Wagnersche - Stierle Magazin No. 10
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Neu:<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
Wagner<br />
zweimalı˙g<br />
03.2020<br />
#<strong>No</strong>. <strong>10</strong><br />
Das Buchmagazin der<br />
Buchhandlungen<br />
Wagner’sche<br />
Innsbruck<br />
Bücher <strong>Stierle</strong><br />
Salzburg
Impressum<br />
Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung, Medici Buchhandels GmbH,<br />
Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />
info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />
Redaktion: Robert Renk<br />
© der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren<br />
Grafische Ausstattung: himmel. Studio für Design und Kommunikation<br />
Fotografie (so nicht anders angegeben): Thomas Schrott<br />
© der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern<br />
Titelbild: Thomas Schrott<br />
Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />
© 03.2020 – alle Rechte vorbehalten<br />
2 Wagner’sche.<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Dieses <strong>Magazin</strong> ist für<br />
uns ein ganz besonderes,<br />
da wir mit der <strong>10</strong>. Nummer<br />
von „Wagner einmalig“ die<br />
Grenzen unseres Bundeslandes<br />
überschreiten und<br />
dieses auch in Salzburg Verbreitung<br />
findet. Seit Jänner<br />
betreiben wir dort nämlich<br />
die Buchhandlung <strong>Stierle</strong>.<br />
Mit diesem <strong>Magazin</strong> begrüßen<br />
wir nun also offiziell<br />
unsere neuen Kolleginnen,<br />
die in Salzburg schon in den<br />
vergangenen Jahren mit der<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong> ein<br />
kleiner Leuchtturm im österreichischen<br />
Buchhandel<br />
waren. Ihre Leidenschaft<br />
zum Buch teilen sich die vier<br />
Kolleginnen mit uns und wir<br />
freuen uns, die Damen im<br />
Team der Wagner’schen willkommen<br />
heißen zu können.<br />
Es wird daher unsere Leserinnen<br />
und Leser nicht verwundern,<br />
dass wir in dieser<br />
Ausgabe auch einen größeren<br />
Salzburg-Schwerpunkt<br />
bringen, damit wir auch hier<br />
zeigen können, was unsere<br />
Ideen und Ambitionen im<br />
Buchhandel sind und was<br />
die Wagner’sche von anderen<br />
Buchhandlungen abhebt.<br />
Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />
Inhalt<br />
4 Markus Renk über<br />
große Neuerungen<br />
Filiale in Salzburg und Freytag & Berndt in der Wagner’schen<br />
8 Neues aus unserem Buchverlag<br />
Weitere Bücher aus der beliebten Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“<br />
12 Salzburg trifft Innsbruck<br />
Die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> lädt zum Literaturreigen<br />
22 Poznanski × 2<br />
Die österreichische Krimiqueen in Innsbruck + Salzburg zu Gast<br />
24 Musikalisches Speeddating<br />
11 MusikerInnen an einem Abend: Leash the dog stellt sich vor<br />
26 Tiroler Landestheater<br />
Vergessenes gemeinsam wiederbeleben<br />
30 Eva-Maria Gintsberg<br />
und ihr großartiges und bedachtes Debüt „Die Reise“<br />
32 Monika Helfer<br />
mit „Die Bagage“ zu Gast; Moderation: Nicola Steiner!<br />
34 43. Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche<br />
Zum Thema Film diskutieren neun AutorInnen, mit Peter S. Jungk<br />
38 18. Prosafestival<br />
12 AutorInnen in Innsbruck zu Gast, u.a. María Cecilia Barbetta<br />
42 W:ORTE feiert Frauenpower<br />
Das Lyrikfestival wird sechs, in der Wagner’schen liest u. a. Monika Rinck<br />
46 Ein Blick ins Glücksland<br />
Ha Vinh Tho – der Glücksminister über Bhutan<br />
48 Ilija Trojanow<br />
Sein sensationeller neuer Roman rund um einen Whistleblower<br />
wird für Gesprächsstoff sorgen!<br />
50 Leipzig feiert Südosteuropa<br />
Robert Prosser hat die literarischen Tipps dazu<br />
52 Mit den besten Empfehlungen<br />
54 3×7 Best aber Seller
Die Wagner’sche –<br />
ein Leuchtturm im Buchhandel<br />
Wir expandieren und wachsen weiter<br />
© Andreas Friedle<br />
Die Pflege von<br />
Traditionen<br />
ist nicht einfach<br />
ein stures<br />
Festhalten<br />
an Altem.<br />
Markus Renk<br />
Bücher seit 1639<br />
Die Wagner’sche Buchhandlung ist eine der<br />
ältesten Buchhandlungen Europas, aber die<br />
Pflege von Traditionen ist nicht einfach ein<br />
stures Festhalten an Altem, sondern das<br />
ständige Gehen neuer innovativer Wege.<br />
Das Setzen auf Nachhaltigkeit ist uns hier<br />
besonders wichtig!<br />
Wie die Wagner’sche CO 2<br />
Emissionen vermeidet<br />
& vermindert und warum<br />
5<br />
Im Oktober 2015 haben wir die Innsbrucker<br />
Traditionsbuchhandlung Wagner’sche übernommen<br />
und bewusst wieder als regionale<br />
Buchhandlung positioniert. Bereits mit<br />
unserem Slogan „Alt aber neu“ wollten<br />
wir darauf hinweisen, dass die Buchhandlung<br />
zwar bis zum 30-jährigen Krieg<br />
zurückreicht, aber voll in der Zukunft<br />
angekommen ist. Das Thema Nachhaltigkeit<br />
war uns dabei von Beginn an sehr<br />
wichtig. Unsere Gastronomie baut ihr Gemüse,<br />
ihre Kräuter selbst in Hochbeeten<br />
auf der Terrasse an. Bei der Buchauswahl<br />
ist das Thema Nachhaltigkeit – Green<br />
Living – eines unserer Kernsortimente.<br />
Mit unserem Fahrradkurier-Service stellen<br />
wir Kundenbestellung kostenlos, schnell<br />
und ökologisch zu. Natürlich gibt es keine<br />
Plastiktragtaschen und wir verschenken<br />
auch keine Papiertragtaschen. Im Kaffeebereich<br />
arbeiten wir mit Porzellangeschirr<br />
und bewusst nicht mit Wegwerf-Bechern.<br />
Unsere hauseigenen Verlagsprodukte sind<br />
nicht eingeschweißt und unser Wimmelbuch<br />
ist das erste in Tirol herausgegebene Hardpapp-Bilderbuch<br />
im umweltfreundlichen<br />
Cradle-to-Cradle-Verfahren. Sämtliche<br />
Inhaltsstoffe der Druckprodukte wurden so<br />
optimiert, dass sie für Natur und Mensch<br />
völlig unbedenklich sind. Das gilt für das<br />
Papier genauso wie für die Druckfarben.<br />
Aber wir wollten es genau wissen und<br />
haben mit der Firma ReGreen GmbH unseren<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck analysiert. Wir haben<br />
einerseits unsere Arbeitswege, die Verkehrsmittelwahl,<br />
andererseits den Stromverbrauch,<br />
den Abfall und manches mehr angesehen<br />
und nach Verbesserungen gesucht.<br />
Ziel war eine Reduzierung des CO 2<br />
-Fußabdrucks.<br />
Nachdem wir natürlich nicht<br />
alle Emissionen vermeiden konnten, wurde<br />
der Rest mit Hilfe des Start-Ups ReGreen<br />
in Projekte investiert, um diese Werte zu<br />
kompensieren. Somit ist die Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung in Innsbruck<br />
die erste CO 2<br />
- und klimaneutrale Buchhandlung<br />
Österreichs! Manche Menschen<br />
betrachten dies allerdings als populistische<br />
Marketingmaßnahme und haben uns dafür<br />
kritisiert, aber wir wollten uns bewusst mit<br />
diesem Thema auseinandersetzen und uns<br />
selbst sensibilisieren. Und es freut uns,<br />
dass wir in vielen Bereichen schon sehr<br />
gut unterwegs waren. So verbrauchen alle<br />
22 Kolleginnen und Kollegen zusammen<br />
im Jahr 3,9 Tonnen CO 2<br />
für ihren täglichen<br />
Arbeitsweg, was bei manchen Berechnungsmodellen<br />
im Durchschnitt für eine Person<br />
geschätzt wird. Unabhängig davon, auf<br />
welcher Seite man derzeit bei der Klima-<br />
Debatte steht, wir wollen einen kleinen<br />
Beitrag leisten, der wohl das Weltklima<br />
nicht beeinflussen wird, aber ebenso wenig<br />
schaden kann.<br />
Jeggle in der Wagner’schen<br />
Aber was hat sich – neben unserem<br />
380-Jahr-Jubiläum – 2019 sonst noch<br />
alles in der Wagner’schen getan? Eines der<br />
schönsten Geburtstagsgeschenke haben<br />
wir uns wohl selbst gemacht, mit der<br />
Eröffnung des Jeggle Grußkartenshops im<br />
Eingangsbereich. Einerseits haben wir mit<br />
Clemens Bruch einen wunderbaren Kollegen<br />
bekommen, andererseits ist das Echo<br />
der Kunden überwältigend, was uns außerordentlich<br />
freut. Und wer bekommt schon<br />
so viele Glückwunschkarten zu seinem<br />
Geburtstag? Gut, es war ja auch der 380.<br />
Wagner’sche, die Startrampe<br />
in fremde Welten<br />
Aufgrund der guten Erfahrung mit diesem<br />
Modell haben wir gleich das Gespräch mit<br />
Wolfgang Finger gesucht, er ist Besitzer<br />
der Buchhandlung Freytag & Berndt in<br />
der Wilhelm-Greil-Straße und noch so<br />
nebenbei wohl der ausgewiesene Experte<br />
für Reiseliteratur in Tirol. Es freut uns sehr,<br />
dass er mit 1. März sein Fachwissen in<br />
der Wagner’schen zum Besten gibt und<br />
er, aber auch seine treuen Kunden bei uns<br />
eine neue Heimat gefunden haben. Das<br />
deutlich vergrößerte Reisesortiment in der<br />
Wagner’schen bildet somit einen weiteren<br />
Sortiments-Schwerpunkt in der<br />
Innsbrucker Traditionsbuchhandlung.<br />
Willkommen Salzburg<br />
Aber nicht nur bei uns im Haus haben<br />
wir expandiert und unsere Geschäftstätigkeit<br />
erweitert. Seit 1. Jänner 2020<br />
segelt die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> unter dem<br />
Dach der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung<br />
Innsbruck. Bereits Anfang des<br />
19. Jahrhunderts betrieb die Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung Filialen in Vorarlberg<br />
und Südtirol. Diese Tradition lassen<br />
wir mit der Übernahme der Buchhandlung<br />
<strong>Stierle</strong> wieder aufleben. Die Wagner’sche<br />
sieht sich als „Cirque Du Soleil“ des Buchhandels<br />
und möchte diesen emotional<br />
aufladen. Mit den Impulsen der letzten<br />
Jahre passt <strong>Stierle</strong> perfekt zum Konzept der<br />
Wagner’schen. Wer weiß, vielleicht gibt es<br />
bald mehrere Filialen der Wagner’schen in<br />
Österreich, die Zeit wird es weisen.<br />
Unser Verlag – eine<br />
Herzensangelegenheit<br />
Was wir auf alle Fälle ausbauen werden,<br />
ist – ein Alleinstellungsmerkmal unserer<br />
Buchhandlung – unser hauseigener<br />
Verlag, der sich großer Beliebtheit erfreut<br />
und Regionalia über Innsbruck und Tirol<br />
herausbringt. Bereits 15 Bücher sind z.B.<br />
in der Serie „Erinnerungen an Innsbruck“<br />
erschienen, auch heuer werden zahlreiche<br />
folgen. Mit dem Innsbrucker Wimmelbuch<br />
von Beatrix Egger und Maria Kittler haben<br />
wir im Weihnachtsgeschäft des letzten<br />
Jahres den absoluten Bestseller herausgebracht,<br />
der bereits in der dritten Auflage<br />
verfügbar ist. Heuer möchten wir die<br />
Anzahl unserer Publikationen stark erweitern<br />
und haben uns personell dafür<br />
besser aufgestellt. So sollen neue Serien<br />
kommen, aber auch das Thema Wimmelbuch<br />
wird weiter forciert. Mehr dazu<br />
finden Sie in diesem <strong>Magazin</strong>.<br />
Ihr Markus Renk
Freytag & Berndt<br />
jetzt in der Wagner’schen<br />
Wolfgang Finger übersiedelt mit seinem einmaligen<br />
Reise- und Bergsortiment in die Wagner’sche<br />
Zu reisen, um neue Orte zu entdecken, ist<br />
wahrhaftig eines der schönsten und aufregendsten<br />
Dinge im Leben.<br />
Der Reise-Profi<br />
Bereits vor vielen Jahren eröffnete Freytag<br />
& Berndt auch in Innsbruck eine Zweigniederlassung,<br />
die später an den damaligen<br />
Filialleiter Wolfgang Finger verkauft<br />
wurde. Dieser baute diese Buchhandlung<br />
zum beliebten Einkaufs-Treffpunkt für alle<br />
Reise-, Sport-, und Bergbegeisterte aus und<br />
bot in Innsbruck auch Unerwartetes wie<br />
Segelkarten oder ähnliches an. Dass dies<br />
über Jahrzehnte so gut funktioniert hat,<br />
ist wohl nicht der besonders guten Lage<br />
zu verdanken, sondern den profunden<br />
Fachkenntnissen von Wolfgang Finger, der<br />
in diesem Bereich wohl zu Recht als der<br />
führende Experte in Tirol gilt. Umso mehr<br />
freut es uns, dass Wolfgang Finger seit<br />
1. März unser Team in der Wagner’schen<br />
verstärkt und als Leiter für den Bereich<br />
Reise und Wandern fungiert. Die letzten<br />
Tage und Wochen hat er an der Ausweitung<br />
unseres Sortiments gebastelt, um wie in der<br />
Wilhelm-Greil-Straße auch in der Museumstraße<br />
besondere Bücher und Karten<br />
anzubieten und den einen oder anderen<br />
unerwarteten Insidertipp bei der Hand<br />
zu haben. So kann die Wagner’sche als<br />
Startrampe in fremde Welten dienen, nicht<br />
nur im Bereich der Literatur, wo Sie als<br />
LeserIn in Gedanken in eine fremde Welt<br />
eintauchen und zu diversen Abenteuern<br />
entführt werden, sondern auch bei echten<br />
Reisen in die Welt, wo die Vorbereitung in<br />
der Wagner’schen beginnt und Sie durch<br />
einen persönlich empfohlenen Reiseführer<br />
nichts Wichtiges übersehen und Ihre Reise<br />
hoffentlich zu einem ganz besonderen<br />
Erlebnis wird.<br />
© Markus Renk<br />
© Markus Renk<br />
Tradition trifft Tradition<br />
Vor 168 Jahre kam der aus der Nähe von<br />
Magdeburg stammende Gustav Freytag<br />
zur Welt. Bereits 1866 machte er sich auf<br />
den Weg nach Wien, um bei seinem Onkel<br />
die Lithografie zu erlernen. Nach Jahren<br />
in Leipzig, wo er bei Brockhaus arbeitete,<br />
kehrte er nach Wien zurück und gründete<br />
eine eigene kartografisch-lithografische Anstalt.<br />
Freytag spezialisierte sich zunehmend<br />
im Bereich der Hochgebirgskartografie<br />
der Alpen. Mit Hilfe des Kaufmanns<br />
Wilhelm Berndt finanzierte er die eigene<br />
Druckerei. Diese Zusammenarbeit sollte<br />
über 30 Jahre dauern, bis Berndt aus<br />
gesundheitlichen Gründen zurücktrat und<br />
Freytag den Anteil übergab. Freytag war in<br />
seinem Bereich sehr erfolgreich und zählte<br />
den kaiserlichen Hof zu seinen Kunden.<br />
1908 wurde er zum k.u.k. Hoflieferanten<br />
ernannt und durfte das Unternehmen<br />
fortan k.u.k. Hof-Kartographische Anstalt<br />
nennen. Bekannt wurde er für die Herstellung<br />
von Wanderkarten und später<br />
Straßenkarten. So begann der Aufstieg<br />
zu einem der wichtigsten Reise- und<br />
Kartenverlage Österreichs, der mehrere<br />
Niederlassungen führt und auch mit Buchhandlungen<br />
am Markt tätig ist.<br />
7<br />
Bücher seit 1639<br />
© Markus Renk
Aus dem Verlag der Wagner’schen<br />
Ein Buch zum Verlieben<br />
jetzt in klein, aber trotzdem<br />
komplett umweltfreundlich!<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Über 17.000 Bücher konnten wir alleine im letzten Jahr von<br />
unserem kleinen Regionalverlag verkaufen, das macht uns<br />
einerseits stolz, anderseits motiviert uns dies zu weiteren<br />
Projekten. So werden wir das Programm weiter ausbauen und<br />
neue Reihen entwickeln. Neben der beliebten Taschenbuchserie<br />
„Erinnerungen an Innsbruck“, werden wir auch stark<br />
auf das Thema Wimmelbuch setzen und hier weitere Bände<br />
herausgeben.<br />
Buchtipp:<br />
Peter Walder-Gottsbacher:<br />
Es war einmal in Innsbruck<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
160 S., € 19,95<br />
Erscheinungstermin: Juli 2020<br />
Peter Walder-Gottsbacher<br />
Es war einmal<br />
in Innsbruck<br />
Ein Spaziergang durch die Stadt<br />
in alten Bildern<br />
© Walder Gottsbacher Peter<br />
Es war einmal in Innsbruck<br />
Ein Spaziergang durch<br />
die Stadt in alten Bildern<br />
Wenn Peter Walder-Gottsbacher als sogenannter<br />
„Zugereister“ in die Innsbrucker<br />
Geschichte mit Hilfe alter Zeitungen einzutauchen<br />
versucht, erlebt er immer wieder<br />
Überraschungen. Seien es „Elektro-Lastwagen“<br />
in der Herzog-Friedrich-Straße,<br />
längst vergessene Hotels, Kaffee- und<br />
Wirtshäuser, Kaufleute und Geschäfte,<br />
oder andere „Merkwürdigkeiten“ – wie<br />
es in den alten Stadtführern heißt, die<br />
damals das Stadtbild prägten. Des Öfteren<br />
begegnen wir originellen bis seltsamen<br />
Gestalten und Begebenheiten, die zum<br />
Teil sogar den Stoff für einen Innsbrucker<br />
Krimi liefern könnten und uns die<br />
Kuriositäten dieser bewegten Zeit vor<br />
Augen führen.<br />
Dieser Bildband nimmt uns mit auf<br />
einen Spaziergang durch Innsbrucks Altund<br />
Innenstadt in zahlreichen Abbildungen,<br />
von Fotografien über Annoncen bis hin zu<br />
alten Stichen und Stadtplänen und lädt ein<br />
zum genauen Hinsehen und Eintauchen in<br />
eine Welt, die schon lange vergangen ist,<br />
aber noch immer bezaubern kann.<br />
Wir freuen uns über weitere Publikationen<br />
in der Serie „Es war einmal in<br />
Innsbruck“, diese werden in den nächsten<br />
Monaten folgen.<br />
Peter Walder-Gottsbacher studierte Bühnenbild<br />
und Kostüm in Salzburg und absolvierte eine<br />
Ausbildung zum Buchhändler und Galeristen.<br />
Er lebt seit Ende der 1990er-Jahre in Götzens bei<br />
Innsbruck. Und ist Abteilungsleiter der Fachbuchabteilung<br />
in der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung.<br />
Er sammelt seit vielen Jahren historische<br />
Fotografien und Ansichtskarten. Er ist Autor verschiedener<br />
Publikationen zur neueren Innsbrucker<br />
und Salzburger Stadtgeschichte.<br />
Knapp vor Weihnachten erschien das erste<br />
Innsbruck-Wimmelbuch, ein Hardpapp-Bilderbuch,<br />
hergestellt im umweltfreundlichen<br />
Cradle tor Cradle Verfahren. Sämtliche<br />
Inhaltsstoffe der Druckprodukte wurden so<br />
optimiert, dass sie für Natur und Mensch<br />
völlig unbedenklich sind. Das gilt für das<br />
Papier genauso wie für die Druckfarben.<br />
Rund 4.000 Innsbrucker und Tiroler sind<br />
schon stolze Besitzer dieses Buches und<br />
erfreuen sich der entzückenden und detailgetreuen<br />
Zeichnungen von den Innsbrucker<br />
Sehenswürdigkeiten. <strong>No</strong>ch dazu hat Bettina<br />
Egger jede Menge Suchspaß einfügt! Jetzt<br />
kommt das Buch in einer etwas kleineren<br />
Ausgabe und einer Suchleiste für noch mehr<br />
Spaß! Für Kinder ab 2 Jahren, aber auch<br />
für Erwachsene ein Hingucker!<br />
Bettina Egger hat in Frankreich bildende Künste<br />
studiert und das Comic Zeichnen gelernt. Gut zehn<br />
Jahre hat sie in Frankreich gelebt und dort auch<br />
(bisher) neun Comics in französischer Sprache<br />
veröffentlicht. Sie arbeitet mit verschiedenen Verlagen<br />
zusammen und war auch beizeiten selbst als<br />
Verlegerin tätig, namhaft für ein Comic-Projekt rund<br />
um Frank Zappa. Vor vier Jahren ist sie dann für ihr<br />
Doktorstudium an der Universität Salzburg wieder<br />
nach Österreich zurückgekehrt. Seit Abschluss ihres<br />
Studiums lehrt sie Comics an der Universität und<br />
ist natürlich weiterhin auch als Künstlerin tätig. Der<br />
Stil im Innsbruck-Wimmelbuch ist aufgrund ihrer<br />
Vorgeschichte stark vom Comic beeinflusst.<br />
Schritt für Schritt<br />
zum nächsten Buch<br />
Gernot Zimmermann ist der Paradetyp<br />
eines Couch-Potato und entscheidet sich<br />
spontan, eine Weitwanderung zu unternehmen.<br />
Weil ihm aber kein Ort eine solche<br />
Mühe wert ist, bleibt der 58-Jährige lieber<br />
gleich daheim. Und wandert stattdessen<br />
durch Innsbruck, ohne dabei auch nur eine<br />
einzige Straße oder Gasse auszulassen. Auf<br />
diesen über 360 Kilometern Fußmarsch<br />
erlebt Zimmermann „seine“ Stadt auf<br />
eine ganz spezielle Weise und er nimmt<br />
den Leser auf diese Erkundungstour mit.<br />
Vom Achselkopfweg bis zur Zollerstraße,<br />
von Igls bis zur Hungerburg, von Kranebitten<br />
bis ins Olympische Dorf – Gernot<br />
Zimmermann hat sich Innsbruck buchstäblich<br />
Schritt für Schritt erarbeitet und die<br />
Erlebnisse auf seiner „Ich-bin-dann-malnicht-weg“<br />
Weitwanderung in zahlreichen<br />
Anekdoten niedergeschrieben. Ein Buch für<br />
Einheimische und für all jene, die Innsbruck<br />
besser kennenlernen wollen.<br />
Gernot Zimmermann wurde 1962 in Innsbruck<br />
geboren und ist in den Stadtteilen Höttinger Au,<br />
Wilten, Reichenau und Amras aufgewachsen. Er<br />
war 24 Jahre als Taxifahrer unterwegs. Sein Buch<br />
„Eine Million Kilometer durch Innsbruck“ ist ein<br />
regionaler Bestseller.<br />
© Foto Ruth<br />
© Andreas Friedle<br />
ErinnE rungE n an Innsbruck<br />
Gernot Zimmermann<br />
Ich bin dann mal<br />
nicht weg<br />
362 Kilometer durch Innsbruck<br />
Buchtipp:<br />
Bettina Egger/Maria Kittler:<br />
Das kleine Innsbruck-<br />
Wimmelbuch<br />
16 S., € 14,95<br />
Erscheinungstermin: Mai 2020<br />
Buchtipp:<br />
Gernot Zimmermann:<br />
Ich bin dann mal nicht weg<br />
180 S., € 14,95<br />
Erscheinungstermin: Juli 2020
3 Fragen an Clemens Bruch<br />
Ein halbes Jahr ist er mit seinem ausgesuchten<br />
Kartensortiment nun in der Wagner’schen zuhause.<br />
Zeit für eine kurze Rückschau.<br />
Oase mitten in der Stadt<br />
Ab sofort dürfen wir uns – so das Wetter passt – wieder auf die<br />
Terrasse der Meierei freuen, das macht das Rückzugsgebiet mit<br />
Sonne und Natur mitten in der Stadt dann wieder komplett!<br />
Im Dezember hat Nina Rettenbacher übrigens eine besondere<br />
Auszeichnung bekommen: den Preis des Restaurant Guide<br />
Bazio als „das beste Restaurant Innsbrucks“.<br />
Es gibt kein uns bekanntes Restaurant,<br />
dass den Begriff „Zuhause“ mehr verkörpert<br />
als die Meierei. Angefangen mit der<br />
besonderen Lage, ein kleiner Rückzugsort<br />
versteckt in einer Buchhandlung, dem<br />
großen Holztisch an dem alle Gäste wie<br />
eine große Familie zusammen essen oder<br />
der offenen Küche, bei der man in direktem<br />
Kontakt mit der Köchin, dem wohl wichtigsten<br />
Faktor, steht. Zu fairem Preis kreiert<br />
Sie täglich neue, regionale und frische Gerichte,<br />
die in Komposition und Geschmack<br />
kaum zu übertreffen sind. Aber auch mit<br />
Ihrer bezaubernd fürsorglichen und liebenswürdigen<br />
Art schafft Sie es jedes Mal aufs<br />
Neue zu begeistern.<br />
© Thomas Schrott<br />
© Markus Huber<br />
Ninas Rezept:<br />
Seit September 2019 bist du<br />
mit deinem Kartensortiment in<br />
der Wagner’schen. Wie sind die<br />
Reaktionen?<br />
Ohne Übertreibung – alle sind glücklich!<br />
Meine früheren StammkundInnen<br />
von Jeggle haben mich Gott sei dank<br />
wiedergefunden und die KundInnen der<br />
Wagner’schen sehen das Angebot als tolle<br />
Ergänzung zum Buch.<br />
Wie funktioniert eigentlich die<br />
auserlesene Bestückung des Ladens?<br />
Postkarten und Billetts gibt es wie Sand am<br />
Meer. Die Kunst ist, die richtige Auswahl<br />
zu treffen. Jede Karte, jedes Billett wird von<br />
mir persönlich ausgewählt.<br />
Ein Bereich im Sortiment ist ja auch<br />
der Geschenkebereich?<br />
Ja, auch da bin ich immer auf der Suche<br />
nach besonderen, ausgefallenen, nutzbringenden,<br />
auch nach Möglichkeit<br />
nachhaltigen kleinen Geschenken für jeden<br />
Anlass.<br />
„Difficult“<br />
Autor: Javier Mayoral<br />
Verlag: InKognito<br />
„Coq au Vin“<br />
Autor: Jiri Sliva<br />
Verlag: InKognito<br />
<strong>10</strong><br />
Wagner’sche.<br />
Himbeer-Schokolade-Mohn-Topfenknöderl<br />
(<strong>10</strong> Stück)<br />
250 g Topfen 20 %<br />
1–2 EL Kristallzucker<br />
1 Prise Salz<br />
1 Prise Vanille<br />
1 Bio-Ei „M“<br />
2–3 EL Brösel<br />
3 EL Dinkelgrieß<br />
2–3 EL Dinkelmehl<br />
… alles mit einem Handmixer zu einem<br />
geschmeidigen Teig vermengen. Nach Bedarf<br />
noch Brösel zugeben, kühl stellen.<br />
2–3 EL gemahlenen Mohn in 1/8 l Sahne und 1 EL Staubzucker<br />
aufkochen, ca. 15 Minuten quellen lassen.<br />
Währenddessen ca. <strong>10</strong>0 g gute 70-%-Schokolade schmelzen und<br />
dann in Mohnmasse unterrühren, kalt werden lassen.<br />
<strong>10</strong> Stück frische Himbeeren jeweils mit Mohnmasse ummanteln<br />
und 4–6 Stunden ins Tiefkühlfach geben.<br />
… alles mit einem Handmixer zu einem geschmeidigen Teig<br />
vermengen. Nach Bedarf noch Brösel zugeben, kühl stellen.<br />
2–3 EL gemahlenen Mohn in 1/8 l Sahne und 1 EL Staubzucker<br />
aufkochen, ca. 15 Minuten quellen lassen.<br />
Währenddessen ca. <strong>10</strong>0 g gute 70-%-Schokolade schmelzen<br />
und dann in Mohnmasse unterrühren, kalt werden lassen.<br />
<strong>10</strong> Stück frische Himbeeren jeweils mit Mohnmasse ummanteln<br />
und 4–6 Stunden ins Tiefkühlfach geben.<br />
Gefrorene Himbeer-Mohn-Kugeln mit Topfenteig einwickeln, gut<br />
schließen. <strong>No</strong>ch ca. 1 Stunde in den Kühlschrank stellen.<br />
Salzwasser mit 4 cl Rum erhitzen, die Knödel aufkochen und<br />
anschließend <strong>10</strong>–12 Minuten bei leichter Hitze garen lassen.<br />
5 EL gemahlenen Mohn und 4 EL Staubzucker vermengen.<br />
Die fertigen Knödel darin wälzen und mit Vanille- oder<br />
Fruchtmarksauce servieren.<br />
Mahlzeit!
IndieBookDay –<br />
eine Ode an die Vielfalt<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
Der 21. März 2020 ist im Kalender vorzumerken.<br />
Auch dieses Jahr lädt die Buchhandlung <strong>Stierle</strong> in Salzburg<br />
zu einem Fest der guten Seiten. Von Carmen Schwarz<br />
© Christof Decker<br />
… und<br />
irgendwo<br />
weit weg, im<br />
struppigen<br />
griechischen<br />
Feld, steht ein<br />
Olivenbaum<br />
und zittert.<br />
Birgit Müller-Wieland<br />
12<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
„Lesen Sie – lesen Sie – lesen Sie viel.<br />
Lesen Sie alles“ … auch fernab der<br />
aktuellen Bestsellerliste. Die Buchbranche<br />
ist bunt, facettenreich und manchmal ein<br />
bisschen verrückt. Buchmenschen sind<br />
nicht langweilig, introvertiert oder gar verstaubt.<br />
Sie sind gesellig, spontan und mal<br />
auch ein bisschen angriffslustig. Vielfalt<br />
und Austausch liegen ihnen am Herzen, sie<br />
lieben es, sich in die Materie zu vertiefen<br />
und stets wachsam zu bleiben, zu begeistern<br />
und neugierig zu machen. –<br />
Welch eine traurige Vorstellung wäre es<br />
also, in einer Verlagslandschaft ohne diese<br />
vielen kleinen Besonderheiten zu wandeln.<br />
Ganz klar, auch hier macht es die Mischung.<br />
Es gibt zum einen eine Heerschar<br />
an sich quasi selbst verkaufenden Topsellern<br />
großer Verlagshäuser, tolle Autoren<br />
und eine gewaltige Produktionsmaschinerie<br />
dahinter.<br />
Komplettiert wird die Buchwelt, in die<br />
wir jedoch eintauchen dürfen, sobald wir<br />
eine Buchhandlung oder Bibliothek betreten,<br />
erst von den vielen kleinen feinen<br />
Indie-Verlagen. Diese sind unabhängig und<br />
bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit<br />
und Zuwendung der Buchhändler und<br />
Leser. Bücher, die man entdecken, lesen und<br />
darüber sprechen möchte.<br />
Was aber ist jetzt dieser<br />
IndieBookDay?<br />
Das ist definitiv der Feiertag der unabhängigen<br />
Verlage. Gegründet vom in<br />
Hamburg ansässigen Mairisch Verlag 2013,<br />
um die Aufmerksamkeit auf die Schmankerln<br />
zu lenken, die leider viel zu oft unbeachtet<br />
nebst den Stapeltiteln untergehen.<br />
Inspiriert durch den Recordstore-Day,<br />
der im Musikbereich ebenfalls auf Gustostückerl<br />
aufmerksam macht und mittlerweile<br />
eine Institution ist.<br />
13<br />
Groß vorzumerken ist dieses Jahr der<br />
21. März, denn auch hier werden viele<br />
Buchhandlungen als Vermittler agieren.<br />
In Deutschland ist das bereits ein schönes<br />
Potpourri aus Gesprächen, Lesungen,<br />
Verlagspräsentationen und auch einer Vielzahl<br />
an Aktionen über Social-Media-Kanäle.<br />
So gibt es mittlerweile unter anderem die<br />
Indiebook-Challenge: Jeden Monat wird<br />
eine Kategorie vorgegeben, so zum Beispiel:<br />
Lese ein Buch aus einem unabhängigen<br />
Verlag, in dem der/die Protagonist/in rote<br />
Haare hat. Eine literarische Schnitzeljagd,<br />
bei der sich wahre Schätze auftun.<br />
Auch <strong>Stierle</strong> ist mit dabei<br />
Bereits zum dritten Mal, und als eine der<br />
ersten in Salzburg stellen wir auch heuer<br />
ein buntes Programm zusammen für<br />
alle Interessierten, für Leute, die zufällig<br />
vorbeikommen und als Freunde gehen,<br />
für Leseratten und auch für einfach gerne<br />
Lauschende.<br />
Es liegt uns sehr am Herzen, die Besonderheit,<br />
die Vielfältigkeit und auch die<br />
Nicht-Selbstverständlichkeit der Buch- und<br />
Verlagsbranche zu vermitteln.<br />
Von Lyrik, Reportagen, Poetryslam,<br />
Gesprächen mit Verlegern und klassischen<br />
Lesungen über ein Schaufensterkonzert bis<br />
zum Ausklang bei einem Getränk haben wir<br />
den Bogen gespannt; und wir können nur<br />
sagen, es hat unser Buchhändlerherz jedes<br />
Mal höherschlagen lassen.<br />
Dieses Jahr begehen wir den IndieBook-<br />
Day mit einer Lesung der wunderbaren<br />
Birgit Müller-Wieland, deren Bücher im<br />
Salzburger Otto Müller Verlag erscheinen.<br />
Das umtriebige Team von mosaik – Zeitschrift<br />
für Literatur und Kultur darf natürlich<br />
auch nicht fehlen.<br />
Stündlich werden wir auf unserem Instagram-Account<br />
unsere diesjährigen Lieblings-Indie-Bücher<br />
vorstellen. Und für alle,<br />
die sich nicht entscheiden können, welches<br />
Buch bei ihnen einziehen darf, für die haben<br />
wir eine Auswahl in Form eines „Blind<br />
Dates“ mit einem IndieBook parat.<br />
In diesem Sinne seid ihr herzlich<br />
eingeladen, mit uns zu feiern!<br />
Buchtipp:<br />
Birgit Müller-Wieland:<br />
Reisen Vergehen<br />
Otto Müller Verlag,<br />
80 S., € 20,60<br />
Veranstaltungstipp:<br />
IndieBookDay<br />
u. a. mit Birgit Müller-Wieland<br />
Begrüßung: Carmen Schwarz<br />
Sa., 21. März 2020, ganztägig,<br />
Lesung um 19:30 Uhr<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />
Eintritt frei!
Salzburg trifft Innsbruck …<br />
Laura Freudenthaler, in Salzburg geboren, Innsbruck-liest-<br />
Autorin und soeben mit dem Literaturpreis der Europäischen<br />
Union ausgezeichnet, trifft auf den Tiroler Robert Prosser,<br />
der das Literaturfest Salzburg ab heuer mitverantwortet.<br />
Wir stellten den beiden je drei Fragen …<br />
„Literatur muss übersetzt werden,<br />
damit die Welthaltigkeit (…) nicht auf<br />
eine Sprache beschränkt bleibt.“<br />
Laura Freudenthaler<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
© Marianne Andrea Borowiec<br />
© Gerald von Foris<br />
Buchtipp:<br />
Laura Freudenthaler:<br />
Geistergeschichte<br />
Droschl Verlag,<br />
168 S., € 20,–<br />
Welche Erinnerungen haben Sie<br />
an Innsbruck, was verbindet Sie<br />
literarisch mit dieser Stadt?<br />
Mein Roman „Die Königin schweigt“ war<br />
2019 Innsbruck-liest-Buch. Ich erinnere<br />
mich an einen zehnjährigen Buben, der<br />
sich das Buch in der Straßenbahn von mir<br />
signieren ließ und mir dann erzählte, er<br />
habe heute Geburtstag und dies sei nun sein<br />
Geschenk. Und er lese ein dickes Buch pro<br />
Woche.<br />
Sie haben gerade den Literaturpreis<br />
der Europäischen Union gewonnen,<br />
können Sie uns dazu etwas erzählen?<br />
Das Schönste an diesem Preis sind die vielen<br />
Übersetzungen, die dadurch befördert<br />
werden, dass die eigenen Bücher für nicht<br />
deutschsprachige Kollegen und Menschen<br />
von Indien bis in die arabischsprachigen<br />
Länder lesbar werden. Literatur muss<br />
übersetzt werden, damit die Welthaltigkeit,<br />
die sie im besten Fall hat, nicht auf eine<br />
Sprache beschränkt bleibt.<br />
Wie sehen Sie die Buchhandlungsszene<br />
in der Stadt Salzburg?<br />
Über die Szene habe ich keinen Überblick,<br />
ich lebe ja schon lange nicht mehr in<br />
Salzburg. Zu hoffen und wünschen ist, in<br />
Salzburg wie anderswo, dass es weiterhin<br />
viele kundige und leidenschaftliche Buchhändler<br />
gibt, die sich für die Literatur und<br />
das Lesen einsetzen.<br />
Die Fragen stellte<br />
Katharina J. Ferner<br />
Welche Erinnerungen hast du<br />
an Salzburg, was verbindet dich<br />
literarisch mit der Stadt?<br />
Es verschlägt mich mit meiner literarischen<br />
Arbeit immer wieder an die Salzach und<br />
so wunderbar die bisherigen Auftritte<br />
waren, so spannend gestalteten sich die<br />
verschiedensten Kollaborationen mit dem<br />
Salzburger Verlagskollektiv Mosaik.<br />
Du hast gerade – gemeinsam mit<br />
Josef Kirchner – das Literaturfest<br />
Salzburg übernommen, kannst du uns<br />
darüber etwas erzählen?<br />
In der Programmierung wollen wir uns<br />
stärker auf performative, feministische<br />
und interdisziplinäre Aspekte fokussieren.<br />
Unser Anliegen ist ein Neustart, der auf<br />
den bisherigen zwölf Jahren aufbaut und<br />
einen Sprung ins Unerwartete macht, eine<br />
im positiven Sinne fordernde Aufgabe.<br />
Wie siehst du die<br />
Buchhandlungsszene in<br />
der Stadt Salzburg?<br />
Jede Stadt hat sich mehr Buchhandlungen<br />
verdient, das hiesige Angebot aber deckt die<br />
Ansprüche, sowohl was Auswahl als auch<br />
Beratung betrifft. Egal, ob antiquarisch<br />
oder Neuerscheinung, in den Salzburger<br />
Gassen gibt es einiges zu entdecken.<br />
Die Fragen stellte<br />
Robert Renk<br />
Buchtipp:<br />
Robert Prosser:<br />
Gemma Habibi<br />
Ullstein fünf,<br />
224 S., € 23,30<br />
Lesung:<br />
Laura Freudenthaler &<br />
Robert Prosser<br />
Moderation: Katharina J. Ferner<br />
& Robert Renk<br />
Mi., 25. März 2020, 19:30 Uhr<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />
Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />
begrenzte Teilnehmerzahl!)
© Fotowerk Aichner<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
Eine starke<br />
Frauenfigur<br />
ist für mich<br />
um so viel<br />
reizvoller.<br />
Bernhard Aichner<br />
16<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Was sind deine letzten Erfahrungen<br />
in Salzburg gewesen?<br />
Ich war in einem Escape Room und stand<br />
wahnsinnig unter Druck. Ich dachte, dass<br />
ich da nie wieder rauskomme und für<br />
immer in Salzburg bleiben darf. Meine<br />
Frau war am Ende aber dann doch schlau<br />
genug, um die Rätsel innerhalb der Zeit<br />
zu lösen. Innsbruck hat mich also wieder,<br />
aber in manchen Nächten träume ich noch<br />
von dieser wunderbaren Stadt. Sprich: Ich<br />
freu mich schon sehr auf die Lesung in der<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong>.<br />
Dein Liebesroman „Kaschmirgefühl“<br />
wird gerade in Innsbruck am<br />
Kellertheater mit großem Erfolg<br />
aufgeführt. Auch früher schon hast<br />
du Stücke geschrieben. Wie wäre<br />
es mit einem Aichnerstück bei den<br />
Salzburger Festspielen?<br />
Wer weiß, was alles noch kommt. Wäre<br />
natürlich schon cool, wenn man den Jedermann<br />
endlich absetzen und etwas Spannendes<br />
spielen würde. (Lacht)<br />
Bernhard<br />
Aichner<br />
Der Krimiexportschlager<br />
aus Tirol<br />
kommt in die Buchhandlung<br />
<strong>Stierle</strong><br />
nach Salzburg.<br />
Ein Gespräch<br />
mit Robert Renk<br />
17<br />
Die Figurenzeichnung eines Stückes<br />
kann man gut auf den Plot eines<br />
Thrillers übertragen, in kurzer Zeit<br />
müssen die Figuren plastisch werden,<br />
begreifbar. Du beherrschst das<br />
perfekt. Woher kommt’s?<br />
Bauchgefühl. Ich höre in mich hinein und<br />
schreibe. Die Liebe zu meinen Figuren ist<br />
mir sehr wichtig. Egal ob Theater, Thriller<br />
oder Hörspiel. Es gibt (neben dem<br />
Schmusen) nichts Schöneres für mich, als<br />
Geschichten zu erzählen, ich möchte unterhalten<br />
und meine Leser fesseln. Das gelingt<br />
aber nur, wenn man meine Figuren mag,<br />
wenn man ihnen gerne folgt, wenn ich als<br />
Autor das Innenleben der Figuren spürbar<br />
mache. Ich setze ganz stark auf Emotion,<br />
meine Bücher sollen berühren.<br />
Nicht nur ist dir die Liebe in jedem<br />
Roman ein wichtiger Seiten- oder<br />
Hauptstrang, auch bei den richtig<br />
bösen Jungs gelingt es dir immer,<br />
sie differenziert zu zeigen. Sie haben<br />
Schwächen, können wahnsinnig<br />
charmant sein und sind gleichzeitig<br />
machtbesessene Monster, bei denen<br />
einem das Blut stockt. Auch in „Der<br />
Fund“ wird man einem solchen<br />
wieder begegnen. Wie viel Spaß<br />
machen Monster?<br />
Niemand von uns ist nur gut. Wir haben<br />
alle auch etwas Böses in uns, könnten alle<br />
zu Mördern werden. Die Auseinandersetzung<br />
mit den Tätern in meinen Büchern<br />
finde ich deshalb genauso spannend wie<br />
die mit den Opfern. Die Frage nach dem<br />
Warum treibt mich an. Was muss passieren,<br />
damit sich der Schalter im Kopf umlegt?<br />
Wie ist ein Mensch, der tötet? Kann ein<br />
Mörder tatsächlich auch liebenswert sein?<br />
Es macht mir große Freude, die „Bösen“<br />
in meinen Geschichten zu zeichnen, mit<br />
den Jahren sind sie immer besser geworden.<br />
Meine Sammlung an Monsterchen ist<br />
mittlerweile ganz schön ordentlich.<br />
Du hast wieder eine außergewöhnliche<br />
Heldin am Start.<br />
Rita Dalek. Warum erzählst du<br />
als Mann eigentlich so gerne von<br />
starken Frauen?<br />
Lange Zeit war die Kriminalliteratur von<br />
männlichen Helden dominiert, das hat mich<br />
immer gestört. Eine starke Frauenfigur ist<br />
für mich um so viel reizvoller. Warum? Weil<br />
ich Frauen liebe. Sie sind bedächtiger, klüger,<br />
emotionaler, und sie können zaubern.<br />
Was ist neu an diesem Thriller?<br />
„Der Fund“ ist ein klassischer „Aichner“,<br />
aber zugleich auch völlig anders. Vertraut<br />
sind der Sound und der Sog. Neu ist<br />
die Konstruktion, das Setting, ich habe<br />
versucht, völlig anders zu erzählen, so zu<br />
komponieren, dass ich die Leserin und den<br />
Leser auf jeder neuen Seite bis zum Schluss<br />
überraschen kann.<br />
Darf man sich zukünftig wieder<br />
auf eine Reihe mit einer festen<br />
Hauptfigur wie bei der Totenfrau-<br />
Trilogie oder den Max-Broll-Krimis<br />
freuen oder wird es vorerst bei<br />
Einzeltitel bleiben?<br />
Volltreffer. Ich schreibe gerade am Auftakt<br />
einer neuen Reihe. Ein großartiges Team<br />
wird 2021 an den Start gehen. Figuren, die<br />
mir bereits jetzt sehr ans Herz gewachsen<br />
sind. Schön wird das!<br />
Bernhard Aichner, geboren 1972, lebt als Schriftsteller<br />
und Fotograf in Innsbruck. Er schreibt<br />
Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine<br />
Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen<br />
und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem<br />
Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Cologne<br />
Award 2015 und dem Friedrich-Glauser-Preis 2017.<br />
Mit der Totenfrau-Trilogie und „Bösland“ feierte er<br />
internationale Erfolge. Zuletzt im Haymon Verlag:<br />
„Kaschmirgefühl“ (2019).<br />
Buchtipp:<br />
Bernhard Aichner:<br />
Der Fund<br />
btb Verlag, 352 S., € 21,20<br />
Lesung:<br />
Bernhard Aichner liest aus<br />
„Der Fund“<br />
Moderation: Robert Renk<br />
Do., 26. März 2020, 19:30 Uhr<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />
Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />
begrenzte Teilnehmerzahl!)
© Ingo Pertramer<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
… mit allen<br />
Nuancen des<br />
Wasserfarbenkastens<br />
erzählen …<br />
Vea Kaiser<br />
18 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Was sind deine letzten Erfahrungen<br />
in Salzburg gewesen?<br />
Zuletzt war ich Anfang Jänner in Salzburg-<br />
Land zum Skifahren mit der Großfamilie.<br />
Wir hatten richtig Glück mit Wetter wie<br />
Schnee, und da meine chinesische Schwägerin<br />
und mein süditalienischer Ehemann<br />
zum ersten Mal Skifahren waren, wurden es<br />
auch sehr lustige Tage. Die Welt der Berge<br />
durch die Perspektive von Bergneulingen<br />
zu erleben, hat einen ganz besonderen Reiz.<br />
Der Blick meiner Schwägerin, als sie das<br />
erste Mal einen Germknödel vor sich hatte:<br />
unbezahlbar.<br />
In den ersten zwei Romanen war<br />
deine Liebe zur griechischen<br />
Geschichte und Philosophie stark<br />
herauslesbar. Im neuen Roman lernt<br />
man die „alte“ Lateinerin Vea Kaiser<br />
kennen. Schwenkst du um?<br />
Im Studium „Klassische Philologie“ beschäftigt<br />
man sich sowohl mit den Griechen<br />
als auch mit den Römern. Das ist ein<br />
gewaltiger Fundus, aus dem ich das Glück<br />
Vea<br />
Kaiser<br />
Ihr Roman „Rückwärtswalzer“<br />
zeigt,<br />
dass Unterhaltung<br />
und literarischer<br />
Anspruch kein<br />
Gegensatz sind!<br />
Ein paar Fragen zur<br />
Salzburg-Lesung<br />
von Robert Renk<br />
19<br />
habe, schöpfen zu können. Ob und in<br />
welcher Form die Antike in meinen Texten<br />
vorkommt, hängt aber von den jeweiligen<br />
Texten ab. Der römische Totenkult und<br />
die römischen Jenseitsmythen haben sich<br />
jedenfalls für diese Geschichte angeboten.<br />
Geplant war das nicht.<br />
Dein erster Roman „Blasmusikpop“<br />
wird in einem Jahr an den Vereinigten<br />
Bühnen Bozen groß herausgebracht<br />
(u. a. mit eigener Blasmusikkombo).<br />
Wie wäre es mit einem Vea-Kaiser-<br />
Stück bei den Salzburger Festspielen?<br />
Ich freu mich riesig auf die Premiere am<br />
01.01.2021 in Bozen, muss aber dazu sagen,<br />
dass ich in die Produktion nicht involviert<br />
bin. Da wirken großartige und tolle Leute<br />
mit und ich bin sehr vorfreudig und aufgeregt,<br />
was die auf die Bühne bringen.<br />
Ich selbst allerdings verspüre wenig Drang,<br />
für das Theater zu schreiben. Vor allem,<br />
seit ich nachgerechnet habe, dass ich,<br />
schreibe ich im bisherigen Tempo weiter,<br />
maximal noch 17 Romane schreiben kann.<br />
Dann ist es vorbei. Da ich aber mehr<br />
Roman-Ideen als Zeit hab, muss ich mich<br />
also ein bisserl beeilen.<br />
Den Grund für die Reise deuten wir<br />
nur an, er fußt auf einer berührenden,<br />
traurigen Geschichte, einem<br />
Familiengeheimnis (und hat auch mit<br />
einem veganen Onlineshop zu tun<br />
…). Glaubst du, dass das ein Teil<br />
deines Erfolges ist, dass du reichlich<br />
Humor und deftige Schilderungen<br />
mit so eingehenden und zarten Seiten<br />
verknüpfen kannst?<br />
Ich möchte mir wirklich nicht anmaßen zu<br />
wissen, was den vielen verschiedenen Menschen,<br />
die meine Bücher lesen, darin gefällt.<br />
Wenn ich mir jedoch die deutschsprachige<br />
Literatur der letzten vierzig Jahre ansehe,<br />
dann fällt auf, wie wenig Autoren sich trauen,<br />
auch witzige Passagen in ihren Büchern<br />
zuzulassen. Früher gab es diesen absurden<br />
Anspruch, nur ernste, schwere Kost sei<br />
Literatur. Dass das Blödsinn ist, wissen<br />
die Leser und Leserinnen glücklicherweise,<br />
dennoch gibt es meiner Meinung nach<br />
noch zu wenige Autoren, die nicht nur<br />
schwarz oder weiß, sondern mit allen Nuancen<br />
des Wasserfarbenkasten erzählen.<br />
Deine Buchpräsentationen<br />
unterscheiden sich oft von dem,<br />
was man sich von einer reinen<br />
Buchpräsentation erwartet. Es wird<br />
meist mehr erzählt als gelesen.<br />
Wie wichtig ist dir der persönliche<br />
Kontakt zum Publikum und kommt<br />
daher auch die Überlegung, Lesungen<br />
auch einmal anders zu machen?<br />
Bevor ich selbst Schriftstellerin wurde,<br />
besuchte ich viele Lesungen und war oft<br />
unglücklich, nicht selten langweilte ich<br />
mich auch, wenn Autoren nichts anderes<br />
machten, als sich auf die Bühne zu setzen,<br />
drei Sätze zu sagen und dann monoton<br />
vorzulesen. Ich verstand nie, was der<br />
Mehrwert davon ist. Sicher ist es schön,<br />
AutorInnen lesend zu erleben, aber dazu<br />
reichen auch <strong>10</strong> Minuten. Wenn ich selbst<br />
auf eine Lesung gehe, will ich Autorinnen<br />
und Autoren kennenlernen, will wissen, was<br />
sie inspiriert, motiviert, ängstigt, wie sie<br />
das Buch schrieben, welche Hintergrundgeschichten<br />
vielleicht nicht drin stehen – ich<br />
wünsche mir ein Erlebnis, das ich eben<br />
nicht habe, wenn ich das Buch zuhause mit<br />
dem Hund am Schoss und dem Rotwein<br />
in der Hand lese. Und daher versuche ich,<br />
meine Lesungen auch dementsprechend<br />
zu gestalten. Ich stelle mir immer vor, was<br />
würde ich jetzt hören wollen, wäre ich im<br />
Publikum?<br />
Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien, wo<br />
sie Altgriechisch, Latein und Germanistik studierte.<br />
Mit 23 Jahren veröffentlichte sie ihren Debütroman<br />
„Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die<br />
Berge kam“, der ebenso wie ihr Zweitling „Makarionissi<br />
oder Die Insel der Seligen“ zum Bestseller<br />
avancierte und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.<br />
„Rückwärtswalzer“ ist ihr dritter Roman.<br />
Buchtipp:<br />
Vea Kaiser:<br />
Rückwärtswalzer oder Die<br />
Manen der Familie Prischinger<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
432 S., € 23,30<br />
Buchpräsentation:<br />
Vea Kaiser präsentiert<br />
„Rückwärtswalzer“<br />
Fr., 27. März 2020, 19:30 Uhr<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />
Moderation: Robert Renk<br />
Eintritt: € 7,– VVK (Achtung:<br />
begrenzte Teilnehmerzahl!)
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Salzburg<br />
Helminger versus Fallwickl<br />
Das beliebte Bücher-Battle geht in die vierte Runde.<br />
Literatur mit<br />
Spannung<br />
und Spaß<br />
ans Publikum<br />
vermitteln<br />
Bernhard Helminger, Verleger und<br />
ehemaliger Inhaber der Buchhandlung<br />
<strong>Stierle</strong>, und die Autorin Mareike Fallwickl<br />
haben vor einiger Zeit ein neues Format<br />
begründet, um Literatur mit Spannung<br />
und Spaß ans Publikum zu vermitteln.<br />
Die zwei matchen sich in verschiedenen<br />
Buchkategorien um die Gunst des Publikums.<br />
Dabei wird einmal vielleicht über<br />
Sachbücher, Ratgeber, über Bücher zur<br />
politischen Lage in den USA oder dem<br />
Brexit gesprochen, dann wieder über<br />
Liebesromane oder Kinderbücher.<br />
Beide haben wenige Minuten Zeit, das<br />
jeweilige Buch vorzustellen und eine<br />
kleine Passage daraus zu lesen. Dann wird<br />
argumentiert. Das Publikum bewertet<br />
nach jeder Runde und kürt zum Schluss<br />
den Sieger. Wobei es bei den drei bisherigen<br />
Bücher-Battles nur eine Siegerin<br />
gab, das allererste Match entschied<br />
Schriftstellerin Mareike Fallwickl für sich,<br />
die weiteren gingen jeweils ex aequo aus.<br />
Man darf also gespannt sein, was sich<br />
Bernhard Helminger für diesmal einfallen<br />
lässt.<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Bücher-Battle<br />
(Helminger/Fallwickl)<br />
Sa., 18. April 2020, 19:30 Uhr<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong><br />
Eintritt: € <strong>10</strong>,–<br />
Bernhard Helminger<br />
© Marianne Andrea Borowiec<br />
20<br />
Wagner’sche.
© Gaby Gerster<br />
Man darf<br />
sich viel<br />
Friedhofsatmosphäre<br />
erwarten.<br />
Ursula Poznanski<br />
22<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Nach einem folgenreichen Ausflug<br />
nach München kehrt deine<br />
Hauptfigur wieder zurück nach Wien.<br />
Ist es leichter oder schwieriger, über<br />
die Stadt zu schreiben, in der man<br />
selbst wohnt?<br />
Es fühlt sich an wie ein Heimspiel, es<br />
kommen keinerlei Unsicherheiten auf. In<br />
dieser Hinsicht ist es also sicher einfacher.<br />
Aber eine Stadt, in der ein Buch verortet ist,<br />
macht ja nur einen kleinen Teil vom großen<br />
Ganzen aus. Insgesamt war „Vanitas – Grau<br />
wie Asche“ aber ein Roman, der mir tatsächlich<br />
leicht von der Hand gegangen ist.<br />
Der Spielort deines neuen Romans<br />
ist der Wiener Zentralfriedhof.<br />
Ein eigentlich idealer Spielort<br />
für Thriller. Warum ist das noch<br />
niemandem eingefallen?<br />
Ist es das tatsächlich noch nicht? Mir fällt<br />
zwar jetzt auf Anhieb auch kein Zentralfriedhofs-Roman<br />
ein, aber es würde<br />
mich sehr wundern, wenn es nicht längst<br />
einen gäbe.<br />
Die österreichische<br />
Thrillerqueen<br />
kommt gleich 2×<br />
zu uns: nach Innsbruck<br />
und nach<br />
Salzburg. Mit dabei<br />
ihr Krimi „Vanitas<br />
– Grau wie Asche“.<br />
Ein paar Fragen<br />
von Robert Renk<br />
In deinem Roman pflegst du die<br />
Sprache der Blumen. Kommuniziert<br />
wird über Blumensträuße und die<br />
Bedeutungen, die Blumen haben.<br />
Wie bist du darauf gekommen?<br />
Ich wollte Carolin in ihrem zweiten, ihrem<br />
neuen Leben eine Beschäftigung geben, die<br />
möglichst diametral entgegengesetzt ist zu<br />
all dem, was sie vor ihrem angeblichen Tod<br />
getan und erlebt hat. Also einfach etwas<br />
Schönes, Friedliches. Da war Blumenhändlerin<br />
das erste, was mir eingefallen<br />
ist, und es hat sich richtig angefühlt. Von<br />
dieser Entscheidung bis zur Idee mit der<br />
Blumensprache war es dann nur noch<br />
ein kleiner Schritt.<br />
Überhaupt spielt Kommunikation auf<br />
sehr verschiedene Arten eine große<br />
Rolle in „Vanitas – Schwarz wie<br />
Erde“. Lippenlesen, Brailleschrift<br />
und die Blumensprache. Was<br />
fasziniert an ungewöhnlichen<br />
Kommunikationsarten?<br />
Ursula<br />
Poznanski<br />
23<br />
Dass sie nicht jedem zugänglich sind. Dass<br />
man sich mit „Eingeweihten“ austauschen<br />
kann, ohne dass der Rest der Anwesenden<br />
etwas davon mitbekommt oder gar versteht.<br />
Finde ich reizvoll.<br />
Deine Hauptfigur Carolin lebt<br />
inkognito in Wien, immer in der<br />
Angst, entlarvt zu werden. Was darf<br />
man sich vom zweiten Teil erwarten?<br />
Dass es für Carolin immer enger wird,<br />
aber wir lernen gleichzeitig auch ganz neue<br />
Seiten an ihr kennen. Sie hat bei aller Angst<br />
und allem Trauma etwas Unzerstörbares<br />
an sich. Außerdem darf man sich viel Friedhofsatmosphäre<br />
erwarten, bei Tag und bei<br />
Nacht. Und ein paar interessante Rätsel.<br />
Es sind Lesungen in Innsbruck und<br />
Salzburg fixiert. Kannst du kurz<br />
schildern, welche Erinnerungen du an<br />
diese zwei Städte hat?<br />
Bei Innsbruck denke ich zuallererst an<br />
das Tiroler Krimifest, bei dem ich bisher<br />
jedes Mal lesen durfte und das mit der<br />
schönste Krimievent ist, den ich bisher<br />
kennengelernt habe. Ganz stark ist natürlich<br />
auch die Erinnerung daran, dass ich<br />
in Innsbruck 2018 den Österreichischen<br />
Krimipreis bekommen habe. Darüber<br />
hinaus ist es eine extrem schöne Stadt,<br />
und jedes Mal, als ich bisher da war,<br />
war schönes Wetter.<br />
Schönes Wetter ist in Salzburg nicht so<br />
an der Tagesordnung, aber dort bin ich<br />
schon als Kind sehr oft gewesen und es<br />
fühlt sich für mich fast wie zu Hause an.<br />
Ich verbringe jeden Sommer einen Monat<br />
an einem See in der Nähe und bin dann<br />
natürlich auch immer wieder in der Stadt.<br />
Und nicht zuletzt habe ich vier Bücher<br />
geschrieben, die dort spielen.<br />
Ursula Poznanski, 1968 in Wien geboren. 20<strong>10</strong><br />
startete sie mit ihrem ersten Jugendbuch Erebos<br />
durch und wurde bald eine der erfolgreichsten<br />
deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen. Mittlerweile<br />
zählt sie auch bei Thrillern für Erwachsene<br />
zu den absoluten Must-Reads. Sie wurde vielfach<br />
ausgezeichnet, zuletzt 2018 mit dem Österreichischen<br />
Krimipreis.<br />
Buchtipp:<br />
Ursula Poznanski:<br />
Vanitas – Grau wie Asche<br />
Knaur Verlag, 400 S., € 16,<strong>10</strong><br />
Lesungen:<br />
Ursula Poznanski<br />
liest aus „Vanitas“<br />
am Mi., 13. Mai um 19:30 Uhr,<br />
in der Wagner’schen in<br />
Innsbruck<br />
Moderation: Robert Renk<br />
Eintritt: € 9,– / 7,–<br />
(mit Ö1- oder Wagner-Card)<br />
am Do., 14. Mai um 19:30 Uhr<br />
bei <strong>Stierle</strong> in Salzburg<br />
Begrüßung: Carmen Schwarz<br />
Eintritt: 7,– (Achtung:<br />
begrenzte Teilnehmerzahl!)
Musikalisches Speeddating<br />
in der Wagner’schen!<br />
Onkel Frieda<br />
Simon K.<br />
Ein musikalischer Abend mit Verkaufsabsicht …<br />
Melodiven<br />
2015 gründete sich das Innsbrucker Label<br />
„Leash the dog“, seitdem haben über 20<br />
Tonträger das Licht der Welt erblickt, und<br />
das faktisch ausschließlich mit heimischen<br />
MusikerInnen. Stefan Wolf – einer der drei<br />
headmasters – gibt Auskunft.<br />
Auf die Frage, was man sich unter einem<br />
musikalisches Speeddating vorstellen kann,<br />
meint Stefan Wolf: „Eine trendige Möglichkeit,<br />
in kürzester Zeit neue musikalische<br />
Vielfalt kennenzulernen. Quasi als Shortcut<br />
ein Song pro KünstlerIn.“<br />
Die Wagner’sche ist nicht nur Ö1-Buchhandlung,<br />
sondern auch Partnershop<br />
des Labels „Leash the dog“. Wenn schon<br />
CD-Verkauf, dann richtig. Und richtiger<br />
als mit dem Label des heimischen Studios<br />
InnTimeMusic (www.inntimemusic.com)<br />
kann man in Tirol nicht liegen. MusikerInnen<br />
haben ihre Tonträger dort produziert<br />
und werden an diesem Abend in unserer<br />
Buchhandlung aufspielen!<br />
Aber alles hat vor exakt 20 Jahren begonnen.<br />
Damals haben sich Stefan Wolf<br />
und Simon Kräutler gefunden, um als<br />
Duo „Two in Time“ die heimische Szene<br />
zu bereichern. Vor <strong>10</strong> Jahren gründeten sie<br />
– gemeinsam mit Alexander Goidinger –<br />
InnTimeMusic, samt eigenem Studio, und<br />
exakt vor 5 Jahren gründeten die Drei dann<br />
das Label „Leash the dog“ – ein Trippel-Jubiläum<br />
sozusagen. Das gehört gefeiert und<br />
die CDs gehören gehört. An diesem Abend<br />
auch live, supported by Sardinien Produkte.<br />
Es geht also nach den 11 Kurzkonzerten<br />
an der Bar weiter, man kann ins Gespräch<br />
kommen, CDs und Bücher kaufen und<br />
einen feinen Abend haben im gemütlichsten<br />
Wohnzimmer der Stadt.<br />
Zum Einhören gibt es auf unserer homepage<br />
(www.wagnersche.at) einen welcomesampler,<br />
der extra zusammengestellt wurde<br />
und – legal + gratis – zum Downloaden<br />
bereitgestellt ist!<br />
Toi<br />
Stefan Abermann<br />
DiETz<br />
Lania<br />
Reeds & Strings<br />
Die Wohngemeinschaft<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Christine Abdel-Halim<br />
Gary Laowai & Friends<br />
24<br />
Wagner’sche.<br />
© Leash the dog<br />
Label Präsentation<br />
Musikalisches Speeddating mit<br />
„Leash the dog“<br />
(www.leashthedog.at)<br />
Es spielen, singen und sprechen:<br />
Stefan Abermann * Lania *<br />
Onkel Frieda * Gary Laowai *<br />
Melodiven * Reeds & Strings<br />
* Wohngemeinschaft * Dietz<br />
* Simon K. * Toi * Christine<br />
Abdel-Halim<br />
Durch den Abend führt:<br />
Simon Kräutler<br />
Featured by Sardinien Produkte<br />
(www.sardinienprodukte.at)<br />
Mi., 18. März 2020, ab<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei<br />
sardinienprodukte
Landestheater liest<br />
Bei der neuen Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der<br />
Wagner’schen steht die Lust am Lesen im Mittelpunkt.<br />
Von Christina Alexandridis<br />
© TLT/Larl<br />
Wer Bücher<br />
liest, schaut in<br />
die Welt, und<br />
nicht nur bis<br />
zum Zaune.<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
26 27<br />
Szenenfoto aus der Faust-Inszenierung des<br />
Intendanten Johannes Reitmeier, Spielzeit 2017.18.<br />
Kristoffer <strong>No</strong>wak (Wagner) und Andreas Wobig (Faust)<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Allen Unkenrufen und Kulturpessimisten<br />
zum Trotz gibt es sie immer noch, die<br />
Buchhandlungen und Theater – obwohl<br />
Netflix, Smartphone, YouTube & Co immer<br />
länger unsere Zeit in Anspruch nehmen.<br />
Aber was genau ist nach wie vor die Faszination<br />
für viele, sich stundenlang auf eine<br />
Sache zu konzentrieren? Warum setzt man<br />
sich dieser scheinbaren Anstrengung aus?<br />
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich<br />
ein Theater mit Literatur beschäftigt und<br />
das geschriebene Wort auf die Bühne<br />
bringt. Aber wie sieht es generell mit dem<br />
Lesen aus?<br />
Handlungen in anderen<br />
Lebenswelten …<br />
Eine nicht repräsentative Umfrage in<br />
Landestheaterkreisen hat ergeben, dass<br />
Lesen vor allem die Möglichkeit bietet,<br />
sich andere Lebenswelten zu eröffnen, die<br />
man sonst nie hätte betreten können – und<br />
das in einem ganz eigenen Tempo mit viel<br />
Raum für die eigene Phantasie. So kann<br />
die Imagination entstehen, selbst Teil der<br />
Handlung zu sein, mit der „Gefahr“, dass<br />
die Protagonisten zu Bekannten und Freunden<br />
werden, die man am Ende eines Buches<br />
vermisst. Und wer sich in Situationen begibt,<br />
die weit weg von der eigenen Lebensrealität<br />
liegen, gewinnt den Eindruck, dem<br />
großen Ganzen ein bisschen näher zu sein<br />
und Zusammenhänge besser verstehen zu<br />
können. Jede neue Welt fügt sich dabei in<br />
das Farbspektrum der (Un-)Möglichkeiten<br />
ein. Wahrhaftige Bücher lassen einen das<br />
Unglück verstehen – das eigene, kleine<br />
Unglück wie das große Unglück aller. Oft<br />
sind diese Bücher bevölkert mit Verlorenen,<br />
die der Vergeblichkeit auf ihre Art Sinn<br />
abzutrotzen versuchen. So schafft Lesen<br />
auch Gemeinschaft und die Gewissheit,<br />
dass man mit seinen Gedanken und<br />
Gefühlen nicht alleine ist. Außerdem übt<br />
die Kunst der geschliffenen Formulierung<br />
eine große Faszination aus – die Fähigkeit,<br />
Gedanken, Geschehnisse, Gefühle treffend<br />
und nuancenreich zu Papier zu bringen, in<br />
einer Sprache, die überrascht, die im eigenen<br />
Kopf Bilder entstehen und auch zwischen<br />
den Zeilen Raum für Interpretationen<br />
lässt. Bücher können erfüllen und eine allzu<br />
eindeutige Welt mit Sinn anreichern.<br />
„Kindern erzählt man<br />
Geschichten zum<br />
Einschlafen –<br />
Erwachsenen, damit<br />
sie aufwachen“<br />
(Jorge Bucay)<br />
„Kindern erzählt man Geschichten zum<br />
Einschlafen – Erwachsenen, damit sie<br />
aufwachen“, sagt der argentinische Autor<br />
und Psychiater Jorge Bucay. Und so ist es<br />
gerade in Zeiten, in denen die einfachen<br />
Erklärungen und Lösungsversprechen für<br />
komplexe Probleme Konjunktur haben,<br />
geradezu lebensnotwendig, die Fähigkeit<br />
zu trainieren, Mehr- oder Vieldeutigkeit<br />
auszuhalten. Denn Lesen baut nicht<br />
nur auf sprachlicher, sondern auch auf<br />
zwischenmenschlicher Ebene Brücken.<br />
Wer sich auf Bücher einlässt, der übt sich<br />
in der Fähigkeit, die Perspektive anderer<br />
Menschen einzunehmen, ihre Emotionen,<br />
Träume, Hoffnungen und Wünsche zu verstehen,<br />
ihre Ansichten und Gedankengänge<br />
nachzuvollziehen. Die Handlungen der<br />
Romanfiguren gehen im besten Fall direkt<br />
unter die Haut. Oder wie Franz Kafka es<br />
formuliert hat: „Ein Buch muss die Axt sein<br />
für das gefrorene Meer in uns.“ Und was<br />
ermöglicht es, dieses ganz individuelle<br />
Erlebnis in Gemeinschaft zu genießen?<br />
Das Vorlesen!<br />
In der Reihe Landestheater liest stellen<br />
Mitglieder des Schauspielensembles dem<br />
Publikum nicht nur ihre LieblingsautorInnen<br />
vor, auch (halb)vergessenen SchriftstellerInnen<br />
möchten sie mit ihren Stimmen<br />
eine Stimme verleihen. Von Charles<br />
Bukowski über Erich Maria Remarque bis<br />
hin zu Irmgard Keun oder Franz Werfel<br />
– die Bandbreite der möglichen (Wieder-)<br />
Entdeckungen ist groß. Der erste Termin<br />
steht: Am Montag, dem 18. Mai 2020, heißt<br />
es um 20 Uhr im [K2] zum ersten<br />
Mal Landestheater liest!<br />
Im Herbst wird die Shortlist<br />
des Österreichischen<br />
Buchpreis vorgestellt …<br />
Im Herbst folgt dann in den Räumlichkeiten<br />
der Wagner’schen eine weitere, ganz<br />
besondere Lesung: Zwischen der Bekanntgabe<br />
der Shortlist zum Österreichischen<br />
Buchpreis 2020 und der Preisverleihung<br />
hat das Publikum die Möglichkeit, sich aus<br />
allen nominierten Titeln vorlesen zu lassen<br />
und sich dadurch eine ganz eigene Meinung<br />
über die Entscheidung der Jury zu bilden.<br />
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei<br />
– gerne können eigene Lieblingsbücher<br />
für eine nächste Lesung vorgeschlagen<br />
werden!<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Auftakt zur Lesereihe<br />
Landestheater liest<br />
mit dem Ensemble des Tiroler<br />
Landestheaters, Büchertisch<br />
der Wagner’schen<br />
Mo., 18. Mai 2020, 20:00 Uhr<br />
im Haus der Musik, [K2]<br />
Eintritt frei!
© Peter Andreas Hassiepen<br />
… in der<br />
Kunst dafür:<br />
so viel<br />
jüdische Rache<br />
wie nötig …<br />
Max Czollek<br />
28 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Eine Evergreenfrage zu Beginn:<br />
Wie denkst du als Künstler und<br />
meinungsechauffierender Autor über<br />
die „Aufgaben“ von Kunst nach?<br />
Soll oder hat Kunst einen Auftrag,<br />
sich kritisch zu äußern und vielleicht<br />
sogar Meinungen und Diskussionen<br />
anzuregen?<br />
Ich würde sagen, dass Kunst nicht getrennt<br />
von der Gegenwart betrachtet werden kann.<br />
Sie ist ein Symptom der Zeiten, in denen sie<br />
entsteht und durch diesen Bezug erhält sie<br />
ihre Bedeutung. Denken Sie an die meisten<br />
Autor*innen, die wir heute noch lesen.<br />
Alle hatten etwas zu ihrer Gegenwart zu<br />
sagen, mischten sich ein und verarbeiteten<br />
diese Perspektiven in ihrer Kunst. Ich kann<br />
Kunst also nur als mehr oder weniger<br />
gelungene Gegenwartsbewältigung denken.<br />
Mit seinem Buch<br />
„Desintegriert<br />
euch!“ hat er die<br />
Gemüter erhitzt.<br />
Der streitbare<br />
Sachbuchautor<br />
und Lyriker im<br />
Gespräch mit<br />
Siljarosa<br />
Schletterer<br />
In welchem Verhältnis siehst du<br />
dabei Kunst und Desintegration und<br />
Frieden?<br />
Kunst und Kultur sind in Deutschland<br />
zumindest zentrale Orte gesellschaftspolitischer<br />
Debatten. Konservative<br />
Politiker*innen haben beispielsweise das<br />
Konzept der Leitkultur eingeführt, um<br />
die <strong>No</strong>twendigkeit und die Existenz einer<br />
dominanten Kultur zu behaupten.<br />
Konzepte wie Desintegration, wehrhafte<br />
Poesie oder postmigrantisches Theater<br />
sind Gegenentwürfe zu diesem Modell<br />
einer hierarchisch geordneten Gesellschaft<br />
mit den Mitteln der Kunst.<br />
Ist ein Frieden realistisch oder<br />
sind mehrere Formen von Frieden<br />
realistischer?<br />
Hm, das Wort ist nicht so zentral für mich,<br />
und ich kann es mir vermutlich nur als<br />
Zustand kontrollierter Konfliktaustragung<br />
denken. Das Versprechen der pluralen<br />
Demokratie ist nicht Harmonie, sondern<br />
eine Gesellschaft, in der man ohne Angst<br />
verschieden sein kann. Das bedeutet aber<br />
nicht, dass alle Freund*innen werden.<br />
Brauchen wir vielleicht eine neue<br />
Streitkultur, um „einem“ Frieden<br />
Max Czollek<br />
29<br />
näher zu kommen? Du schreibst<br />
ja von Rache als Weg der neuen<br />
Selbstermächtigung – Rache für den<br />
Frieden?<br />
Ich würde sagen, die Kunst ist der Ort, an<br />
dem wir Dinge thematisieren, gerade damit<br />
wir sie nicht als politische realisieren müssen.<br />
Aggression und Rachegefühle gehören<br />
für mich zum Mensch-Sein dazu, aber sie<br />
sollten so wenig wie möglich Teil der Politik<br />
sein. Eine jüdische RAF wäre ja doof. Aber<br />
in der Kunst dafür: so viel jüdische Rache<br />
wie nötig.<br />
Im Gedicht edikt von thessaloniki in<br />
deinem neuen Lyrikband Grenzwerte<br />
schreibst du „ich habe immer nur<br />
geschrieben / um einen ausweg“ –<br />
Kann Dichtung ein Ausweg sein?<br />
Darf oder kann es überhaupt einen<br />
Ausweg aus der Geschichte geben?<br />
Die Zeile geht ja noch weiter „… um einen<br />
ausweg für die vergangenheit // den deutschen<br />
soldaten aus dem bild zu reißen /<br />
für das knacken jedes seiner knochen<br />
unter dem stift“. Worum es mir in den<br />
Grenzwerten auch geht, ist die Suche nach<br />
kontrafaktischen Erzählungen, die es uns<br />
erlauben, mutiger, mächtiger und wütender<br />
zu sein, als wir können oder dürfen.<br />
Da ist das Schreiben vielleicht auch die<br />
Suche nach einem Gegengewicht zur<br />
erdrückenden Evidenz der Geschichte, dass<br />
wir nicht stark genug gewesen sind. Und<br />
es vielleicht auch beim nächsten Mal nicht<br />
sein werden.<br />
Max Czollek, geboren 1987 in Berlin, lebt ebenda.<br />
Promotion am Zentrum für Antisemitismusforschung,<br />
TU Berlin. Seit 2009 Mitglied des<br />
Lyrikkollektivs G13 und Mitherausgeber des<br />
<strong>Magazin</strong>s Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart.<br />
Gemeinsam mit Sasha Marianna Salzmann Initiator<br />
von Desintegration. Ein Kongress zeitgenössischer<br />
jüdischer Positionen (2016) sowie der Radikalen<br />
Jüdischen Kulturtage (2017) am Maxim Gorki<br />
Theater Berlin, Studio . 2018 wurde das Sachbuch<br />
„Desintegriert Euch!“ im Carl Hanser Verlag veröffentlicht,<br />
der Nachfolgeband ist für den Herbst<br />
2020 geplant. Die Gedichtbände „Druckkammern“<br />
(2012) und „Jubeljahre“ (2015) sowie „Grenzwerte“<br />
(2019) erscheinen im Verlagshaus Berlin.<br />
Buchtipp:<br />
Max Czollek:<br />
Grenzwerte<br />
Verlagshaus Berlin,<br />
116 S., € 18,40<br />
Veranstaltungstipps:<br />
Im Rahmen des Osterfestivals<br />
(www.osterfestival.at)<br />
Di., 31. März 2020,<br />
15:00 –15:30 Uhr;<br />
Wagner’sche – 40 ORTE:<br />
Lesung von Max Czollek<br />
mit Musik von<br />
Raphael Niederstätter<br />
Mi., 1. April 2020, 19:00 Uhr;<br />
Treibhaus: im Wandel<br />
Gesprächslesung von Aleida<br />
Assmann & Max Czollek<br />
Moderation: Brigitte<br />
Schwens-Harrant
Martin Sailer, ORF Tirol<br />
9 783903 667006<br />
© Thomas Schrott<br />
Alle Blicke<br />
richteten sich<br />
auf sie, aber<br />
sie schien<br />
ganz woanders<br />
zu sein.<br />
Eva Maria Gintsberg<br />
30 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Die Tiroler Schauspielerin Eva Maria<br />
Gintsberg legt mit „Die Reise“ (editionhimmel)<br />
ein fein ziseliertes literarisches<br />
Debüt vor und verwebt dabei mehrere<br />
Frauenschicksale zu einem dichten, fast<br />
magisch anmutenden Schicksalsgeflecht.<br />
Es geht um Schuld, Missbrauch, Todesangst<br />
und die allgemeine Sprachlosigkeit,<br />
insbesondere der Kriegs- und Nachkriegsgeneration.<br />
Das Schweigen, die nicht<br />
bewältigten Verletzungen, aber auch die<br />
Gefühlsarmut, so die Autorin, sollen<br />
aufgebrochen und in Worte gefasst werden.<br />
Du arbeitest seit Jahrzehnten<br />
erfolgreich als Schauspielerin –<br />
wie bist du auf die Idee gekommen,<br />
nun selbst zu schreiben?<br />
Ich wollte bereits als junge Frau Literaturwissenschaft<br />
studieren, aber durch Umwege<br />
kam es nicht dazu und ich wurde Schauspielerin.<br />
Vor ein paar Jahren habe ich das<br />
dann nachgeholt und Germanistik studiert.<br />
Über das Schreiben wissenschaftlicher<br />
Mit der Erzählung<br />
„Die Reise“ fasst sie<br />
die Sprachlosigkeit<br />
einer Generation<br />
in Worte. Ein<br />
Gespräch mit<br />
Bernd Schuchter<br />
Arbeiten kam ich schließlich zum<br />
literarischen Schreiben.<br />
Wie kann man sich das vorstellen?<br />
Die Universität ist derzeit ja nicht<br />
gerade bekannt dafür, Autoren<br />
hervorzubringen …<br />
Das stimmt in jedem Fall. Meine Seminararbeiten<br />
waren den Lehrenden dann auch<br />
oft zu literarisch (lacht). Aber es war<br />
tatsächlich so: Erst über das regelmäßige<br />
Schreiben habe ich gemerkt, dass es mir<br />
immer wichtiger wird. Ich habe gemerkt,<br />
da bin ich daheim, im Schreiben bin ich<br />
endlich angekommen.<br />
Eine Sehnsucht, die auch deine<br />
Figuren in gewisser Weise<br />
umtreibt. Sie alle irren ein wenig<br />
orientierungslos in einem kleinen<br />
Boot auf dem unüberschaubaren<br />
Ozean des Schicksals, sind<br />
zahlreichen Stürmen ausgesetzt.<br />
Eva Maria<br />
Gintsberg<br />
31<br />
So ist wohl das Leben: Es scheint<br />
manchmal zufällig zu sein, manchmal<br />
nicht. Es ist die Erfahrung im Leben,<br />
dass alles mit allem zusammenhängt.<br />
Einiges bleibt in dieser Reise bewusst<br />
Eva Maria Gintsberg ist Schauspielerin<br />
mit Engagements an<br />
offen. Es schieben sich die verschiedenen<br />
Theatern in Österreich, Südtirol,<br />
und in der Schweiz sowie in<br />
Film- und Fernsehrollen. Als<br />
»Vorleserin« erarbeitete sie<br />
Ebenen der unterschiedlichen Biografien<br />
zahlreiche literarisch-musikalische<br />
Programme. Studium der<br />
Germanistik. Ihre literarischen<br />
Arbeiten umfassen Lyrik, Prosa<br />
mehr und mehr ineinander. Indem und Drama. Sie lebt und man<br />
arbeitet<br />
am Wilden Kaiser in Tirol.<br />
sehr nahe an den Figuren dranbleibt,<br />
kann man den Lesenden mitnehmen<br />
und ihn wie einen stillen Beobachter in<br />
die Geschichte hineinziehen.<br />
Das hat eine fast magische<br />
Komponente, war mein Eindruck.<br />
Vor allem auch die raffinierte<br />
Erzählweise, da du eine zentrale<br />
Stelle der Reise – eine Zugfahrt –<br />
aus der Perspektive mehrerer<br />
Figuren erzählst. Das öffnet meiner<br />
Meinung nach die Wahrnehmung<br />
für die Vielfältigkeit der Welt.<br />
Das ist eine gute Beschreibung. Es<br />
geht in meinem Schreiben um Wahrnehmung,<br />
um die Körperlichkeit der<br />
Sprache, auch um eine assoziative Beschreibung<br />
von Wirklichkeit, es geht um<br />
Gerüche, Eindrücke, Kleinigkeiten.<br />
Dabei werden vornehmlich<br />
schwere Themen verhandelt, es<br />
geht um Selbstbeschädigungen<br />
und das Schweigen. Wie aktuell<br />
empfindest du dieses Leiden an der<br />
Sprachlosigkeit der Kinder von<br />
Eltern der Kriegsgeneration?<br />
Leider sehr aktuell. Geredet wird zwar<br />
sehr viel, aber es bleibt häufig an der Oberfläche.<br />
Wir leben heute in einer Art von<br />
Erwartungsgesellschaft, in der wir uns<br />
mit unserem ständigen Konsum selbst<br />
beschädigen, weil diese Erwartungen natürlich<br />
nie und nimmer erfüllt werden können.<br />
Mehr Langsamkeit, mehr Innehalten und<br />
mehr Zuhören wären da wünschenswert.<br />
Bleibt die Frage nach den<br />
literarischen Vorbildern; einige<br />
Autorinnen und Autoren blinzeln<br />
durch die Zeilen deines Buches.<br />
Vor allem Cees <strong>No</strong>oteboom und seine<br />
Kunst, die verschiedenen Zeiten und<br />
Ebenen in seinen Geschichten miteinander<br />
zu verschränken. Annie Ernaux ist mir<br />
wichtig, und natürlich Selma Merbaum.<br />
Es ist erstaunlich, welche Kraft in einem<br />
so zarten Alter im Körper dieser<br />
Schriftstellerin schlummerte.<br />
Was bedeuten die Buchstaben „I.L.F.“,<br />
die eine junge Frau in der Kriegskorrespondenz<br />
ihres verstorbenen<br />
Vaters fand? Er hat sein Leben lang nie<br />
mit ihr über seine Erfahrungen in dieser<br />
Zeit gesprochen. War da eine andere<br />
Frau? Etwas Ungeheures, das nicht<br />
ausgesprochen werden durfte? Franz war<br />
Kamerad ihres Vaters im Feld, er könnte<br />
das Geheimnis der drei Lettern kennen.<br />
Zu ihm ist sie nun im Zug unterwegs.<br />
»Eva Maria Gintsbergs Prosa ist von großer Ruhe<br />
getragen, von sensiblem, genauem Blick gespeist.<br />
So werden Schicksale fühlbar – in ihrem Offensichtlichen<br />
genauso wie in ihren Geheimnissen. Da wird nichts<br />
verkünstelt, da führt Sprache ohne falsche Schnörkel<br />
zur Wirklichkeit – und es ist beim Lesen, als säße man<br />
persönlich der Autorin gegenüber, die erzählt.«<br />
bäng #001<br />
isbn 978-3-903667-00-6<br />
Eva Maria Gintsberg, geboren 1966 in Tirol,<br />
Schauspielerin und Schriftstellerin. Schauspielstudium<br />
u.a. bei Rolph Sarkis in Zürich, in Wien<br />
und in Innsbruck. Seit der Mitte der Achtzigerjahre<br />
zahlreiche Engagements als Schauspielerin und<br />
Regisseurin. Als „Vorleserin“ bekannt mit zahlreichen<br />
literarisch-musikalischen Programmen<br />
zu unterschiedlichsten Themen. „Die Reise“ ist<br />
ihr literarisches Debüt.<br />
Eva Maria Gintsberg Die Reise<br />
Eva<br />
Maria<br />
Gintsberg<br />
Die<br />
Reise<br />
Erzählung<br />
Buchtipp:<br />
Eva Maria Gintsberg:<br />
Die Reise<br />
editionhimmel, 76 S.,<br />
€ 17,90<br />
Lesung:<br />
„Die Reise“<br />
Mit Eva Maria Gintsberg<br />
Moderation: Robert Renk<br />
Do., 23. April 2020, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / 7,–<br />
(mit Ö1- oder Wagner-Card)
© IsoldeOhlbaum<br />
Die Wahrheit<br />
dauert<br />
maximal<br />
zwanzig<br />
Zeilen.<br />
Monika Helfer<br />
32 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Du hast an die 20 Bücher publiziert,<br />
Romane, Erzählungen, Kinderbücher.<br />
Der Roman „Die Bagage“ scheint<br />
mir der erste zu sein, in dem du<br />
direkt aus deiner Familiengeschichte<br />
schöpfst. Irre ich mich? Und wie<br />
kam es dazu?<br />
Ich habe immer wieder Splitter aus meiner<br />
Familiengeschichte verwendet. Mit<br />
diesem Roman habe ich gewartet, bis die<br />
Hauptpersonen nicht mehr unter den<br />
Lebenden sind, ich wollte niemanden<br />
kränken, auch wenn das Ganze in einen<br />
Roman eingebunden ist und die Wahrheit<br />
maximal zwanzig Zeilen dauert.<br />
Du erzählst die Geschichte deiner<br />
Großmutter, deren Fehler es war,<br />
dass sie so schön war. Deine Mutter<br />
hat dich oft mit ihr verglichen. War<br />
dir das unangenehm und ist Schönheit<br />
auch in unseren Zeiten ein Nachteil?<br />
Erstens war ich niemals so schön wie sie,<br />
zweitens war auf dem Dorf Schönheit,<br />
beziehungsweise Anderssein eine schwierige<br />
Monika<br />
Helfer<br />
Die Fürstin der<br />
österreichischen<br />
Literatur hat nun<br />
einen berührenden<br />
Roman über<br />
ihre Großmutter<br />
geschrieben.<br />
Ein Gespräch mit<br />
Robert Renk<br />
33<br />
Sache, da gab es Neid und Missgunst,<br />
die Frauen sagten sich, warum nicht ich,<br />
die Männer sagten sich, warum gehört<br />
sie dem Josef, ihrem Mann, und nicht mir.<br />
Wie viele Gespräche waren nötig und<br />
was war das Überraschendste, das du<br />
über deine Familie erfahren hast?<br />
Ich hatte nur mit meiner Tante geredet,<br />
da war sie schon über neunzig, und sie,<br />
wenn sie so richtig in Fahrt war, konnte<br />
phantasieren und glaubte dabei, es sei<br />
die Wahrheit.<br />
In „Die Bagage“ beschreibst du auch<br />
sehr schön das Charakteristische am<br />
Dorfleben. Einen Satz habe ich mir<br />
dick angestrichen, der das Ganze,<br />
Neid & Vorurteile, die so schnell<br />
entstehen – meines Erachtens –<br />
auf den Punkt bringt: „Das sagte<br />
alles, obwohl keiner genau<br />
wusste, was es sagte.“ Hast du die<br />
Erfahrung gemacht, dass sich da<br />
etwas verändert hat?<br />
Ich lebe ja nicht mehr auf dem Dorf,<br />
fast bin ich versucht zu sagen, zum Glück.<br />
Wenn man so eng aneinander lebt, weiß<br />
jeder alles von jedem, und wenn man nicht<br />
alles weiß, wird dazuerfunden.<br />
Der Roman ist auch ein Roman über<br />
Sprache, nicht nur, weil er sprachlich<br />
ganz einzigartig, ebenso einfach wie<br />
kunstvoll gearbeitet ist. Es ist auch<br />
ein Roman über den Dialekt und das<br />
Hochdeutsche. Im Dialekt, schreibst<br />
du, gibt es keine Möglichkeit „Ich<br />
liebe Dich“ zu sagen. Die Sprache<br />
war mit ein Grund, warum sich<br />
deine Großmutter in den Georg aus<br />
Hannover verschaut hat. Jetzt bist<br />
du selbst in einer Gegend<br />
aufgewachsen, wo ein durchaus<br />
intensiver Dialekt gebräuchlich ist.<br />
Wie stehst du zum Dialekt?<br />
Ich finde Dialekt, wenn er nicht verfälscht<br />
ist, schön. Wir reden zu Hause im Dialekt.<br />
Viele deiner Romane werden aus der<br />
Sicht von Kindern geschildert, auch<br />
in „Die Bagage“ spielen Kinder und<br />
deren Sichtweise des Ganzen eine<br />
schöne Rolle. Warum ist es dir so<br />
wichtig, den Kinderblick ernsthaft in<br />
Erwachsenenromane zu hieven?<br />
Ich war immer von Kindern umgeben, und<br />
glaube deshalb, dass ich sie gut verstehe.<br />
Danke für das Gespräch.<br />
Ich bedanke mich ebenso.<br />
Monika Helfer, geboren 1947 in Au/Bregenzerwald,<br />
lebt als Schriftstellerin mit ihrer Familie in<br />
Vorarlberg. Sie hat Romane, Erzählungen und<br />
Kinderbücher veröffentlicht, darunter: „Kleine<br />
Fürstin“ (1995), „Wenn der Bräutigam kommt“<br />
(1998) u.v.m. Gemeinsam mit ihrem Mann Michael<br />
Köhlmeier veröffentlichte sie 20<strong>10</strong> das Kinderbuch<br />
„Rosie und der Urgroßvater“ sowie „Der Mensch ist<br />
verschieden. 33 Charaktere“ (Haymon Verlag 2017).<br />
Für ihre Arbeiten wurde sie unter anderem mit dem<br />
Robert-Musil-Stipendium und dem Österreichischen<br />
Würdigungspreis für Literatur ausgezeichnet. Mit<br />
ihrem letzten Roman „Schau mich an, wenn ich mit<br />
dir rede“ (2017) war sie für den Deutschen Buchpreis<br />
nominiert.<br />
Buchtipp:<br />
Monika Helfer:<br />
Die Bagage<br />
Hanser Verlag, 160 S.,<br />
€ 20,20<br />
Buchpräsentation:<br />
„Die Bagage“<br />
Mit Monika Helfer<br />
Moderation: Nicola Steiner<br />
Mo., 27. April 2020, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / 7,–<br />
(mit Ö1- oder Wagner-Card)<br />
Moderation:<br />
Nicola Steiner<br />
(SFR)<br />
© Mirjam Kluka
© Isabell Schatz<br />
Das Spiel<br />
mit der<br />
Sprache,<br />
die Prosa<br />
fehlt mir<br />
manchmal …<br />
Kathrin Resetarits<br />
34 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Frau Resetarits, die 43. Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche beschäftigen<br />
sich mit dem Thema „Film“. –<br />
Zum Film haben Sie viele Zugänge:<br />
als Schauspielerin, Dramaturgin,<br />
Drehbuchautorin und Regisseurin;<br />
in welcher Rolle fühlen Sie sich<br />
am wohlsten?<br />
Jede dieser Funktionen hat ihre Vor- und<br />
Nachteile. Beim Schreiben ist man vorerst<br />
einmal alles – Schauspielerin, Kamerafrau,<br />
Regisseurin, Ausstatterin … weil man ja<br />
einen Film im eigenen Kopf macht. Man<br />
hat also in dieser Phase größte Gestaltungsfreiheit,<br />
dafür fehlt einem aber das Arbeiten<br />
am Set, das eigentliche Wunder des Filmemachens,<br />
wenn sich unkontrollierbare<br />
Realität mit den eigenen Vorstellungen<br />
vermischt, und im besten Fall etwas Größeres<br />
rauskommt, das einen überraschen und<br />
verzaubern kann.<br />
Sie sind – seit der Klavierspielerin<br />
(2001) – künstlerische Assistentin<br />
von Michael Haneke. Wie sieht<br />
Kathrin<br />
Resetarits<br />
Über das Spiel mit<br />
der Sprache, das<br />
Wunder des Filmemachens<br />
und die<br />
Wirkmächtigkeit<br />
bewegter Bilder.<br />
Ein Gespräch mit<br />
Joe Rabl<br />
35<br />
die Zusammenarbeit mit Michael<br />
Haneke konkret aus?<br />
Michael leistet sich mit mir quasi den<br />
Luxus einer zweiten Meinung. Beim Drehen<br />
sitze ich meistens vor dem Monitor, auf<br />
dem zu sehen ist, was gerade gedreht wird,<br />
und mach mir meine eigenen Gedanken<br />
dazu. Er ist bei den Schauspielern und<br />
kommt dann wieder zu mir, um die<br />
Einstellungen zu sichten und sich mit mir<br />
auszutauschen. Wir arbeiten gerne und<br />
gut zusammen, auch wenn wir naturgemäß<br />
nicht immer einer Meinung sind<br />
– wenn dem so wäre, könnte er sich mich<br />
auch sparen.<br />
Sie sind Gründungsmitglied des<br />
Vereins „FC Gloria – Frauen<br />
Vernetzung Film“. Was macht der<br />
Verein und was sind die dringlichsten<br />
Anliegen?<br />
FC Gloria setzt sich für die Wahrnehmung<br />
der Interessen von Frauen in der österreichischen<br />
Filmbranche ein, um zu einer<br />
geschlechtergerechten Zukunft beizutragen.<br />
Der Frauenanteil hinter der Kamera ist<br />
nach wie vor erschreckend gering, das<br />
wollen wir ändern.<br />
Unter anderem geht es darum,<br />
eine höhere Diversität der erzählten<br />
Geschichten zu erreichen. Film ist ein<br />
sehr wirkmächtiges Medium, wer wessen<br />
Geschichten in welcher Form erzählt, bestimmt<br />
unsere Gesellschaft stark. Es gibt<br />
ein afrikanisches Sprichwort, das ungefähr<br />
so lautet: Solange die Löwen keine Geschichte(n)<br />
haben, werden Geschichten<br />
über die Jagd immer die Jäger glorifizieren.<br />
Sie unterrichten Drehbuch an<br />
der Filmakademie Wien. Was ist<br />
das Wichtigste, das Sie an die<br />
Studierenden dort weitergeben<br />
können?<br />
Das Wichtigste zu benennen fällt mir<br />
schwer bei etwas, das mir so wichtig ist.<br />
Aber unter anderem möchte ich vermitteln,<br />
wie entscheidend es fürs Erzählen<br />
ist, von sich selbst auszugehen, sich<br />
selbst zu erkunden und mit einer gewissen<br />
Offenheit und Aufrichtigkeit ins Erzählen<br />
zu gehen. Sich auf sich selbst anstatt auf<br />
Schablonen und Klischees zu verlassen.<br />
Die eigenen Erfahrungen mit der Welt<br />
ernst zu nehmen und sie mitzuteilen<br />
erfordert Mut, Forschergeist und ein<br />
Bedürfnis, die eigene Einsamkeit aufzulösen,<br />
es lohnt aber auf allen Ebenen.<br />
Vor Jahren haben Sie auch<br />
als Autorin debütiert, mit dem<br />
Prosaband „Vögel sind zu Besuch“<br />
(Czernin Verlag, 2007). Danach gab<br />
es nur noch sporadische literarische<br />
Veröffentlichungen. Warum?<br />
Ja, warum eigentlich? Vielleicht sollte ich<br />
wieder mehr Zeit dafür schaffen. Beim<br />
Drehbuchschreiben geht es ja darum, eine<br />
möglichst verständliche Vorlage für das<br />
eigentliche Werk, den Film, zu schaffen,<br />
dadurch liegt der Fokus mehr auf den<br />
Bildern und Tönen, die entstehen sollen,<br />
weniger auf der Sprache an sich. Und das<br />
Spiel mit der Sprache, die Prosa fehlt mir<br />
manchmal. Wahrscheinlich schreibe ich<br />
deswegen so gerne Dialoge …<br />
Literatur und Film haben, bei allen<br />
formalen Unterschieden, auch<br />
viele Gemeinsamkeiten. Was ist<br />
wirkmächtiger – Worte oder Bilder?<br />
Bücher oder Filme?<br />
Was den Mainstream betrifft, mittlerweile<br />
sicher Filme und Serien, weil die noch<br />
angeschaut werden. Bewegte Bilder sind<br />
attraktiv, und man muss nicht lesen<br />
lernen, um sich von ihnen unterhalten<br />
zu lassen.<br />
Kathrin Resetarits, geboren 1973 in Wien, studierte<br />
Theaterwissenschaft und Philosophie an der<br />
Universität Wien und Regie an der Wiener Filmakademie.<br />
Autorin, Dramaturgin, Regisseurin<br />
und Schauspielerin (u.a. Böse Zellen, Crash Test<br />
Dummies, Fallen, L’Animale); künstlerische Assistentin<br />
von Michael Haneke; Co-Autorin der Kabarettprogramme<br />
ihres Vaters Lukas Resetarits. Veröffentlichte<br />
Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien<br />
sowie 2007 den Band „Vögel sind zu Besuch“ im<br />
Czernin Verlag. Kurz-, Dokumentar- und Essayfilme<br />
(Regie und Buch): Ägypten (1997), Fremde (1999),<br />
Ich bin ich (2006). Ihr Drehbuch zu Licht (R: Barbara<br />
Albert) wurde mit dem Thomas-Pluch-Drehbuchpreis<br />
2018 ausgezeichnet. Unterrichtet Drehbuch an<br />
der Filmakademie Wien und als Gastdozentin an der<br />
Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Kathrin Resetarits ist bei den<br />
43. Innsbrucker Wochenendgesprächen<br />
vom 7. bis 9. Mai<br />
2020 zu Gast.
43. Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche<br />
7. bis 9. Mai 2020<br />
Do., 7.5.2020<br />
20.15 Uhr: ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />
Lesung: Peter Stephan Jungk, Julya Rabinowich, Dimitré Dinev,<br />
Cornelia Travnicek, Kurt Palm; Moderation: Birgit Holzner<br />
Fr., 8.5.2020<br />
Gespräche im Haus der Musik, 5. Stock, Vorlesungssaal 05.07.11<br />
<strong>10</strong>.00 –12.00 Uhr: Clemens Aufderklamm, Lorenz Langenegger,<br />
Kathrin Resetarits<br />
15.00 –17.00 Uhr: Thomas Ballhausen, Cornelia Travnicek,<br />
Herbert J. Wimmer<br />
Moderation: Peter Stephan Jungk<br />
Sa., 9.5.2020<br />
Gespräche im Haus der Musik, 5. Stock, Vorlesungssaal 05.07.11<br />
<strong>10</strong>.00 –12.00 Uhr: Dimitré Dinev, Kurt Palm, Julya Rabinowich<br />
15.00 –17.00 Uhr: Gespräch mit allen Autorinnen und Autoren<br />
Moderation: Peter Stephan Jungk<br />
20.15 Uhr: ORF Tirol Studio 3, Rennweg 14<br />
Lesung: Clemens Aufderklamm, Kathrin Resetarits,<br />
Thomas Ballhausen, Herbert J. Wimmer, Lorenz Langenegger;<br />
Moderation: Joe Rabl<br />
Corporate Design<br />
Fotografie<br />
Packaging<br />
Buchgestaltung<br />
Informationsdesign<br />
Editorial<br />
Ausstellungen<br />
Specials<br />
www.himmel.co.at<br />
© Familie Suschitzky<br />
Literatur und Film – zwei Medien, die mit<br />
unterschiedlichen Mitteln dasselbe wollen:<br />
Geschichten erzählen. Geschichten, die<br />
unser Denken verändern, unseren Blick<br />
auf uns selbst und auf andere hinterfragen<br />
und erweitern. Aber was sind die formalen<br />
Mittel und Strategien von Film und/oder<br />
Literatur? Was ist ihnen gemeinsam und<br />
was unterscheidet sie? Wie beeinflussen sie<br />
sich gegenseitig? Und wie lassen sich Stilmittel<br />
des jeweils anderen Mediums für die<br />
eigene Arbeit nutzbar machen?<br />
Der Film als Quelle der Inspiration für die<br />
Literatur – vice versa – ist Thema der 43.<br />
Innsbrucker Wochenendgespräche. Der<br />
Fokus der Veranstaltung liegt neben den<br />
Lesungen bei den Diskussionen, weshalb<br />
über Film und Literatur in allen Facetten<br />
gesprochen werden wird.<br />
Unter der Leitung von Peter Stephan<br />
Jungk, der einen bewegenden Film über<br />
seine Großtante, die Fotografin, Spionin<br />
für die Sowjetunion und alleinerziehende<br />
Mutter Edith Tudor-Hart, gedreht hat,<br />
diskutieren:<br />
Clemens Aufderklamm, Thomas Ballhausen,<br />
Dimitré Dinev, Lorenz Langenegger,<br />
Kurt Palm, Julya Rabinowich, Kathrin<br />
Resetarits, Cornelia Travnicek und Herbert<br />
J. Wimmer.<br />
Fotoprojekt:<br />
Chemical Aesthetics (2020)
© Marcus Höhn<br />
Buchtipp:<br />
María Cecilia Barbetta:<br />
Nachtleuchten<br />
S. Fischer Verlag, 528 S., € 13,40<br />
Die<br />
Imagination<br />
ähnlich wie<br />
der Glaube<br />
versetzt Berge.<br />
María Cecilia Barbetta<br />
38<br />
Wagner’sche.<br />
Du hast zwei Romane geschrieben,<br />
beide spielen in Stadtteilen von<br />
Buenos Aires. „Änderungsschneiderei<br />
Los Milagros“ spielt in Almagro,<br />
dein letztes Buch „Nachtleuchten“<br />
in einem Stadtteil, in dem du<br />
aufgewachsen bist, in Ballester.<br />
Dennoch schreibst du deine Romane<br />
auf Deutsch. Warum?<br />
Weil die Durchdringung beider Welten, zu<br />
denen ich mich zugehörig fühle, für mein<br />
Schreiben wesentlich ist. Auch wenn die<br />
beiden Romane, die ich bis jetzt geschrieben<br />
habe, in Argentinien spielen, sind sie vollständig<br />
auf Deutsch gedacht und zum Teil<br />
von Deutschland inspiriert. Das betrifft weniger<br />
die Figurenzeichnung als vielmehr das<br />
Lokalkolorit, mit dem ich mein Argentinien<br />
anreichere. Die Änderungsschneiderei, der<br />
Laden, der mich zu meinem ersten Buch<br />
animierte, stand damals in Berlin, nicht<br />
im Stadtviertel Almagro, wie die Fiktion<br />
uns glauben lässt. Ähnlich verhält es sich<br />
mit der Bar Tolucci oder dem Friseursalon<br />
Ewige Schönheit in „Nachtleuchten“,<br />
Sie war die Entdeckung<br />
bei den<br />
Festivals in<br />
Leukerbad und<br />
Hausach, und<br />
nun liest sie<br />
auch in Tirol.<br />
Und das gleich<br />
zweimal!<br />
Ein Gespräch mit<br />
Robert Renk<br />
die in Wahrheit aus Berlin stammen. Ich<br />
verpflanze sie einfach von einer Stadt in<br />
die andere, von Europa nach Südamerika.<br />
Aus der Science-Fiction kennt man den<br />
Begriff der Teleportation, den ich mir<br />
ausleihe, um daran zu erinnern, dass die<br />
Übertragung von Materie, von Information<br />
oder was auch immer von einem Ort<br />
zum anderen – nicht bloß über Räume,<br />
sondern auch über Zeiten hinweg – jedes<br />
Mal möglich ist, wenn wir unsere Phantasie<br />
als Motor einsetzen. Das schöne deutsche<br />
Wort Vorstellungskraft ruft das Vermögen<br />
ins Gedächtnis, das unseren Gedanken<br />
innewohnt. Die Imagination ähnlich wie<br />
der Glaube versetzt Berge im wortwörtlichen<br />
Sinne des Wortes. Aber auch so lässt<br />
sich nicht alles von der zweiten in die erste<br />
Heimat übertragen. Das meiste entsteht im<br />
Reich der Fiktion, in dem es ohnehin keine<br />
Ländergrenzen gibt.<br />
Du beschreibst einmal deine argentinische<br />
Herkunft und deine Liebe<br />
zur deutschen Sprache und Kultur mit<br />
María Cecilia<br />
Barbetta<br />
dem Bild von Pegasus. Was können<br />
wir uns darunter vorstellen?<br />
Das Bild stammt leider nicht von mir,<br />
ich leihe es mir von dem Literaturwissenschaftler<br />
Wolfgang Iser aus. Er erinnert<br />
daran, dass der Pegasus das Symbol<br />
der Einbildungskraft ist, um dann zu<br />
behaupten, dass weder die Flügel noch<br />
der Körper dieses Fabelwesen ausmachen,<br />
sondern die besondere Stelle, in der die<br />
Flügel in den Körper des Pferdes übergehen.<br />
Diesen magischen Schnittpunkt gilt<br />
es also, unter die Lupe zu nehmen, denn<br />
dort sitzt die Einbildungskraft. Genau<br />
an dieser Schnittstelle verortet, liegt das<br />
Argentinien meiner Bücher.<br />
Dein Roman „Nachtleuchten“, der<br />
soeben als Taschenbuch erschienen<br />
ist, spielt in einer dunklen Zeit der<br />
argentinischen Geschichte, dennoch<br />
bringst du in dieser Zeit auch Dinge<br />
zum Leuchten. Was war das für eine<br />
schwierige, dunkle Zeit? War es<br />
dir wichtig, dass die Leute, die du<br />
beschreibst, dennoch den Glauben<br />
an die Zukunft, an das Licht nicht<br />
verlieren?<br />
Der Roman spielt am Vorabend der<br />
Militärdiktatur, in einer Übergangszeit, in<br />
der sich trotz Demokratie bereits einiges<br />
anbahnt, was später leider tragischer Alltag<br />
wird. Wenngleich die politische Dimension<br />
der Bedrohung im Laufe des Romans<br />
immer konkreter wird, habe ich Figuren<br />
entworfen, die das Leben achten und in<br />
Ehren halten, indem sie – aller Gefahr zum<br />
Trotz – Freundschaften pflegen, Träume<br />
und Zukunftsbilder nicht verraten. Ich<br />
wollte nicht das Trauma in den Vordergrund<br />
stellen, sondern Helden, die dagegen<br />
ankämpfen und sich behaupten, indem sie<br />
unspektakulär menschlich bleiben.<br />
Im Roman spielt auch eine<br />
Autowerkstatt eine wichtige Rolle.<br />
Sie heißt „AUTOPIA“. Diesem Ort<br />
zu Ehren wird deine Lesung in Telfs<br />
auch extra in einer Autowerkstatt<br />
stattfinden. Hat es da persönliche<br />
Gründe?<br />
Mein Großvater mütterlicherseits, der<br />
Pate gestanden hat für die Figur von<br />
Julio El Haddad im Roman, war Automechaniker.<br />
Er hatte eine Autowerkstatt in<br />
Ballester, und dort habe ich mich als Kind<br />
liebend gern umgetrieben.<br />
Hattest du schon einmal eine Lesung<br />
in einer Autowerkstatt?<br />
Trotz meiner Nähe zum Setting: absolute<br />
Weltpremiere! Riesige Vorfreude!<br />
María Cecilia Barbetta wurde 1972 in Buenos Aires<br />
geboren, wuchs in dem Einwandererviertel Ballester,<br />
in dem ihr Roman „Nachtleuchten“ spielt, auf und<br />
besuchte dort die deutsche Schule. 1996 zog sie nach<br />
Berlin und blieb. Ihr erster Roman, „Änderungsschneiderei<br />
Los Milagros“ (2008), wurde unter anderem<br />
mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet.<br />
María Cecilia Barbetta schreibt auf Deutsch. Ihr<br />
zweiter Roman über den Vorabend eines politischen<br />
Umsturzes, „Nachtleuchten“ (2018), wurde mit dem<br />
Alfred-Döblin-Preis geehrt, dem Chamisso-Preis/<br />
Hellerau und stand auf der Shortlist für den<br />
Deutschen Buchpreis.<br />
Lesungen:<br />
María Cecilia Barbetta liest aus<br />
„Nachtleuchten“<br />
am 31.3.2020 um 19:30 Uhr<br />
im Autohaus Neurauter<br />
(Saglstraße 78 – Telfs)<br />
Moderation: Robert Renk<br />
am 3.4.2020 um 19:30 Uhr in der<br />
Wagner’schen, im Rahmen des<br />
18. Prosafestivals, gemeinsam<br />
mit Simone Lappert,<br />
Dominik Barta und Fee Brembeck<br />
Eintritt: frei
Volljährig – das<br />
18. Innsbrucker Prosa Festival<br />
Von Liechtenstein über Argentinien zur Jüdischen<br />
Weltverschwörung: Literatur bringt einen überall hin.<br />
Bitte einsteigen … Von Markus Köhle & Robert Renk<br />
Do, 2. April, 20 Uhr<br />
Stadtbibliothek<br />
1 Markus Orths (D)<br />
2 David Fuchs (A)<br />
3 Ulrike Ulrich (CH)<br />
4 Lorenz Langenegger (CH)<br />
© 8ung Kultur<br />
Fr, 3. April, 20 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
1 María Cecilia Barbetta<br />
(ARG/D)<br />
2 Dominik Barta (A)<br />
3 Simone Lappert (CH)<br />
4 Fee Brembeck (D)<br />
Hurra! Wir sind erwachsen! Wir haben<br />
es amtlich, wir sind mündig und nehmen<br />
es einmal mehr schriftlich. Denn wir<br />
sind verschossen in Literatur. Wir lesen<br />
und lassen vorlesen. Das Innsbrucker Prosa<br />
Festival ist sich seiner Großjährigkeit<br />
bewusst und nimmt die Verantwortung,<br />
gut gewählte Literatur zu verbreiten,<br />
gerne an. Der Verein 8ungKultur macht<br />
das erneut möglich.<br />
Das heißt: Auch dieses Jahr dürfen wir<br />
Ihnen 12 Autorinnen und Autoren aus<br />
dem gesamten deutschen Sprachraum (und<br />
darüber hinaus) präsentieren, die aus den<br />
unterschiedlichsten Gründen in der gegenwärtigen<br />
Literaturlandschaft herausragend<br />
sind. Drei Tage, drei Orte, drei Moderatoren,<br />
12 Autorinnen und Autoren. Das reimt<br />
sich noch immer und ist wie immer gut,<br />
wird aber noch besser durch Sie, durch<br />
Ihr Dabeisein.<br />
Diesmal gibt es ein musikalisches Plus<br />
der Sonderklasse: Die Singer-Songwriterin<br />
Nnella wird jeden Abend für das passende<br />
Intro sorgen und garantiert verzaubern.<br />
Der Auftakt findet am Donnerstag,<br />
den 2. April in der neuen Stadtbibliothek<br />
(Amraser Straße 2) statt. Am Freitag, den<br />
3. April ist die Wagner’sche Buchhandlung<br />
(Museumstraße 4) Gastgeber und am<br />
Samstag, den 4. April 2018 besiegeln wir<br />
den Dreitage-Literatur-Staffellauf<br />
im BRUX – Freies Theater Innsbruck<br />
(Wilhelm-Greil-Straße 23) mit Musik von<br />
DJ Martin Fritz sowie Tanz und Ekstase<br />
von allen Beteiligten.<br />
Sa, 4. April, 20 Uhr<br />
BRUX<br />
1 Thomas Meyer (CH)<br />
2 Irmgard Fuchs (A)<br />
3 Tonio Schachinger (A)<br />
4 Benjamin Quaderer (FL)<br />
Robert Renk, Markus Köhle und<br />
Martin Fritz moderieren, führen einleitende<br />
Gespräche mit den Autorinnen<br />
und Autoren, beschenken diese textmotiviert<br />
und haben wie immer einen<br />
schillernden Querschnitt der aktuell<br />
schreibenden Zunft eingeladen. Carmen<br />
Sulzenbacher sorgt für die Organisation<br />
und Betreuung aller.<br />
Lesen macht nicht nur erwachsen, es hält<br />
auch jung. Das ist nicht paradox, das ist<br />
das sogenannte Lektürewunder. Jedes Buch<br />
ist eine geistige Frischzellenkur. Andere<br />
mögen sich Kurschatten halten, Leserinnen<br />
und Leser halten sich Bücher. Kurschatten<br />
sind ephemere Phänomene, Bücher sind<br />
bleibende Werte. Zurecht nimmt niemand<br />
einen Kurschatten mit nach Hause. Bücher<br />
aber lassen sich nur zu gerne mit nach<br />
Hause nehmen. Mit Büchern kann man<br />
bedenkenlos ist Bett gehen. Bücher tun<br />
selten physisch wirklich weh, einschlafbedingte<br />
Buchkantendruckstellen da und<br />
dort sind schöne Erinnerungsmerkmale.<br />
Bücher lassen sich aber auch gut ins Regal<br />
stellen. Und wer nicht lesen will, kann<br />
trotzdem kaufen und verschenken. Und wer<br />
nicht lesen will, kann sich auch vorlesen<br />
lassen und zwar von Meisterinnen und<br />
Meistern ihres Faches, die es verstehen, die<br />
Nacht leuchten und ein Jahr ohne Winter<br />
vergehen zu lassen. Die Picknicken im<br />
Dunkeln und den Sprung wagen. Denn in<br />
der Literatur gilt wie immer: Hier ist noch<br />
alles möglich.<br />
Ihr Team Robert Renk, Markus Köhle,<br />
Martin Fritz & Carmen Sulzenbacher<br />
Wir befinden uns auf einer<br />
Dachterrasse. Dort feiert Alexa<br />
ihren Geburtstag mit 40 Freunden,<br />
einer bunten Mischung<br />
aus Einheimischen und Ausländern<br />
mitten in der schönen<br />
Schweiz. Und natürlich läuft<br />
dabei einiges aus dem Ruder.<br />
„Wer erfahren will, wie sich das<br />
Leben (…) in einem der Herzen<br />
des Kapitalismus anfühlt (…)<br />
und wie die große Politik auf<br />
die private Liebe wirkt, der<br />
sollte diesen rasanten, bitteren<br />
und immer wieder komischen<br />
Roman lesen“. Diesen Worten<br />
von Büchner-Preisträger<br />
Bärfuss ist nichts hinzuzufügen.<br />
Robert Renk<br />
Ulrike Ulrich:<br />
Während wir feiern<br />
Berlin Verlag, 272 S., € 22,70<br />
Wolkenbruch ist wieder da. Die<br />
Fortsetzung hebt ab und holt<br />
aus: Der orthodoxe Jude Motti<br />
wird Teil der Gruppe „Verlorene<br />
Söhne Jerusalems“, die<br />
die jüdische Weltverschwörung<br />
im Sinn hat. Aber die Nazis in<br />
der Alpenfestung wissen sich<br />
auch zu helfen. Sie werfen die<br />
Hassmaschine an, setzen eine<br />
Agentin auf Motti an und<br />
starten die Reichsflugscheibe.<br />
Die Welt stünde wohl nicht<br />
mehr lange, wenn die Mamme<br />
nicht wäre. Ein phantasie- und<br />
humorvolles Leseereignis!<br />
Markus Köhle<br />
Thomas Meyer:<br />
Wolkenbruchs waghalsiges<br />
Stelldichein mit der Spionin<br />
Diogenes Verlag, 275 S., € 24,70<br />
Wer träumt nicht davon, sich<br />
im Alter mit Gleichgesinnten in<br />
eine Alten-WG zu begeben. Das<br />
stellen wir uns fein & lustig vor.<br />
Doch die Realität kann ganz<br />
anders ausschauen, das beschreibt<br />
David Fuchs in seinem<br />
neuen Roman eindringlich.<br />
Daniel, der nur kurz seine Verwandten<br />
besucht, ist erschüttert<br />
über die spezielle WG, die er<br />
vorfindet. Dementer Onkel,<br />
krebskranker Nachbar und eine<br />
völlig überforderte Tante. Daniel<br />
versucht zu helfen, das geht<br />
aber manchmal nach hinten los.<br />
Sehr eindrücklich!<br />
Robert Renk<br />
David Fuchs:<br />
Leichte Böden<br />
Haymon Verlag, 208 S., € 19,90<br />
Egal ob er realen Figuren nachschreibt<br />
(„Max“) oder ganze<br />
Universen erfindet („Alpha<br />
und Omega“), immer sind seine<br />
Romane bestens recherchiert<br />
und unglaublich lustig. Nun<br />
bringt Markus Orths – der<br />
Mann der <strong>10</strong>00 Ideen – zwei<br />
Figuren in eine unmögliche<br />
Situation. Nicht nur, dass Stan<br />
Laurel plötzlich auf Thomas<br />
von Aquin trifft, passiert das in<br />
einem Tunnelsystem in vollkommener<br />
Finsternis. Um so<br />
erhellender sind die Gespräche,<br />
die unsere zwei Helden führen.<br />
Großartig!<br />
Robert Renk<br />
Markus Orths:<br />
Picknick im Dunkeln<br />
Hanser Verlag, 240 S., € 22,70<br />
Jakob Walter wieder auf Reisen.<br />
Diesmal hat es ihn nach<br />
Australien verschlagen. Er hat<br />
dort seine Ex-Frau zu suchen.<br />
Jakob stellt sich viele Lebensfragen<br />
und stellt sich schließlich<br />
auch der Konfrontation<br />
mit seiner Ex. Vorher aber gilt<br />
es, Kontakt mit geheimnisvollen<br />
Ureinwohnern, skurrilen<br />
Exil-Deutschen und einem<br />
charismatischen Guru auf- und<br />
viel Ungewissheit in Kauf zu<br />
nehmen. Es geht also um alles,<br />
um das Leben an sich. Poetisch<br />
und witzig gleichermaßen.<br />
Markus Köhle<br />
Lorenz Langenegger:<br />
Jahr ohne Winter<br />
Jung und Jung Verlag, 160 S., € 20,–<br />
Benjamin Quaderer hat sich für<br />
seinen Debütroman inspirieren<br />
lassen vom großen internationalen<br />
Steuerskandal, in<br />
den sein Heimatland Liechtenstein<br />
2008 verwickelt war.<br />
Johann Kaiser heißt im Roman<br />
der Datendieb, der die Affäre<br />
ins Rollen brachte. Kaiser selbst<br />
erzählt seine turbulente Lebensgeschichte<br />
und damit seine<br />
Motivation zu handeln. Dies ist<br />
ebenso spannend zu lesen wie es<br />
spannend ist, sich beim Lesen<br />
dabei zu ertappen, wie wir dem<br />
geschickten Erzähler immer<br />
wieder auf den Leim gehen.<br />
Martin Fritz<br />
Benjamin Quaderer:<br />
Für immer die Alpen<br />
Luchterhand Verlag, 592 S., € 22,70<br />
Was idyllisch beginnt, führt<br />
zu bösem Erwachen: Theresa<br />
Weichselbaum, Bauersfrau in<br />
oberösterreichischer Provinz,<br />
hat sich im sechzigsten Lebensjahr<br />
direkt ins Herz geschossen.<br />
Warum weiß keiner so recht,<br />
dabei hat sie es ihm gesagt:<br />
„Ich habe keine psychische<br />
Krankheit. Ich habe ein viel<br />
schlimmeres Problem. Ich liebe<br />
dich nicht.“ Herzschmerz! „Das<br />
Familiäre war das Mafiöse, das<br />
Verhängnisvolle, das Penetrante“,<br />
seziert der Ich-Erzähler<br />
dieses Debütromans: rau, rissig,<br />
unversöhnlich.<br />
Bernhard Sandbichler<br />
Dominik Barta:<br />
Vom Land<br />
Paul Zsolnay Verlag, 164 S., € 18,50<br />
Ivo ist ein Star, ja, aber oft ist<br />
das Leben selbst für einen Bugatti-Fahrer<br />
und Jetsetter mehr<br />
Dschungel Camp als Ponyhof.<br />
Ivo hassliebt Österreich, kickt<br />
international, kommt von<br />
überall her und ist im Stadion<br />
daheim. Eine Familie ist für ein<br />
Kaliber wie Ivo natürlich nicht<br />
genug. Ivo will mehr und muss<br />
erkennen, dass der direkte Weg<br />
aufs Tor nicht in allen Lebenslagen<br />
zum Erfolg führt. Ivo<br />
Trifunovič hat das Zeug, zum<br />
Holden Caulfield der Millennials<br />
zu werden. Ein Debüt wie<br />
ein Schuss ins Kreuzeck.<br />
Markus Köhle<br />
Tonio Schachinger:<br />
Nicht wie ihr<br />
Kremayr & Scheriau Verlag,<br />
302 S., € 22,90
© Gene Glover/Agentur Focus.<br />
Raum<br />
für<br />
das<br />
Glück<br />
der<br />
Begeisterung …<br />
Monika Rinck<br />
42<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Würdest du dich als Lyrikerin<br />
bezeichnen?<br />
Meistens sage ich Autorin, manchmal<br />
auch Dichterin. Eigentlich interessiert es<br />
mich nicht, die Trennung zwischen Prosa<br />
und Lyrik weiter zu bearbeiten. Interessanter<br />
ist es, die Gattungsbezeichnung als<br />
Lektüre-Anweisung zu nehmen: Lies dies<br />
als Roman. Lies dies als Gedicht. Lies dies,<br />
als handelte es sich um: „Neues mexikanisches<br />
Kino“, wie ein Langgedicht des<br />
argentinischen Dichters Luis Felipe Fabre<br />
heißt, dessen erstes Kapitel genre-gemäß<br />
mit einem reißerischen Trailer in Form<br />
eines Gedichtes eröffnet wird. Auch Kommentare,<br />
Skizzen, Zeichnungen, Listen,<br />
Fußnoten, Kurzprosa, Traumprotokolle,<br />
Mikro-Essays, transkribierte Polyloge, alle<br />
Formen von Metatext können dazugehören,<br />
mich interessieren die Mischgebiete.<br />
Wann weißt du, dass ein Gedicht<br />
publikationsreif ist?<br />
Wenn ich den Eindruck habe, dass es ab<br />
jetzt nicht mehr besser wird, dass weitere<br />
Monika<br />
Rinck<br />
Sie gilt als<br />
„Monarchin einer<br />
neuen Lyrikaristokratie“<br />
und ist in<br />
Theorie und Praxis<br />
eine der großen<br />
Stimmen der<br />
deutschen Lyrik.<br />
Ein Gespräch mit<br />
José F.A. Oliver<br />
43<br />
Überarbeitungen eher schaden, oder wenn<br />
das Interesse an dem Thema nachlässt, oder<br />
ich unterbrochen werde, oder mich lieber<br />
etwas anderem zuwende, oder der Abgabetermin<br />
naht – dann ist es entweder fertig<br />
oder verloren.<br />
Was erwartest du von einem Gedicht?<br />
Ich mache mir lieber keine Erwartungen.<br />
Höchstens: Realismus. Nicht resignativ<br />
gesagt, sondern mit einer erwartungsarmen<br />
Offenheit gegenüber dem Anderen. „Das<br />
Motiv für Realismus ist nie Bestätigung der<br />
Wirklichkeit, sondern Protest.“ (A. Kluge)<br />
Insofern wäre auch Meta-Realismus oder<br />
Surrealismus nicht auszuschließen.<br />
In „Weiterschwimmen. Eine<br />
Rekonstruktion nach sehr vielen<br />
Monaten, Jahren, Jahrzehnten“ sagst<br />
du: „Die guten Texte eröffnen einen<br />
Raum, der größer ist als sie.“ Was<br />
bedeutet dieser Raum?<br />
Ja, das ist der Raum für das Glück der<br />
Begeisterung, ausgelöst zum Beispiel durch<br />
neue Gedichte, die man erstmals auf einer<br />
Lesung hört, oder die man für sich selbst<br />
still liest – sie erschaffen diesen Raum<br />
um sie herum mit. Man kann sich darin<br />
aufhalten, plötzlich ist Platz. Ich kann woanders<br />
hindenken. Dieser Raum erneuert<br />
auch den Wunsch dabei zu sein, dabei zu<br />
bleiben. Er erinnert an Dinge, die man noch<br />
nicht kennt. Es ist der Raum, in dem etwas<br />
gemacht werden kann, den es ohne die anderen<br />
nicht gäbe. Das ist wichtig, es ist ein<br />
gemeinsamer Raum, der zum Teil fremd<br />
ist. Wenn ich lange nichts hörte, was mir<br />
gefällt, dann verkleinert sich dieser Raum.<br />
Deine Gedichte sind Kompass für<br />
viele Lyriker*innen – woher nimmst<br />
du deine Orientierung ins Schreiben?<br />
Oh, das weiß ich nicht genau. Ich versuche,<br />
mich nicht zu wiederholen. Ich bin<br />
skeptisch, wenn mir die Dinge zu einfach<br />
von der Hand gehen. Aber natürlich auch<br />
dann, wenn es gar nicht vorangeht. Ich<br />
lese so viel wie möglich und oft führt ein<br />
Buch zu einem anderen, das ich dann auch<br />
lese. Ich versuche, anregende Bücher ausfindig<br />
zu machen, die meinen Blick auf das<br />
Gegebene ändern, die meine Perspektive<br />
vergrößern. Nicht immerzu das Gleiche<br />
tun, nicht immerzu die Gleichen lesen. Da<br />
helfen mir auch kluge Leute auf Twitter<br />
weiter, mit Hinweisen, denen ich nachgehe.<br />
Ich versuche gegenwärtig zu sein und sage<br />
mir gleichzeitig einen Satz von Charlotte<br />
Wiedemann vor: „Wir halten für normal,<br />
wovon wir die Vorgeschichte auslassen.“ Die<br />
Vorgeschichte gehört zur Gegenwart dazu.<br />
„(…) das gedicht beschwert sich /<br />
bei der welt, dass sie nicht seinen<br />
ansprüchen entspricht“, heißt es in<br />
einem Gedicht von Max Czollek.<br />
Empfindest du das auch so?<br />
Hm, was sind die Ansprüche des Gedichtes?<br />
Jede ästhetische Setzung sagt in gewisser<br />
Weise nein zum Gegebenen. Das ist<br />
aber auch eine Sache der Deutung, und eine<br />
inhaltliche Frage: Mit welchen Ansprüchen<br />
habe ich es zu tun?<br />
Wenn du eine Frage an die Literatur<br />
im Allgemeinen und an die Lyrik<br />
im Besonderen stellen dürftest, wie<br />
würde sie lauten?<br />
Woher kommt die Lust an Selbstzerstörung<br />
und Zerstörung des Anderen – und wie<br />
wird man sie los? Wobei die zweite Frage<br />
ungleich wichtiger ist als die erste.<br />
Monika Rinck, geboren 1969 in Zweibrücken, Studium<br />
der Religionswissenschaft, lebt als Autorin in<br />
Berlin. Sie publizierte mehrere Gedichtbände, Essays<br />
und Prosabücher und gilt als eine der wichtigsten<br />
Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Zuletzt<br />
erschienen: „Champagner für die Pferde“ (S. Fischer<br />
2017), „Alle Türen“ (kookbooks 2019).<br />
Buchtipp:<br />
Monika Rinck:<br />
Champagmer für die Pferde<br />
S.Fischer Verlag, 528 S.,<br />
€ 25,30<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Im Rahmen von W:ORTE –<br />
6. Lyrikfestival Tirol<br />
Mit Monika Rinck (gem. u. a.<br />
mit Barbara Hundegger)<br />
Fr., 5. Juni 2020, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!
W:ORTE – 6. Lyrikfestival<br />
Unaufhaltsam breitet sich die Lyrik im Juni über Tirol aus –<br />
und das ist gut so … Von Robert Renk.<br />
Veranstaltet von 8ungKultur, dem Literaturhaus am Inn<br />
und der Bücherei Telfs von 3. bis 8. Juni 2020.<br />
Programm:<br />
Dienstag, 2. Juni 2020 um 19:00 Uhr<br />
Literaturhaus am Inn, Josef-Hirn-Straße 5<br />
VOR W:ORTE: Vernissage der Ausstellung<br />
von Antonia Zennaro & Arno<br />
Dejaco „Die Königin der Worte“<br />
Mittwoch, 3. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />
Stadtbibliothek Innsbruck, Amraserstraße 2<br />
ERÖFFNUNGSW:ORTE<br />
Stephen J. Fowler (GB)<br />
Robert Prosser (A)<br />
Yasmin (Yasmo) Hafedh (A)<br />
Doris (Mieze Medusa) Mitterbacher (A)<br />
Donnerstag, 4. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />
Literaturhaus am Inn, Josef-Hirn-Straße 5<br />
Alexandru Bulucz (RUM/D)<br />
Eva Maria Leuenberger (CH)<br />
Undine Materni (D)<br />
Mati Shemoelof (ISR/D)<br />
Moderation: Siljarosa Schletterer /<br />
Anna Rottensteiner<br />
Freitag, 5. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung,<br />
Museumstraße 4<br />
Monika Rinck (D)<br />
Barbara Hundegger (A)<br />
Moderation: José F. A. Oliver<br />
Sa., 6. Juni 2020 20.15 Uhr<br />
ORF Landesstudio Tirol, Rennweg 14<br />
klang_sprachen<br />
„durchgehen“<br />
Anja Utler: Texte / Lesung mit dem<br />
Tiroler Kammerorchester InnStrumenti<br />
(Leitung: Gerhard Sammer)<br />
Uraufführungen von:<br />
Maria Gstättner, Chris <strong>No</strong>rz,<br />
Andreas Trenkwalder, Klex Wolf,<br />
Alexandra Karastoyanova-Hermentin<br />
Low Potion: Anna Widauer, Gesang &<br />
Chris <strong>No</strong>rz, Perkussion & Elektronik<br />
Moderation: Martin Sailer & Patrizia Jilg<br />
Montag, 8. Juni 2020 um 19:30 Uhr<br />
Villa Schindler, Obermarkt 45, Telfs<br />
Mikael Vogel (D)<br />
Raoul Schrott (A)<br />
Fransenmusik<br />
(Hannes Sprenger & Klex Wolf)<br />
Moderation: José F. A. Oliver<br />
Genaues Programm ab<br />
Mitte März zu sehen unter:<br />
Lyrikfestival.wordpress.com<br />
www.wagnersche.at<br />
www.literaturhaus-am-inn.at<br />
www.literaturtirol.at<br />
Der Gedichtband des deutschsprachigen<br />
Lyrikers, Übersetzers<br />
und Herausgebers<br />
rumänischer Herkunft<br />
Alexandru Bulucz ist ein Buch<br />
der Begegnungen und der<br />
Dialoge mit anderen Dichtern<br />
und Dichterinnen, vor allem<br />
aber ein großes poetisches Gebilde,<br />
in dem die existentiellen<br />
Fragen in formal vollendeten<br />
Langgedichten wie jene nach<br />
dem Ende und dem Schreiben<br />
von eben diesem her sprachgewaltig<br />
freigelegt werden. Das<br />
Gedicht: eine angelehnte Tür,<br />
um mit dem Anderen in Kontakt<br />
zu treten. Anna Rottensteiner<br />
Alexandru Bulucz:<br />
Was Petersilie über die Seele weiß<br />
Schöffling Verlag, <strong>10</strong>0 S., € 20,60<br />
Mati Shemoelof schreibt sich in<br />
Herzkammern ein! Hoch gesellschaftspolitisch<br />
und engagiert.<br />
Shemoelof, eine der führenden<br />
hebräischen Stimmen arabischer<br />
Juden und Mitbegründer<br />
der Guerilla Culture-Bewegung<br />
in Israel, schreibt den ersten hebräisch-deutschen<br />
Gedichtband<br />
in Berlin nach viel zu langer<br />
Zeit. Eine Poesie, die wachrüttelt<br />
und allen Mauern trotzt:<br />
„I create words. […] They resist<br />
the borders of our national<br />
identities […]“. Siljarosa Schletterer<br />
Mati Shemoelof:<br />
Bagdad – Haifa – Berlin<br />
AphorismA Verlag, 92 S., € 15,50<br />
Der neue Gedichtband von<br />
Barbara Hundegger, „[anich.<br />
atmosphären.atlas]“, wird<br />
Tiroler Literatur/Geschichte<br />
schreiben: In ihm zeichnet sie<br />
episodenhaft wesentliche Stationen<br />
im Leben des <strong>No</strong>rdtiroler<br />
Kartographen Peter Anich<br />
nach und komponiert dadurch<br />
einen erzählerischen Bogen, der,<br />
formal innovativ und sprachlich<br />
präzise, einen poetischen<br />
Kosmos aufspannt, der weit<br />
über eine biografische Annäherung<br />
hinausgeht und der<br />
Anich in seiner Zerrissenheit als<br />
modernen Menschen darstellt.<br />
Anna Rottensteiner<br />
Barbara Hundegger:<br />
[anich.atmosphären.atlas]<br />
Haymon Verlag, 208 S., € 20,50<br />
Anne Carson, Emily Dickinson,<br />
aber auch Frau Elling<br />
und Herr Tollund, die beiden<br />
Moorleichen aus Dänemark,<br />
sind Bezugskoordinaten in<br />
Eva Maria Leuenbergers<br />
bildstarkem Debüt-Gedichtband,<br />
für den sie mit dem<br />
bedeutenden Basler Lyrikpreis<br />
ausgezeichnet wurde. Naturlyrik<br />
wird ins 20. Jahrhundert<br />
geholt und erzählt durch die<br />
poetische Verbindung und<br />
Variation von Motiven und<br />
Themen Geschichten, in denen<br />
Körperlichkeit, Sprache und<br />
die ewige Bewegung der Natur<br />
eine eigene Zeit erfinden.<br />
Anna Rottensteiner<br />
Eva Maria Leuenberger:<br />
dekarnation<br />
Droschl Verlag, 88 S., € 19,–<br />
© 8ungKultur<br />
Bei kaum einer anderen Kunstpräsentation<br />
ist das Liveerlebnis so markant wie bei<br />
Lyrik. Wenn gleich mehrere LyrikerInnen<br />
an einem Abend lesen, kann man mehrfach<br />
sicher sein, etwas Wertvolles mit nach Hause<br />
zu nehmen.<br />
Denn die Lesungen sind begleitet von<br />
Gesprächen, tauchen intensiv und kurz in<br />
schöne Welten und akute Problemfelder ein,<br />
geben uns Bilder und Worte für Unerhörtes<br />
und bis dato Ungeschautes, nehmen uns an<br />
der Hand und tauchen mit uns wieder an<br />
die frische Luft.<br />
Außergewöhnliche Momente erwarten<br />
einen an so einem Abend.<br />
Man merkt es auch am Büchertisch.<br />
Dort verkauft sich – im Verhältnis – fast<br />
doppelt so viel wie bei vergleichbaren<br />
Events. Und das nicht nur, weil LyrikerInnen<br />
ein eingeschworenes Völkchen sind, das<br />
sich gerne auch mal gegenseitig beschenkt<br />
und dazu oft einen beträchtlichen Teil des<br />
Honorars am Ladentisch lässt.<br />
Das W:ORTE-Team hat von Mittwoch,<br />
den 3. bis Montag, den 8. Juni 2020<br />
wieder ein Programm zusammengestellt,<br />
das sich im deutschsprachigen Kontext<br />
wirklich sehen lassen kann. Allein schon<br />
die Kooperation mit dem Tiroler Kammerorchester<br />
InnStrumenti macht ja das<br />
Festival einzigartig!<br />
44<br />
Wagner’sche.<br />
„Wünschen und Wollen“ ist ein<br />
Band, der berührt und nicht<br />
mehr loslässt. Undine Materni<br />
zeige, wie Gedichte das völlig<br />
nackte Geräusch der Poesie<br />
aufleben lassen, sagte José<br />
Oliver über die Dichterin, die<br />
uns beeindruckend unaufgeregt<br />
und feinfühlig zugleich die<br />
klanglichen und rhythmischen<br />
Zwischenzeilen vor Ohren,<br />
Augen und Herzen malt. Tiefgründig.<br />
Ergreifend. Und voller<br />
Musik. Siljarosa Schletterer<br />
Undine Materni:<br />
Wünschen und Wollen<br />
edition HELLOPOETRY!,<br />
1<strong>10</strong> S., € <strong>10</strong>,–<br />
Einfach großartig, wenn<br />
Lektüre sprachlos macht und<br />
genau deshalb Worte schenkt,<br />
die trösten. Ein fulminantes<br />
Requiem wider jeglichen Gedächtnisverlust..<br />
Mit poetischer<br />
Wucht vollbracht. Ich Tier, Du<br />
Mensch! Ich Mensch, Du Tier!<br />
Zärtlich schier. Im Tonfall radikalen<br />
Benennens. Ein Trance-<br />
Sound, um aus dem Unsäglichen<br />
W:orte zu schöpfen, die<br />
immer auch uns meinen; die wir<br />
letzten Endes immer sind – Zerstörer*innen.<br />
Ein aufrüttelndes<br />
Geschichtskompendium in<br />
Versen, die Wegmarken des<br />
Erinnerns setzen. José F.A. Oliver<br />
Mikael Vogel:<br />
Dodos auf der Flucht<br />
Verlagshaus Berlin, 252 S., € 18,40<br />
Gedichte aus allen bisher von<br />
ihr erschienenen Lyrikbänden,<br />
Essays und Kurzprosa vereint<br />
dieser starke Band, den die<br />
Autorin zusammen mit ihrer<br />
Verlegerin Daniela Seel für<br />
S. Fischer zusammengestellt<br />
hat. Erstmals findet sich auch<br />
Rincks Münster’sche Poetikvorlesung<br />
aus dem Jahre 2015<br />
abgedruckt. Über 500 Seiten<br />
breiten sich funkelnd die Texte<br />
der „Monarchin einer neuen<br />
Lyrikaristokratie“ (Zitat: Christian<br />
Metz) aus, eine Feier der<br />
Poesie! Robert Renk<br />
Monika Rinck:<br />
Champagner für die Pferde<br />
S. Fischer Verlag, 528 S., € 25,30<br />
Dort, „wo Artikulation als<br />
physisch-expressiver Vorgang<br />
beginnt“, setzt Anja Utler in<br />
ihrem Gedichtband an. Ganz<br />
dem Augenblick verpflichtet,<br />
rühren die Texte an jenem<br />
Grund, wo das Sprechen<br />
beginnt, wo das Fühlen, das<br />
Denken sich sammelt und<br />
körperlich umschlägt. Dann<br />
wieder schreibt sie mythischen<br />
Figuren nach, Daphne z. B.,<br />
oder Sibylle. Daphne, die in<br />
einen giftigen Busch verwandelt<br />
wird, um ihrem „Stalker“ zu<br />
entgehen, meint noch: iss!<br />
Hintergründiger Humor auch<br />
noch, wie wunderbar! Robert Renk<br />
Anja Utler:<br />
münden – entzüngeln<br />
Edition Korrespondenze,<br />
96 S., € 17,40
Ha Vinh Tho–<br />
der Glücksminister<br />
Der langjährige Leiter des Gross National Happiness Centre<br />
stellt am BFI Tirol sein neues Buch „Der Glücksstandard“ vor.<br />
Ein Beitrag von Othmar Tamerl<br />
Mitgefühl<br />
und Güte sind<br />
die Wurzeln<br />
des Glücks.<br />
Ha Vinh Tho<br />
Viele Jahre lang leitete Dr. Ha Vinh Tho, der<br />
in Wien aufgewachsen ist und in der Schweiz<br />
studierte, das Gross National Happiness<br />
Centre in Bhutans Hauptstadt Thimphu.<br />
Dort wurde bereits vor der Jahrtausendwende<br />
das Bruttoinlandsprodukt durch das<br />
sogenannte Bruttonationalglück ersetzt.<br />
In dem wirtschaftlich sonst eher schwachen<br />
Land hat sich das Konzept mittlerweile<br />
zum Exportschlager Nummer eins entwickelt.<br />
Experten aus aller Welt interessieren<br />
sich für die ungewöhnliche Denk- und<br />
Handlungsweise des kleinen Himalaya-<br />
Staates.<br />
Das alternative Entwicklungsmodell<br />
und Indikatorensystem für Wohlbefinden<br />
– Gross National Happiness (GNH, auf<br />
Deutsch Bruttonationalglück) – bietet<br />
einen ganzheitlichen Bezugsrahmen, der<br />
auf dem Glück und Wohlbefinden aller<br />
Menschen und Lebewesen beruht. „Man<br />
kann die Wirtschaft so gestalten, dass sie im<br />
Dienst der Menschen steht und nicht nur<br />
im Dienste des Gewinns“, hat Ha Vinh Tho<br />
in einem Interview erläutert. Mittlerweile<br />
beschäftigen sich sogar internationale Organisationen<br />
mit den Aspekten Glück und<br />
Wohlbefinden und unterstreichen damit die<br />
vorrangige Bedeutung.<br />
So wurden diese beiden Werte zum<br />
Beispiel von den Vereinten Nationen in<br />
ihre Nachhaltigkeitsziele aufgenommen.<br />
Die UNESCO veröffentlichte mit den<br />
„Happy Schools“ vor wenigen Jahren ein<br />
neues Bildungsprogramm. Die UN-Hauptversammlung<br />
erklärte 2012 den 20. März<br />
zum offiziellen „Weltglückstag“ und verbindet<br />
damit auch weltweite Politikziele.<br />
In Deutschland sind neben Wirtschaftsunternehmen<br />
auch Schulen, Universitäten,<br />
Gemeinden und Städte sowie zahlreiche<br />
Organisationen der Zivilgesellschaft auf<br />
der Suche, wie sie die Prinzipien des GNH<br />
in ihren jeweiligen Kontexten als neues<br />
Entwicklungsparadigma einbringen und<br />
implementieren könnten.<br />
Der ehemalige „Glücksminister“, wie er<br />
in den Medien immer noch genannt wird,<br />
stellte sich nach seiner Rückkehr nach<br />
Europa die Frage, ob und wie sich seine Erkenntnisse<br />
aus Bhutan auf die Lebenswelt<br />
des Individuums herunterbrechen lassen. In<br />
seinem neuen Buch „Der Glücksstandard“<br />
leitet er die Leser zur Reflexion und zur<br />
Achtsamkeit an, die in einem sinnvollen<br />
und freudvollen Leben und Miteinander<br />
resultieren sollen. Er untersucht dabei auch<br />
übergeordnete Ebenen wie Unternehmen<br />
und Schulen.<br />
Das BFI Tirol als Aus- und Weiterbildungsinstitut<br />
pflegt seit vielen Jahren eine<br />
enge Kooperation mit der Wagner’schen<br />
Buchhandlung. Die Themen Bildung und<br />
Literatur sind untrennbar miteinander verbunden.<br />
Daher ist es uns auch ein Anliegen,<br />
gemeinsam Veranstaltungen zu initiieren,<br />
die aktuelle Gesellschafts- und Bildungsthemen<br />
beleuchten. Die Buchvorstellung<br />
von Ha Vinh Tho in unserem Haus ehrt<br />
uns. Den renommierten Autor am BFI<br />
Tirol begrüßen zu können, der als Glücksminister<br />
weltweite Bekanntheit erlangte,<br />
ist ein Highlight in unserem Veranstaltungsprogramm.<br />
In seinem neuen Buch widmet er sich<br />
unter anderem dem Thema Bildung. Ha<br />
Vinh Tho kritisiert am Bildungssystem vor<br />
allem, dass es an Lerninhalten mangelt, die<br />
auch soziale und emotionale Kompetenzen<br />
vermitteln. Diesen Mangel versucht in<br />
Österreich die Erwachsenenbildung etwas<br />
auszumerzen und bietet verschiedenste<br />
Seminare und Lehrgänge zur Persönlichkeitsentwicklung<br />
an. Ob es damit auch<br />
gelingt, Glückskompetenzen zu vermitteln,<br />
ist fraglich. Aber verschiedene Angebote,<br />
zum Beispiel zum Thema Resilienz, zielen<br />
in diese Richtung. Das BFI Tirol bedankt<br />
sich bei der Wagner’schen für die gute und<br />
langjährige Kooperation und wünscht viel<br />
Freude mit dem neuen Buch von Ha Vinh<br />
Tho und seinen Glücksstandards.<br />
Ha Vinh Tho: Leiter des Gross National Happiness<br />
(GNH) Center in Buthan. Ist als Sohn eines<br />
vietnamesischen Diplomaten und einer französischen<br />
Mutter in Paris aufgewachsen. Bevor er seine<br />
jetzige Aufgabe in Bhutan übernahm studierte<br />
er Heileurythmie in Dornach und baute mehrere<br />
heilpädagogische Lebensgemeinschaften in<br />
verschiedenen Ländern auf. Anschließend war er<br />
Direktor der Ausbildungssektion des Internationalen<br />
Roten Kreuzes. Seit einigen Jahren arbeitet er im<br />
Auftrag der Regierung in Bhutan an der Umsetzung<br />
des Bruttonationalglückes.<br />
Buchtipp:<br />
Ha Vinh Tho:<br />
Der Glücksstandard<br />
O. W. Barth Verlag,<br />
320 S., € 19,<strong>10</strong><br />
Lesung:<br />
Der Glücksstandard<br />
Mit Ha Vinh Tho<br />
Begrüßung: Judith Rieser-Reindl<br />
Mi. 6. Mai um 19:30 Uhr<br />
Im BFI Tirol,<br />
Ing.-Etzel-Straße 7,<br />
6020 Innsbruck<br />
© privat<br />
46 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
47
© Thomas Dorn<br />
Es braucht<br />
gar keine<br />
Verschwörungstheorien,<br />
wenn<br />
die Tatsachen<br />
so evident sind.<br />
Ilija Trojanow<br />
48 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
In „Doppelte Spur“ (S. Fischer) geht es um<br />
einen Journalisten, der mit zwei Whistleblowern<br />
zusammenarbeitet. Dabei wird<br />
im Roman ausschließlich mit Tatsachen<br />
gearbeitet, mit wahren Namen, wahren<br />
Skandalen, so dass der Roman selbst ein<br />
Whistleblowerdokument ist, das „die Piratisierung<br />
der Wirtschaft“ aufzeigt.<br />
In deinem neuen Roman<br />
„Doppelte Spur“, der im Juni<br />
bei S. Fischer herauskommt, wird<br />
ein kritischer Journalist von<br />
zwei GeheimdienstmitarbeiterInnen<br />
kontaktiert. Es wird ihm brisantes<br />
Material zugespielt, das beweisen<br />
soll, wie sehr die internationale<br />
Politik unter dem Scheffel von<br />
Oligarchen, Finanzmogulen und<br />
der Mafia steht. „Demokratie oder<br />
Kleptokratie, das ist die Wahl, vor<br />
der wir stehen“, meint z. B. eine<br />
Mitarbeiterin des amerikanischen<br />
Geheimdienstes. Ist es wirklich schon<br />
so schlimm?<br />
Ilija<br />
Trojanow<br />
Im Juni erscheint<br />
sein neuer Roman<br />
„Doppelte Spur“.<br />
Die Wagner’sche<br />
wird ihn als Österreichpremiere<br />
präsentieren. Das<br />
Gespräch führte<br />
Robert Renk.<br />
49<br />
Oh ja, der Roman besteht ja aus lauter<br />
faktischen Bausteinen, auch wenn er mit<br />
allen Spielregeln der Spannungsliteratur<br />
gewaschen ist, und diese Tatsachen zeigen<br />
auf, wie frei das kriminelle Kapital sich<br />
bewegt, wie mächtig es ist. Ich habe zwar<br />
intensiv recherchiert, aber man findet<br />
alles in Büchern, Artikeln, im Internet.<br />
Nur leben wir in Zeiten, in denen die<br />
Informationsfülle uns überwältigt und<br />
die Medien unter permanenter Amnesie<br />
leiden – was kümmert uns der Skandal von<br />
gestern.<br />
Kommen wir zum Wahrheitsgehalt<br />
des Romans, zum einen heißt der<br />
Journalist Ilija Trojanow und wohnt<br />
in Wien. Zum anderen werden Werke<br />
von ihm beschrieben, die es so nicht<br />
gibt. Ein Spiel?<br />
Es ist naheliegend, dass ein Roman, der sich<br />
dem Thema „der Untergang der Wahrheit“<br />
(oder: fake news) widmet, mit einem Alter<br />
Ego operiert, der gewisse Erfahrungen mit<br />
mir teilt (ihm wurde etwa auch die Einreise<br />
in die USA verweigert), andererseits<br />
aber ganz anders ist (seine Großmutter war<br />
Wahrsagerin, sein Großvater Partisane und<br />
er hat das Zweite Gesicht, was ich nicht<br />
habe). Meine gesamte Lebenserfahrung im<br />
Umgang mit Archiven der Staatssicherheit,<br />
mit Recherche, ob konspirativ oder<br />
nicht, mit der Sprache der Medien und der<br />
Sprache der Macht, ist natürlich in den<br />
Roman eingeflossen, insofern ist der Autor<br />
Trojanow hoffentlich ähnlich professionell<br />
wie der beschriebene Journalist Trojanow.<br />
Die Figuren im Roman, die in<br />
den diversen Leaks vorkommen,<br />
gibt es wiederum alle, sie werden<br />
beim Namen genannt. Allein die<br />
gebündelte Auflistung aller derer,<br />
die im Trump Tower wohnen und mit<br />
Trump paktieren, allesamt Ganoven<br />
und Strippenzieher vor allem aus dem<br />
Osten, das ist schauderhaft.<br />
Das ist ein zeitgemäßes Dramatis personae.<br />
25 Gangster von Format haben im<br />
Trump Tower gelebt oder gearbeitet, viele<br />
von ihnen sind beteiligt an wichtigen Ereignissen<br />
und Entwicklungen der Zeitgeschichte<br />
sowie der Biografie Trumps. Es<br />
braucht gar keine Verschwörungstheorien,<br />
wenn die Tatsachen so evident sind, ich<br />
musste nur einige Wochen recherchieren<br />
(inklusive Klatschspalten), um diese Informationen<br />
zusammenzutragen.<br />
Ist das nun ein Roman oder ein in<br />
Romanform getarntes Whistleblower-<br />
Dokument?<br />
Beides und einiges andere mehr. Wir müssen<br />
uns den Roman als enorm flexibles und<br />
vielseitiges Genre vorstellen, nicht nur als<br />
Liebesgeschichte süß-sauer, oder als Chili-<br />
Krimi.<br />
Bei dieser Thematik kommen wir<br />
nicht um eine Figur umhin, die<br />
z. Z. wieder in aller Munde ist: Julian<br />
Assange. Deine Meinung dazu?<br />
Was ihm widerfährt ist der Versuch der<br />
Macht, kritische Stimmen einzuschüchtern.<br />
Er hat Kriegsverbrechen öffentlich gemacht,<br />
keiner der Verbrecher wurde<br />
bestraft, er hingegen wird in Isolationshaft<br />
gehalten wegen Verstoß gegen die<br />
Kautionsbedingungen. Und sollte er in die<br />
USA ausgeliefert werden, wird er dort keinen<br />
fairen Prozess erhalten. Der sehr seriöse<br />
UN-Sonderberichterstatter über Folter Nils<br />
Melzer bezeichnet seine Behandlung als<br />
unrechtmäßig und als Folter.<br />
Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner<br />
Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach<br />
Deutschland. Nach den Stationen Kenia, Paris,<br />
München, Mumbai und Kapstadt lebt er heute in<br />
Wien. Seine Romane und Reisereportagen sind gefeierte<br />
Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen<br />
ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei S. Fischer und<br />
Argon „Macht und Widerstand“, der Sachbuch-<br />
Bestseller „Meine Olympiade“ sowie der autobiographisch-politische<br />
Essay „Nach der Flucht“.<br />
Buchtipp:<br />
Ilija Trojanow:<br />
Doppelte Spur<br />
S. Fischer Verlag, 288 S., € 22,70<br />
Lesung:<br />
Österreichpremiere!<br />
„Doppelte Spur“<br />
Mit Ilija Trojanow<br />
Moderation: Klaus Zeyringer<br />
Di., 1. September 2020,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / 7,–<br />
(mit Ö1- oder Wagner-Card)
Die gemeinsame Vielfalt<br />
Literatur aus Südosteuropa bei der Leipziger Buchmesse.<br />
Von Robert Prosser<br />
© Shutterstock/Zabotnova Inna<br />
Common Ground nennt sich eine Initiative,<br />
die im Rahmen der Leipziger Buchmesse<br />
die Literatur des südosteuropäischen Raums<br />
in den Fokus rücken möchte. Als Partner<br />
wirkt TRADUKI, jenes Netzwerk, das sich<br />
seit Jahren darum verdient macht, gegenwärtigem<br />
literarischen Schaffen aus den<br />
Balkanländern zu Übersetzungen zu<br />
verhelfen.<br />
Momentan fällt es schwer, von diesem<br />
geografischen Raum zu schreiben, ohne die<br />
hitzige Debatte um Peter Handkes Ehrung<br />
mit dem <strong>No</strong>belpreis zu erwähnen; Handkes<br />
Aussagen und Texte zu Jugoslawien<br />
im Allgemeinen und dem Bosnienkrieg<br />
im Besonderen regen nach wie vor auf.<br />
Abgesehen von der Grundsatzdiskussion,<br />
ob – und wenn ja, wie sehr – Literatur nach<br />
moralischen Maßstäben behandelt werden<br />
darf, zeigten Berichterstattung und die im<br />
Feuilleton und auf Social Media geführten<br />
Streitigkeiten eines auf: Wie wenig man<br />
hierzulande von den Geschehnissen während<br />
der Kriege in den 1990ern und von der<br />
gegenwärtigen Situation am Balkan weiß.<br />
Was an Handkes spezifischen Texten eine<br />
Verharmlosung von Kriegsverbrechern ist,<br />
was eine serbisch-nationalistische Argumentation,<br />
erschließt sich nur jemandem,<br />
der über profunde Kenntnisse der jüngeren<br />
Geschichte Ex-Jugoslawiens verfügt. Auch<br />
um diese Komplexität der Kriegsvergangenheit<br />
freizulegen, ein Gespür für deren Fortbestehen<br />
zu entwickeln, lohnt sich ein Blick<br />
auf aktuelle Publikationen. „Zwei Jahre<br />
Nacht“ von Damir Ovčina beispielsweise<br />
führt ins belagerte Sarajevo. In knappen,<br />
von Mascha Dabić übersetzten Sätzen<br />
erzählt Ovčina von einem 18-Jährigen, der<br />
in einem serbisch kontrollierten Viertel<br />
Sarajevos eingeschlossen wird und zwei<br />
Jahre lang versucht, aller Anfeindungen,<br />
Demütigungen und Drohungen zum Trotz<br />
zu überleben. Zurecht wurde das Original<br />
2016 mit dem Hasan-Kaimija-Preis für das<br />
beste Prosawerk Bosnien-Herzegowinas<br />
ausgezeichnet.<br />
Ein positiver Nebeneffekt der Diskussion<br />
um Handke war, dass dem heimischen<br />
Publikum Autor*innen vergegenwärtigt<br />
wurden, die den <strong>No</strong>belpreis ebenso verdient<br />
hätten, Bora Ćosić etwa oder Dževad<br />
Karahasan. Von Letzterem erschien jüngst<br />
bei Suhrkamp „Ein Haus für die Müden.<br />
Fünf Geschichten“, die die Verzahnung von<br />
gesellschaftlicher Misere und individuellem<br />
Schicksal gekonnt offenlegen. Von Flüchtlingen<br />
und Migranten schreibt Dubravka<br />
Ugrešić. Sie, eine wichtige Stimme europäischer<br />
Literatur, verarbeitet die persönlichen<br />
Erfahrungen des kriegserzwungenen Exils<br />
und des Zerfalls Jugoslawiens zu Romanen<br />
und Essays von bestechender Qualität,<br />
z. B. „Das Museum der bedingungslosen<br />
Kapitulation“. Ähnliches gilt für die 2018<br />
verstorbene Schriftstellerin Daša Drndić.<br />
„Sonnenschein“ und „Belladonna“<br />
sind 2015, resp. 2018 bei Hoffmann und<br />
Campe erschienen. Ihre Bücher überzeugen<br />
als sprachlich anregendes Spiel,<br />
das die Schrecknisse des 20. Jahrhunderts<br />
als Hintergrund für ebenso schräge wie<br />
nachhallende Geschichten nützt. Wie<br />
sich im Zweiten Weltkrieg die Wege von<br />
Partisanen und SS-Schergen kreuzen, davon<br />
handelt „Wenn die Liebe ruht“ von Drago<br />
Jančar (übersetzt von Daniela Kocmut, bei<br />
Zsolnay publiziert). Der Roman leuchtet<br />
aus, wie Beziehungen zerbrechen oder neu<br />
geflochten werden, wie Ideologien bis in die<br />
innersten Bereiche eines Lebens vordringen.<br />
Ein Buch, das von der Kritik als Meisterwerk,<br />
ja Weltliteratur gefeiert wird.<br />
Ein solches Urteil gilt auch für Danilo<br />
Kiš, wichtiger Referenzpunkt für etliche der<br />
hier genannten Autor*innen. „Psalm 44“<br />
ist im vergangenen Herbst zum 30. Todestag<br />
des Autors bei Hanser veröffentlicht<br />
worden, erstmalig in deutscher Übersetzung.<br />
Es lässt sich nicht leugnen, dass<br />
der Roman über Auschwitz-Überlebende<br />
innerhalb weniger Wochen als Wettbewerbseinreichung<br />
geschrieben wurde,<br />
Kiš selbst stand dem Text kritisch gegenüber.<br />
Doch das Frühwerk berührt bereits<br />
die wichtigen Themen in Kišs Schaffen, die<br />
Schrecken des Totalitarismus etwa. Eine<br />
immer empfehlenswerte Wahl ist es, auf den<br />
Sammelband Familienzirkus. Die großen<br />
Romane und Erzählungen zurückzugreifen,<br />
2014 unter Federführung von Ilma Rakusa<br />
ebenfalls bei Hanser erschienen.<br />
Anschreiben gegen das<br />
Vergessen …<br />
Ein gegenwärtig wirkender Chronist<br />
des Krieges ist Darko Cvijetić. Er lebt<br />
in Prijedor im <strong>No</strong>rden Bosniens; unweit<br />
befanden sich die bosnisch-serbischen<br />
Konzentrationslager Omarska, Trnopolje<br />
und Keraterm. Cvijetić schreibt dagegen<br />
an, dass diese Schrecken in Vergessenheit<br />
geraten. Sein Roman „Schindlers Lift“<br />
erscheint im Frühjahr erstmals in deutscher<br />
Übersetzung im Adocs Verlag. Anhand<br />
zweier Hochhäuser, die weniger als Orte<br />
denn als Protagonisten wirken, arbeitet der<br />
Text den Krieg in Prijedor auf. Es bleibt zu<br />
hoffen, dass diese Publikation etwas daran<br />
ändert, dass Cvijetić außerhalb Bosnien-<br />
Herzegowinas kaum bekannt ist.<br />
Im März erscheint im eta Verlag „Nennt<br />
mich Esteban“ von Lejla Kalamujić, im<br />
Original 2016 für den European Union<br />
Prize for Literature nominiert. Ein Roman<br />
in Fragmenten, neunzehn Geschichten, die<br />
Kalamujić laut Verlag zu einer der brutalsten<br />
und mutigsten Vertreterinnen einer<br />
neuen Generation von Schriftsteller*innen<br />
machen – zweifellos vermittelt sie ein<br />
queeres Lebensgefühl und ein Bewusstsein<br />
für die absurde Realität in den Ländern des<br />
vormaligen Jugoslawiens.<br />
Dafür hat auch Aleksandar Hemon ein<br />
Gespür. Zu Beginn der 1990er in Chicago<br />
gestrandet, schreibt der gebürtige Bosnier<br />
Romane, die ihre Kraft oft aus der angeknacksten,<br />
schwarzhumorigen Identität<br />
eines Migranten beziehen. Hemon ist<br />
auf beiden Seiten des Atlantiks als Autor<br />
etabliert, im deutschsprachigen Raum aber<br />
haben seine bei Knaus erschienenen Werke<br />
erstaunlich wenig Reichweite. Dem serbischen<br />
Autor Saša Ilić – der gemeinsam mit<br />
der kroatischen Literaturwissenschaftlerin<br />
Alida Bremer und dem kosovarischen<br />
Theaterautor Jeton Neziraj in Prishtina<br />
das internationale Literaturfestival POLIP<br />
veranstaltet – wurde gerade die wichtigste<br />
Auszeichnung für ein Prosawerk zuerkannt:<br />
Der NIN-Literaturpreis für den besten<br />
Roman des Jahres. Das bepreiste Werk<br />
„Pas i kontrabas“ wartet noch auf eine<br />
Übersetzung, bisher gibt es ein Buch von<br />
ihm auf Deutsch: „Das Berliner Fenster“,<br />
voriges Jahr bei eta veröffentlicht. Ein Aufenthalt<br />
in Berlin dient darin als Startpunkt<br />
einer Erzählung, die Schicksale aus dem<br />
Dritten Reich, der DDR und Jugoslawien<br />
zu verweben weiß.<br />
Eine Initiative wie Common Ground und<br />
ein Netzwerk wie TRADUKI, soviel lässt<br />
sich mit Blick auf das aktuelle Literaturgeschehen<br />
sagen, sind nötig und gefragt. Es<br />
zeichnet den schwer fassbaren Balkan aus,<br />
dass es aktuelle und auch ältere Titel gibt,<br />
deren Übersetzung der deutschsprachigen<br />
Leserschaft zu wünschen wäre: Sei es<br />
Ognjen Spahić, dessen Roman „Hansenova<br />
djeca“ („Hansens Kinder“) 2004 als bester<br />
Roman ausgezeichnet wurde, Selvedin<br />
Avdić, dessen Debüt immerhin auf Englisch<br />
unter dem Titel „Seven Terrors“ erhältlich<br />
ist, oder Lana Bastašić, der „Uhvati Zeca“<br />
(„Fang den Hasen“) eine <strong>No</strong>minierung für<br />
den NIN-Literaturpreis einbrachte: Allesamt<br />
Werke von Autor*innen, die eigenwillig<br />
und schonungslos von ihren jeweiligen<br />
Gesellschaften schreiben, von Ländern,<br />
die nahe liegen und doch weit entfernt<br />
scheinen.<br />
Buchtipps:<br />
Saša Ilić:<br />
Das Berliner Fenster<br />
eta Verlag, 312 S., € 25,20<br />
Lejla Kalamujić:<br />
Nennt mich Esteban<br />
eta Verlag, 120 S., € 18,40<br />
Dževad Karahasan:<br />
Ein Haus für die Müden.<br />
Fünf Geschichten<br />
Suhrkamp Verlag,<br />
239 S., € 25,30<br />
Danilo Kiš:<br />
Psalm 44<br />
Hanser Verlag,<br />
136 S., € 20,60<br />
Daša Drndić:<br />
Sonnenschein<br />
Hoffmann und Campe Verlag,<br />
400 S., € 25,30<br />
Drago Jančar:<br />
Wenn die Liebe ruht<br />
Zsolnay Verlag,<br />
400 S., € 26,30<br />
Damir Ovčina:<br />
Zwei Jahre Nacht<br />
Rowohlt Verlag,<br />
752 S., € 27,40<br />
Aleksandar Hemon:<br />
Zombie Wars<br />
Knaus Verlag,<br />
320 S., € 20,60
Jung,<br />
aber<br />
oho!<br />
Bücher<br />
für<br />
Kinder<br />
und<br />
Jugend:<br />
Ist es normal, wenn man nicht<br />
schwimmen kann? Ist es normal,<br />
wenn Dad gestorben ist<br />
und Mum „Kopfschmerzen“<br />
hat und im Krankenhaus liegt?<br />
Cym, neunjähriger Viertklässler<br />
in Süd-London, „hat es nicht<br />
leicht“, wie sie in der Schule<br />
sagen – was nicht wirklich<br />
weiterhilft. Es ist, wie so viel<br />
von dem, was Erwachsene zu<br />
Kindern sagen: bloß die halbe<br />
Wahrheit. Mit seiner Mitschülerin<br />
Veronique Chang ist<br />
das schon was anderes. Gemeinsam<br />
gehen sie aufs Ganze:<br />
beherzt, berührend und für uns<br />
Leser*innen beglückend!<br />
Bernhard Sandbichler<br />
Adam Baron:<br />
Freischwimmen<br />
Hanser Verlag, 222 S., € 15,50<br />
Ab <strong>10</strong> Jahre<br />
Ein packender Jugendroman,<br />
der Dystopie, Sci-Fi und<br />
Romantik in sich eint: Nach<br />
der Vermengung der Welt<br />
durch Vortexe schützt sich die<br />
Menschheit durch High-Tech<br />
davor, mit ihrem Umfeld zu<br />
verschmelzen. Vortex-Läufer<br />
sind dabei ihre Speerspitze; und<br />
die ehrgeizige, junge Elaine ist<br />
eine von ihnen. Doch alsbald<br />
zerrt die Wahrheit hinter den<br />
Vortexen sie in ein Geflecht<br />
aus Machtspielen, Gefühlen<br />
und letztlich den Kampf ums<br />
Überleben. Band 1 der vielversprechenden<br />
Debütreihe von<br />
Anna Benning! Jenni Zeller<br />
Anna Benning:<br />
Vortex – Der Tag, an dem<br />
die Welt zerriss<br />
Fischer KJB Verlag, 496 S., € 18,<strong>10</strong><br />
Ab 12 Jahre<br />
Ein berührendes, schönes<br />
und interessantes Buch über<br />
Rassismus im Alltag. Frank<br />
Li ist der Sohn koreanischer<br />
Einwanderer. Diese sind sehr<br />
konservativ. Was als eine<br />
Geschichte über Franks Plan<br />
beginnt, dem Mädchen, das<br />
er liebt, zu folgen, ohne seine<br />
Eltern zu enttäuschen, wird zu<br />
einer Geschichte über Opfer,<br />
Erwartungen und Fragen der<br />
Identität. Die Charaktere sind<br />
tief und einzigartig. Ich weinte<br />
und lächelte. Yoons Prosa hat<br />
die Fähigkeit, direkt ins Herz zu<br />
stechen, und gleichzeitig weist<br />
sie so viel feinen Humor auf.<br />
Lena Walder<br />
David Yoon:<br />
Frankly in Love<br />
CBJ Verlag, 496 S., € 19,60<br />
Ab 14 Jahre<br />
Kalifornien im 19. Jahrhundert,<br />
zur Zeit des Goldrauschs und<br />
Wilden Westens: Die stolze<br />
Tahnee ist ein Wildfang, der mit<br />
seinem Vater in der rauen Natur<br />
der Sierra Nevada aufwuchs.<br />
Tara lebt abgeschottet von der<br />
Außenwelt in einem noblen<br />
Anwesen nahe des Golden Gate<br />
mit ihrem Großvater. Im Wettlauf<br />
gegen die Zeit und Kopfgeldjäger<br />
wird der Mut dieser<br />
beiden jungen Mädchen auf<br />
den Prüfstand gestellt; und ihre<br />
bislang unbekannte schicksalhafte<br />
Verbindung enthüllt. Ein<br />
mitreißender Jugendroman.<br />
Jennifer Zeller<br />
Patrick Hertweck:<br />
Tara und Tahnee –<br />
Verloren im Tal des Goldes<br />
Thienemann Verlag, 219 S., € 15,50<br />
Ab <strong>10</strong> Jahre<br />
Eines Morgens verkündet Leo<br />
stolz, gar erleichtert: Ich heiße<br />
Jennifer. Bei den Erwachsenen<br />
stößt das auf Kopfschütteln<br />
und Ablehnung; doch bei<br />
Jennifers treuen Freunden und<br />
ihrer Katze nicht. Warum auch?<br />
Wenn Mädchen Hosen tragen<br />
können, wieso können Buben<br />
dann keine Kleider tragen?<br />
Warum sollte man sich für sich<br />
selbst schämen? Eine ehrliche,<br />
herzerwärmende Kindergeschichte<br />
über Transsexualität,<br />
Anderssein und Toleranz von<br />
Illustratorin Theresa Strozyk<br />
und dem Wiener Autor Franz<br />
Orghandl. Jennifer Zeller<br />
Franz Orghandl:<br />
Der Katze ist es ganz egal<br />
Klett Verlag, <strong>10</strong>4 S., € 13,40<br />
Ab 9 Jahre<br />
Man nehme Markus Köhle,<br />
Volksschulkinder, Sprachgewandtheit,<br />
kindliche Fantasie<br />
– et voilà: eine ganz besondere<br />
Anthologie, die auf Gedichtwünschen<br />
von Volksschülern<br />
basiert. Es treffen rabiate<br />
Zeilen zum Boxen auf sachte<br />
Worte über Familie, die mit<br />
Silben über Kekse und grüne<br />
Schafe ringen. Beim Lesen<br />
sind Schmunzeln und Grübeln<br />
garantiert; nicht zuletzt dank<br />
der netten Illustrationen Robert<br />
Göschls. Wichtig zum Thema<br />
Frühstück: „Honig ist die<br />
Frucht von Bienen; Müsli ist<br />
Gatsch mit Rosinen!“ Jenni Zeller<br />
Markus Köhle/Robert Göschl:<br />
Ganz schön frech<br />
luftschacht Verlag, 72 S., € 16,–<br />
Ab 6 Jahre<br />
52<br />
Wagner’sche.<br />
Wenn die größte Bedrohung<br />
für dein Leben dort lauert, wo<br />
du dich am sichersten fühlen<br />
solltest – in deinem Zuhause …<br />
Die 17-jährige Leighton und<br />
ihre zwei jüngeren Schwestern<br />
leben mit ihrem gewalttätigen<br />
Vater und ihrer schweigenden<br />
Mutter zusammen. Die Nachbarn<br />
sehen weg. Die Charaktere<br />
sind realistisch gezeichnet,<br />
sympathisch und haben mich zu<br />
Tränen gerührt. Ein sehr feinfühliges<br />
und berührendes Buch<br />
mit einem magischen Touch<br />
und wunderbaren Stilmitteln.<br />
Erzählt mit sehr viel Empathie,<br />
angemessen und sehr gut lesbar.<br />
Lena Walder<br />
Kyrie McCauley:<br />
You are (not) safe here<br />
dtv Verlag, 400 S., € 15,40<br />
Ab 14 Jahre<br />
Emily versteht die Welt nicht<br />
mehr – mysteriöse Briefe flattern<br />
in ihr Zuhause und dann verschwinden<br />
ihre Eltern auch<br />
noch spurlos. Entschlossen<br />
macht sie sich auf die Suche und<br />
findet sich kurz darauf in einem<br />
viktorianischen London wieder.<br />
Mit Hexen, Kobolden und anderen<br />
magisch-schaurigen Wesen.<br />
Dabei erlebt die 12-Jährige das<br />
größte Abenteuer ihres Lebens.<br />
Eine irrwitzige, magische und<br />
atmosphärische Geschichte, die<br />
junge LeserInnen begeistern<br />
wird! Ich jedenfalls freue mich<br />
schon auf weitere Abenteuer mit<br />
ihr. Lena Walder<br />
Benjamin Read:<br />
Die Mitternachtsstunde –<br />
Emily und die geheime Nachtpost<br />
Carlsen Verlag, 320 S., € 15,50<br />
Ab <strong>10</strong> Jahre<br />
Lea weiß, dass ihre krebskranke<br />
Mama sterben wird. Tief im<br />
Herzen, auch wenn sie es nicht<br />
wahrhaben will. Papa, Lea und<br />
Lukas versuchen in jeden noch<br />
so kleinen Moment ganz viel<br />
Liebe zu packen und ihre Zeit<br />
mit Mama zu genießen. ‚So<br />
viel Liebe‘ wird aus Leas Sicht<br />
mit kindlicher Logik erzählt<br />
und ist wirklich meisterhaft<br />
geschrieben. Diese absolut berührende<br />
Geschichte bringt den<br />
Leser zum Lachen, zum Weinen<br />
und hat ein wunderschönes und<br />
trauriges Ende, das noch lange<br />
nachklingt. Klaudia Grünfelder<br />
Moni Nilsson:<br />
So viel Liebe<br />
Carlsen Verlag, 128 S., € 12.40<br />
Ab <strong>10</strong> Jahre<br />
Die neue nervenzerreißende<br />
Reihe von „Young Sherlock<br />
Holmes“-Autor Andrew Lane!<br />
Ein Action-geladenes Buch<br />
voller Spannung, Adrenalin und<br />
einem coolen Protagonisten.<br />
Lukas Crowe wird Zeuge einer<br />
Entführung. Nun muss er seine<br />
Fähigkeiten als Secret Protector<br />
unter Beweis stellen. Eine wilde<br />
Verfolgungsjagd auf Motorrädern<br />
und ein spektakuläres<br />
Finale auf einer Gaming-Weltmeisterschaft<br />
in Dubai lassen<br />
einen beim Lesen den Atem<br />
anhalten. Ganz großes Kino,<br />
von dem man nicht genug<br />
bekommt. Lena Walder<br />
Andrew Lane:<br />
Secret Protector<br />
Ravensburger Verlag, 384 S., € <strong>10</strong>,30<br />
Ab 12 Jahre<br />
Anemona ist gut darin, verlorene<br />
Dinge wiederzufinden<br />
– eine echt langweilige Zauberkraft.<br />
Doch plötzlich steht die<br />
mächtigste Hexe von Immerda<br />
vor ihrer Tür und bittet sie um<br />
Hilfe. Jemand hat den letzten<br />
Dienstag weggezaubert und<br />
niemand in Immerda kann sich<br />
daran erinnern, was passiert<br />
ist! Also macht sich Anemona<br />
auf, den verlorenen Dienstag zu<br />
finden und erlebt das Abenteuer<br />
ihres Lebens. Ein charmanter,<br />
fantasievoller Roman voller<br />
Humor und ein Must-Read für<br />
Hexenfans! Maria Neumayr<br />
Dominique Valente:<br />
Der Zauber von Immerda<br />
Sauerländer Verlag, 304 S., € 15,50<br />
Ab 9 Jahre<br />
Biene ist nicht gleich Biene, wie<br />
dieses hochwertige Sachbuch<br />
beweist. LeserInnen bekommen<br />
wertvolle Einblicke in den<br />
Lebensraum der wildlebenden<br />
Honigbienen Mitteleuropas.<br />
Diese unterscheiden sich in<br />
vielerlei Hinsicht von ihren<br />
domestizierten, von Imkern betreuten<br />
Artgenossen. Neben den<br />
unglaublichen Nahaufnahmen<br />
von Naturfotograf Ingo Arndt<br />
glänzt dieses Buch auch mit<br />
neuen Erkenntnissen des Bienenforschers<br />
Jürgen Tautz, der<br />
die freilebenden Bienen untersucht<br />
und neue Impulse für die<br />
Bienenhaltung gibt. Maria Neumayr<br />
Ingo Arndt und Jürgen Tautz:<br />
Honigbienen – Geheimnisvolle<br />
Waldbewohner<br />
Knesebeck Verlag, 192 S., € 39,<strong>10</strong>
Kino<br />
Kino<br />
Kino<br />
7 x frisch verfilmt ist<br />
halb gelesen<br />
Eins<br />
Zwei<br />
Drei<br />
7 x literarische<br />
Zahlenspiele<br />
Go<br />
Boris<br />
go<br />
7 x literarisch Neues<br />
zum Brexit<br />
3×7<br />
Best<br />
aber<br />
Seller:<br />
54<br />
Wagner’sche.<br />
1<br />
2<br />
Unterleuten<br />
3<br />
Wolkenbruchs<br />
4<br />
Beale<br />
5<br />
Die<br />
6<br />
Auerhaus<br />
7<br />
Der<br />
Das Polykrates-Syndrom<br />
(„Glück gehabt“)<br />
Antonio Fian<br />
Droschl Verlag, € 19,60<br />
Juli Zeh<br />
btb Verlag, € 13,00<br />
wunderliche<br />
Reise in die Arme einer Schickse<br />
Thomas Meyer<br />
diogenes Verlag, € 13,00<br />
Street<br />
James Baldwin<br />
dtv Verlag, € 13,30<br />
zwei Päpste<br />
Anthony McCarten<br />
diogenes Verlag, € 24,70<br />
Bov Bjerg<br />
atb Verlag, € <strong>10</strong>,30<br />
Fall Collini<br />
Ferdinand von Schirach<br />
btb Verlag, € <strong>10</strong>,90<br />
1<br />
2<br />
Zwei<br />
3<br />
1794<br />
4<br />
Fünf<br />
5<br />
2084<br />
6<br />
1984<br />
7<br />
Fünf<br />
2<br />
Hideo Yokoyama<br />
Atrium Verlag, € 17,<strong>10</strong><br />
und zwei<br />
Hadley Tessa<br />
Kampa Verlag, € 23,20<br />
Niklas Natt och Dag<br />
Piper Verlag, € 18,<strong>10</strong><br />
Ursula Poznanski<br />
rororo Verlag, € <strong>10</strong>,90<br />
– Das Ende der Welt<br />
Boualem Sansal<br />
Merlin Verlag, € 25,30<br />
George Orwell<br />
ullstein Verlag, € 13,00<br />
plus Drei<br />
Arne Dahl<br />
Piper Verlag, € 18,<strong>10</strong><br />
1<br />
2<br />
Freiheiten<br />
3<br />
Federball<br />
4<br />
Middle<br />
5<br />
GRM<br />
6<br />
Schönes<br />
7<br />
Herbst<br />
Die Kakerlake<br />
Ian McEwan<br />
diogenes Verlag, € 19,60<br />
Zadie Smith<br />
Kiepenheuer&Witsch Verlag, € 27,40<br />
John leCarré<br />
Ullstein Verlag, € 25,30<br />
England<br />
Jonathan Coe<br />
Folio Verlag, € 25,60<br />
Sibylle Berg<br />
Kiepenheuer&Witsch Verlag, € 26,30<br />
neues England<br />
Sam Byers<br />
Tropen Verlag, € 25,30<br />
Ali Smith<br />
Luchterhand Verlag, € 22,70
Mit<br />
den<br />
besten<br />
Empfehlungen:<br />
„Dann wurde Eric Gott. Bis<br />
heute versucht er, sich davon zu<br />
erholen.“ – Keith Richards<br />
Eric Clapton, der am 30. März<br />
seinen 75. Geburtstag feiert,<br />
ist untrennbar mit dem Blues<br />
verbunden. Peter Kempers<br />
Biographie lässt seinen beeindruckenden<br />
Werdegang Revue<br />
passieren und zeigt auch viele<br />
Hintergründe. Ein spezielles<br />
Augenmerk richtet der Autor<br />
auf das große musikalische<br />
Vorbild Claptons, den sagenumwobenen<br />
Gitarristen Robert<br />
Johnson. Bewegend nicht nur<br />
für Gitarristen und Musiker …<br />
Stefan Wolf<br />
Peter Kemper:<br />
Eric Clapton – Ein Leben für den Blues<br />
Reclam Verlag, 272 S., € 24,70<br />
Der Reclam-Verlag und Ernst<br />
Hofacker legen hier ein wunderschön<br />
gestaltetes Buch über<br />
die 1970er vor. Vorwiegend<br />
geht es auf wunderbar subjektiven<br />
Wegen straight durch<br />
das Jahrzehnt, mit viel Wissen<br />
und Charme, ohne je besserwisserisch<br />
rüber zu kommen.<br />
Deutschland, England und die<br />
U.S.A. stehen im Mittelpunkt<br />
und feine Überraschungen begleiten<br />
den Leser, die Leserin.<br />
Wer weiß noch, wie Mitte der<br />
1970er Jahre von München<br />
aus die Clubmusik revolutioniert<br />
wurde (Stichwort Donna<br />
Summer & Giorgio Moroder)?<br />
Robert Renk<br />
Ernst Hofacker:<br />
Die 70er – der Sound eines Jahrzehnts<br />
Reclam Verlag, 350 S., € 28,80<br />
Ein Leben in Ketten, das kennt<br />
Hiram Walker, genannt Hi, und<br />
das hat er vor sich. Er ist zwar<br />
belesen und gebildet, da der<br />
Plantagenbesitzer sein Vater ist,<br />
dennoch wurde seine Mutter<br />
verkauft und er bleibt Sklave.<br />
Doch sie hat ihm eine besondere<br />
Gabe vererbt, die ihm vor dem<br />
Ertrinken rettet, und Hi beschließt<br />
endlich zu fliehen. Ein<br />
sprachlich wuchtiger Roman<br />
über Selbstermächtigung und<br />
das – noch immer währende –<br />
dunkle Kapitel der USA. Ein<br />
Leseerlebnis zwischen Colson<br />
Whitehead & James Baldwin.<br />
Nicht versäumen! Robert Renk<br />
Ta-Nehisi Coates:<br />
Der Wassertänzer<br />
Blessing Verlag, 544 S., € 24,70<br />
Im Zuge ihres Romanprojektes<br />
„GRM – Brainfuck“ hat Sibylle<br />
Berg zahlreiche Gespräche<br />
geführt. 17 Interviews mit<br />
renommierten internationalen<br />
Wissenschaftler*innen sind<br />
nun als neues Buch erschienen.<br />
Und dabei ist es wesentlich<br />
mehr, als nur ein Zusatzband<br />
zu „GRM“. Alle Themen des<br />
radikalen <strong>No</strong>-Futur-Romans<br />
werden hier wissenschaftlich abgeklopft,<br />
fundiert erläutert und<br />
mit scharfem Witz erhellend<br />
beschrieben. Und das auf die<br />
unnachahmliche Art und Weise,<br />
in der eben nur Frau Berg<br />
Fragen stellen kann. Robert Renk<br />
Sibylle Berg:<br />
Nerds retten die Welt<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
304 S., € 22,70<br />
Ein mitreißender, zeithistorisch<br />
interessanter Roman, mit einem<br />
Schuss Sardinienflair. Leo muss<br />
nach Sassari auf Sardinien<br />
flüchten, da er im Streit einen<br />
Faschisten getötet hat. Und das<br />
ist nicht gut im Jahre 1922, kurz<br />
vor der Machtergreifung Mussolinis.<br />
Auch nicht gut ist, dass<br />
er sich dort in die eigenwillige<br />
Tochter eines Mussolini-Anhängers<br />
verliebt. Die soll nämlich<br />
schon bald den Spross eines<br />
sardischen Pferdezuchtclans<br />
heiraten – und die Traditionen<br />
dieser Familie sind mörderisch!<br />
Robert Renk<br />
Grit Landau:<br />
Die sardische Hochzeit<br />
Droemer Verlag, 384 S., € 18,50<br />
Als ihr Mann ins Koma fällt,<br />
beginnt Margret, ihr ruhiges<br />
Leben zu hinterfragen. Durch<br />
die Tagebücher ihrer Mutter<br />
und das plötzliche Auftauchen<br />
ihrer Schwester bekommt sie<br />
neue Einsichten in ihre Familie<br />
und die Liebe. Einfühlsam und<br />
emotional erzählt Cornelia<br />
Achenbach die Geschichte einer<br />
Frau, die sich plötzlich mit<br />
ihren Entscheidungen, ihren<br />
Beziehungen und ihrem ganzen<br />
Leben auseinandersetzen<br />
muss. Ein trauriges, aber auch<br />
wunderschönes Buch.<br />
Maria Neumayr<br />
Cornelia Achenbach:<br />
Darüber reden wir später<br />
Wunderraum Verlag, 240 S., € 20,60<br />
56<br />
Wagner’sche.<br />
Christoph Leitl, ehemaliger<br />
Präsident der WKO, wagt<br />
einen Ausblick nach 2049 –<br />
das Jahr des <strong>10</strong>0. Geburtstags<br />
der Europäischen Union. Wie<br />
wird Europa dann im globalen<br />
Vergleich wirtschaftlich<br />
dastehen? China befindet sich<br />
aktuell auf direktem Weg<br />
an die Spitze der Weltwirtschaft<br />
und Europa hinkt nach.<br />
Leitl zeigt auf, wie es dazu<br />
gekommen ist, und findet neue<br />
und vor allem mutige Wege, wie<br />
Europa sich durch den Fokus<br />
auf individuelle Stärken auch<br />
weiterhin als Global Player<br />
positionieren kann. Helena Töchterle<br />
Christoph Leitl:<br />
China am Ziel! Europa am Ende?<br />
Ecowin Verlag, 168 S., € 20,60<br />
Wenn ein bekannter Fernsehmann<br />
wie Tarek Leitner ein<br />
Buch schreibt, dann erweckt<br />
das jedenfalls Neugierde. Als<br />
Leser ist man gespannt, was<br />
er uns über seinen Vater zu<br />
erzählen weiß, der zweimal –<br />
1939 und 1945 – von Berlin<br />
nach Linz gefahren ist. Anhand<br />
scheinbar belangloser Episoden<br />
lernt man mehr über die Zeit<br />
des kurzen <strong>10</strong>00-jährigen Reiches<br />
als aus den zahllosen Nazidokus<br />
in den dritten deutschen<br />
Fernsehprogrammen. Und gut<br />
geschrieben ist das Buch auch.<br />
Eine Entdeckung! Michael Carli<br />
Tarek Leitner:<br />
Berlin–Linz<br />
Brandstätter Verlag, 240 S., € 30,–<br />
Wie schön wäre es, sich einfach<br />
selbst heilen zu können …<br />
Gerhard Zallingers Methode<br />
des „vegetativen Trainings“ zielt<br />
genau auf das ab, dabei muss<br />
man nur auf einer Matte liegen<br />
und Atemübungen machen. Ein<br />
Scherz? Nein. Zallinger verhilft<br />
unter anderem der österreichischen<br />
Fußballnationalmannschaft<br />
dazu, besser zu<br />
werden. Unterfüttert wird das<br />
Buch mit Erfahrungsberichten<br />
und Ausflügen in die abendländische<br />
Geistesgeschichte von<br />
Galilei bis Descartes. Für alle<br />
Schmerzverbrämten einen<br />
Versuch wert! Bernd Schuchter<br />
Gerhard Zallinger:<br />
Die Macht in dir. Wie der Körper<br />
sich selbst heilt<br />
Ecowin Verlag, 184 S., € 18,99<br />
Was für ein kluges Buch, und<br />
hochaktuell! Lisz Hirn erklärt<br />
nicht nur den vielgebrauchten<br />
Begriff der „toxischen Männlichkeit“,<br />
den neurechte Autokraten<br />
wie Trump, Orban oder<br />
Putin für sich nutzen, um mit<br />
den Stimmen der abgehängten,<br />
weißen, männlichen Mittelschicht<br />
Wahlen zu gewinnen.<br />
Sie zeigt auch, dass praktische<br />
Philosophie unser Denken<br />
ändern kann; ein Lob der<br />
Vernunft und eine zum Teil<br />
erschreckende Analyse eines<br />
Kulturkampfs um hegemoniale<br />
Männlichkeit, der auch in<br />
Österreich tobt. Bernd Schuchter<br />
Lisz Hirn:<br />
Wer braucht Superhelden? Was wirklich<br />
nötig ist, um unsere Welt zu retten<br />
Molden Verlag, 160 S., € 22,–<br />
Hartmann geht in ihrem Apell<br />
von bekannten Problemen der<br />
ökologischen Krise aus, setzt<br />
sie aber in interessante neue<br />
Kontexte und macht daher<br />
die Problematik anschaulich.<br />
Wohlhabende haben das<br />
höchste Umweltbewusstsein<br />
– und gleichzeitig den größten<br />
ökologischen Fußabdruck.<br />
Man nennt das „Klimabesorgte<br />
Klimasünder“. Und das sind<br />
wir. Mal mehr, mal weniger. Es<br />
braucht noch mehr Bewusstsein<br />
dafür, das zeigt uns Kathrin<br />
Hartmann eindringlich.<br />
Robert Renk<br />
Kathrin Hartmann:<br />
Grüner wird’s nicht<br />
Blessing Verlag, 176 S., € 14,40<br />
Ein packender Justizkrimi, der<br />
diverse Grauzonen gut auslotet.<br />
Recht oder Gerechtigkeit,<br />
Gesetz oder Moral, und wie<br />
viel Berufsskandal verträgt eine<br />
Beziehung. Inspiriert von einem<br />
der großen Justizskandale<br />
Deutschlands, dem Fall Oury<br />
Jalloh in Dessau, breitet Markus<br />
Thiele seinen Fall rund um<br />
den Strafverteidiger Jansen<br />
aus, der einen Polizisten vertritt,<br />
der des Mordes an einem<br />
Asylbewerber angeklagt ist.<br />
Für Leser von Schirach oder<br />
Schlink! Robert Renk<br />
Markus Thiele:<br />
Echo des Schweigens<br />
Benevento Verlag, 408 S., € 22,60
In Arizona Ende des<br />
19. Jahrhunderts kämpft<br />
<strong>No</strong>ra inmitten von Dürre und<br />
Einsamkeit ums Überleben<br />
ihrer Familie. Und doch ist<br />
„Herzland“ kein Siedlerroman.<br />
Der Outlaw Lurie verdingt sich<br />
auf der Flucht als Kamelführer<br />
für die U.S. Army. Und doch<br />
ist der Roman kein Western.<br />
Beide Figuren verbindet ihre<br />
enge Beziehung zu Toten, die<br />
wunderbare Landschaft und die<br />
Geschichte des amerikanischen<br />
Südwestens nach dem Krieg mit<br />
Mexiko. Spannend vermischt<br />
Téa Obreht Fakten und Fiktion,<br />
Magisches und Realität.<br />
Claudia Daxner<br />
Téa Obreht:<br />
Herzland<br />
Rowohlt Verlag, 512 S., € 24,70<br />
Dieser Roman basiert auf wahren<br />
Begebenheiten des zweiten.<br />
Es geht um drei Frauen, die<br />
unterschiedlicher nicht sein<br />
könnten, aus drei Ländern,<br />
deren Wege sich an einem der<br />
dunkelsten Orte kreuzen. Von<br />
Fliegerangriffen, Deportationen<br />
und Ängsten wird nichts<br />
beschönigt. Über die „Kaninchen“,<br />
deren medizinische<br />
Versuche wirklich an Frauen gemacht<br />
wurden. Die Geschichte<br />
ist geprägt von Leid, aber auch<br />
Hoffnung. Schonungsloser, gut<br />
recherchierter, erschreckender<br />
Kriegsroman. Andrea Scheiber<br />
Martha Hall Kelly:<br />
Und am Ende werden wir frei sein<br />
Limes Verlag, 668 S., € 22,70<br />
Der 12-jährige Felix lebt mit<br />
seiner Mutter Fatou in Paris.<br />
Das kleine Café seiner Mutter<br />
ist seine heile Welt, prall gefüllt<br />
mit eigenwilligen Stammgästen<br />
und ihren Schrullen. Als die<br />
lebensfrohe Fatou plötzlich<br />
depressiv wird, gerät diese Welt<br />
aus den Fugen. Nur im Senegal,<br />
dort, wo Fatous Wurzeln sind,<br />
kann sie geheilt werden. Eine<br />
kleine, feine Nachtlektüre von<br />
Eric-Emmanuel Schmitt – über<br />
Freundschaft, Zusammenhalt,<br />
Familie, und Heimat. Psychologisch,<br />
dialogisch und flott<br />
geschrieben. Beatrix Rettenbacher<br />
Eric-Emmanuel Schmitt:<br />
Felix und die Quelle des Lebens<br />
C. Bertelsmann Verlag,<br />
224 S., € 20,60<br />
Elaine erinnert sich an Kindheitsbesuche<br />
in Grönland, an<br />
die zauberhaften Worte ihres<br />
Großvaters in der Inuitsprache,<br />
ihren Jugendfreund Dallas.<br />
Jahre später ist sie scheinbar<br />
als einzige Überlebende im Eis<br />
gefangen. Ihre Erinnerung und<br />
ihre langjährigen Erfahrungen<br />
mit der Kälte helfen ihr dabei,<br />
am Leben zu bleiben. Die<br />
packende, filmische Erzählweise<br />
birgt absoluten Suchtfaktor.<br />
Was manche schon wissen,<br />
bewahrheitet sich hier erneut:<br />
Michael Stavarič gehört zu den<br />
großen Erzählern unserer Zeit.<br />
Katharina J. Ferner<br />
Michael Stavarič:<br />
Fremdes Licht<br />
Luchterhand Verlag, 208 S., € 22,70<br />
Yokoyama gilt als japanischer<br />
Stieg Larsson. Natürlich ist uns<br />
die japanische Welt wesentlich<br />
fremder als das nahe Schweden.<br />
Psychologisch steht er bei der<br />
Figurenzeichnung dem zu früh<br />
Verstorbenen um nichts nach,<br />
ist fast noch einfühlsamer.<br />
Sochiro Kaji gilt als vorbildlicher<br />
Polizist, eines Tages<br />
gesteht er, seine Frau getötet zu<br />
haben. Alzheimerkrankheit in<br />
Endstadium, sie bat ihn darum.<br />
Kazumasa Shiki glaubt nicht so<br />
recht daran und taucht tief ein<br />
in die dunkle Geschichte eines<br />
Ehepaares, für das der Tod<br />
keine Sache des Zufalls war.<br />
Robert Renk<br />
Hideo Yokoyama:<br />
50<br />
Atrium Verlag, 368 S., € 22,70<br />
2020 jährt sich der 250.<br />
Geburtstag des bekannt-unbekannten<br />
Dichters: Oh ihr<br />
Musen, singt mir … Die Poesie<br />
spricht leise, darin gleicht sie<br />
der Liebe. Und nur Liebe und<br />
Poesie helfen gegen das Klirren<br />
der Fahnen, egal ob politische,<br />
existenzielle oder religiöse. In<br />
Hölderlins Dichtung zählt der<br />
Moment, jede einzelne Wunde<br />
des Seins: Wahrlich ein Rätsel<br />
diese Texte, das Leben, der<br />
ganze Rest. Im Irrgarten der<br />
Wörter liegt die Welt, manchmal<br />
gar Heil, immer aber Abgrund<br />
und Licht. Nehmt und lest!<br />
Florian Josef Rinderer<br />
Friedrich Hölderlin:<br />
Bald sind wir aber Gesang. Eine Auswahl<br />
von Navid Kermani<br />
C.H. Beck Verlag, 256 S., € 21,20<br />
In eine fremde, exotische,<br />
bitterarme und dennoch so<br />
bunte Welt entführt uns dieser<br />
Romanerstling von Deepa<br />
Anappara, der auf einer wahren<br />
Begebenheit beruht. Eine<br />
Gruppe von indischen Slumkindern<br />
rund um den neunjährigen<br />
Jai, der zu viele Polizei-Dokus<br />
schaut, macht sich selbst auf<br />
den Weg, um das Rätsel von<br />
verschwundenen Kindern zu<br />
klären. Denn in der Welt von<br />
Jai interessiert sich niemand<br />
für verschwundene Kinder. Die<br />
Figuren sind herzzerreißend geschildert,<br />
das Leben am Bhoot-<br />
Basar schonungslos. Grandios!<br />
Robert Renk<br />
Deepa Anappara:<br />
Die Detektive vom Bhoot-Basar<br />
Rowohlt Verlag, 400 S., € 24,70<br />
Es beginnt mit einem stillen<br />
Ausbruch. Fanni, die wir schon<br />
aus einem früheren Roman<br />
von Karin Peschka kennen,<br />
lässt mit 57 ihr altes Leben<br />
zurück. Das Gefühl, in einem<br />
normalen, festgefahrenen Leben<br />
einbetoniert zu sein, lässt sie<br />
ausreißen. Sie trifft ihre Jugendliebe,<br />
schließt neue Freundschaften<br />
und landet in einer<br />
ungewöhnlichen Wohngemeinschaft<br />
auf einer Pinzgauer Alm.<br />
Ein intensiver, lebensechter<br />
Roman mit untergründigem<br />
Humor und gekonntem<br />
Sprachwitz! Unbedingte Leseempfehlung!<br />
Robert Renk<br />
Karin Peschka:<br />
Putzt euch, tanzt, lacht<br />
Otto Müller Verlag, 300 S., € 23,–<br />
Ein literarisches Debüt, über<br />
<strong>10</strong>0 Jahre alt, aber im Sound<br />
von heute und übermorgen.<br />
Getarnt als Tagebuch schreibt<br />
es an gegen tristes Leben und<br />
feiert das eigene Ich. MacLane<br />
wütet gegen marktwirtschaftliches<br />
Denken, Bigotterie<br />
und Langeweile, preist dabei<br />
Natur, (Frauen-)Liebe und<br />
Größenwahn. Dabei ist sie<br />
Feministin, Ironikerin, exakte<br />
Beobachterin. Sie träumt, hofft,<br />
bleibt realistisch, sprachlich<br />
kühn. Ach ja, und dann ist da<br />
noch der Teufel. Damals ein<br />
Skandal, heute immens wichtig.<br />
Florian Josef Rinderer<br />
Mary MacLane:<br />
Ich erwarte die Ankunft des Teufels<br />
Reclam Verlag, 208 S., € 18,50<br />
Mal ein etwas anderer<br />
Kriminalroman. Ein Mann versucht<br />
eine etwas exotische, übelriechende<br />
Pflanze zu entfernen<br />
mit einer Motorsäge, womit er<br />
sich den Hals durchschneidet.<br />
Die Rückkehr des Carbonzeitalters<br />
stürzt Europa ins Chaos.<br />
Plötzlich gibt es wieder Libellen<br />
von der Länge eines Unterarmes<br />
oder Pflanzen, die seit<br />
Hunderten von Jahrmillionen<br />
ausgestorben sind und deren<br />
Düfte Menschen betören. Ein<br />
Roman, der unter die Haut geht<br />
und einen Einblick gibt in die<br />
zukünftige Menschheit.<br />
Andrea Scheiber<br />
Christian Mähr:<br />
Carbon<br />
braumüller Verlag, 304 S., € 24,–<br />
Ein Mann präpariert tote<br />
Tiere, eine Frau bricht aus, ein<br />
Künstler entdeckt die Liebe und<br />
die Lust. Aus diesen Zutaten<br />
hat die britische Schriftstellerin<br />
Elizabeth Macneal ihren Debütroman<br />
„The Doll Factory“<br />
gemixt. Ihre Bühne ist das viktorianische<br />
London um 1850,<br />
als die erste Weltausstellung<br />
entsteht. Eine Szenerie, die sich<br />
„am Schwellenstadium zwischen<br />
Schönheit und Grauen“<br />
(S. 29) befindet. Eine Welt,<br />
von der man als Leser nicht<br />
mehr lassen will. Macneals<br />
morbid-sinnlicher Sog ist<br />
unwiderstehlich. Robert Renk<br />
Elizabeth Macneal:<br />
The Doll Factory<br />
Eichborn Verlag, 416 S., € 22,70<br />
Der Maler Raffael Sanzio<br />
ist ein Ausnahmetalent und<br />
zählt in jungen Jahren schon<br />
zu den bekanntesten Künstlern<br />
der Renaissance. Dieser<br />
lebendige historische Roman<br />
gibt uns einen tollen Einblick<br />
in eine der wichtigsten Epochen.<br />
Geprägt von Intrigen,<br />
politischen Machtkämpfen<br />
und verheerenden Feldzügen.<br />
Natürlich erfährt man viel über<br />
Kunst und die Leidenschaft des<br />
Malens und über die Freundschaft<br />
mit Leonardo da Vinci<br />
sowie Michelangelo. Auch seine<br />
persönliche Liebesgeschichte<br />
spielt eine Rolle. Andrea Scheiber<br />
<strong>No</strong>ah Martin:<br />
Raffael – Das Lächeln der Madonna<br />
Droemer Verlag, 640 S., € 22,70<br />
Jeder kennt den Kirchturm,<br />
der am Reschensee aus dem<br />
Wasser ragt, es ist ein malerischer,<br />
aber zugleich auch ein<br />
deprimierender Anblick, vor<br />
allem, wenn man die Geschichte<br />
dahinter kennt. Vor siebzig Jahren<br />
wurden die Bewohner von<br />
Graun enteignet. Ein großer<br />
Staudamm sollte gebaut werden<br />
ohne Rücksicht auf Verluste.<br />
Unsere Protagonistin Trina<br />
erzählt uns, was ihre Familie<br />
damals schmerzvoll erlebt hatte.<br />
Sehr aufwändig recherchiert<br />
und nahe an historischer<br />
Realität. Ein Roman, der mich<br />
fasziniert hat. Andrea Scheiber<br />
Marco Balzano:<br />
Ich bleibe hier<br />
Diogenes Verlag, 288 S., € 22,70<br />
Chicago 1985: Yale ist dabei,<br />
Kunstwerke für die Galerie, für<br />
die er arbeitet, zu organisieren,<br />
als in Boystown die AIDS-Epidemie<br />
ausbricht. Paris 2015:<br />
Auf der Suche nach ihrer<br />
verschwundenen Tochter wird<br />
Fiona mit ihren Erinnerungen<br />
an die Schicksalsschläge der<br />
80er konfrontiert. Aus den beiden<br />
Zeitsträngen webt Rebecca<br />
Makkai eine Geschichte über<br />
Verlust und Liebe. Ein tragisches<br />
und berührendes Buch,<br />
das es nicht umsonst auf die<br />
Shortlist des Pulitzer Preises<br />
geschafft hat. Maria Neumayr<br />
Rebecca Makkai:<br />
Die Optimisten<br />
Eisele Verlag, 624 S., € 24,70<br />
Kensington, das Drogenviertel<br />
Philadelphias, ist das Revier der<br />
Schwestern Mickey und Kacey.<br />
Während Mickey als Cop durch<br />
die Straßen patrouilliert, steht<br />
dort die drogensüchtige Kacey<br />
und wartet auf Freier. Doch<br />
dann werden Frauen ermordet<br />
und Kacey verschwindet. Mickeys<br />
Suche nach ihrer Schwester<br />
wird eine Reise in eine<br />
Vergangenheit voller Lügen und<br />
in die korrupte Welt der Polizei.<br />
Ein wunderbarer Roman, so<br />
trist und wunderschön zugleich<br />
wie Springsteens Ballade Streets<br />
of Philadelphia. Andreas Hauser<br />
Liz Moore:<br />
Long Bright River<br />
C.H. Beck Verlag, 411 S., € 25,30<br />
Hinter „Panda Tage“ verbirgt<br />
sich die Geschichte des alleinerziehenden<br />
Vaters Danny.<br />
Seine Frau starb bei einem Unfall.<br />
Der gemeinsame Sohn Will<br />
weigert sich seitdem zu sprechen<br />
und zieht sich immer weiter<br />
zurück. Danny versucht alles,<br />
um seinen Sohn wieder glücklich<br />
zu sehen, auch wenn es ihm<br />
selbst nicht allzu gut geht. Ein<br />
Pandakostüm als Seelenrettung<br />
für den Sohn als auch für den<br />
Vater. Eine berührende und<br />
humorvolle Hommage an die<br />
Liebe zwischen Vater und Sohn,<br />
die beim Leser Spuren hinterlässt.<br />
Irene Gauglhofer<br />
James Gould-Bourn:<br />
Panda Tage<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
382 S., € 20,60
Eine verschlungene, ebenso<br />
traurige wie witzige Geschichte.<br />
Serpentine für Serpentine<br />
fährt einer zurück in die<br />
Vergangenheit seiner Familie.<br />
„Urgroßvater, Großvater, Vater.<br />
Ertränkt, erschossen, erhängt.<br />
Zu Wasser, zu Lande und in<br />
der Luft.“ Es gibt Familientraditionen,<br />
die dem Leben eine<br />
Schwere mitgeben, grandios,<br />
wie Bov Bjerg diese Autofahrt<br />
mit Leichtigkeit, mit sprachlicher<br />
Brillanz füllt, ohne die<br />
Figuren auf ihrer ernsthaften<br />
Suche im Stich zu lassen.<br />
Robert Renk<br />
Bov Bjerg:<br />
Serpentinen<br />
Claassen Verlag, 267 S., € 22,70<br />
Der große Wunsch, Polizist<br />
zu werden, wird Thomas vom<br />
Freund seines Vaters Strobel<br />
erfüllt. Als 1965 ein junges<br />
Mädchen tot aufgefunden wird,<br />
ermittelt die Polizei nicht so,<br />
wie es sich der junge strebsame<br />
Thomas vorstellt. Er ermittelt<br />
auf eigene Faust und stößt<br />
auf einen gleichen Fall von<br />
1939, damals wurde auch alles<br />
vertuscht. Hat es was mit der<br />
Gestapo zu tun? Dabei sticht er<br />
in ein Wespennest und bringt<br />
einiges ans Licht. Zeitgeschichtlicher<br />
Krimi, gibt einen tollen<br />
Einblick in die Polizeiarbeit<br />
unter Hitler.<br />
Andrea Scheiber<br />
Thomas Christos:<br />
1965 – Der erste Fall für Thomas Engel<br />
Blanvalet Verlag, 399 S., € 20,60<br />
Dieser Roman spielt sowohl<br />
in der Vergangenheit als auch<br />
in der Zukunft. Solene fällt<br />
nach einem beruflichen Schlag<br />
ins Burnout. Im „Haus der<br />
Frauen“, das 1925 von Blanche<br />
Peyron für obdachlose Frauen<br />
gegründet wurde, übernimmt<br />
sie Schreibarbeiten. Geschickt<br />
wir die Geschichte über beide –<br />
wie ich finde – starken Frauencharaktere<br />
erzählt. Das Buch<br />
hat viele traurige, aber auch<br />
schöne Augenblicke. Eine langsame<br />
Geschichte mit Spannung.<br />
Schicksale der Frauen werden<br />
gekonnt verknüpft.<br />
Andrea Scheiber<br />
Laetitia Colombani:<br />
Das Haus der Frauen<br />
S. Fischer Verlag, 256 S., € 20,60<br />
Prinzipiell eine glorreiche Idee,<br />
Parade inklusive: Der Präsident<br />
will den armen Süden mit dem<br />
wohlhabenderen <strong>No</strong>rden durch<br />
eine schön gerade Asphaltstraße<br />
verbinden. Nur: Fortschritt<br />
von außen ist nicht immer das,<br />
was zu sein er vorgibt. Was<br />
dem robusten, funktionierenden<br />
Kapitän der allmächtigen<br />
Asphaltiermaschine nach<br />
vollendeter Tat durch den<br />
Kopf geht, hat Dave Eggers<br />
zu einer knappen Parabel über<br />
Entwicklungshilfe gerafft: eine<br />
nachdenklich stimmende Botschaft,<br />
dramaturgisch rasant<br />
überbracht! Bernhard Sandbichler<br />
Dave Eggers:<br />
Die Parade<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
184 S., € 20,60<br />
Schon das stilvolle Cover und<br />
der Titel erzählen die halbe<br />
Geschichte: Wir begleiten die<br />
Schriftstellerin Virginia Woolf<br />
in ihren letzten Tagen des Jahres<br />
1941. Kumpfmüller beschreibt<br />
den außerordentlichen und<br />
gleichzeitig unausstehlichen<br />
Charakter dieser einst gefeierten<br />
Schriftstellerin. Virginia kämpft<br />
mit Depression, ihrer Angst,<br />
verrückt zu werden, und der<br />
Sehnsucht nach dem Tod – ein<br />
gelungenes Buch, in dem wir als<br />
allwissende BeobachterInnen<br />
Virginia durch ihre Höhen und<br />
Tiefen begleiten.<br />
Ágnes Czingulszki<br />
Michael Kumpfmüller:<br />
Ach Virginia<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
240 S., € 22,70<br />
Grundsätzlich sollte man<br />
Krimis nicht beachten, das neue<br />
Werk von Dirk Kurbjuweit<br />
jedoch ist derart interessant,<br />
dass man getrost Prinzipien<br />
ruhen lassen kann. Haarmann<br />
erzählt den tatsächlichen Fall<br />
des spektakulärsten Serienmörders<br />
im Deutschland der<br />
1920er Jahre – und zwar aus<br />
der Perspektive des (fiktiven)<br />
Leiters der Ermittlungen. So<br />
ersteht ein Sozialpanorama<br />
der geschlagenen Nation, ihrer<br />
Verrohung und Misere, sowie<br />
das vielschichtige Charakterbild<br />
eines Weltkriegsfliegers, der hart<br />
auf dem Boden der Desillusion<br />
aufschlägt. Klaus Zeyringer<br />
Dirk Kurbjuweit:<br />
Haarmann<br />
Penguin Verlag, 320 S., € 22,70<br />
Paula, die ihren geliebten<br />
kleinen Bruder verloren hat,<br />
und Helmut, ein in die Jahre<br />
gekommener, sehr langsamer<br />
und schlecht gelaunter Herr,<br />
treffen bei einem Friedhofseinbruch<br />
aufeinander. So werden<br />
sie plötzlich zu einem nicht<br />
mehr wegzudenkenden Teil im<br />
Leben des Anderen und helfen<br />
einander dabei, sich mit dem<br />
Tod zu arrangieren. So traurig<br />
das Thema, so untröstlich die<br />
Figuren auch sind, so humorvoll<br />
und leicht ist der Schreibstil<br />
der Autorin. Und mit genau<br />
diesem bahnt sie sich den Weg<br />
in die Herzen ihrer LeserInnen.<br />
Sarah Caliciotti<br />
Jasmin Schreiber:<br />
Marianengraben<br />
Eichborn Verlag, 256 S., € 20,60<br />
Ein sehr brisantes Thema<br />
greift Jodi Picoult in ihrem<br />
neuen Buch auf, nämlich das<br />
Recht auf Leben von ungeborenen<br />
Kindern. Eines<br />
Tages wird Hugh McElroy<br />
zu einer Geiselnahme in eine<br />
Frauenklinik gerufen. Während<br />
der Verhandlungen mit dem<br />
Geiselnehmer, der fanatischer<br />
Gegner für Abtreibung ist und<br />
Vater einer Tochter, bekommt<br />
er Nachricht, dass sich auch<br />
seine Tochter unter den Geiseln<br />
befindet. Der Wettlauf mit der<br />
Zeit beginnt. Ein Buch, das sicher<br />
für Diskussionsstoff sorgt.<br />
Ein mutiges Buch.<br />
Andrea Scheiber<br />
Jodi Picoult:<br />
Der Funke des Lebens<br />
C. Bertelmann Verlag, 448 S., € 20,60<br />
Ein Buch, das nicht nur eine<br />
Geschichte erzählt, sondern<br />
auch eine hat. In Sasha Filipenkos<br />
„Rote Kreuze“ trifft<br />
Alexander, dessen Leben brutal<br />
entzweigerissen wurde, auf<br />
Tatjana Alexejewna, seine neue<br />
Nachbarin, bei der vor kurzem<br />
Alzheimer diagnostiziert wurde.<br />
Die alte Dame erzählt Alexander<br />
ihre Lebensgeschichte,<br />
die das ganze russische 20.<br />
Jahrhundert mit all seinen<br />
Schrecken umspannt. Ein einzigartiger<br />
Roman, der daran<br />
erinnern soll, dass Geschichte<br />
nicht in Vergessenheit geraten<br />
darf.<br />
Selina Kapferer<br />
Sasha Filipenko:<br />
Rote Kreuze<br />
Diogenes Verlag, 288 S., € 22,70<br />
Als Zögling im Zisterzienserstift<br />
Zwettl war Josef Haslinger von<br />
seinen Erziehern gequält und<br />
sexuell missbraucht worden.<br />
Erfahrungen, die er literarisch<br />
wiederholt verarbeitet hatte,<br />
konnte er erst jetzt jenseits der<br />
Fiktion öffentlich machen.<br />
Dabei ist „Mein Fall“ weniger<br />
Anklage oder Abrechnung als<br />
vielmehr die sorgsam rekonstruierende<br />
Annäherung ans<br />
eigene jugendliche Ich und die<br />
Reflexion über die Jahrzehnte<br />
währenden Mühen und Strategien,<br />
mit den Folgen dieser Beschädigung<br />
zurechtzukommen.<br />
Klaus Nüchtern<br />
Josef Haslinger:<br />
Mein Fall<br />
S. Fischer Verlag, 144 S., € 20,60<br />
Vor vielen Jahren wurde Nadja<br />
verurteilt, nachdem sie ein grausames<br />
Verbrechen beging. Jetzt<br />
möchte sie ein normales Leben<br />
führen, aber wieder geschieht<br />
ein Mord und eine Mörderin<br />
muss gefunden werden. In einer<br />
kleinen Hütte beginnt dann<br />
der ganze Alptraum. Wenn sie<br />
flieht, sterben andere. Als die<br />
Flucht gelingt, möchte der Entführer<br />
sich zurückholen was,<br />
ihm gehört. „ Hab dich, und<br />
jetzt spielen wir. Wir spielen Gericht.“<br />
Ein wahrlich schockierender<br />
Psychothriller, der unter<br />
die Haut geht.<br />
Andrea Scheiber<br />
Romy Hausmann:<br />
Marta schläft<br />
dtv Verlag, 351 S., € 17,40<br />
Der kleine Waisenjunge Bartholomäus<br />
ist ein Sprachentalent<br />
und soll als Dolmetscher mit<br />
den Brüdern Schlagintweit,<br />
Schüler des Alexander von<br />
Humboldt, eine Expedition<br />
durch Indien und Himalaya<br />
machen. Zwischen Steppen<br />
und Bergen, Städten, religiösen<br />
Konflikten und politischen<br />
Spannungen kommt der Junge<br />
immer wieder zum Nachdenken,<br />
wo Heimat ist. Später<br />
beschließt er, das erste Museum<br />
in seinem Land zu gründen,<br />
und seinen Platz im Leben zu<br />
finden. Ein atemberaubender<br />
historischer Reiseroman.<br />
Andrea Scheiber<br />
Christopher Kloeble:<br />
Das Museum der Welt<br />
dtv Verlag, 525 S., € 24,70<br />
Einer schreibt noch immer.<br />
Zum Glück! Helmuth Schönauer<br />
rezensiert auch in der<br />
Pension weiter und gibt uns eine<br />
literarische Rückschau auf das<br />
Jahr 2019. <strong>10</strong>0 Bücher in einem<br />
Jahr. Nicht nur gelesen! Auch<br />
rezensiert!! Unglaublich!!! Und<br />
wenn man Besprechungen des<br />
Meisterrezensenten – allerorts<br />
auch gerne zitiert – schon<br />
öfter gelesen hat, erkennt man<br />
tatsächlich, welche Bücher ihm<br />
gefallen und welche ihn eher<br />
gelangweilt haben. Aber immer<br />
schreibt er wertschätzend und<br />
sprachlich unnachahmlich. Bitte<br />
weiter so …<br />
Robert Renk<br />
Helmuth Schönauer:<br />
Buch in Pension – Hundert Rezensionen<br />
Sisyphus Verlag, 180 S., € 15,–<br />
Trevor war Chirurg in Afghanistan,<br />
nach einer Verletzung<br />
kehrt er zurück nach <strong>No</strong>rth Carolina.<br />
Er erbt das alte Cottage<br />
seines Großvaters mitsamt den<br />
Bienen und wird begeisterter<br />
Imker. Als er Nathalie, eine<br />
Polizistin, kennenlernt, findet<br />
er gleich Gefallen an ihr, sie<br />
anscheinend auch an ihm, aber<br />
immer wieder geht sie auf Distanz.<br />
Da ist die quirlige Callie<br />
ganz anders, sie liebt das Leben,<br />
weiß aber auch einiges über<br />
seinen verstorbenen Großvater.<br />
Wieder ein gelungener Nicholas<br />
Sparks.<br />
Andrea Scheiber<br />
Nicholas Sparks:<br />
Wenn du zurückkehrst<br />
Heyne Verlag, 420 S., € 20,60<br />
Es sind die 90er, die Mutter ist<br />
am Theater und der Vater<br />
bekifft im Aufnahmestudio.<br />
Charlie muss die Familie zusammenhalten<br />
und eigentlich<br />
wollte er ausziehen. Er hat<br />
Pläne, Zivi im Leuchtturm und<br />
seinen Roman. Dann passiert<br />
auch noch der Jagdunfall mit<br />
seinem Opa. Der Klappentext<br />
zum Buch verspricht eine<br />
schräge Geschichte mit viel<br />
Charme und gutem Witz. Es<br />
gibt Bücher, bei denen dieses<br />
Versprechen nicht gehalten<br />
wird, bei diesem Debüt schon.<br />
Lena Kripahle-Wiek<br />
Sebastian Stuertz:<br />
Das eiserne Herz des Charlie Berg<br />
btb Verlag, 720 S., € 22,70<br />
1896 wird Hugo von Tschudi<br />
Direktor der Berliner<br />
Nationalgalerie. Er geht bei<br />
zeitgenössischen Künstlern ausund<br />
ein und sorgt mit seinen<br />
modernen Ausstellungen für<br />
Aufregung in der Szene. Das<br />
Leben könnte wunderbar sein,<br />
wäre da nicht noch eine Hautkrankheit,<br />
die Tschudi quält.<br />
Milderung erfährt der Direktor<br />
nur im völligen Aufgehen in<br />
der Kunst. Die farbenreiche<br />
Sprache, in der Mariam Kühsel-Hussaini<br />
erzählt, ist selbst<br />
wie ein Gemälde, das sich im<br />
Lauf des Romans facettenreich<br />
fortmalt. Katharina J. Ferner<br />
Mariam Kühsel-Hussaini:<br />
Tschudi<br />
Rowohlt Verlag, 320 S., € 24,70
© Dirk Skriba<br />
Zwei<br />
Seiten<br />
derselben<br />
Poesie …<br />
Anja Utler<br />
62 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Frau Utler, Sie treten am<br />
6. Juni 2020 mit dem Tiroler<br />
Kammerorchester InnStrumenti<br />
im ORF Landesstudio auf.<br />
Dabei werden Sie Gedichte zu<br />
Kompositionen lesen, die für diesen<br />
Abend in Auftrag gegeben wurden.<br />
Text und Musik – ist das ein<br />
ungewohntes Konzept für Sie?<br />
Ungewohnt nicht, aber bisher waren meine<br />
Auftritte mit Musikerïnnen immer auch<br />
Improvisation. Beim Innsbrucker Konzept<br />
dagegen öffnen sich präzise Bühnenkompositionen<br />
für die Dichterin, wie für<br />
ein schwer kontrollierbares Element aus<br />
der nicht-musikalischen Wildnis. Schwer<br />
kontrollierbar deshalb, weil ich nicht über<br />
die musikalische Kompetenz von Orchester<br />
und Komponistïnnen verfüge. Letztes Jahr<br />
aber habe ich bei José Olivers Auftritt mit<br />
den InnStrumenti gehört, welche besondere<br />
Energie aus dieser Offenheit entstehen<br />
kann.<br />
Anja<br />
Utler<br />
Die sprachrhythmische<br />
Künstlerin nimmt<br />
es beim 6. Lyrikfestival<br />
Tirol gleich<br />
mit einem ganzen<br />
Orchester auf!<br />
Das Gespräch<br />
führte Klex Wolf.<br />
63<br />
Das hörbare Wort ist für Ihre Arbeit<br />
insgesamt wichtig. Was unterscheidet<br />
eine geschriebene Poesie von einer<br />
gesprochenen?<br />
Der zeitliche Verlauf. Beim stillen Lesen<br />
von Gedichten kann ich selbst Pausen und<br />
Wiederholungen setzen. Ich kann blättern,<br />
mich zurückziehen. Die gesprochene Poesie<br />
dagegen taucht mich in eine nicht steuerbare<br />
sinnliche Fülle. Der Text springt über<br />
als Rhythmus, Stimmklang, als Atmosphäre<br />
und Körperlichkeit. Das Hören erzeugt eine<br />
Reibung mit Sätzen und Bildern; ich kann<br />
ihnen beim Hören nicht lückenlos folgen,<br />
weil ich aus dem Sprechstrom heraustreten<br />
muss, um mit ihnen in Kontakt zu kommen.<br />
Daraus kann der Wunsch entstehen, etwas<br />
nochmal zu lesen. So wie man still Gelesenes<br />
vielleicht auch hören will. Es sind<br />
zwei Seiten derselben Poesie.<br />
Es werden in den Texten dieses<br />
Abends (6. Juni) immer wieder<br />
Figuren aus der griechischen<br />
Mythologie auftauchen. Was<br />
interessiert Sie an Daphne, Sibylle<br />
und Marsyas?<br />
Für mich waren diese Figuren vor allem<br />
geeignetes Material. Sie bringen aktuell<br />
relevante Konflikte mit, selbst wenn wir die<br />
erstmal googeln müssen. Daphne, Sibylle<br />
und Marsyas sind Figuren, die sich unter<br />
dem Druck von Gewalt in ihre Umgebung<br />
verwandeln: Daphne wird ein Baum, die<br />
Sibylle löst sich zu Stimme oder Geräusch<br />
auf, der geschändete Marsyas wird zum<br />
Fluss. Das sind quasi-ökologische Vorgänge,<br />
die mich interessieren. Unsere Sprache<br />
suggeriert uns, dass wir beobachtend,<br />
wie von außen auf die Welt blicken können.<br />
Das ist als Perspektive angenehm, stimmt<br />
aber nicht. Wir sind mit unserer Umgebung<br />
unlösbar verstrickt und davon abhängig,<br />
dass diese Verstrickung funktioniert.<br />
Die Schicksale dieser Figuren helfen, der<br />
Sprache den Luxus der Distanzierung zu<br />
nehmen.<br />
Ja.<br />
Ihr Text „brinnen“, der ebenfalls<br />
auf dem Programm steht, ist<br />
bewusst instabil. Die Textteile sind<br />
für mehrere Stimmen geschrieben,<br />
die sich überschneiden, und in<br />
immer wieder neuen Kombinationen<br />
ein Stimmengewirr erzeugen.<br />
Diese Polyphonie ist ja ein fast<br />
musikalisches Konzept?<br />
Die musikalische Polyphonie sind wir<br />
gewohnt, es ist uns vertraut, mehrere<br />
Instrumente gleichzeitig zu hören.<br />
Beim Sprechen achtet man dagegen<br />
in der Regel darauf, abwechselnd<br />
und aufeinander bezogen zu reden.<br />
Kann man sich in die sprachliche<br />
Mehrstimmigkeit einhören und<br />
eine schärfere Wahrnehmung dafür<br />
entwickeln? Oder ist Ihr Ziel die<br />
bewusste Verwirrung?<br />
Sagen wir so: Wenn ich den Bahnhof suche,<br />
brauche ich Auskunft von einer klaren,<br />
informierten Stimme. Am Bahnhof selbst<br />
aber stecke ich im Rhythmus von Durchsagen,<br />
Lärm, Stimmengewirr. Die innere<br />
sprachliche Ordnung ist für mich mehr<br />
Bahnhof als wegweisende Einzelstimme,<br />
zumindest wenn das Leben intensiv und<br />
vielleicht schwierig wird. Ich laufe auf die<br />
Sprache zu, sie soll mein Erleben einfangen,<br />
und sie ruft mir etwas zu, aber das trifft<br />
nicht. Und das löst eine Explosion aus.<br />
Es springt ein Sprachgenerator an, der<br />
von allen Seiten Sätze spuckt, um das Erlebte<br />
irgendwo zu fassen zu kriegen, ihm<br />
eine gültige sprachliche Resonanz zu geben.<br />
„brinnen“ entspringt dem Wunsch, dieses<br />
Geschehen poetisch zu reflektieren. Denn<br />
vielleicht ist das gültige sprachliche Echo<br />
genau das: die konfliktreiche, unauflösbare,<br />
springende Vielstimmigkeit.<br />
Anja Utler studierte Slawistik, Anglistik und Sprecherziehung.<br />
Sie arbeitet mit Text in Schrift und Klang<br />
und erhielt für ihre Arbeit zahlreiche Preise. Ihre Veröffentlichungen<br />
sind Bücher, teilweise mit Sprech-<br />
CDs: „münden – entzüngeln“ (2004), „brinnen“<br />
(2006), „jana, vermacht“ (2009). Der ORF sendete<br />
2007 ihr Hörstück „suchrufen, taub“. Anja Utler<br />
war Stipendiatin in Iowa und Writer-in-Residence in<br />
Ohio. Sie lebt in Regensburg und Wien.<br />
Buchtipp:<br />
Anja Utler:<br />
„münden – entzüngeln“<br />
Edition Korrespondenzen,<br />
96 S., € 17,40<br />
Veranstaltungstipp:<br />
klang_sprachen<br />
im Rahmen des<br />
6. Lyrikfestivals W:ORTE<br />
Tiroler Kammerorchester<br />
InnStrumenti & Anja Utler<br />
Sa., 6. Juni 2020 um 20:00 Uhr<br />
ORF Landesstudio – studio3,<br />
Rennweg 14<br />
Eintritt frei!<br />
Anmeldung erforderlich<br />
unter 0512 566 533 oder<br />
studio3.tirol@ORF.at.
„Old school“ & innovativ<br />
Aktuelles vom Kultursender Ö1<br />
Seit Dezember 2019 ist die Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />
die Ö1-Partnerbuchhandlung im Westen Österreichs.<br />
Dies bringt auch Vorteile für unsere Kunden. Alle<br />
Ö1-Mitglieder bekommen die Club-Ermäßigung auch in der<br />
Wagner’schen. Außerdem versorgen wir Sie laufend mit neuen<br />
Informationen über den österreichischen Kultursender. Ulrike<br />
Leitner vom ORF verrät uns die neuesten Aktivitäten von Ö1.<br />
© Markus Renk<br />
Nichts gegen Streamen …<br />
… doch etwas in der Hand zu haben, das<br />
haptische Erlebnis und die Beständigkeit<br />
eines Buchs, einer CD ist ebenso spannend.<br />
Und einmalig. Aus diesem Grund hält<br />
die Edition Ö1, das hauseigene Label des<br />
Kultursenders, an ihrer Strategie, ausgewählte<br />
Radiosendungen als physisches<br />
Produkt nochmals hörbar zu machen, fest<br />
– und bietet sie parallel im Download über<br />
die gängigen Download-Plattformen zum<br />
digitalen Verkauf an. Das Interesse der<br />
Hörerinnen und Hörer bestätigt in beidem,<br />
dem Angebot des physischen Produkts<br />
ebenso wie des Downloads.<br />
Das Ö1 Buch des Monats<br />
Ob in physischer oder digitaler Form:<br />
Als Kultursender fühlt sich Ö1 der Welt der<br />
Literatur verpflichtet. Woche für Woche<br />
stürzen sich die Fachredakteur/innen der<br />
Ö1 Kultur in zahlreiche Geschichten,<br />
Themen, Gedanken – kurzum: in Bücher.<br />
Mit mehr als 800 Sendungsbeiträgen zu<br />
Buchneuerscheinungen pro Jahr zeichnet<br />
Ö1 beim Thema Literatur federführend am<br />
österreichischen Medienmarkt. Dabei legt<br />
die Ö1 Literaturabteilung großen Wert darauf,<br />
auch Bücher abseits des sogenannten<br />
Mainstreams zu beleuchten und unseren<br />
Hörerinnen und Hörern zu präsentieren<br />
und konsequent auch Titel aus kleineren<br />
Verlagen wahrzunehmen.<br />
Es liegt also nahe und erscheint<br />
logisch, diese umfassende Recherche und<br />
Exper tise zu nutzen und schlussendlich<br />
Lese tipps an Literaturinteressierte abzugeben:<br />
Monatlich wählt die „Ex libris“-<br />
Redaktion eines der in der Ö1 Sendung<br />
„Ex libris“ aktuell besprochenen Bücher<br />
aus. Bevorzugt werden Werke, die nicht<br />
ins Bestsellerschema passen. Für die<br />
Auswahl gibt es kein Juryverfahren, das<br />
Ö1 Buch des Monats wird im offenen<br />
Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern von „Ex libris“ ermittelt.<br />
Als „Ö1 Lesetipp“ gekennzeichnet, ist<br />
das jeweilige Werk im gut sortierten Buchhandel<br />
erhältlich.<br />
Ö1 intro<br />
Wie gesagt: Nichts gegen das Streamen;<br />
und schon gar nichts gegen das Lesen –<br />
aber auch gemeinsam etwas echt zu erleben<br />
ist spannend und einmalig. Darum hat sich<br />
Ö1 etwas für seine jüngere HörerInnenschaft<br />
überlegt: Ö1 intro, der neue Club<br />
für alle unter 30-Jährigen, bietet seinen<br />
Mitgliedern besonders hohe Ermäßigungen<br />
bei Ö1-Kulturpartnern unabhängig von<br />
Schul- und Student/innenausweisen,<br />
spannende Erlebnisse und die Teilnahme<br />
an zukunftsweisenden Veranstaltungen. Ö1<br />
intro-Mitglieder sind Teil eines Clubs, der<br />
Ö1 mit eigenen Sendungen und Events eine<br />
Stimme gibt und dazu einlädt, Kunst und<br />
Kultur mit Freund/innen zu teilen. Im Jänner<br />
startete die neue Sendung „Ö1 intro“,<br />
in der die Ideen von jungen Menschen einen<br />
fixen Platz in Ö1 haben. Jeden Sonntag<br />
um 17.55 Uhr sind in der Sendung Veranstaltungstipps<br />
aus Kunst und Kultur zu<br />
hören. Für die Entwicklung und Gestaltung<br />
der Sendung konnten junge Studierende der<br />
FH St. Pölten gewonnen werden, die sich<br />
mit der Frage auseinandergesetzt haben,<br />
wie man Kultur und Kulturveranstaltungen<br />
für junge Menschen im Radio spannend<br />
und unkonventionell aufbereiten kann.<br />
Mit innovativen Zugängen, gründlicher<br />
Recherche und großem gestalterischen<br />
Können schaffen die Studierenden kleine<br />
Radiokunstwerke, die dem Publikum Lust<br />
auf aktuelle Veranstaltungen in der österreichischen<br />
Kulturszene machen sollen.<br />
<strong>No</strong>ch bis 31.3.2020 läuft die Aktion „3<br />
zu 0“: Bei Anmeldung zu dritt erhalten alle<br />
drei Personen die Ö1 intro-Mitgliedschaft<br />
für ein Jahr gratis.<br />
https://oe1.orf.at/intro<br />
Reparatur der Zukunft<br />
Ebenfalls im Jänner 2020 hat Ö1 eine<br />
multimediale Ideensammlung gestartet.<br />
Die „Reparatur der Zukunft“ ist für Ö1<br />
eine ganzjährige Initiative, getragen von<br />
zwei Prinzipien: Hoffnung und Innovation.<br />
Zur Teilnahme eingeladen sind Menschen<br />
ab 20 Jahren, die in kurzen Videoclips<br />
vorstellen, was sie neu und anders machen.<br />
Im Fokus steht eine Generation, für die<br />
das Internet niemals neu war und die im<br />
Schatten der Erderwärmung erwachsen<br />
wurde. Gefragt ist alles, was Impulse zur<br />
Veränderung setzt und die Zukunft im Jetzt<br />
reparieren will – selbstgemacht, selbstorganisiert<br />
und selbstgedacht. Innovative<br />
Ideen, Konzepte oder bereits realisierte Projekte,<br />
die Probleme erkennen und Lösungen<br />
anbieten: von Klimaschutz und Armutsbekämpfung,<br />
über Sharing-Initiativen und<br />
Partizipation, bis zu Bildung, Ernährung,<br />
Musik und künstlerische Performances.<br />
Mit der Programminitiative „Reparatur<br />
der Zukunft“ will Ö1 den Ideen der<br />
20- bis 30-Jährigen mehr Raum geben<br />
und sich deren Fragen stellen. Kick-off<br />
für die „Reparatur der Zukunft“ waren<br />
die Schwerpunkttage im Jänner, in denen<br />
zahlreiche Ö1-Sendungen das Themenfeld<br />
aufbereiteten. Spielerisch via Augmented-<br />
Reality-Spiel auf dem Smartphone echte<br />
Bäume pflanzen, schmackhafte Burger<br />
aus Insektenproteinen zubereiten oder<br />
Schuhe mit Sensoren ausstatten, die<br />
blinden Menschen den Weg weisen –<br />
all diese Ideen sind bereits umgesetzt, von<br />
jungen Menschen, die sich über die Gesellschaft<br />
von morgen Gedanken machen.<br />
Ö1 startet einen Generationendialog über<br />
die Gesellschaft von morgen – im Radio<br />
und auf seinen Social-Media-Kanälen.<br />
Gesucht wird nach dem Zukunftspotenzial<br />
Österreichs, gefördert wird ein Klima, in<br />
dem Ideen zur „Reparatur der Zukunft“<br />
gedeihen können.<br />
Hörtipps:<br />
Torberg/Heltau:<br />
Der Schüler Gerber<br />
4 CDs<br />
€ 36,20 (Ö1 Club: € 32,58)<br />
Margarethe<br />
Engelhardt-Krajanek:<br />
Gefühle<br />
1 CD<br />
€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Viola Hammer:<br />
Places<br />
1 CD<br />
€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Lukas Resetarits:<br />
Wurscht<br />
2 CDs<br />
€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />
Die Geschichte der I. Republik,<br />
erzählt von Dr. Heinz Fischer<br />
4 CDs<br />
€ 36,20 (Ö1 Club: € 32,58)<br />
Hugo Portisch:<br />
Wie man die Welt erklärt<br />
1 CD<br />
€ 18,<strong>10</strong> (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Andreas Vitásek:<br />
Austrophobia<br />
1 CD<br />
€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />
<strong>No</strong>rbert Zehm<br />
in der Edition Zeitton<br />
1 CD<br />
€ 14,50 (Ö1 Club: € 13,04)
Sardinien<br />
zwischen<br />
zwei Buchdeckeln<br />
Darf’s ein<br />
bisschen<br />
mehr sein?<br />
Wir werden<br />
noch<br />
stärker …<br />
Autorinnen und Autoren<br />
dieser Ausgabe<br />
Spezielle Bücher und vor allem Karten<br />
und Reiseführer über Sardinien kann man<br />
ab sofort auch in unserem Partnershop<br />
Sardinienprodukte erwerben.<br />
Vor rund einem halben Jahr packten<br />
Michael und Thomas Carli die Sachen<br />
in der Pradler Straße und übersiedelten<br />
ihren florierenden Laden in die Ursulinenpassage.<br />
Von 17 m 2 auf 90 m 2 erweiterten<br />
die zwei ihren Laden und verkaufen dort<br />
wunderbare sardische Spezialitäten, die sie<br />
selbst – bei rund 4 bis 5 Einkaufstouren<br />
auf der Insel – einkaufen. Und nun eben<br />
auch Bücher …<br />
Bücher<br />
<strong>Stierle</strong><br />
Team<br />
© Robert Renk<br />
Aber gerne. Seit Kurzem gibt es nun<br />
auch das „UND – Heft für Alternativen,<br />
Widersprüche und Konkretes“ bei uns in<br />
der Wagner’schen zu kaufen. Das UND<br />
ist ein <strong>Magazin</strong>, das einlädt, sichtbar zu<br />
werden und sich zu vernetzen – partizipativer<br />
Raum und Sprachrohr im<br />
Printformat. Und das alles um € 5,–. Ein<br />
ebenso konzentriertes, wie buntes, heimisches<br />
<strong>Magazin</strong>. Jung, frech und fundiert!<br />
Pro Jahr erscheinen 2 Ausgaben.<br />
www.undheft.at<br />
undheft@diebaeckerei.at<br />
© Robert Renk<br />
Ab Mai wird Gerlinde Tamerl, die in<br />
den vergangenen zwei Jahren als Kulturredakteurin<br />
bei der Tiroler Tageszeitung<br />
gearbeitet hat, Markus Renk in der<br />
Geschäftsführung der Wagner’schen<br />
Buchhandlung verstärken. Die promovierte<br />
Kunsthistorikerin und Jurorin der<br />
ORF-Bestenliste war bereits fünfzehn<br />
Jahre lang als Pressesprecherin im Haymon<br />
Verlag tätig und kehrt mit ihrem<br />
Wechsel in die Wagner’sche wieder in die<br />
Buchbranche zurück. Schon vor mehr<br />
als einem Jahrzehnt gestalteten Renk und<br />
Tamerl gemeinsam ein Leseförderungsprojekt<br />
am Welttag des Buches. Seither<br />
kreuzten sich ihre beruflichen Wege<br />
immer wieder, sei es auf Buchmessen,<br />
Lesungen oder bei gemeinsam geleiteten<br />
Fortbildungsveranstaltungen. Gerlinde<br />
Tamerl sagt: „Früher haben Markus<br />
Renk und ich immer darüber gescherzt,<br />
dass wir ein gutes Team wären. Nun<br />
freue mich, mit ihm und seinen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern künftig<br />
in dieser fabelhaften Buchhandlung zu<br />
arbeiten.“<br />
© Wagner’sche<br />
Christina Alexandridis, geboren und aufgewachsen in Heidelberg,<br />
absolvierte das Studium der Theaterwissenschaft und<br />
Romanistik an den Universitäten in Erlangen und Berlin.<br />
Mit Johannes Reitmeier wechselte sie als Chefdramaturgin<br />
an das Pfalztheater Kaiserslautern. Seit der Spielzeit 2012/13<br />
ist sie in gleicher Position am Tiroler Landestheater tätig.<br />
Sarah Caliciotti, gelernte Buchhändlerin und Komparatistin,<br />
Redakteurin des Kulturmagazins komplex und derzeit<br />
Ausstellungsassistentin im Tiroler Landesmuseum. Immer<br />
wieder im Bereich der Dramaturgie und Regieassistenz tätig.<br />
Clemens Bruch, geboren 1965 in Hall in Tirol, Matura am<br />
Gymnasium in Hall i.T., Abiturientenlehrgang an der HAK<br />
Innsbruck, langjähriger Geschäftsführer der Firmen A.<br />
Riepenhausen Gmbh & Co KG, Hall i.T. und Max Jeggle<br />
GmbH & Co KG, Innsbruck, seit 2019 mit Jeggle Kartenladen<br />
in der Wagner’schen.<br />
Michael Carli, gelernter Kulturvermittler (u. a. Utopia,<br />
Bierstindl), Werber und Lebensmittelhändler. Lebt in<br />
Innsbruck, liebt Sardinien.<br />
Ágnes Czingulszki, 1987 geboren in Baja (Südungarn), lebt<br />
– nach einigen Stationen in Europa – nun als Journalistin<br />
und Autorin in Innsbruck. U. a. „ich dachte an siracusa“<br />
(ed. Exil)<br />
Claudia Daxner, Lehrerin für Deutsch und Sport am BRG<br />
in der Au, auch Rhetoriktrainerin, Theater-Fördererin und<br />
Unterrichtende am Institut für LehrerInnenbildung und<br />
Schulforschung. Seit Kurzem Oberstudienrätin.<br />
Katharina J. Ferner, lebt als Poetin und Performerin in<br />
Salzburg. Jüngste Veröffentlichung: „nur einmal fliegenpilz<br />
zum frühstück“, Limbus 2019.<br />
Martin Fritz, geboren 1982, studierte Vergleichende<br />
Literaturwissenschaft und Deutsche Philologie in Innsbruck,<br />
hört sich in seiner Freizeit gerne DJ Patex’ Coverversion des<br />
Songs „I Wish I Was Him“ an. War Teil der 1. Innsbrucker<br />
Lesebühne „Text ohne Reiter“, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne<br />
„FHK5K“.<br />
Irene Gauglhofer ist erst seit Kurzem Teil der Wagner’schen<br />
Buchhandlung und in den Abteilungen Literatur und Fachbuch<br />
sowie in der Abo-Abteilung zu finden.<br />
Klaudia Grünfelder, 1995 im schönen Südtirol geboren, ist<br />
gelernte und leidenschaftliche Buchhändlerin und hat immer<br />
ein Buch in der Tasche.<br />
Andreas Hauser erbte die Liebe zur Kriminalliteratur von<br />
seinem Vater, schrieb lang im Tiroler <strong>Magazin</strong> ECHO Beiträge<br />
zu Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen von<br />
Krimis, Thrillern und Literatur. Seit 2015 Mitarbeiter und<br />
CP-Redakteur der KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />
Bernhard Helminger ist Verlagsleiter des Colorama Verlags<br />
und war Inhaber der Buchhandlung <strong>Stierle</strong>. Er ist Vorstandsmitglied<br />
sowie Stadionsprecher des Fußballklubs SAK 1914.<br />
Zwei Mal pro Jahr liefert sich Helminger ein Bücher-Battle<br />
mit der Autorin Mareike Fallwickl.<br />
Selina Kapferer ist seit letztem Jahr fix im Team der Wagner’schen.<br />
Wenn sie demnächst aus der Berufsschule aus St.<br />
Pölten zurückkommt, wird man sie in der Literaturabteilung<br />
finden.<br />
Markus Köhle (geboren 1975, Nassereith) ist Sprachinstallateur,<br />
Literaturzeitschriftenaktivist und Papa Slam<br />
Österreichs. Er schreibt, um gehört zu werden, ist aber auch<br />
da und dort zu lesen. Aktuell: „Rohrköhlauer – Foto-Text-<br />
Interferenzen“ (Sonderzahl 2019); www.autohr.at<br />
Lena Kripahle-Wiek, Buchhändlerin im Mutterschutz und<br />
seit Neuestem verheiratet. Neben Nähen von Babykleidung<br />
immer noch süchtig nach Büchern und Hörbüchern.<br />
Maria Neumayr, geboren 1994, studierte Germanistik<br />
und Anglistik in Innsbruck. Liebt Bücher so lange sie sich<br />
zurückerinnern kann und ist, wenn sie nicht gerade liest, in<br />
der Kinderbuch- und Ratgeberabteilung der Wagner’schen<br />
zu finden.<br />
Klaus Nüchtern, österreichischer Journalist und Meisterrezensent.<br />
Seit 1989 schreibt er für die Wiener Stadtzeitung<br />
Falter, wo er von 1990 bis 2015 das Kulturressort leitete.<br />
Seine populäre wöchentliche Kolumne „Nüchtern betrachtet“<br />
(mit einem auf dem Rücken liegenden Tapir als<br />
eigenem Maskottchen) erscheint auch in Buchform. U. a.<br />
Fachmann für Heimito von Doderer und Buster Keaton.<br />
José F.A. Oliver, geboren 1961 in Hausach (Schwarzwald).<br />
Ausgezeichnet u. a. mit dem Basler Lyrikpreis (2015). Er ist<br />
Kurator des von ihm initiierten Literaturfestivals Hausacher<br />
LeseLenz. Soeben erschien, gemeinsam mit Mikael Vogel,<br />
der Gedichtband „zum Bleiben, wie zum Wandern – Hölderlin,<br />
theurer Freund / 20 Gedichte und ein verzweifeltes Lied.<br />
Robert Prosser, geboren 1983 in Alpbach/Tirol, lebt dort<br />
und in Wien. Studium der Komparatistik und Kultur- und<br />
Sozialanthropologie. Aufenthalte in Asien, in der arabischen<br />
Welt, am Balkan und in England. Früher Mitglied der ersten<br />
Tiroler Lesebühne text ohne reiter. Zuletzt erschien „Gemma<br />
Habibi“ (Ullstein fünf).<br />
Joe Rabl, Lektor, Moderator und – gemeinsam mit<br />
Birgit Holzner – Organisator der Innsbrucker<br />
Wochenendgespräche.<br />
Markus Renk, seit 33 Jahren in der Buchbranche. Fachgruppen-Obmann<br />
der Buch- und Medienwirtschaft Tirol<br />
und seit Oktober 2015 neuer Chef der Wagner’schen.<br />
Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter. Gastdozent<br />
an der Uni Innsbruck. Sortimentsleiter in der<br />
Wagner’schen. Gibt das Wagner-<strong>Magazin</strong> heraus.<br />
Beatrix Rettenbacher, geboren 1969, ist in Tirol aufgewachsen.<br />
Nach dem Kunststudium an der Angewandten<br />
in Wien war sie Texterin bei Demner, Merlicek & Bergmann<br />
und bei Scholz & Friends in Hamburg. Seit 2000 betreibt sie<br />
gemeinsam mit Heidi Sutterlüty-Kathan das Gestaltungsbüro<br />
Weiberwirtschaft in Innsbruck.<br />
Nina Rettenbacher brachte uns der Koch- und Gärtnerhimmel<br />
in die Wagner’sche. Erste Stadtgärtnerin und<br />
grandiose Köchin & Gastgeberin im 1. Stock.<br />
Andrea Scheiber, seit 1992 in der Wagner’schen Buchhandlung,<br />
betreut Krimi, Romantik, und Reise. Liebt die<br />
Natur, Handarbeiten und liest natürlich gern.<br />
Siljarosa Schletterer studiert u. a. Musikwissenschaft<br />
(partiell Literaturwissenschaft); schreibt Rezensionen und<br />
Kritiken in verschiedenen <strong>Magazin</strong>en; feiert den Widerstand,<br />
die Kunst und die Poesie; u. a. Moderation der Lyriksendung<br />
„wortflair“ auf freirad.<br />
Bernd Schuchter, geboren 1977, studierte unter anderem<br />
Geschichte und Philosophie an der Universität Innsbruck.<br />
Autor und Verleger (Limbus Verlag). Zuletzt erschienen:<br />
„Aufwachsen in Innsbruck“ (Wagner’sche) und „Rikolas<br />
letzter Auftritt“ (Braumüller).<br />
Carmen Schwarz, gebürtige Salzburgerin. Der Literatur seit<br />
Dem kleinen Gespenst verfallen. Mag Bücher und liebevoll<br />
über ihre Cover zu streichen und vor allem sich darüber<br />
auszutauschen. Durfte schon in vielen Buchhandlungen Erfahrungen<br />
sammeln und ist nun als Geschäftsführerin bei der<br />
Buchhandlung <strong>Stierle</strong> angekommen.<br />
Othmar Tamerl war viele Jahre im Bankenbereich tätig und<br />
hat sich vor allem als Experte im IT-Bereich etabliert. Als<br />
Lektor unterrichtet er auch an verschiedenen Fachhochschulen<br />
in Tirol. Seit 1. Jänner 2020 neuer Geschäftsführer<br />
des BFI Tirol.<br />
Helena Töchterle studiert Philosophie in Innsbruck und<br />
arbeitet seit Weihnachten 2018 in der Wagner’schen. Zu<br />
finden ist sie in der Wissenschaft. Sie engagiert sich stark<br />
und erfolgreich in der Kommunalpolitik, u. a. als Stadtleiterin<br />
der ÖVP-Frauen.<br />
Marlene Walder, geboren 1994. Seit 2013 in der Wagner’-<br />
schen. Steckt hinter den Blind Dates und ist seit <strong>No</strong>vember<br />
2017 Abteilungsleiterin für Ratgeber und Kinderbuch.<br />
Klex Wolf, geboren 1968. Musiker und Komponist,<br />
Vizeobmann von 8ungKultur und beim Tiroler Kammerorchester<br />
InnStrumenti u. a. für die Reihe klang_sprachen<br />
verantwortlich.<br />
Stefan Wolf, geboren 1970, Studium der Gitarre an der<br />
„Academy of Contemporary Music“ in Zürich. Musste<br />
seinen 30er erreichen um festzustellen, dass nicht nur Jazz<br />
und Neue Musik erstrebenswert sind. Seitdem arbeitet er begeistert<br />
daran, sein stilistisches Repertoire zu erweitern, und<br />
darf dies auch in etlichen Ensembles praktizieren.<br />
Jenni Zeller, geboren 1993. Von klein auf passionierte<br />
Sprachliebhaberin. Liebt Bücher, Zeichnen, Wandern und<br />
Kanada. Studiert im Master Konferenzdolmetschen und<br />
Philosophie. Freiberufliche Journalistin bei der Oberländer<br />
Rundschau, seit Februar 2019 in der Wagner’schen daheim.<br />
Klaus Zeyringer war Univ.-Prof. für Germanistik in Frankreich.<br />
Ist Literaturkritiker insbesondere für Der Standard<br />
(Wien), Jurymitglied der „ORF-Bestenliste“; Bücher zuletzt:<br />
(mit Stefan Gmünder) Das wunde Leder (Suhrkamp 2018)<br />
und (mit M. Sommer und H. Uhl) <strong>10</strong>00 x Österreich (Haus<br />
der Geschichte – Kremayr & Scheriau).<br />
Florian Josef Rinderer, geboren in einem seitentalverzweigten<br />
Seitental, hat Berge gegen Berge getauscht, um in Innsbruck<br />
zu leben. Schreibt nur seriöseste Kürzestbiographien.<br />
© Daniel Strzecki<br />
Susanne Pöllmann, Carmen Schwarz,<br />
Susanna Pristovnik-Schwarz<br />
und Stefanie Baier<br />
Bücher seit 1639<br />
67<br />
Anna Rottensteiner, Autorin und Leiterin des Literaturhauses<br />
am Inn. Publikationen: „Lithops. Lebende Steine“ (2013),<br />
„Nur ein Wimpernschlag“ (2016) – beide ed. laurin.<br />
Bernhard Sandbichler, geboren 1965, studierte Germanistik<br />
und Romanistik in Innsbruck und Besançon. Literaturvermittler<br />
und Sprach-Therapeut.
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Museumstraße 4<br />
6020 Innsbruck<br />
T. +43 512 59505 0<br />
info@wagnersche.at<br />
www.wagnersche.at