Romy Hausmann:<br />

Marta schläft<br />

dtv Verlag, 351 S., € 17,40<br />

Der kleine Waisenjunge Bartholomäus<br />

ist ein Sprachentalent<br />

und soll als Dolmetscher mit<br />

den Brüdern Schlagintweit,<br />

Schüler des Alexander von<br />

Humboldt, eine Expedition<br />

durch Indien und Himalaya<br />

machen. Zwischen Steppen<br />

und Bergen, Städten, religiösen<br />

Konflikten und politischen<br />

Spannungen kommt der Junge<br />

immer wieder zum Nachdenken,<br />

wo Heimat ist. Später<br />

beschließt er, das erste Museum<br />

in seinem Land zu gründen,<br />

und seinen Platz im Leben zu<br />

finden. Ein atemberaubender<br />

historischer Reiseroman.<br />

Andrea Scheiber<br />

Christopher Kloeble:<br />

Das Museum der Welt<br />

dtv Verlag, 525 S., € 24,70<br />

Einer schreibt noch immer.<br />

Zum Glück! Helmuth Schönauer<br />

rezensiert auch in der<br />

Pension weiter und gibt uns eine<br />

literarische Rückschau auf das<br />

Jahr 2019. <strong>10</strong>0 Bücher in einem<br />

Jahr. Nicht nur gelesen! Auch<br />

rezensiert!! Unglaublich!!! Und<br />

wenn man Besprechungen des<br />

Meisterrezensenten – allerorts<br />

auch gerne zitiert – schon<br />

öfter gelesen hat, erkennt man<br />

tatsächlich, welche Bücher ihm<br />

gefallen und welche ihn eher<br />

gelangweilt haben. Aber immer<br />

schreibt er wertschätzend und<br />

sprachlich unnachahmlich. Bitte<br />

weiter so …<br />

Robert Renk<br />

Helmuth Schönauer:<br />

Buch in Pension – Hundert Rezensionen<br />

Sisyphus Verlag, 180 S., € 15,–<br />

Trevor war Chirurg in Afghanistan,<br />

nach einer Verletzung<br />

kehrt er zurück nach <strong>No</strong>rth Carolina.<br />

Er erbt das alte Cottage<br />

seines Großvaters mitsamt den<br />

Bienen und wird begeisterter<br />

Imker. Als er Nathalie, eine<br />

Polizistin, kennenlernt, findet<br />

er gleich Gefallen an ihr, sie<br />

anscheinend auch an ihm, aber<br />

immer wieder geht sie auf Distanz.<br />

Da ist die quirlige Callie<br />

ganz anders, sie liebt das Leben,<br />

weiß aber auch einiges über<br />

seinen verstorbenen Großvater.<br />

Wieder ein gelungener Nicholas<br />

Sparks.<br />

Andrea Scheiber<br />

Nicholas Sparks:<br />

Wenn du zurückkehrst<br />

Heyne Verlag, 420 S., € 20,60<br />

Es sind die 90er, die Mutter ist<br />

am Theater und der Vater<br />

bekifft im Aufnahmestudio.<br />

Charlie muss die Familie zusammenhalten<br />

und eigentlich<br />

wollte er ausziehen. Er hat<br />

Pläne, Zivi im Leuchtturm und<br />

seinen Roman. Dann passiert<br />

auch noch der Jagdunfall mit<br />

seinem Opa. Der Klappentext<br />

zum Buch verspricht eine<br />

schräge Geschichte mit viel<br />

Charme und gutem Witz. Es<br />

gibt Bücher, bei denen dieses<br />

Versprechen nicht gehalten<br />

wird, bei diesem Debüt schon.<br />

Lena Kripahle-Wiek<br />

Sebastian Stuertz:<br />

Das eiserne Herz des Charlie Berg<br />

btb Verlag, 720 S., € 22,70<br />

1896 wird Hugo von Tschudi<br />

Direktor der Berliner<br />

Nationalgalerie. Er geht bei<br />

zeitgenössischen Künstlern ausund<br />

ein und sorgt mit seinen<br />

modernen Ausstellungen für<br />

Aufregung in der Szene. Das<br />

Leben könnte wunderbar sein,<br />

wäre da nicht noch eine Hautkrankheit,<br />

die Tschudi quält.<br />

Milderung erfährt der Direktor<br />

nur im völligen Aufgehen in<br />

der Kunst. Die farbenreiche<br />

Sprache, in der Mariam Kühsel-Hussaini<br />

erzählt, ist selbst<br />

wie ein Gemälde, das sich im<br />

Lauf des Romans facettenreich<br />

fortmalt. Katharina J. Ferner<br />

Mariam Kühsel-Hussaini:<br />

Tschudi<br />

Rowohlt Verlag, 320 S., € 24,70


© Dirk Skriba<br />

Zwei<br />

Seiten<br />

derselben<br />

Poesie …<br />

Anja Utler<br />

62 Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Frau Utler, Sie treten am<br />

6. Juni 2020 mit dem Tiroler<br />

Kammerorchester InnStrumenti<br />

im ORF Landesstudio auf.<br />

Dabei werden Sie Gedichte zu<br />

Kompositionen lesen, die für diesen<br />

Abend in Auftrag gegeben wurden.<br />

Text und Musik – ist das ein<br />

ungewohntes Konzept für Sie?<br />

Ungewohnt nicht, aber bisher waren meine<br />

Auftritte mit Musikerïnnen immer auch<br />

Improvisation. Beim Innsbrucker Konzept<br />

dagegen öffnen sich präzise Bühnenkompositionen<br />

für die Dichterin, wie für<br />

ein schwer kontrollierbares Element aus<br />

der nicht-musikalischen Wildnis. Schwer<br />

kontrollierbar deshalb, weil ich nicht über<br />

die musikalische Kompetenz von Orchester<br />

und Komponistïnnen verfüge. Letztes Jahr<br />

aber habe ich bei José Olivers Auftritt mit<br />

den InnStrumenti gehört, welche besondere<br />

Energie aus dieser Offenheit entstehen<br />

kann.<br />

Anja<br />

Utler<br />

Die sprachrhythmische<br />

Künstlerin nimmt<br />

es beim 6. Lyrikfestival<br />

Tirol gleich<br />

mit einem ganzen<br />

Orchester auf!<br />

Das Gespräch<br />

führte Klex Wolf.<br />

63<br />

Das hörbare Wort ist für Ihre Arbeit<br />

insgesamt wichtig. Was unterscheidet<br />

eine geschriebene Poesie von einer<br />

gesprochenen?<br />

Der zeitliche Verlauf. Beim stillen Lesen<br />

von Gedichten kann ich selbst Pausen und<br />

Wiederholungen setzen. Ich kann blättern,<br />

mich zurückziehen. Die gesprochene Poesie<br />

dagegen taucht mich in eine nicht steuerbare<br />

sinnliche Fülle. Der Text springt über<br />

als Rhythmus, Stimmklang, als Atmosphäre<br />

und Körperlichkeit. Das Hören erzeugt eine<br />

Reibung mit Sätzen und Bildern; ich kann<br />

ihnen beim Hören nicht lückenlos folgen,<br />

weil ich aus dem Sprechstrom heraustreten<br />

muss, um mit ihnen in Kontakt zu kommen.<br />

Daraus kann der Wunsch entstehen, etwas<br />

nochmal zu lesen. So wie man still Gelesenes<br />

vielleicht auch hören will. Es sind<br />

zwei Seiten derselben Poesie.<br />

Es werden in den Texten dieses<br />

Abends (6. Juni) immer wieder<br />

Figuren aus der griechischen<br />

Mythologie auftauchen. Was<br />

interessiert Sie an Daphne, Sibylle<br />

und Marsyas?<br />

Für mich waren diese Figuren vor allem<br />

geeignetes Material. Sie bringen aktuell<br />

relevante Konflikte mit, selbst wenn wir die<br />

erstmal googeln müssen. Daphne, Sibylle<br />

und Marsyas sind Figuren, die sich unter<br />

dem Druck von Gewalt in ihre Umgebung<br />

verwandeln: Daphne wird ein Baum, die<br />

Sibylle löst sich zu Stimme oder Geräusch<br />

auf, der geschändete Marsyas wird zum<br />

Fluss. Das sind quasi-ökologische Vorgänge,<br />

die mich interessieren. Unsere Sprache<br />

suggeriert uns, dass wir beobachtend,<br />

wie von außen auf die Welt blicken können.<br />

Das ist als Perspektive angenehm, stimmt<br />

aber nicht. Wir sind mit unserer Umgebung<br />

unlösbar verstrickt und davon abhängig,<br />

dass diese Verstrickung funktioniert.<br />

Die Schicksale dieser Figuren helfen, der<br />

Sprache den Luxus der Distanzierung zu<br />

nehmen.<br />

Ja.<br />

Ihr Text „brinnen“, der ebenfalls<br />

auf dem Programm steht, ist<br />

bewusst instabil. Die Textteile sind<br />

für mehrere Stimmen geschrieben,<br />

die sich überschneiden, und in<br />

immer wieder neuen Kombinationen<br />

ein Stimmengewirr erzeugen.<br />

Diese Polyphonie ist ja ein fast<br />

musikalisches Konzept?<br />

Die musikalische Polyphonie sind wir<br />

gewohnt, es ist uns vertraut, mehrere<br />

Instrumente gleichzeitig zu hören.<br />

Beim Sprechen achtet man dagegen<br />

in der Regel darauf, abwechselnd<br />

und aufeinander bezogen zu reden.<br />

Kann man sich in die sprachliche<br />

Mehrstimmigkeit einhören und<br />

eine schärfere Wahrnehmung dafür<br />

entwickeln? Oder ist Ihr Ziel die<br />

bewusste Verwirrung?<br />

Sagen wir so: Wenn ich den Bahnhof suche,<br />

brauche ich Auskunft von einer klaren,<br />

informierten Stimme. Am Bahnhof selbst<br />

aber stecke ich im Rhythmus von Durchsagen,<br />

Lärm, Stimmengewirr. Die innere<br />

sprachliche Ordnung ist für mich mehr<br />

Bahnhof als wegweisende Einzelstimme,<br />

zumindest wenn das Leben intensiv und<br />

vielleicht schwierig wird. Ich laufe auf die<br />

Sprache zu, sie soll mein Erleben einfangen,<br />

und sie ruft mir etwas zu, aber das trifft<br />

nicht. Und das löst eine Explosion aus.<br />

Es springt ein Sprachgenerator an, der<br />

von allen Seiten Sätze spuckt, um das Erlebte<br />

irgendwo zu fassen zu kriegen, ihm<br />

eine gültige sprachliche Resonanz zu geben.<br />

„brinnen“ entspringt dem Wunsch, dieses<br />

Geschehen poetisch zu reflektieren. Denn<br />

vielleicht ist das gültige sprachliche Echo<br />

genau das: die konfliktreiche, unauflösbare,<br />

springende Vielstimmigkeit.<br />

Anja Utler studierte Slawistik, Anglistik und Sprecherziehung.<br />

Sie arbeitet mit Text in Schrift und Klang<br />

und erhielt für ihre Arbeit zahlreiche Preise. Ihre Veröffentlichungen<br />

sind Bücher, teilweise mit Sprech-<br />

CDs: „münden – entzüngeln“ (2004), „brinnen“<br />

(2006), „jana, vermacht“ (2009). Der ORF sendete<br />

2007 ihr Hörstück „suchrufen, taub“. Anja Utler<br />

war Stipendiatin in Iowa und Writer-in-Residence in<br />

Ohio. Sie lebt in Regensburg und Wien.<br />

Buchtipp:<br />

Anja Utler:<br />

„münden – entzüngeln“<br />

Edition Korrespondenzen,<br />

96 S., € 17,40<br />

Veranstaltungstipp:<br />

klang_sprachen<br />

im Rahmen des<br />

6. Lyrikfestivals W:ORTE<br />

Tiroler Kammerorchester<br />

InnStrumenti & Anja Utler<br />

Sa., 6. Juni 2020 um 20:00 Uhr<br />

ORF Landesstudio – studio3,<br />

Rennweg 14<br />

Eintritt frei!<br />

Anmeldung erforderlich<br />

unter 0512 566 533 oder<br />

studio3.tirol@ORF.at.


„Old school“ & innovativ<br />

Aktuelles vom Kultursender Ö1<br />

Seit Dezember 2019 ist die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />

die Ö1-Partnerbuchhandlung im Westen Österreichs.<br />

Dies bringt auch Vorteile für unsere Kunden. Alle<br />

Ö1-Mitglieder bekommen die Club-Ermäßigung auch in der<br />

Wagner’schen. Außerdem versorgen wir Sie laufend mit neuen<br />

Informationen über den österreichischen Kultursender. Ulrike<br />

Leitner vom ORF verrät uns die neuesten Aktivitäten von Ö1.<br />

© Markus Renk<br />

Nichts gegen Streamen …<br />

… doch etwas in der Hand zu haben, das<br />

haptische Erlebnis und die Beständigkeit<br />

eines Buchs, einer CD ist ebenso spannend.<br />

Und einmalig. Aus diesem Grund hält<br />

die Edition Ö1, das hauseigene Label des<br />

Kultursenders, an ihrer Strategie, ausgewählte<br />

Radiosendungen als physisches<br />

Produkt nochmals hörbar zu machen, fest<br />

– und bietet sie parallel im Download über<br />

die gängigen Download-Plattformen zum<br />

digitalen Verkauf an. Das Interesse der<br />

Hörerinnen und Hörer bestätigt in beidem,<br />

dem Angebot des physischen Produkts<br />

ebenso wie des Downloads.<br />

Das Ö1 Buch des Monats<br />

Ob in physischer oder digitaler Form:<br />

Als Kultursender fühlt sich Ö1 der Welt der<br />

Literatur verpflichtet. Woche für Woche<br />

stürzen sich die Fachredakteur/innen der<br />

Ö1 Kultur in zahlreiche Geschichten,<br />

Themen, Gedanken – kurzum: in Bücher.<br />

Mit mehr als 800 Sendungsbeiträgen zu<br />

Buchneuerscheinungen pro Jahr zeichnet<br />

Ö1 beim Thema Literatur federführend am<br />

österreichischen Medienmarkt. Dabei legt<br />

die Ö1 Literaturabteilung großen Wert darauf,<br />

auch Bücher abseits des sogenannten<br />

Mainstreams zu beleuchten und unseren<br />

Hörerinnen und Hörern zu präsentieren<br />

und konsequent auch Titel aus kleineren<br />

Verlagen wahrzunehmen.<br />

Es liegt also nahe und erscheint<br />

logisch, diese umfassende Recherche und<br />

Exper tise zu nutzen und schlussendlich<br />

Lese tipps an Literaturinteressierte abzugeben:<br />

Monatlich wählt die „Ex libris“-<br />

Redaktion eines der in der Ö1 Sendung<br />

„Ex libris“ aktuell besprochenen Bücher<br />

aus. Bevorzugt werden Werke, die nicht<br />

ins Bestsellerschema passen. Für die<br />

Auswahl gibt es kein Juryverfahren, das<br />

Ö1 Buch des Monats wird im offenen<br />

Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern von „Ex libris“ ermittelt.<br />

Als „Ö1 Lesetipp“ gekennzeichnet, ist<br />

das jeweilige Werk im gut sortierten Buchhandel<br />

erhältlich.<br />

Ö1 intro<br />

Wie gesagt: Nichts gegen das Streamen;<br />

und schon gar nichts gegen das Lesen –<br />

aber auch gemeinsam etwas echt zu erleben<br />

ist spannend und einmalig. Darum hat sich<br />

Ö1 etwas für seine jüngere HörerInnenschaft<br />

überlegt: Ö1 intro, der neue Club<br />

für alle unter 30-Jährigen, bietet seinen<br />

Mitgliedern besonders hohe Ermäßigungen<br />

bei Ö1-Kulturpartnern unabhängig von<br />

Schul- und Student/innenausweisen,<br />

spannende Erlebnisse und die Teilnahme<br />

an zukunftsweisenden Veranstaltungen. Ö1<br />

intro-Mitglieder sind Teil eines Clubs, der<br />

Ö1 mit eigenen Sendungen und Events eine<br />

Stimme gibt und dazu einlädt, Kunst und<br />

Kultur mit Freund/innen zu teilen. Im Jänner<br />

startete die neue Sendung „Ö1 intro“,<br />

in der die Ideen von jungen Menschen einen<br />

fixen Platz in Ö1 haben. Jeden Sonntag<br />

um 17.55 Uhr sind in der Sendung Veranstaltungstipps<br />

aus Kunst und Kultur zu<br />

hören. Für die Entwicklung und Gestaltung<br />

der Sendung konnten junge Studierende der<br />

FH St. Pölten gewonnen werden, die sich<br />

mit der Frage auseinandergesetzt haben,<br />

wie man Kultur und Kulturveranstaltungen<br />

für junge Menschen im Radio spannend<br />

und unkonventionell aufbereiten kann.<br />

Mit innovativen Zugängen, gründlicher<br />

Recherche und großem gestalterischen<br />

Können schaffen die Studierenden kleine<br />

Radiokunstwerke, die dem Publikum Lust<br />

auf aktuelle Veranstaltungen in der österreichischen<br />

Kulturszene machen sollen.<br />

<strong>No</strong>ch bis 31.3.2020 läuft die Aktion „3<br />

zu 0“: Bei Anmeldung zu dritt erhalten alle<br />

drei Personen die Ö1 intro-Mitgliedschaft<br />

für ein Jahr gratis.<br />

https://oe1.orf.at/intro<br />

Reparatur der Zukunft<br />

Ebenfalls im Jänner 2020 hat Ö1 eine<br />

multimediale Ideensammlung gestartet.<br />

Die „Reparatur der Zukunft“ ist für Ö1<br />

eine ganzjährige Initiative, getragen von<br />

zwei Prinzipien: Hoffnung und Innovation.<br />

Zur Teilnahme eingeladen sind Menschen<br />

ab 20 Jahren, die in kurzen Videoclips<br />

vorstellen, was sie neu und anders machen.<br />

Im Fokus steht eine Generation, für die<br />

das Internet niemals neu war und die im<br />

Schatten der Erderwärmung erwachsen<br />

wurde. Gefragt ist alles, was Impulse zur<br />

Veränderung setzt und die Zukunft im Jetzt<br />

reparieren will – selbstgemacht, selbstorganisiert<br />

und selbstgedacht. Innovative<br />

Ideen, Konzepte oder bereits realisierte Projekte,<br />

die Probleme erkennen und Lösungen<br />

anbieten: von Klimaschutz und Armutsbekämpfung,<br />

über Sharing-Initiativen und<br />

Partizipation, bis zu Bildung, Ernährung,<br />

Musik und künstlerische Performances.<br />

Mit der Programminitiative „Reparatur<br />

der Zukunft“ will Ö1 den Ideen der<br />

20- bis 30-Jährigen mehr Raum geben<br />

und sich deren Fragen stellen. Kick-off<br />

für die „Reparatur der Zukunft“ waren<br />

die Schwerpunkttage im Jänner, in denen<br />

zahlreiche Ö1-Sendungen das Themenfeld<br />

aufbereiteten. Spielerisch via Augmented-<br />

Reality-Spiel auf dem Smartphone echte<br />

Bäume pflanzen, schmackhafte Burger<br />

aus Insektenproteinen zubereiten oder<br />

Schuhe mit Sensoren ausstatten, die<br />

blinden Menschen den Weg weisen –<br />

all diese Ideen sind bereits umgesetzt, von<br />

jungen Menschen, die sich über die Gesellschaft<br />

von morgen Gedanken machen.<br />

Ö1 startet einen Generationendialog über<br />

die Gesellschaft von morgen – im Radio<br />

und auf seinen Social-Media-Kanälen.<br />

Gesucht wird nach dem Zukunftspotenzial<br />

Österreichs, gefördert wird ein Klima, in<br />

dem Ideen zur „Reparatur der Zukunft“<br />

gedeihen können.<br />

Hörtipps:<br />

Torberg/Heltau:<br />

Der Schüler Gerber<br />

4 CDs<br />

€ 36,20 (Ö1 Club: € 32,58)<br />

Margarethe<br />

Engelhardt-Krajanek:<br />

Gefühle<br />

1 CD<br />

€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />

Viola Hammer:<br />

Places<br />

1 CD<br />

€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />

Lukas Resetarits:<br />

Wurscht<br />

2 CDs<br />

€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />

Die Geschichte der I. Republik,<br />

erzählt von Dr. Heinz Fischer<br />

4 CDs<br />

€ 36,20 (Ö1 Club: € 32,58)<br />

Hugo Portisch:<br />

Wie man die Welt erklärt<br />

1 CD<br />

€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />

Andreas Vitásek:<br />

Austrophobia<br />

1 CD<br />

€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />

<strong>No</strong>rbert Zehm<br />

in der Edition Zeitton<br />

1 CD<br />

€ 14,50 (Ö1 Club: € 13,04)


Sardinien<br />

zwischen<br />

zwei Buchdeckeln<br />

Darf’s ein<br />

bisschen<br />

mehr sein?<br />

Wir werden<br />

noch<br />

stärker …<br />

Autorinnen und Autoren<br />

dieser Ausgabe<br />

Spezielle Bücher und vor allem Karten<br />

und Reiseführer über Sardinien kann man<br />

ab sofort auch in unserem Partnershop<br />

Sardinienprodukte erwerben.<br />

Vor rund einem halben Jahr packten<br />

Michael und Thomas Carli die Sachen<br />

in der Pradler Straße und übersiedelten<br />

ihren florierenden Laden in die Ursulinenpassage.<br />

Von 17 m 2 auf 90 m 2 erweiterten<br />

die zwei ihren Laden und verkaufen dort<br />

wunderbare sardische Spezialitäten, die sie<br />

selbst – bei rund 4 bis 5 Einkaufstouren<br />

auf der Insel – einkaufen. Und nun eben<br />

auch Bücher …<br />

Bücher<br />

<strong>Stierle</strong><br />

Team<br />

© Robert Renk<br />

Aber gerne. Seit Kurzem gibt es nun<br />

auch das „UND – Heft für Alternativen,<br />

Widersprüche und Konkretes“ bei uns in<br />

der Wagner’schen zu kaufen. Das UND<br />

ist ein <strong>Magazin</strong>, das einlädt, sichtbar zu<br />

werden und sich zu vernetzen – partizipativer<br />

Raum und Sprachrohr im<br />

Printformat. Und das alles um € 5,–. Ein<br />

ebenso konzentriertes, wie buntes, heimisches<br />

<strong>Magazin</strong>. Jung, frech und fundiert!<br />

Pro Jahr erscheinen 2 Ausgaben.<br />

www.undheft.at<br />

undheft@diebaeckerei.at<br />

© Robert Renk<br />

Ab Mai wird Gerlinde Tamerl, die in<br />

den vergangenen zwei Jahren als Kulturredakteurin<br />

bei der Tiroler Tageszeitung<br />

gearbeitet hat, Markus Renk in der<br />

Geschäftsführung der Wagner’schen<br />

Buchhandlung verstärken. Die promovierte<br />

Kunsthistorikerin und Jurorin der<br />

ORF-Bestenliste war bereits fünfzehn<br />

Jahre lang als Pressesprecherin im Haymon<br />

Verlag tätig und kehrt mit ihrem<br />

Wechsel in die Wagner’sche wieder in die<br />

Buchbranche zurück. Schon vor mehr<br />

als einem Jahrzehnt gestalteten Renk und<br />

Tamerl gemeinsam ein Leseförderungsprojekt<br />

am Welttag des Buches. Seither<br />

kreuzten sich ihre beruflichen Wege<br />

immer wieder, sei es auf Buchmessen,<br />

Lesungen oder bei gemeinsam geleiteten<br />

Fortbildungsveranstaltungen. Gerlinde<br />

Tamerl sagt: „Früher haben Markus<br />

Renk und ich immer darüber gescherzt,<br />

dass wir ein gutes Team wären. Nun<br />

freue mich, mit ihm und seinen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern künftig<br />

in dieser fabelhaften Buchhandlung zu<br />

arbeiten.“<br />

© Wagner’sche<br />

Christina Alexandridis, geboren und aufgewachsen in Heidelberg,<br />

absolvierte das Studium der Theaterwissenschaft und<br />

Romanistik an den Universitäten in Erlangen und Berlin.<br />

Mit Johannes Reitmeier wechselte sie als Chefdramaturgin<br />

an das Pfalztheater Kaiserslautern. Seit der Spielzeit 2012/13<br />

ist sie in gleicher Position am Tiroler Landestheater tätig.<br />

Sarah Caliciotti, gelernte Buchhändlerin und Komparatistin,<br />

Redakteurin des Kulturmagazins komplex und derzeit<br />

Ausstellungsassistentin im Tiroler Landesmuseum. Immer<br />

wieder im Bereich der Dramaturgie und Regieassistenz tätig.<br />

Clemens Bruch, geboren 1965 in Hall in Tirol, Matura am<br />

Gymnasium in Hall i.T., Abiturientenlehrgang an der HAK<br />

Innsbruck, langjähriger Geschäftsführer der Firmen A.<br />

Riepenhausen Gmbh & Co KG, Hall i.T. und Max Jeggle<br />

GmbH & Co KG, Innsbruck, seit 2019 mit Jeggle Kartenladen<br />

in der Wagner’schen.<br />

Michael Carli, gelernter Kulturvermittler (u. a. Utopia,<br />

Bierstindl), Werber und Lebensmittelhändler. Lebt in<br />

Innsbruck, liebt Sardinien.<br />

Ágnes Czingulszki, 1987 geboren in Baja (Südungarn), lebt<br />

– nach einigen Stationen in Europa – nun als Journalistin<br />

und Autorin in Innsbruck. U. a. „ich dachte an siracusa“<br />

(ed. Exil)<br />

Claudia Daxner, Lehrerin für Deutsch und Sport am BRG<br />

in der Au, auch Rhetoriktrainerin, Theater-Fördererin und<br />

Unterrichtende am Institut für LehrerInnenbildung und<br />

Schulforschung. Seit Kurzem Oberstudienrätin.<br />

Katharina J. Ferner, lebt als Poetin und Performerin in<br />

Salzburg. Jüngste Veröffentlichung: „nur einmal fliegenpilz<br />

zum frühstück“, Limbus 2019.<br />

Martin Fritz, geboren 1982, studierte Vergleichende<br />

Literaturwissenschaft und Deutsche Philologie in Innsbruck,<br />

hört sich in seiner Freizeit gerne DJ Patex’ Coverversion des<br />

Songs „I Wish I Was Him“ an. War Teil der 1. Innsbrucker<br />

Lesebühne „Text ohne Reiter“, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne<br />

„FHK5K“.<br />

Irene Gauglhofer ist erst seit Kurzem Teil der Wagner’schen<br />

Buchhandlung und in den Abteilungen Literatur und Fachbuch<br />

sowie in der Abo-Abteilung zu finden.<br />

Klaudia Grünfelder, 1995 im schönen Südtirol geboren, ist<br />

gelernte und leidenschaftliche Buchhändlerin und hat immer<br />

ein Buch in der Tasche.<br />

Andreas Hauser erbte die Liebe zur Kriminalliteratur von<br />

seinem Vater, schrieb lang im Tiroler <strong>Magazin</strong> ECHO Beiträge<br />

zu Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen von<br />

Krimis, Thrillern und Literatur. Seit 2015 Mitarbeiter und<br />

CP-Redakteur der KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />

Bernhard Helminger ist Verlagsleiter des Colorama Verlags<br />

und war Inhaber der Buchhandlung <strong>Stierle</strong>. Er ist Vorstandsmitglied<br />

sowie Stadionsprecher des Fußballklubs SAK 1914.<br />

Zwei Mal pro Jahr liefert sich Helminger ein Bücher-Battle<br />

mit der Autorin Mareike Fallwickl.<br />

Selina Kapferer ist seit letztem Jahr fix im Team der Wagner’schen.<br />

Wenn sie demnächst aus der Berufsschule aus St.<br />

Pölten zurückkommt, wird man sie in der Literaturabteilung<br />

finden.<br />

Markus Köhle (geboren 1975, Nassereith) ist Sprachinstallateur,<br />

Literaturzeitschriftenaktivist und Papa Slam<br />

Österreichs. Er schreibt, um gehört zu werden, ist aber auch<br />

da und dort zu lesen. Aktuell: „Rohrköhlauer – Foto-Text-<br />

Interferenzen“ (Sonderzahl 2019); www.autohr.at<br />

Lena Kripahle-Wiek, Buchhändlerin im Mutterschutz und<br />

seit Neuestem verheiratet. Neben Nähen von Babykleidung<br />

immer noch süchtig nach Büchern und Hörbüchern.<br />

Maria Neumayr, geboren 1994, studierte Germanistik<br />

und Anglistik in Innsbruck. Liebt Bücher so lange sie sich<br />

zurückerinnern kann und ist, wenn sie nicht gerade liest, in<br />

der Kinderbuch- und Ratgeberabteilung der Wagner’schen<br />

zu finden.<br />

Klaus Nüchtern, österreichischer Journalist und Meisterrezensent.<br />

Seit 1989 schreibt er für die Wiener Stadtzeitung<br />

Falter, wo er von 1990 bis 2015 das Kulturressort leitete.<br />

Seine populäre wöchentliche Kolumne „Nüchtern betrachtet“<br />

(mit einem auf dem Rücken liegenden Tapir als<br />

eigenem Maskottchen) erscheint auch in Buchform. U. a.<br />

Fachmann für Heimito von Doderer und Buster Keaton.<br />

José F.A. Oliver, geboren 1961 in Hausach (Schwarzwald).<br />

Ausgezeichnet u. a. mit dem Basler Lyrikpreis (2015). Er ist<br />

Kurator des von ihm initiierten Literaturfestivals Hausacher<br />

LeseLenz. Soeben erschien, gemeinsam mit Mikael Vogel,<br />

der Gedichtband „zum Bleiben, wie zum Wandern – Hölderlin,<br />

theurer Freund / 20 Gedichte und ein verzweifeltes Lied.<br />

Robert Prosser, geboren 1983 in Alpbach/Tirol, lebt dort<br />

und in Wien. Studium der Komparatistik und Kultur- und<br />

Sozialanthropologie. Aufenthalte in Asien, in der arabischen<br />

Welt, am Balkan und in England. Früher Mitglied der ersten<br />

Tiroler Lesebühne text ohne reiter. Zuletzt erschien „Gemma<br />

Habibi“ (Ullstein fünf).<br />

Joe Rabl, Lektor, Moderator und – gemeinsam mit<br />

Birgit Holzner – Organisator der Innsbrucker<br />

Wochenendgespräche.<br />

Markus Renk, seit 33 Jahren in der Buchbranche. Fachgruppen-Obmann<br />

der Buch- und Medienwirtschaft Tirol<br />

und seit Oktober 2015 neuer Chef der Wagner’schen.<br />

Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter. Gastdozent<br />

an der Uni Innsbruck. Sortimentsleiter in der<br />

Wagner’schen. Gibt das Wagner-<strong>Magazin</strong> heraus.<br />

Beatrix Rettenbacher, geboren 1969, ist in Tirol aufgewachsen.<br />

Nach dem Kunststudium an der Angewandten<br />

in Wien war sie Texterin bei Demner, Merlicek & Bergmann<br />

und bei Scholz & Friends in Hamburg. Seit 2000 betreibt sie<br />

gemeinsam mit Heidi Sutterlüty-Kathan das Gestaltungsbüro<br />

Weiberwirtschaft in Innsbruck.<br />

Nina Rettenbacher brachte uns der Koch- und Gärtnerhimmel<br />

in die Wagner’sche. Erste Stadtgärtnerin und<br />

grandiose Köchin & Gastgeberin im 1. Stock.<br />

Andrea Scheiber, seit 1992 in der Wagner’schen Buchhandlung,<br />

betreut Krimi, Romantik, und Reise. Liebt die<br />

Natur, Handarbeiten und liest natürlich gern.<br />

Siljarosa Schletterer studiert u. a. Musikwissenschaft<br />

(partiell Literaturwissenschaft); schreibt Rezensionen und<br />

Kritiken in verschiedenen <strong>Magazin</strong>en; feiert den Widerstand,<br />

die Kunst und die Poesie; u. a. Moderation der Lyriksendung<br />

„wortflair“ auf freirad.<br />

Bernd Schuchter, geboren 1977, studierte unter anderem<br />

Geschichte und Philosophie an der Universität Innsbruck.<br />

Autor und Verleger (Limbus Verlag). Zuletzt erschienen:<br />

„Aufwachsen in Innsbruck“ (Wagner’sche) und „Rikolas<br />

letzter Auftritt“ (Braumüller).<br />

Carmen Schwarz, gebürtige Salzburgerin. Der Literatur seit<br />

Dem kleinen Gespenst verfallen. Mag Bücher und liebevoll<br />

über ihre Cover zu streichen und vor allem sich darüber<br />

auszutauschen. Durfte schon in vielen Buchhandlungen Erfahrungen<br />

sammeln und ist nun als Geschäftsführerin bei der<br />

Buchhandlung <strong>Stierle</strong> angekommen.<br />

Othmar Tamerl war viele Jahre im Bankenbereich tätig und<br />

hat sich vor allem als Experte im IT-Bereich etabliert. Als<br />

Lektor unterrichtet er auch an verschiedenen Fachhochschulen<br />

in Tirol. Seit 1. Jänner 2020 neuer Geschäftsführer<br />

des BFI Tirol.<br />

Helena Töchterle studiert Philosophie in Innsbruck und<br />

arbeitet seit Weihnachten 2018 in der Wagner’schen. Zu<br />

finden ist sie in der Wissenschaft. Sie engagiert sich stark<br />

und erfolgreich in der Kommunalpolitik, u. a. als Stadtleiterin<br />

der ÖVP-Frauen.<br />

Marlene Walder, geboren 1994. Seit 2013 in der Wagner’-<br />

schen. Steckt hinter den Blind Dates und ist seit <strong>No</strong>vember<br />

2017 Abteilungsleiterin für Ratgeber und Kinderbuch.<br />

Klex Wolf, geboren 1968. Musiker und Komponist,<br />

Vizeobmann von 8ungKultur und beim Tiroler Kammerorchester<br />

InnStrumenti u. a. für die Reihe klang_sprachen<br />

verantwortlich.<br />

Stefan Wolf, geboren 1970, Studium der Gitarre an der<br />

„Academy of Contemporary Music“ in Zürich. Musste<br />

seinen 30er erreichen um festzustellen, dass nicht nur Jazz<br />

und Neue Musik erstrebenswert sind. Seitdem arbeitet er begeistert<br />

daran, sein stilistisches Repertoire zu erweitern, und<br />

darf dies auch in etlichen Ensembles praktizieren.<br />

Jenni Zeller, geboren 1993. Von klein auf passionierte<br />

Sprachliebhaberin. Liebt Bücher, Zeichnen, Wandern und<br />

Kanada. Studiert im Master Konferenzdolmetschen und<br />

Philosophie. Freiberufliche Journalistin bei der Oberländer<br />

Rundschau, seit Februar 2019 in der Wagner’schen daheim.<br />

Klaus Zeyringer war Univ.-Prof. für Germanistik in Frankreich.<br />

Ist Literaturkritiker insbesondere für Der Standard<br />

(Wien), Jurymitglied der „ORF-Bestenliste“; Bücher zuletzt:<br />

(mit Stefan Gmünder) Das wunde Leder (Suhrkamp 2018)<br />

und (mit M. Sommer und H. Uhl) <strong>10</strong>00 x Österreich (Haus<br />

der Geschichte – Kremayr & Scheriau).<br />

Florian Josef Rinderer, geboren in einem seitentalverzweigten<br />

Seitental, hat Berge gegen Berge getauscht, um in Innsbruck<br />

zu leben. Schreibt nur seriöseste Kürzestbiographien.<br />

© Daniel Strzecki<br />

Susanne Pöllmann, Carmen Schwarz,<br />

Susanna Pristovnik-Schwarz<br />

und Stefanie Baier<br />

Bücher seit 1639<br />

67<br />

Anna Rottensteiner, Autorin und Leiterin des Literaturhauses<br />

am Inn. Publikationen: „Lithops. Lebende Steine“ (2013),<br />

„Nur ein Wimpernschlag“ (2016) – beide ed. laurin.<br />

Bernhard Sandbichler, geboren 1965, studierte Germanistik<br />

und Romanistik in Innsbruck und Besançon. Literaturvermittler<br />

und Sprach-Therapeut.


Wagner’sche.<br />

Bücher seit 1639<br />

Museumstraße 4<br />

6020 Innsbruck<br />

T. +43 512 59505 0<br />

info@wagnersche.at<br />

www.wagnersche.at

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